Mittwoch, 30. April 2008

Politisches Kabarett, Teil III

FDP-Steuerexperte Hermann Otto Solms befürchtet, dass durch eine Manager-Steuer der Standort Deutschland geschwächt werden würde, "weil es ein solches Vorgehen in anderen Ländern nicht gibt". (Süddeutsche Zeitung)
Und weil die ganzen Manager dann ins Ausland gehen. Ne, klar.

Informationsportal

Die meisten meiner Leser dürften sich fast zwangsläufig für die 1970er Jahre interessieren, auch wenn sie das selbst noch nicht wirklich wissen. In diesem "Jahrzehnt des historischen Widerspruchs" sind nämlich viele Weichen gestellt worden für die Probleme und Chancen für heute. Historisch haben die 1970er natürlich auch noch viele andere Facetten zu bieten, aber hier interessiert uns natürlich vor allem ersteres. Da die 1970er Jahre (die in der Geschichtsforschung meist zwischen 1968 und 1982 verortet werden; die "langen 1970er" im Vergleich zu den "kurzen 1980ern" 1982-1989) in der aktuellen Debatte besonders von Springer- und CDU-nahen Medien gerne dämonisiert werden und "Historiker" wie Götz Aly ihre undifferenzierten, aufmerksamkeitsheischenden Thesen verbreiten dürfen, sind echte Informationen rar gesät, da die Geschichtsforschung sich der 1970er gerade erst annimmt.
Mit eine Pionierstellung nimmt dabei das Seminar für Zeitgeschichte in Tübingen ein, wo besonders Professor Anselm Doering-Manteuffel forciert seit 2006 an der Geschichte der 1970er Jahre forscht. Im Rahmen (bislang) zweier Hauptseminare und mehrerer Vorlesungen hat er die Ergebnisse auch den Studenten näher gebracht und teilweise diese auch aktiv teilhaben lassen. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist das Internetportal "Profile der 70er", das über den Zeitraum des Wintersemesters 06/07 und des Sommersemesters 07 entstand. Einer der Beiträge dort ist auch von mir, aber den müsst ihr schon selber finden ;) Viel Spaß beim Lesen!

Fundstücke 30.04.2008

Heute wieder ein Batzen Fundstücke :

Die NDS erklären wieder einmal die Rente.
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Die taz analysiert SPD und Bahnprivatisierung.
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In einem Interview äußert sich DGB-Vorsitzender Wolfgang Uellenberg van Dawen kritisch über Hartz-IV und bietet einige Verbesserungsvorschläge an, die auch Neoliberalen gefallen dürften.
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Wallraff recherchiert wieder, dieses Mal: Billigbäcker.
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Eine neue Initiative versucht, mehr Geld ins Bildungssystem zu pumpen. Es bleibt noch die Frage, wie sich das entwickeln wird.
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Der Spiegelfechter nimmt argumentativ und sachlich die Demographiedebatte auseinander. Absolut lesenswert!
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Interessantes Interview mit Harald Schumann in zwei Teilen: Teil 1 und Teil 2.
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Dienstag, 29. April 2008

Politisches Kabarett, Teil II

Hah, ich muss blind gewesen sein! Wir haben sogar eine richtige Komikertruppe. Zu Steinmeier hat sich nun auch Wolfgang Schäuble gesellt:
Die recht zufallsgesteuerte virtuelle Mund-zu-Mund-Propaganda ist der vielleicht wichtigste Informationsfilter im Internet. Wilde Gerüchte, schrille Selbstdarsteller und radikal zugespitzte Thesen haben dabei gute Chancen, sich gegen seriöse Konkurrenz durchzusetzen.

Ein Beispiel dafür: Als der Hurrikan Katrina in New Orleans wütete, hat ein Blogger auf einer reichweitenstarken Online-Plattform das Gerücht in Umlauf gebracht, dass verzweifelte Einwohner menschliche Leichen essen würden, um nicht zu verhungern. Die Nachricht hat sich in Windeseile über die ganze Welt verbreitet, obwohl sie nach kurzer Zeit von den Betreibern der Seite wieder vom Netz genommen worden war.

Angesichts der Anfälligkeit der Internetkommunikation für die Verbreitung von Gerüchten sollten Zeitungen auf ihre eigenen Stärken setzen. Das wohl wichtigste Pfund, mit dem sie wuchern können, ist eine hohe Glaubwürdigkeit ihrer Berichterstattung. Die darin liegende Chance gilt es zu erhalten. In Zeitungen arbeiten Nachrichtenexperten, die unabhängig und recht zuverlässig – der einen oder anderen Zeitungsente zum Trotz – einschätzen können, was Fakt ist und was Fiktion. Sie vertreten keine Lobbyinteressen. Sie treffen eine am aktuellen Diskussionsstand orientierte Auswahl interessanter Nachrichten, recherchieren kompetent die Hintergründe und erklären die Auswirkungen für die Betroffenen. Sie machen transparent, wo der Sachstand aufhört und der Kommentar anfängt. (Bundesministerium des Inneren)
Ich glaube, die komplette Rede wäre ein Gegenstand für eine detailliertere Analyse, aber dafür fehlt mir gerade die Zeit. Trotzdem: ganz großer Komiker, der Herr Schäuble.


Politisches Kabarett

Ich beschwere mich ja immer darüber, dass wir in Deutschland kein vernünftiges politisches Kabarett haben (so wie die Daily Show in den USA). Aber ich liege falsch. Wir haben doch eines, ein richtig offizielles, sozusagen. Frank-Walter Steinmeier nämlich.
Auch die anderen Ausgeschlossenen können Schwarz-Grün etwas Positives abgewinnen. So zum Beispiel Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Natürlich ist das für uns eine Chance", sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. "Ich empfehle der SPD: Lamentieren wir nicht über Schwarz-Grün. Wir können unseren Kurs für Wachstum und Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit dadurch noch besser herausstellen." (Süddeutsche Zeitung)
Man muss dem Mann lassen, er hat Humor.



Der gesunde Mittelweg

In den letzten 25 Jahren konnte man einen beispiellosen Siegeszug der neoliberalen Ideologie beobachten. Seit der "geistig-moralischen Wende" von 1982 ist sie effektiv unwidersprochen, hat Einzug gehalten in nahezu alle Bereiche der Gesellschaft. Ihr Gott ist so sehr der Markt wie es den "Realsozialisten" des Ostblocks und ihrer Planwirtschaft der Staat war, und genauso kritikresistent und blind wie diese sind sie auch. Der Vergleich drängt sich tatsächlich auf, auch wenn historische Vergleiche für gewöhnlich mit dem Makel der geringen Aussagekraft behaftet sind. Denn die Führer beider Systeme beharrten auf dem Erfolg dieses Systems, als Verrottungserscheinungen bereits überall zu sehen waren, als das Gebälk knirschte und krachte. Mit Hilfe der ihnen durch undemokratischen Einfluss (Geld oder Gesetze) zugefallenen Medien versuchten sie, die Mehrheit des Volkes bei der Stange zu halten.
Seit die Kritik stärker und vehementer wird und die offensichtlichen Fehlannahmen augenscheinlich werden, hört die Vergleichbarkeit bereits auf, denn Schießbefehl und Mauerbau gibt es im kapitalistischen System gottlob nicht. Wiewohl bleibt aber der immer aggressivere Ton in der Verteidigung der scheiternden Ideologie, der Versuch, Kritiker zu diffamieren und das Fehlen einer ernsthaften, intelligenten und konstruktiven Debatte - eine solche würde die ganze argumentative Schwäche der Verteidiger des zusammenfallenden Systems auch nur offenlegen.
Nun aber stellt sich die Frage - was stattdessen? Wollen wir einen neuen Anlauf im Sozialismus wagen, in der vagen Hoffnung, dass es dieses Mal schon besser funktionieren wird? Wollen wir versuchen, eine Reihe von Gesetzen und Beschlüssen zu verabschieden, von denen die Hälfte gegen die Wettbewerbsbestimmungen der EU verstößt und die andere Hälfte der Wirtschaft den Hahn abdreht, wenn auch zugunsten eines kurzfristigen Wohlstandsflusses hin zu den unteren Schichten?
Wohl kaum. Aber die Alternativlosigkeit, welche die neoliberale Ideologie für sich reklamiert, ist eine Illusion. In einem sehr intelligenten Artikel in der Frankfurter Rundschau analysiert Robert von Heusinger die aktuelle Problematik rund um die Spekulanten, die gerade die neuen Hungersnöte mitzuverantworten haben. Er wehrt sich entschieden gegen die Regulierungsversuche eines mithin enthemmten Spekulantenmarkts, gegen Verbotsversuche und andere Einschränkungen. Vielmehr ruft er dazu auf, "Sand ins Getriebe" zu streuen. Was meint er damit?
Gemeint ist, dass viele Spekulationsvorgänge viel zu billig sind. Würden diese (wieder) teurer, würden automatisch die schädlichen Spekulationen nachlassen. Denn nicht zu Unrecht weist von Heusinger darauf hin, dass nicht alle Spekulation schädlich ist. Gerade am Rohstoffmarkt sind zur Spekulation freigegebene Ressourcen preisstabiler geblieben als solche, auf die nicht spekuliert wird.
Diese Annahme lässt sich problemlos auch auf andere Branchen übertragen. Seit den 1970er Jahren existiert eine Idee zur Lösung der unzweifelhaft vorhandenen Gefahr der Währungsspekulation, die 1997 zu einer der verheerendsten Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit führte - ein Mahnmal, das zu denken geben sollte. Bei dieser Lösung handelt es sich um die Tobin-Steuer. Auch in anderen Bereichen kann es bereits ausreichend sein, Sand ins Getriebe zu streuen, um unerwünschte Effekte auszubremsen. Die Abschaffung der Steuerfreiheit von Gewinnen bei Firmenveräußerungen, die die rot-grüne Regierung eingeführt hatte und die in Folge zu einem massiven Aufkauf von gut laufenden Firmen und deren schnellem Ruin und Zerstückelung führte, wäre ein weiteres Beispiel.
Ich halte diese indirekten Regulierungsmaßnahmen für den gesunden Mittelweg. In Gesetzesform gegossene Regularien und Verbote sind in ihrer Absolutheit eher schädlich, da sie auch positive Effekte von Phänomen ausblenden, die unzweifelhaft vorhanden sind (es gibt sicher auch Unternehmen, die durch die Einmischung von Hedge-Fonds profitiert haben). Stattdessen kann man mit der Wirtschaft in ihrer eigenen Sprache und auf Augenhöhe verhandeln, und ihre Sprache ist nun einmal der Profit. Diesen in einem bestimmten Bereich bewusst zu schmälern ist eine klare Aussage, ihn in anderen zu erhöhen ebenso. "Reformen" wie die Merz'sche "Bierdeckelsteuer" stehen einem solchen progressiven Mittelweg allerdings im Weg. Die Abschaffung von Subventionen ist in manchen Bereichen sicherlich ein vernünftiges Ziel, jedoch sie einfach ganz zu verteufeln - wie es die neoliberale Ideologie leider immer wieder tut - ist unvernünftig. Es braucht durchdachte Lösungen, und diese sind tatsächlich beim Wähler schwerer zu vermitteln als ein einfaches Verbot - das sieht man auch wieder bei der Debatte um Managergehälter. Nichts desto trotz müssen die politischen Parteien gerade hier den Mut für progressive Lösungen aufbringen, anstatt ihren Mut darin zu erschöpfen, sich von der Wirtschaft bestechen zu lassen und Reformen gegen ihre Wähler zu initiieren. Dazu ist manchmal auch Vergangenheitsbewältigung nötig, wie Beck und Steinmeier gerade beweisen.
Es gibt also viel zu tun - nun braucht es jemanden, der es anpackt. Ich halte wider aller Ereignisse der letzten Zeit die SPD gerade für die Kraft, die diese progressiven Reformen durchführen kann - flankiert und ständig kontrolliert von einer starken LINKEn, die ihr die Themenwahl wie bislang aufzwingt und die SPD aus der tödlichen Umarmung von CDU und FDP löst. Aber das ist ein anderes Thema.

Montag, 28. April 2008

Fundstücke 28.04.2008

In der FR finden sich gleich zwei Artikel, die man einem nur ans Herz legen kann (Lesebefehl!): einmal zum Thema Begrenzung von Managergehältern und einmal Fachkräftemangel. Unbedingt lesen!
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Die NDS berichten über einen Sammlungsaufruf der Linken in Frankreich. Interessant eigentlich nur wegen der Beziehung zum New Deal.
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In der SPD herrscht miese Stimmung: bleiben die Ergebnisse wie sie sind, verliert ein Drittel sein Mandat. Stern und Michael Schöfer schreiben darüber.
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Michael Schöfer lässt sich bei der Gelegenheit auch gleich über die neuesten Blüten im Antiantiterrorkampf aus.
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Sieg gegen CDU und Springer.
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Wolfgang Clement und die Meinungsfreiheit

Nachdem er mit einer Rüge davongekommen ist, hat Wolfgang Clement die Äußerungen, für die er gerügt wurde, gleich noch einmal wiederholt. Nun soll Berufung eingelegt werden, um ihn doch noch aus der Partei zu werfen. Clement legt zu dem Anlass gleich noch einen drauf und meint, er sei froh, dass Ypsilanti verloren hätte, weil sonst keine neuen Kohlekraftwerke mehr in Hessen gebaut würden. Und poltert los, dass er auch das Recht auf freie Meinungsäußerung hätte.
Abgesehen davon, dass Clement einfach nur ein korruptes /§T%")&§ ist, ist das Argument von der Meinungsfreiheit grotesker Unsinn. Ein Manager von Daimler-Benz, der zum Kauf von Toyota aufruft und vom Kauf von Daimler-Wägen abrät, wird sich auch nicht auf Meinungsfreiheit berufen könne, sondern völlig zu Recht gefeurt. Clement ist keine Privatperson, sondern er ist Mitglied der SPD und ihr zur Loyalität verpflichtet. Ansonsten muss er sie verlassen. Und kann dann auch von seinem Recht zur freien Meinungsäußerung freien Gebrauch machen.

Sonntag, 27. April 2008

Samstag, 26. April 2008

Fundstücke 26.04.2008

Nette Luftblase beim Stern.
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Inzwischen wurde der Bundestrojaner schon 60mal eingesetzt. So viel zum Thema "maximal zehn mal im Jahr und nur bei dringendem Verdacht".
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Das Handelsblatt veröffentlicht eine Umfrage unter Managern, nach der Kurt Beck bei dieser Gruppe an Ansehen verliert. Dafür müssen die eine Umfrage machen?
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In Deutschland sind nun auch erfolgsabhängige Anwaltshonorare erlaubt.
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Plädoyer zur Auflösung des BND.
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SZ-Interview mit Sarah Wagenknecht. Interessant sind weniger deren etwas seltsame Äußerungen sondern der äußerst unseriöse Fragestil, den die SZ an den Tag legt.
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Freitag, 25. April 2008

Siemens, Siemens, immer wieder Siemens

Der Name Siemens scheint immer mehr zum Synonym für dunkle Geschäfte zu werden. Nun kam ans Tageslicht, dass Siemens den CDU-Abgeordneten Ulrich Adam in Person Wilhelm Schelskys bestochen haben soll - nicht nur einmal, sondern (bisher bekannt) an drei Wahlterminen 1998, 2002 und 2005. Insgesamt 110.000 Euro sollen schwarz in Sachspenden geflossen sein - wenn sich das als wahr herausstellt, steht der CDU eine Strafe in mehrfacher Höhe bevor.
Das Schlimme ist aber, dass ja Siemens vermutlich nicht gerade ein Einzeltäter ist und andere Konzerne sicherlich mindestens ebensoviel Dreckwäsche haben. Nur weiß man es - noch - nicht.

Tage der Vernunft

Gleich zwei Ereignisse lassen für das Abendland hoffen.
Ereignis 1
Die SPD hatte im Zuge der populistischen Schnellschüsse gegen maximale Managergehälter, getrieben von der LINKEn, ja vorschnell ein entsprechendes Gesetz versprochen. Nun ist die damit betraute Arbeitsgruppe unter Joachim Poß fertig, und das Ergebnis nimmt sich richtig ansehnlich aus. So wurden mehrere Maßnahmen in den Entwurf gepackt:
- Unternehmen sollen nur noch bis zu einer bestimmten Summe Managergehälter steuerlich absetzen können; alles was darüber hinausgeht nur zur Hälfte (bringt der Staatskasse einen wahrscheinlich hohen zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Millionenbetrag).
- In Zahlen ausgedrückte Maximallöhne, wie die LINKE sie fordert, bleiben außen vor.
- Der Kriterienkatalog für die Angemessenheit der Gehälter im Aktienrecht soll erweitert werden, um nicht nur an der Aufgabe des Managers und wirtschaftlichen Status' der Firma zu entscheiden, sondern auch an den Leistungen der Führungskraft (was diese ja beständig medienwirksam für andere Bereiche fordern), branchenüblicher Vergütung und Nachhaltigkeit des Wirtschaftens. Das alles kann man, besonders nach den Erfahrungen der letzten Jahre, nur unterstützen.
- Die Transparenz der Festlegung der Bezüge wird deutlich erhöht; der Aufsichtsrat erhält mehr Zuständigkeiten und wird auch zusätzlich noch haftbar gemacht.
Ich finde diesen Katalog zum einen maß- und zum anderen sinnvoll. Die reichlich populistische Initiative der LINKEn ist eh nur wahltaktisches Manöver; dieser Katalog hat direkt Realisierungschancen und würde denke ich besonders beim Aspekt des nachhaltigen Wirtschaftens und der Leistung sowie der Haftung deutliche Verbesserungen bringen.
Ereignis 2
Die Publikation von Hitlers Machwerk "Mein Kampf" war schon immer eine Streitfrage; die Rechte liegen beim bayrischen Staat. Nun wurde wieder über eine wissenschaftlich editierte Neuauflage debattiert, und zu aller Überraschung gab es einen prominenten Fürsprecher: den Zentralrat der Juden, der sich bisher wohl immer eher dagegen ausgesprochen hatte.
Es ist auch vernünftig, das Machwerk nicht dadurch zu überhöhen, dass man es verbietet (wie man es ja unvorsichtigerweise beim Komplex der Holocaustleugnung tat), sondern stattdessen die kritische Auseinandersetzung zu fördern. Nur eben unerwartet.

Fundstücke 25.04.2008

Neue Monitor-Folge ist raus, besonders interessant: Bahnprivatisierung, Deutsche Bank in der Subprime-Krise und Förderschulen. Unbedingt ansehen! Interessant ist übrigens am Rande zu bemerken, dass dem Monitor-Team die Sendezeit empfindlich beschnitten wurde, seit sie über die Wirtschaftsreferenten in Ministerien berichteten. Die Sendung verdient unsere Solidarität, also schaut das Zeug! Es gibt viel zu wenig kritischen Journalismus dieser Tage.
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Im Manager-Magazin findet sich ein recht guter Artikel über den Vertrauensverlust von Politik und Wirtschaft.
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Die Deutsche Bank muss wohl Verluste melden, heißt es bei der SZ.
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Im Freitag findet sich ein Plädoyer für den Mindestlohn, bei den NDS findet sich wissenschaftliche Unterfütterung.
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Das Fußballtor der Woche. (via Fefe)
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Die GEW ruft zum Boykott des Focus-Schulrankings auf - völlig zu Recht und mit interessanten Argumenten.
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Eine Studentin macht US-Justizmenschen Ashcroft wegen Waterboarding öffentlich zur Sau. Absolut lesenswert.
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Die Prügel-Bullen wurden natürlich freigesprochen.
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Günther Beckstein kann lesen. Der Artikel ist irrelevant, aber die Überschrift informativ. Hätte ich nicht gedacht, ganz ehrlich.
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Eigentlich wäre es einen eigenen Artikel wert, aber ich habe gerade keine Lust dazu: die BILD im Kampf für Tempelhof.
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Dieses Urteil wird wahrscheinlich mehr gegen Schwarzarbeit tun als alle Initiativen bisher.
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Mittwoch, 23. April 2008

Und er steigt und steigt und steigt

Die Rede ist, natürlich, vom Euro. Die Marke von 1,60$ hat er nun durchbrochen, und das nicht, weil die US-Notenbanken wieder irgendwelchen Unfug getrieben hätten. Der Schuldige ist, oberflächlich, in der Person des französischen EZB-Ratsmitglieds Christian Noyer zu finden. Der hatte, in einem kleinen PR-technischen Desaster, weitere "Zinskorrekturen" der EZB nicht ausgeschlossen. Im Rückschluss darauf, dass dies bisher immer "nach oben" bedeutet hat, schoss der Euro über die 1,60$, auch wenn Noyer sich zu versichern beeilte, es wären natürlich auch Senkungen möglich. Das macht seine Aussage etwa sinnvoll wie die stets richtige Wettervorhersage ("Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist" analog zu "Die EZB kann die Zinsen verändern, und sie kann das nach oben und unten").
Aber Noyer als Sündenbock herzunehmen ist trotz dessen offenkundiger Ungeschicklichkeit zu kurz gegriffen.
Die EZB sieht ihre Aufgabe - und das betont Noyer ebenfalls - praktisch ausschließlich darin, einen Anstieg des Inflationsnniveaus von derzeit etwas über 3% zu verhindern. Im Gegensatz dazu steht die amerikanische Fed, die auch auf Wachstumsziele hin orientiert ist. Laut Noyer gilt es als vordringlich, eine Lohn-Preis-Spirale (sic!) zu verhindern. Dass das Problem viel eher eine Preis-Lohn-Spirale wäre, wird hier eher verschwiegen, denn die Preise steigen zwar mit beängstigender Zuverlässlichkeit in jedem Jahr, die Löhne stagnieren dagegen seit 25 Jahren - ohne dass die erhofften Wachstumseffekte eingetreten wären. Dass die exportorientierte europäische (und speziell die deutsche) Volkswirtschaft von einem starken Euro auch nicht gerade profitiert, kommt noch hinzu.
Wichtig wäre es deswegen, die extrem schädliche Fokussierung der EZB und der Bundesbank auf das Inflationsnniveau aufzuheben und stattdessen eine zweite Variable in Form des Wirtschaftswachstums einzufügen - und damit ähnliche Wachstumserfolge wie die USA zu erzielen.

Arroganz der Mächtigen

Drei schöne Beispiele von der Arroganz der Mächtigen kann man dieser Tage wieder bewundern.
Beispiel 1
Otto Schily, seines Zeichens Ex-Innenminister, ist nun zu 22.000 Euro Strafe verknackt worden, weil er seine Nebeneinkünfte nicht offenlegen will, mit Verweis auf die anwältliche Schweigepflicht. Das ist aus zweierlei Gründen mehr als nur mit einem faden Beigeschmack behaftet. Zum einen arbeitet Otto Schily für einen Betrieb, der sich an der Herstellung der von Otto Schily durchs Parlament gepeitschten biometrischen Datenerfassung benötigten Geräte eine goldene Nase verdient. Vermutlich würde eine Offenlegung seiner Verdienste hier noch ein paar weitere Belege offensichtlicher Korruption ans Tageslicht bringen (man darf schon gespannt sein, was Wolfgang Schäuble noch alles arbeiten wird). Zum anderen ist es Otto Schily, der mit seiner gewaltigen Expansion des Überwachungsstaates - eine Politik, die von Schäuble effektiv nur fortgeführt wird - Tür und Tor für eine Bespitzelung bis hin zur Pressefreiheit und dem Beichtgeheimnis geöffnet hat. Nur sich selbst möchte der feine Herr natürlich ausnehmen. Das Beichtgeheimnis eines Priesters oder die medizinische Schweigepflicht - kein Problem, aber wenn es mich betrifft, dann bitte doch nicht.
Beispiel 2
Friedrich Merz, Ex-Wirtschaftsexperte der CDU, der sich gerade der Beerbungsavancen eines Christian Wulff erwehren muss, wettert gegen den inzwischen schon sprichwörtlichen wie eingebildeten Linksrutsch der Union. In der fatalen Fehleinschätzung von der Bedeutung seiner eigenen Auslassungen wird Angela Merkel (Aspirantin auf den Vorsitz der LINKEn) ebenso attackiert wie Jürgen Rüttgers (irgendwo zwischen Ulbricht und Honecker). Statt "der LINKEn hinterherzulaufen" solle sich die CDU ihr "mutig und beherzt" in den Weg stellen, was in diesem Zusammenhang nur bedeuten kann, dass man weiter munter Wähler verprellen soll, indem man ihnen auch noch das letzte Hemd raubt.
Merz braucht das natürlich nicht zu jucken - Kunststück bei dermaßen vielen Nebeneinkünften, die er immerhin veröffentlicht hat -, aber eine CDU, die sich als Volkspartei sieht und nicht demnächst von der FDP überflüssig gemacht werden will, sollte eben auch wenigstens im äußeren Anstrich ein wenig für das Volk da sein. Das bedeutet auch, dass eine Rentenerhöhung von 1,1% (die noch unter der Inflationsrate liegt!) in einem Land, in dem die grassierende Altersarmut immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte ist, nicht zu dämonisieren - was, nebenbei bemerkt, auch volkswirtschaftlich unsinnig ist. Das muss natürlich den Ex-Wirtschaftsexperten der CDU auch nicht kratzen, denn er ist sicherlich privat versichert und braucht deswegen die Rentenerhöhung nicht. Diese ist übrigens "psychologisch noch viel verheerender als fiskalisch", weil sie die Politikverdrossenheit steigere und die Wähler der SPD der LINKEn, der CDU den Nichtwählern zutreibe. Wo die Logik hinter diesem Satz liegt, weiß der Ex-Wirtschaftsexperte wahrscheinlich selbst nicht.
Beispiel 3
Wolfgang Clement, Ex-Wirtschaftsminister, ist vor dem Parteigericht Bochum (dessen Direktkandidat er ist, obwohl er dort seit Jahrzehnten nicht mehr lebt) mit einer Rüge davongekommen. Er hatte im hessischen Wahlkampf zur Wahl der CDU aufgerufen, weil Andrea Ypsilantis Vorstellungen von Energiepolitik sich nicht mit denen seiner Arbeitgeber deckten. Eigentlich nennt man das Korruption, in dem Fall wurde das Ganze flugs zur Gewissensentscheidung umgedichtet.
Die Rüge wegen Fehlens "innerparteilicher Solidarität" war auch das Mindeste, das gegen Clement vorgebracht werden musste. Schließlich hat er die SPD vermutlich die Mehrheit gekostet. Einen Geschmack bekommt das Ganze auch deswegen, weil ein anderes SPD-Mitglied vor dem Parteigericht ausgeschlossen wurde, weil es zur Wahl der LINKEn aufgerufen hatte.
Ich bin eigentlich für Meinungsfreiheit in allen Ausprägungen, aber wo es der eigenen Partei schadet macht es keinen Sinn mehr. Wenn Herr Clement der Meinung ist, CDU und FDP machten bessere Politik - warum wechselt er dann nicht? Gleiches gilt übrigens für Herrn Merz. Dem ganzen wird noch die Krone aufgesetzt, als Clement polterte, auch nach diesem Urteil würde er die Aussage jederzeit wiederholen. Eigentlich müsste man den Prozess sofort neu aufrollen.

Fundstücke 23.04.2008

Im Stern wird gegen die Bahn-Privatisierung gewettert. Lesenswert!
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Die NDS untersuchen den Fall der Hitler-Tagebücher und der Legenden um die Lohnnebenkosten.
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Die FR kommentiert den Ausschlussprozess um Wolfgang Clement.
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Die Nürnberger Nachrichten: Geld ist genug da - man muss es nur verteilen wollen.
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Die SZ zerreißt Bohlens neues Buch.
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Milchbauern drohen im Kampf gegen Discounter mit Milchlieferungsstopp.
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Telepolis zum Thema Arbeitspsychologie, Vollbeschäftigung und Rechtsrock.
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Dienstag, 22. April 2008

Der VdK reiht sich ein

Die Mai-Ausgabe der VdK-Zeitung bringt auf der ersten Seite eine kleine, fast unscheinbare Meldung. Beinahe wirkt es so, als schämten sich die Macher ein wenig dafür, doch davon kann man nicht ausgehen. Ich zitiere den Artikel zur Gänze, da er nur wenige Zeilen umfasst:
"Sozialverband VdK fordert eine Pflicht zur Riester-Rente
Das Zögern der Politik bei der zusätzlichen Altersvorsorge erhöht nach Ansicht des VdK die Gefahr, sozial abzustürzen. Wer nicht vorsorge, dem könne Altersarmut drohen, warnte VdK-Präsident Walter Hirrlinger. Der VdK fordert, dass neben der gesetzlichen Rente eine obligatorische betriebliche Altersvorsorge aufgebaut wird, in die Arbeitnehmer und Arbeitgeber paritätisch einzahlen. "Wo das nicht möglich ist, brauchen wir eine Pflicht zur Riester-Rente", so Hirrlinger. Freiwillig hätten bisher nur zehn Prozent aller Beschäftigten eine solche Versicherung."
Nun auch noch der VdK, der in den Chor einstimmt, wonach die staatliche Rente nicht mehr ausreiche, man sich privat versichern müsse. Warum sie nicht mehr ausreiche, warum nur zehn Prozent aller Beschäftigten riesterversichert sind, scheint dem VdK nicht von Relevanz zu sein. Lieber fordert man Zwang, wenn die Menschen nicht so spuren, wie es die Politik will oder wenn sie einfach die finanziellen Mittel nicht aufbringen können, um nebenbei Vorsorge zu betreiben. Wissen wohl Hirrlinger und die VdK-Oberen, dass sie mit so einer Aussage die umlagefinanzierte Rente weiter diskreditieren, ihr das Fundament untergraben? Dass sie denen Aufwind geben, die von einer in Agonie liegenden gesetzlichen Rentenversicherung delirieren? Kann man von Mutwilligkeit des VdK sprechen oder ist es Arglosigkeit?

Wenn ein Sozialverband solche Töne äußert, wenn er nicht fähig ist, kritische Worte zu finden, zu einer Praxis, die jegliches Vertrauen in die staatliche Rente unterminiert; wenn zudem die Verpflichtung zur Privatrente gefordert wird (schöner "freier" Markt, der Zwang als Grundlage von Profitmaximierung duldet), dann muß man sich fragen, wo der Bürger sich noch fachgerecht vertreten fühlen soll. Es ist unbegreiflich, wenn ein Sozialverband in das altbekannte Klagelied einstimmt, wonach man ja keine Alternativen anbieten könne. Es steht a priori fest und ist unumstößlich in der öffentlichen Diskussion: Man muß privatvorsorgen. Alternative Ansätze, wie man die gesetzliche Rentenversicherung wieder festigen, wie man den Menschen wieder Vertrauen einflössen kann, damit sie um die Vorteile der Umlagefinanzierung wissen, werden beim VdK überhaupt nicht auf den Tisch gebracht. Nein, man reiht sich uniform in die herrschende Meinung ein, die durch Propaganda entstanden, zur gültigen Wahrheit wurde. Wie war das noch gleich bei Orwell mit der Lüge, die in die Geschichte einging? Der VdK tut sein Bestes, um aus dieser Lüge eine historische Wahrheit zu machen, so wie es viele Verbände, Organisationen, Behörden, Privatmenschen, Unternehmer usw. tun, um aus einer fadenscheinigen Prämisse, die finale Wahrheit abzuleiten. Für den VdK jedenfalls, der Millionen von Rentner vertritt, scheint die umlagefinanzierte Rente ein Auslaufmodell zu sein, dem man keine Unterstützung mehr angedeihen lassen will.

Wo soll der Bürger noch Vertrauen fassen, wenn selbst ein Sozialverband in die Irrlehren neoliberaler Apologeten einstimmt? Wenn ein Sozialverband so tut, als gäbe es zum ökonomischen Zeitgeist keine Alternative mehr? Man kann nur resigniert feststellen, dass der VdK keine Alternative sein kann, sofern er die gleichen Lieder singt wie jene, die das Vertrauen in die staatliche Rente zerstören wollen. Im Gleichschritt unterwerfen sich sämtliche Verbände und Organisationen den herrschenden "Wahrheiten" und vollziehen somit eine stille Gleichschaltung. Mehr und mehr fühlt man sich in eine alternativlose Gesellschaft gepresst, in der man zwischen denen, die einen vertreten und jenen, die einzig ihre Partikularinteressen durchgesetzt wissen wollen, nicht mehr unterscheiden kann. Man kommt sich vor, wie Orwells Farmtiere, die am Fenster stehend beobachten, wie die Schweine mit den Menschen verhandeln: "Die Tiere draußen blickten von Schwein zu Mensch und von Mensch zu Schwein, und dann wieder von Schwein zu Mensch; doch es war bereits unmöglich zu sagen, wer was war."

Ein Gastbeitrag von Roberto J. De Lapuente.

Fundstücke 22.04.2008

Heute wird es eine reine Blogroll:

Bei Thilo Baum wird ein 20-Punkte-Plan zum Staatsstreich erstellt, der beeindruckende Parallelen zu aktuellen Geschehnissen aufweist.
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Bei YouFM wird über das neue Ermächtigungsgesetz nachgedacht.
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Blogsgesang analysiert die Rentner als Störfaktor.
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"Hunderttausend"

Deutschland fehlen 100.000 Ingenieure, schallt es derzeit aus allen Blättern. Propagiert wurde diese Zahl vom Verein Deutscher Ingenieure VDI, eine mit Sicherheit objektive und unbestechliche Quelle. Woher diese Zahl stammt, bleibt dabei weitgehend im Dunkeln. Der Missstand sei "der Politik seit Jahren bekannt". Ach nein. Der Wirtschaft ist der Missstand ebenfalls seit Jahren bekannt, vermutlich länger. Warum aber schickt man Fachkräfte mit 50 in Frühverrentung (auf Staatskosten), anstatt sie fortzubilden und so als produktive Einheiten zu erhalten? Vermutlich weil das Geld kosten würde, das dann im Quartalsbericht fehlt.
Es drängen sich ohnehin Fragen auf, wenn es um die beständige Chimäre "Fachkräftemangel" geht. Da werden im Eilverfahren Sonderöffnungsklauseln, Green Cards und Weiß-der-Kuckuck was durch das Parlament gepeitscht, um die scheinbar in Scharen an den deutschen Grenzen auf ein Ende des sozialistischen Winters wartenden Fachkräfte ins Land zu holen - und niemand kommt. Die gesamte EU hat Verträge unterschrieben, nach denen ein Ingenieur aus jedem beliebigen EU-Land jederzeit hier anfangen dürfte zu arbeiten. Warum kommt niemand?
Mag das vielleicht, markwirtschaftlich erklärt, daran liegen, dass schlicht nicht gut genug bezahlt wird? Möglich wäre das zumindest. Stattdessen wird jedoch eine "Stärkung" der Studienarten gefordert (wie auch immer die aussehen soll) und eine weitere Anwerbungskampagne von ausländischen Kräften. Vielleicht sollten die Unternehmen einfach mal wieder anfangen, Mitarbeiter auszubilden? Das würde mehrere Probleme auf einmal lösen. Und auch noch so beschwörende Apelle und Aufrufe Annette Schavans für die "Stärkung" der Ingenieursstudiengänge können deren Attraktivität nicht steigern, wo Semesterbeiträge von über 600 Euro zu entrichten sind, nur um mit miserablen Studienbedingungen und reichlich ungewisser Zukunft operieren zu können.
Aber das ist wohl ein wenig zu kompliziert für den aktuellen Diskurs.

Montag, 21. April 2008

Volksmentalitäten

SpOn hat einen Film bereit gestellt, mit dem die amerikanischen Militärbehörden 1945 die Besatzungs-GIs vor Fraternisierung mit den Deutschen warnen wollten. Wie im Artikel erwähnt, verfehlte der Film - der die deutsche Geschichte mit Bismarck beginnen lässt und als eine Reihe von kriegsgeilen Führern und dem kriegswilligen Volk erscheinen lässt - seine Wirkung; die GIs fraternisierten schnell, und die entstehende BRD wurde ein vorgeblicher demokratischer Musterstaat.
Sieht man das Video heute an, fallen neben den dem propagandistischen Zweck geschuldeten...merkwürdigen Interpretationen der deutschen Nationalgeschichte vor allem unangenehme Parallelen auf. Der Film warnt davor, dass die Deutschen nach dem Krieg harmlos erscheinen würden, dass zwar die Nazi-Partei verboten, die Nazis als solche aber nicht verschwunden seien, sondern unerkannt mitten in der Bevölkerung lebten und das "nächste Mal" vorbereiten würden. Sicher, der nächste Krieg kam nicht. Aber die angestrebte Aufgabe, das Nazi-Gedankengut zu beseitigen, haben die Besatzer nicht erfüllen können, das dürfte klar zu sehen sein. Heute führt Deutschland wieder munter Krieg - an der Seite der ehemaligen Feinde, gewiss. Aber macht es das besser?

Fundstücke 21.04.2008

Die NDS mit einer Analyse von Callcentern via Erfahrungsbericht.
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Noch einmal NDS: dieses Mal zur Riester-Rente.
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Die taz wundert sich über die Intransparenz der SZ nach der Übernahme durch das Südwestdeutsche Medienholding.
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In der FR finden wir harsche Kritik an der Bespitzelungspraktik vieler Wirtschaftszweige.
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In Panorama wird harsche Kritik an den Ein-Euro-Jobs geübt.
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Sonntag, 20. April 2008

Fundstücke 20.04.2008

Die SZ versucht, die Blogosphäre zu untersuchen - reichlich dämlicher Artikel, der wohl mehr zur Erheiterung dienen dürfte.
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Die soziale Verträglichkeit des Studiums - ermöglicht durch Pillenschlucken?

In der Süddeutschen Zeitung ist ein durchaus wichtiger Beitrag zum Thema Studienfinanzierung erschienen, der eine kaum thematisierte Schlagseite beleuchtet: die medizinischen Versuche, bezahlt und risikoreich.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Studenten ständig Angebote für (schlecht) bezahlte Medizintests erhalten. Im Gegensatz zum bei der SZ erwähnten "Schwarzen Brett" kommen diese Angebote bei uns per Uni-Mail. Ich habe mich selbst einmal für einen solchen Versuch gemeldet, weil ich dringend Geld brauchte. Ich habe eine dreistündige Voruntersuchung gemacht (die im Gegensatz zu vielen anderen solchen Versuchen extra mit 20 Euro vergütet war) und hätte dann an drei Terminen Medikamente schlucken sollen, deren Nebenwirkungen bestenfalls mit unbekannt eingestuft werden dürften - eine lange Liste möglicher, die sich nicht gerade erbauend las. Jeder Termin hätte über drei Stunden gedauert, insgesamt Vergütung: 50 Euro. Dafür, dass ich nachher vielleicht permanente Folgeschäden habe? Ich habe dankend abgelehnt.
Immerhin hatte ich bisher das Glück, niemals so dringend auf Zusatzeinnahmen angewiesen zu sein, dass ich das hätte machen müssen. Doch laut der SZ boomt das Verpflichten von Studenten für solche Versuche. Besonders angenehm ist das nicht.

Samstag, 19. April 2008

Geburtstagsgeschenk

Da ich die Zugangsdaten für mein Sitemeter verlegt hatte, kam ich erst gerade dazu, mal wieder die aktuellen Daten abzufragen. Mein Erstaunen lässt sich kaum in Worte fassen: ein TagesSCHNITT von 965 Besuchern, mit einem Kurzzeithoch von 4000 (!) am 17.4. Das ist das wohl schönste Geburtstagsgeschenk, dass ihr mir machen konntet :) Vielen Dank.

PS: Der "normale" Tagesdurchschnitt liegt derzeit bei rund 420; der krasse Anstieg lässt sich wohl mit einer erneuten Verlinkung auf den NachDenkSeiten erklären. :)

In eigener Sache

Hallo liebe Leser,
es ist schon eine Weile her, dass ich mich direkt an euch gewandt habe. Ich wollte zum einen die wohl offensichtliche Designänderung ankündigen, und zum anderen darauf hinweisen, dass ich eine Umfrage zum Thema Design geschaltet habe.
Blogspot, bei dieser Blog nun fast zwei Jahre läuft, ist sicherlich nicht die beste aller Adressen, aber für einen totalen Techniknoob wie mich die wohl beste. Wenn also jemand entsprechend Kompetenz hat und bereit ist, mir zur Seite zu stehen würde ich gerne ein paar Sachen ändern (vielleicht auch umziehen), denn gerade die Kommentarfunktion ist doch arg umständlich. Ich freue mich immer auf Zuschriften und werden die neuentdecke Poll-Funktion wohl öfter verwenden.
Danke, dass ihr das Blog lest!
Stefan

PS: Bei dem Update sind irgendwie Linkliste und Blogroll verschwunden. Wenn ihr wollt, dass da bestimmte Seiten auftauchen, schreibt mir bitte. Ich versuch, es aus dem Kopf wiederherzustellen.

Freitag, 18. April 2008

Fundstücke 18.04.2008

ZEIT online-Plädoyer für mehr Privatsphäre im Internet.
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FTD-Kolumne zur bescheuerten deutschen Wirtschaftspolitik und der der EZB.
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Alarmierende Neuigkeiten im Gewerkschaftskorruptionsskandal.
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NDS nehmen die neuesten Konjunkturberichte auseinander.
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Donnerstag, 17. April 2008

Fundstücke 17.04.2008

Linde-Chef Reitzle im Interview in der SZ. Viele Allgemeinplätze, aber trotzdem ganz interessant - unter dem Gesichtspunkt, was für Unsinn ein Mensch reden kann.
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Schwarz-Grün als Erfolgsmodell?

Nachdem es nun in Hamburg schwarz-grünt, haben alle Politiker, die meinen etwas dazu sagen zu müssen, dies auch getan. Da wäre Westerwelle, der das als endgültigen Beweis eines Linksrutsches der Union interpretiert, der wohl so nur in seinem Hirn vonstatten geht. Da wäre Pflüger (CDU), der schwarz-grün auch im Bund für mehrheitsfähig hält. Da wäre Jürgen Trittin (!), der aggressiv für schwarz-grün wirbt. Natürlich gibt es auch Gegenstimmen; Bütikofer (Grüne) beispielsweise. Aber es scheint, als stellten die Zeichen sich immer mehr auf schwarz-grün, während die FDP mit dem von Westerwelle fabulierten "klaren Kontrastprogramm" der FDP im politischen "Wünsch-dir-was-Land" lingert, in dem er mit der SPD-Führungsjunta (die sich ein plötzliches Verschwinden der LINKEn immer noch zu erhoffen scheint) in guter Gesellschaft ist.
Warum aber ist es so, dass gerade einnmal drei Jahre nach Ende des historischen rot-grünen Experiments schon schwarz-grüne Verlöbnisse geschlossen werden, in einem Fall schon eine Ehe? Ich denke, Jürgen Trittins Pragmatismus ("Wenn ich mit Frau Merkel über die Einführung von Mindestlöhnen und die Schließung von Atomkraftwerken reden kann, warum sollte ich dann nicht mit ihr koalieren?") tut da ihr Übriges. Es ist dieser Pragmatismus, der dem scheinbar natürlichen Partner der Grünen, der SPD, fehlt. In Hessen sind die Grünen - man verzeihe mir die Anspielung - in Nibelungentreue an ihrer Seite untergegangen. Es war die starre Unbeweglichkeit, in die sich die SPD manövriert hatte, die ihr die Regierung verhagelte - und mit ihr den Grünen. Dass diese nun sogar darüber nachdenken, mit Koch ins Bett zu steigen, ist da nur konsequent.
Auch ansonsten fragt sich, wer eigentlich die SPD noch braucht. Aktuell gebärdet sie sich als die bessere CDU, überholt diese fortwährend rechts oder geht zumindest in Gleichschritt, streicht und spart, dass es kracht. Gleichzeitig geriert sich die CDU als bessere SPD, und wir brauchen kaum innezuhalten um festzustellen, wer bei diesem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel den größeren Erfolg hat. Das Soziale wurde der SPD von der LINKEn genommen - wobei dieser aktive Akt eigentlich die falsche Beschreibung ist, die LINKE hat eher aufgenommen, was die SPD blindlings hat fallen lassen - , während das Sachfeld "Wirtschaftskompetenz" weiter in den Händen der CDU und FDP bleibt. Was bleibt da für die SPD? Ein einsamer Steinbrück mit einer unverständlicherweise bejubelten Einsparungspolitik ohne Sinn und Verstand? Ein Wahlkampfthema erster Güte. Vielleicht sollte Kurt Beck einmal eine Nachhilfestunde bei Angela Merkel nehmen, wie man einen Wahlkampf vergeigt. Sie ist da Expertin.

Mittwoch, 16. April 2008

Fundstücke 16.4.2008

Auf den NDS findet sich eine SPD-Analyse von Christoph Butterwege.
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Die Erbert-Stiftung hat eine neue Studie zum Thema Bildung in Deutschland herausgebracht, die mehr als nur interessant ist.
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Feynsinn-Artikel zum Privatisierungs- und Outsourcingwahn, der auch vor Schulen nicht haltmacht.
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Mal wieder ein hübsches Beispiel für Korruption, heute: Michael Glos und Heinrich von Pierer.
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Die Mitarbeiterbespitzelungsaffäre weitet sich immer mehr aus.
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Wahlkampf in Italien

Derzeit liegt Berlusconi in allen Umfragen wieder vorn, nachdem die Mitte-Links-Regierung unter Prodi im Parlament erwartungsgemäß gescheitert ist. Dabei waren die Berlusconi-Jahre für Italien die sieben mageren Jahre, und der Führer der Rechten verkündet, ganz getreu der deutschen Agenda-Politik und Sarkozys Umschwung auf diesselbe, dass er in seinem Land ebenfalls für eine weitere Angleichung der Lebensverhältnisse an Kaschmir sorgen will (kein Originalzitat).
Die Frage ist doch: wie in aller Welt kann ein Politiker, der offensichtlich kriminell ist (der Mann hat zig Verfahren wegen seiner Kontakte unbeschadet überstehen können, da sabbert jeder Mafiaboss vor Verwunderung und Neid) und effektiv kein Programm hat, das einer Erwähnung wert wäre, der mit Neofaschisten paktiert und unter dem das Land von der weltweit fünftgrößten Wirtschaftsmacht unter "ferner liefen" abgerutscht ist, solche Umfragewerte erreichen?
Die Antwort liegt unter anderem in der italienischen Medienlandschaft, die in Europa (noch) einzigartig ist. Berlusconi kontrolliert zwei Drittel des öffentlich-rechtlichen und sage und schreibe hundert Prozent des Privatfernsehens. Er herrscht über Sportclubs und ist auch in andere Wirtschaftsbereiche stark verflochten. Diese Macht setzt er skrupellos zum Erreichen seiner politischen Ziele ein. Das Fernsehen in Italien ist Berlusconi-Fernsehen; er entscheidet, was gesendet wird - und was nicht. Wovon wir hier in Deutschland beispielsweise bei der Hamburg-Wahl nur ein Appetithäppchen erhielten (die vollständige Ignorierung von SPD und LINKEn in der Springerpresse und die Hochschreibung Ole von Beusts), wird Italien in mehreren Gängen täglich nonstop serviert.
Leider sind wir von diesen italienischen Zuständen in Deutschland nicht mehr so weit entfernt, wie wir uns wünschen könnten. Das Privatfernsehen ist bereits jetzt zu guten Teilen in der Hand von Menschen derselben politischen Ausrichtung, und auch das öffentlich-rechtliche hat hier deutliche Schlagseite bekommen. Zwar vereinen sich die Fäden des deutschen Systems nicht so offensichtlich und wirkungsmächtig in einer Hand wie in Italien, aber das macht den deutschen Moloch eher gefährlicher, weil schwerer zu fassen und unangreifbarer. Es ist allerdings symptomatisch, dass es der Linken in Italien in den letzten 14 Jahren, in denen dieser Konzentrationsprozess stattfand nicht gelungen ist, das Thema auch nur auf die Tagesordnung zu setzen oder die Menschen zu sensibilisieren - ganz genauso wie hierzulande die Einflussnahme der Interessensorganisationen keine Rolle spielt, ob sie nun Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Konvent für Deutschland oder Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft heißen.

Beitrag zur Demographiedebatte

Kürzlich habe ich Post von einem Leser bekommen, die ich euch nicht vorenthalten will, beschäftigt sie sich doch von kompetentem Standpunkt aus mit den Spielchen um die Demographie:

Sehr geehrter Herr Sasse,
ich verfolge Ihren "Freidenker" seit längerem, oft mit Schmunzeln und meist
mit Zustimmung. Ihr Blog ist ein wichtiger Teil einer leider viel zu
schwachen Gegenöffentlichkeit zu all dem neoliberalen Unsinn, der uns Tag
für Tag serviert wird.

Als "kleiner" Städtestatistiker, der kurz vor der Rente steht und sich
kleine Reste kämpferischer Militanz erhalten hat, gilt mein Interesse
natürlich in erster Linie den Zahlen, die uns permanent von interessierter
Seite präsentiert werden. Sie werden sich nicht wundern: Sie sind meistens
falsch und lassen sich fast immer durch "amtliche" Zahlen widerlegen.
Insbesondere das Standardargument "aus demografischen gründen...." hat es
mir angetan. Neben einigen anderen Beiträgen, die meist in den
Nachdenkseiten zu lesen waren und beim Kittlaus (singledasein.de) (und
natürlich immer noch im Netz stehen) habe ich mich inzwischen - bisher
natürlich vollkommen vergeblich (wie könnte es auch anders sein)- auf die
Journalisten eingeschossen, die die neoliberalen Weisheiten wohl nur durch
"stille Post" vernommen haben und sie deshalb besonders primitiv und absurd
vertreten. Ein Beispiel in dieser Richtung habe ich beigefügt, es geht um
zwei Zeitungsartikel aus der Süddeutschen und der WAZ vom letzten
Wochenende. Vielleicht können Sie damit etwas anfangen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Voß
Hier nun der Brief:

Sehr geehrter Herr Guido Bohsem (Süddeutsche Zeitung),

Sehr geehrter Herr Andreas Abs (Westdeutsche Allgemeine)

Als ein von der nun seit über einem Jahrzehnt trommelnden neoliberalen Propagandamaschinerie schwer geschädigter Mann, habe ich mir inzwischen eine Elefantenhaut zugelegt, um alle Fragen nach Plausibilität und Logik, so wie ich sie einst in Schule und Studium zu stellen gelernt habe, mühsam aus meinem Gehirnkästchen zu entfernen, damit ich in stoischer Ruhe diesen Unsinn ertragen kann und sich meine Magengeschwüre in Grenzen halten..

Ich habe inzwischen kapiert, dass mehr eingekauft wird, wenn die Läden länger auf sind, dass man nur die Unternehmenssteuern senken muss, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen, dass alle bisher öffentlichen Dienstleistungen privat besser, kostengünstiger und servicefreundlicher erbracht werden, dass ein Prozent weniger Lohnnebenkosten 100tsd. Arbeitsplätze bringt, 1,5 % also 150tsd. und 1,06 % 106tausend, dass also der Zug kommt, weil die Schranke runter ist und nicht die Schranke runter ist, weil der Zug kommt (an sich ein klassischer „post hoc propter hoc“ - Fehlschluß). Ich weiß inzwischen, dass trotz zweier Totaldesaster am Finanzmarkt (in nur 8 Jahren), trotz Göttinger Gruppe, trotz Telecomaktien eine private kapitalgedeckte Rente immer besser, sicherer und demografiefester ist als eine umlagefinanzierte, und ich habe auch verstanden, dass die deutsche Hartz IV-Gesetzgebung in allen 30 OECD Staaten schlagartig einen „Boom“ ausgelöst hat. Dass 3,4 Mio. Arbeitslose die kommende Vollbeschäftigung signalisieren und dass „Reformgesetze“ nicht mehr den Menschen etwas bringen sollen, sondern nur dann so genannt werden dürfen, wenn sie den Bürgern etwas nehmen, zum Beispiel die soziale Sicherheit. Dies alles muß einfach stimmen, wird es mir doch von morgens früh durch die Zeitung am Frühstückstisch bis abends spät durch Herrn Kleber und Herrn Sinn in der Spätausgabe der Tagesthemen in die Ohren geblasen.

Doch bei einem Punkt streike ich und mobilisiere meine letzten Widerstandskräfte, und dies ausgerechnet bei einem scheinbar ewig jungen Standardargument der neoliberalen Scholastik: „Heute ernähren drei Erwerbstätige einen Rentner, 2030 werden es nur noch zwei sein“ (Andreas Abs in der WAZ vom 12/13.4.08, S. 2 und „Versorgen heute 100 Erwerbstätige rund 32 Senioren, werden sie im Jahre 2050 für 62 aufkommen müssen“ (Guido Bohsem, Süddeutsche Zeitung 12/13. 4.08, S.2.).

20,4 Mio. Rentner werden also von (1:3) von 61,2 Mio. Erwerbstätigen „ernährt“ bzw. „versorgt“ (Schon die Wortwahl ist putzig!). Nicht nur, dass es bei so viel Erwerbstätigen zur Rush-hour ziemlich eng würde auf deutschen Straßen, es gäbe in ganzen Land auch nur noch 800.000 Kinder und Jugendliche. Denn bei 82,4 Mio. Einwohnern ließen die Erwerbstätigen und Rentner mit ihren 81,6 Mio. (20,4 + 61,2) den jüngeren gar keinen Platz mehr. Der „demographische Orkan“(Bohsem nach Kotlikoff (wer das auch immer sein mag)) wäre wirklich einer!

Abgesehen von dem sachlichen Unsinn, der hinter einer solchen Relation 3:1 (in Ägypten übrigens 14:1) steht: Wie viel Beiträge zahlen drei Ingenieure und wie viel drei Gleitzonenbeschäftigte, sind es simple, überall nachlesbare Zahlen, die auch den dümmsten SZ- und WAZ Redakteur doch beeindrucken müßten.

Laut neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gibt es Deutschland etwas über 27 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, davon haben noch etwas über 22 Mio. Menschen einen Vollzeitarbeitsplatz. Selbst wenn man – was methodisch fragwürdig ist - die 4,8 Mio. Teilzeitarbeitsplätze in Vollzeitäquivalente umrechnet, hätten wir noch rund 24,5 Mio. Vollzeitarbeitsplätze. Von deren Beiträgen werden die 20,4 Mio. Rentner „ernährt“ bzw. „versorgt“, also in einem Verhältnis von 1,2:1. Hinzu kommt ein Bundeszuschuß für die Rentner der ehemaligen DDR, für Aussiedler und familienpolitische Leistungen der Rentenversicherung von etwa 80 Mrd. Euro.

Doch genug des Versuches gegen verbohrte Ideologen der neoliberalen Schule mit rationalen Argumenten anzugehen, denn nicht erst seit Goethe wissen wir: „Gegen Dummheit kämpfen selbst die Götter vergebens“. Für mich stellt sich nur die eine Frage: Wie erbärmlich muß der Argumentationsköcher der neoliberalen Front bestückt sein, wenn unbeeindruckt von allen amtlichen Zahlen, von allen logischen Überlegungen und von jeder Plausibilitätsprüfung nun schon seit vielen Jahren mit einer Relation gearbeitet wird, die jeder Drittklässler einer Grundschule widerlegen kann? Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Das ganze Demografieargument ist völliger Unsinn. Es kommt gar nicht auf die Relation „jung zu alt“ an, sondern auf das Verhältnis von „sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ zu „älteren Menschen mit Rentenanspruch“ (aufgrund vorhergehender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung). Und dieses Verhältnis hat nichts mit Demografie sondern nur etwas mit dem Arbeitsmarkt zu tun.

Hätte z. B. Herr Metzger in seinem Leben fünf Jahre lang in einen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet, stünde ihm später eine (kleine) Rente zu. Nun ist er seit seinem Studienabbruch Berufspolitiker. Folglich bekommt er keine Rente, dafür aber Altersbezüge, die um ein Vielfaches höher liegen als eine Rente jemals sein könnte. Aber das ist ein anderes Thema.

Mit freundlichen Grüßen und nichts für Ungut!

Jürgen Voß



Agenda 2020?

Agenda 2010, das klingt nach Halbierung und Kürzung. 20 und 10, Ganz und die Hälfte. 2020, das klingt nach "alles bleibt beim Alten". Genau das fordert unser aktueller und wohl auch künftiger Bundespräsident Köhler nun. Das Ganze soll effektiv eine Fortsetzung der ach so erfolgreichen Agenda 2010 sein, die Halbierungsagenda. Halbieren muss man nicht mehr, das hat man bereits erreicht. Fortschritte machen ist auch überflüssig, denn eine im Bund beschlossene Agenda 2020 könnte mit der einzigen brauchbaren Forderung Köhlers, mehr Geld in Bildung zu investieren, spätestens seit der Förderalismusreform nichts mehr anfangen - die Bildungshoheit liegt eh bei den Ländern.
Es lohnt sich nicht, sich inhaltlich weiter mit Köhlers Vorschlag zu befassen. Stattdessen lohnt es sich, wieder einmal nach der Bilanz zu fragen, die die Agenda 2010 hinterlassen hat - das vergiftete Erbe Gerhard Schröders. Denn die Lage hat sich für zahllose Menschen verschlechtert. Das Wirtschaftsaufschwüngchen, das derzeit in allen Medien hochgelobt wird, ist mit Sicherheit nicht auf die Agenda zurückzuführen, sondern auf die gestiegene Weltkonjunktur, an der Deutschland als exportorientierte Nation überproportional profitiert. Spätestens mit dem nun im Gefolge der Subprime-Krise zu erwartenden Einbruch dieser Konjunktur dürfte auch hierzulande der Vorhang wieder fallen, denn die Ankurbelung der Binnenkonjunktur gilt immer noch nichts. Und daran wird eine Agenda 2020 nichts ändern; sie wird eher kontraproduktiv wirken.
Vielleicht sollten Köhler und Konsorten das Jahr 2010 erst einmal abwarten, um zu sehen, was die Agenda bis dahin gebracht hat. Denn die Bilanz ist einfach nur verheerend.

Die ZEIT knickt ein

Die freie Journalistin Susanne Härpfer hat für ZEIT online mehrfach Beiträge geschrieben. Zuletzt hat sie einen richtigen Skandal aufgedeckt, nämlich die Unterhöhlung des Briefgeheimnisses durch die Kooperation mit den USA. Rechtlich mindestens bedenklich ist es mehr als nur selbstverständlich für einen Journalismus, der sich als kritisch versteht, hier nachzuhaken. Das haben ZEIT online und Susanne Härpfer auch getan. Härpfer hat für einen ihrer Artikel ein SPD-Mitglied des Innenausschusses des Bundestags interviewt, Herrn Sebastian Edathy. Er ist der Vorsitzende dieses Ausschusses von 52 Mitgliedern, was seine Meinung relevant macht.
Politiker wie Edathy, die sich der Innenpolitik widmen, gerieren sich gewöhnlich gern hart, greifen durch und möchten das Böse, zum Beispiel die NPD, zerschlagen und verbieten. Kurz: Innenpolitik ist nichts für Weicheier und braucht starke Männer und Charaktere. (Quelle)
Nun hat Edathy in gut obrigkeitsstaatlicher Manier festgestellt, dass seine Zitate so verwendet wurden, dass es nicht ganz vorteilhaft für ihn ist. Deswegen hat er sich bei der ZEIT beschwert; das Hauptargument: seine Zitate seien nicht authorisiert worden. Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man einen kurzen Ausflug in die Mentalität des Journalismus im allgemeinen und die Unterschiede zwischen angelsächsischem und deutschem im Speziellen machen. Der angelsächsische Investigativjournalismus, für den die Washington Post und die Aufdeckung des Watergate-Skandals pars pro toto stehen, versucht ein Interview ungemütlich zu machen und dem Befragten so Äußerungen zu entlocken, die der vielleicht nicht sagen wollte, aber die vielmehr an der Wahrheit sind als das, was man in einem Kaffeekranz-Gespräch erfahren könnte. Der deutsche Journalismus ist hier anders; er kennt die "Authorisierung" von Zitaten. Das bedeutet, dass der Interviewte das Interview bzw. den resultierenden Artikel in der bereits erwähnten obrigkeitsstaatlichen Tradition absegnet. Dass es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt und es eigentlich auch dem Geist der Pressefreiheit diametral widerspricht, dürfte wenig verwundern. Gleichzeitig betreiben das fast alle Zeitungen. Und, bevor mir jetzt jemand einen Strick daraus dreht: natürlich ist diese Kurzdarstellung eine grobe Verallgemeinerung und Vereinfachung. Allerdings ist es symptomatisch für das Problem des deutschen Journalismus.
Edathy nun beschwerte sich in einem dreiseitigen Fax ausgiebig bei der ZEIT, drohte, die 52 anderen Ausschussmitglieder zu informieren (und der ZEIT damit Informationen abzuschneiden) und nannte Härpfer unter anderem
"unprofessionell" und "unjournalistisch", ihre Artikel sei "Gesinnungs-Journalismus", "faktenarm", "unterstellungsreich" und "böswillig". (Quelle)
Des Weiteren beschwerte sich Edathy darüber, dass der Artikel nicht nur bei der ZEIT, sondern auch bei heise.de erschienen sei, das er in offenkundiger Unkenntnis der Lage als private Plattform ansah (was daran böse sein soll, steht in den Sternen). So weit, so dämlich. Eigentlich hätte die natürlichste Reaktion sein müssen, den Skandal öffentlich zu machen darauf hinzuweisen, dass auch der Vorsitzende des Innenausschusses sich nicht über die Pressefreiheit setzen darf - ein in Zeiten von Otto Schily und Wolfgang Schäuble nur allzu nötiger Schritt. Stattdessen knickte die ZEIT auf ganzer Linie ein, entschuldigte sich bei Edathy und schmiss Härpfer raus (was man eben bei freien Journalisten Rausschmiss nennen kann: sie erteilen ihr keine Aufträge mehr.
Die Bedeutung dieses Schrittes kann eigentlich kaum überschätzt werden. Es zeigt ein allzudeutliches Einknicken der "vierten Gewalt", die eigentlich unabhängig und kritisch die Öffentlichkeit informieren sollte. Und das ist nur ein vergleichsweise unbedeutender Politiker, vor dem die ZEIT hier auf ganzer Linie, total und bedingungslos, kapituliert. Wenn sie sich nicht einmal in einem solchen Fall hinter eine offenkundig kompetente Journalistin stellen können, die einen wirklich schwerwiegenden Skandal aufgedeckt hat - wie wird die ZEIT dann reagieren, wenn sie einmal einen Artikel kritischer Natur über wirtschaftliche Interessenverbände - die via Zeitungsanzeigen quasi das tägliche Brot garantieren - in Händen hält?
Ein solches Verhalten führt zu vorauseilendem Gehorsam, zur Selbstzensur. Waren in früheren Systemen noch staatliche Zensurorgane vonnöten, so ist das heute nicht mehr notwendig. Stattdessen zensieren sich die Medien selbst. Dies zeigt, wie wichtig der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit ist - einer Gegenöffentlichkeit, die NICHT profitorientiert arbeitet. Der Blogs, beispielsweise. Und wie wichtig es ist, die Kommerzialisierung derselben wie in den USA zu verhindern.


Mittwoch, 9. April 2008

Verfassungsfeinde hüben wir drüben

Bei einem Schalke-Spiel wurden ein paar Demonstranten verhört, weil sie ein Plakat mit Schäublone hochhielten. Das Plakat wurde konfisziert, wegen, haltet euch fest, Verdacht auf Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Ich bin auch voll dafür, dass Schäubles Konfertei als verfassungsfeindliches Symbol anerkannt wird.

Dienstag, 8. April 2008

Fundstücke 08.04.2008

Netter Artikel zu den Bildungsreformen.
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Lernunfähig

Erinnert sich noch jemand an die Rettung der IKB? Milliarden wurden für die volkswirtschaftlich einfach unnötige Rettung dieser privaten Bank herausgeblasen - auf Befehl Steinbrücks, aus den Geldern der staatlichen KfW. Die KfW wird dabei nicht zum ersten Mal von der Politik gezwungen, mit ihrem Vermögen für die Verbockungen von Finanzministern geradezustehen, auch Hans Eichel hat das in jüngster Vergangenheit praktiziert.
Nun hat die KfW, Wunder oh Wunder, Milliardenverluste erlitten. Wie die Süddeutsche treffend analysiert, muss für dieses Loch jemand die politische Verantwortung übernehmen - in diesem Fall ist das die Vorsitzende Matthäus-Maier. Die offensichtlichen Fakten sind natürlich weder für Steinbrück noch für SpOn ein Grund, das auch anzuerkennen. Bei Steinbrück ist das klar, schließlich ist er ja auch Politiker - und als solcher sagt man nicht, dass man etwas falsch gemacht hat. Aber das SpOn, diese BILD für Wannabe-Intellektuelle, auf den gleichen Zug aufspringt beweist wieder einmal den totalen Niedergang dieses einmal als linksliberal und kritisch gefeierten Blattes. Nicht nur wird Matthäus-Maier auf BILD-Niveau noch persönlich angegriffen, auch die vollständig bescheuerte Einlassung Steinbrücks, es dürfe kein Politiker mehr die KfW führen, sondern ein privater Banker, wird frenetisch gefeiert.
Ja, haben die sich noch alle? Eine staatliche Bank, deren Gelder explizit für Situationen gedacht sind, in denen der Markt versagt, in den Händen eines ebenso privaten Spekulanten? Haben Steinbrück und seine Bewunderer denn wirklich GAR NICHTS aus der aktuellen Krise gelernt? Man kann sich nur an den Kopf fassen.

Sonntag, 6. April 2008

"Überraschende" Ergebnisse in Hessen

Nach einer für die BamS (!) hergestellten Umfrage würde schwarz-gelb in Hessen derzeit eine Mehrheit bekommen; rot-rot-grün (die selbst in der SZ als ein Block gehandelt werden!) nicht mehr. Koch würde in einer Direktwahl deutlich vor Ypsilanti gewinnen.
Eine Überraschung ist das nicht; es wurde bereits im Februar angekündigt. Vermutich spekuliert Koch auch auf Neuwahlen. Schweinchen Babe will's noch mal wissen. Ich könnte kotzen und hab gar keine Lust mehr, noch was gegen die Bande zu schreiben. Natürlich wird wieder vom Wortbruch lamentiert, während freudig kommentiert wird, dass die Grünen und die CDU sich näher kommen - in Hessen! Das ist dann kein Wortbruch. Wie dämlich ist die Intelligenz von Deutschland eigentlich, dass sie diesen Dreck glaubt, den die Springerpresse und ihre Helfershelfer bei SpOn und Zeit verbreiten?

Aldi im Korruptionssumpf

Falls noch jemand grob die Eckdaten der Siemensaffäre im Kopf hat: dort geht es u.a. um Millionenbestechungen von Betriebsräten. Nun ist herausgekommen, dass auch Aldi Nord seine schmutzigen Finger im Spiel hatte. Im Gegensatz zum "betriebsratfreien" Aldi Süd (vulgo also dem schlimmeren der beiden Brüder) hat Aldi Nord jährlich sechsstellige Beträge an die Strohgewerkschaft der Arbeitgeber AUB bezahlt - an den gleichen Kerl, der derzeit wegen der Siemens-Affäre in U-Haft sitzt.
Nach der Lidl-Affäre zeigt nun der nächste der ach-so-billig-Discounter sein wahres Gesicht. Hoffen wir, dass es aufklärerische Wirkung auf die Öffentlichkeit hat.

Samstag, 5. April 2008

Wie Jahrhunderte der Aufklärung spurlos an der BILD-Zeitung vorbeizogen.

"Zunächst gibt es die Zwei-Klassen-Medizin schon lange, und zwar auf der Zahlseite. Privatversicherte mit Familie zahlen nämlich deutlich mehr als gesetzlich Versicherte, weil ihre Ehepartner und Kinder nicht kostenfrei mitversichert sind. Wenn aber für das privatversicherte Kind hohe Beiträge entrichtet werden, für den gesetzlich versicherten Nachwuchs jedoch kein einziger Cent – warum soll das Kind, für deren Krankenschutz die Eltern deutlich mehr aufwenden, nicht auch eine bessere und schnellere Behandlung bekommen?"
- BILD-Zeitung, Nicolaus Fest am 3. April 2008 -
Ausgehend von einer Sichtweise, die sich gemeinhin als emanzipatorisch-aufklärerische begreift, wäre Fests Frage ebenso knapp wie banal zu beantworten. Schmerzen, ein rumorender Bauch, steife und geschwollene Gelenke, Übelkeit und dergleichen Überraschungen mehr, die die Natur für uns bereithält, können sich nicht am Geldbeutel messen lassen. Wer bei der Behandlung eines Notleidenden dessen materielle Ausstattung, seine erworbenen Habseligkeiten oder seine finanziellen Möglichkeiten in die Anamnese aufnimmt, wertet den Betroffenen anhand einer subjektiven Kosten-Nutzen-Skala und, sofern er finanziell leichtgewichtig ist, sortiert ihn in die niederen Kategorien menschlichen Unwertes ein. Dort finden sich diejenigen wieder, die der Gesellschaft als entbehrlich eingestuft werden können. Kurzum: Die Frage lautete also, warum Kinder, "für deren Krankenschutz die Eltern deutlich mehr aufwenden, nicht auch eine bessere und schnellere Behandlung bekommen" sollen. Banal ausgedrückt: Weil jedem Menschen der gleiche Wert zukommt! Weil gerade im Leid dieser Gleichheit aller Individuen ein Ausdruck von menschlicher Würde immanent ist! Weil es den Idealen der Aufklärung zuwiderläuft, wenn man Menschen aufgrund ihres Lebensstandards selektiert!

Vielleicht müssen wir es Nicolaus Fest nachsehen. Immerhin entspringt er einer bürgerlich-konservativen Familie - er ist Sohn des berühmten Historikers Joachim Fest -, die zwar immer als liberal galt, aber lediglich dem gewohnt bürgerlichen Liberalismus frönte. Freilich spricht man sich in diesen Kreisen für Freiheit und Gleichheit aus, aber nur als abstrakten Wert. Der Obdachlose, frei von Zwängen und Abgaben, gesegnet mit einem Paar Füße, die einen überall in der Welt hintragen können, erscheint dem Werteliberalen als Inbegriff freiheitlichen und selbstbestimmten Lebens. Dass der Obdachlose aber nicht frei ist, sich so zu ernähren, wie er es benötigt oder möchte, dass gerade im Winter seine Freiheiten zu erfrieren drohen, ist diesem besonderen Typus liberaler Scheinheiligkeit entgangen. An dieser Denkart hat das Bürgertum, dem auch die Familie Fest hinzuzurechnen ist, immer festgehalten. Sie - die Denkart - entstammt der protestantischen Frugalität, der calvinistischen Prädestinationslehre, dem ewigen Krämerseelentum und dem Ringen nach Profit als letzte Form irdischen Heilsverständnisses. Angelehnt an diesem schnöden, langweiligem und menschenverachtenden Weltbild, in dem der Mensch zum belanglosen Rädchen des wirtschaftlichen Getriebes herabgestuft wird, konnten aufklärerische Ideale und emanzipatorisches Denken keinen Einzug ins Bürgertum finden. Hätten sie Einzug gefunden, wäre der eigene Lebensstil bedroht gewesen. Abstrakte Werte aber, die nichts kosten, aber süß in den Ohren klingen, wenn man von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit spricht, konnte man als umzusetzendes Ziel anerkennen. Wo aber aus dem abstrakten Begriff eine materielle Tatsache werden soll, da zieht sich der Bürgerliche zurück, fragt - wie im Falle Fests - im Rahmen seines eingeimpften Weltbildes nach Wert und Mehrwert, d.h. nach demjenigen, der aufgrund finanzieller Möglichkeiten "mehr wert" ist, und nimmt seine in die Wiege gelegte Wahrnehmung als axiomatische Grundvoraussetzung aller Menschen wahr.

Die eingangs gestellte Frage hätte Fest sich selbst beantworten können, wenn er seine pseudoliberale Stocksteifheit gegen ein Hauch von emanzipatorischer Aufklärung eingetauscht hätte. Aber dann würde er nicht für die BILD-Zeitung schreiben.

Ein Gastbeitrag von Roberto J. De Lapuente.