Dienstag, 31. März 2009

Kommentierte Fundstücke 31.03.2009, 16.01 Uhr

Die SPD-Linke grenzt sich offiziell von der LINKEn ab. Das Ärgerliche daran ist, dass die Argumente so bescheuert sind, dass man echt von intellektueller Körperverletzung sprechen kann: die LINKE sei verantwortungslos und man könne mit ihr nicht. Wowereit drückt dabei den Irrsinn dieses Quatsches aus, wenn er sagt dass die einzige Partei, die derzeit organisierte Verantwortungslosigkeit betreibt die FDP ist - und mit der will die SPD.

In den Tagesthemen findet sich ein Hintergrundbericht über Asmussen.

Thomas Fricke belehrt die Regierung, dass sie vielleicht ihre Kindergartenargumente gegen Konjunkturpakete lassen soll.

TP hat einen Hintergrundartikel zur Dämonisierung der Proteste gegen die G20-Konferenz.

Spiegelfechter
und Feynsinn befassen sich jeder auf seine Art mit der Abwrackprämie.

Weißgarnix zerreißt einen Beitrag von Reinhard Marx, seines Zeichens Bischof, der über Kapitalismus schwadroniert und dabei vollkommenen Unsinn redet.

Jörges wehrt sich im Stern gegen die Übernahmeversuche Roland Kochs mit sehr deutlichen Worten und einigen interessanten Anekdoten.

In der Welt findet sich ein Streitgespräch mit Wolfgang Schäuble über die Unterschicht in Deutschland.

In der FTD erklärt Lucas Zeisze, warum sich nichts ändert - denn wer Deregulierer zum Regulieren ansetzt, der setzt den Brandstifter als Feuerwehrmann ein.

Die NDS karten gegen Hartmut Mehdorn nach.

OECD für eine Ausweitung der Arbeitslosenversicherung.

Schöne Remineszenz an die Hippies.

Arbeitslosenzahlen sind übel.

Feynsinn befasst sich mit den Flügelkämpfen der SPD.

Montag, 30. März 2009

Kommentierte Fundstücke 30.01.2009, 16.22 Uhr

In der SZ findet sich ein Interview zur Rolle der tschechischen Ratspräsidentschaft. Des Weiteren hat Verteidigungsminister Jung eine Lösung für das Problem gefunden, dass Wehrgerechtigkeit nicht gewährleistet wird weil man nicht alle braucht: er zieht einfach alle ein, ob man sie braucht oder nicht. Vollidiot. Lafontaine hat ebenfalls mit Wahlkampfunsinn angefangen und verlangt einen Spitzensteuersatz von 80%; eine Zusammenfassung der Bahnkrise finden wir ebenfalls.

In der Zeit findet sich eine flammende Kritik gegen die aktuelle Bankenrettungspolitik; das Ganze läuft nämlich geheim, nicht einmal das Parlament bekommt die Informationen, die es eigentlich braucht. Selbst die Regierung weiß teilweise nicht, was da läuft. Hallo?

In der FTD findet sich auch die Aufforderung, den Fall ARD und ZDF vor das BVerfG zu bringen.

Die Kompetenz der Bundeswehr kennt keine Grenzen: Waffen von somalischen Piraten wurden einfach ins Meer geschmissen.

In der SPD sind jetzt Flügelkämpfe offen ausgebrochen. Der Selbstheilungsprozess könnte beginnen.

Robert von Heusinger weiß Neues zur Konjunkturkrise.

WUHUUUU! Mehdorn hat hingeschmissen! Endlich! *Korkenknallt*

Samstag, 28. März 2009

Offensive 15% für die SPD

Im Wahlkampf 1972 hat die SPD ein nie gekanntes Potential von Sympathisanten und Mitgliedern mobilisiert, um den Wahlkampf zu unterstützen und damit die Ziele der Partei möglich zu machen. Als Folge erreichte die SPD mit rund 45% ihr bestes Wahlergebnis aller Zeiten und konnte sich als eines der wenigen Male in ihrer Geschichte vor der Union platzieren. Heute gelingt der SPD ein ähnliches Wunder. Durch überzeugende Politik im Gesundheitssektor ist es ihr gelungen, Ärzte im ganzen Land dazu zu bringen, Wahlplakate in ihren Arztpraxen aufzuhängen. Auf diesen Plakaten wird dazu aufgefordert, alles zu wählen, nur nicht SPD. Die soll maximal 15% in der Wahl erreichen.
Noch nie zuvor hat eine Lobbygruppe so entschieden eine Wahlempfehlung ausgegeben wie hier ("Wählen Sie was Sie wollen, nur nicht SPD"). Die SPD erntet langsam die Früchte des Erfolgs, den ihre Reformpolitik ihr gebracht hat. Nicht ganz so, wie ihre Funktionäre sich das erdacht haben, zugegeben, aber immerhin bewegt sich was im Land. Direkt angegriffen werden übrigens Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, deren Politik letzthin erst von Volker Pispers wieder treffend charakterisiert wurde, sowie der SPD-"Gesundheitsexperte" Karl Lauterbach, der seine krachende Unfähigkeit bereits in mancher Talkshow unter Beweis gestellt hat und sich voll platzendem Selbstbewusstsein vor die Presse stellt und erklärt, in seinem Wahlkreis würde sicher kein Arzt so ein Plakat aufhängen. Ob das eine versteckte Drohung ist, eine Hoffnung oder einfach nur aggressive Selbstvermarktung bleibt schwierig zu beurteilen.
Die SPD hat ihren Anspruch, eine Volkspartei zu sein, endgültig verspielt. Sollte es nach der Wahl tatsächlich zu einer Ampel kommen, wird die die Abwärtsspirale vermutlich eher noch beschleunigen, von einer Neuauflage der GroKo einmal ganz abgesehen. Einzig die Opposition bleibt der SPD, um sich zu regenerieren, ihr bisheriges Spitzenpersonal beinahe komplett auszuwechseln und eine programmatische Neuausrichtung zu wagen.

Von Abwrackprämien und politischem Druck

Landauf, landein liest man gerade, dass "politisch" an der Abwrackprämienverlängerung kein Weg vorbeiführt. Als mit der Materie nicht übermäßig vertrauter Leser ist man da geneigt, einfach wissend zu nicken, ja stimmt. Aber mir gingen gestern abend im Bett einige Fragen nicht aus dem Kopf.
Die Abwrackprämie ist reformtechnisch so ein kleines Hartz-IV. Alle Experten sagen, dass es Unfug ist, das Ziel der Reform wird nicht wirklich erreicht (Ziel: Stützung der Autobranche. Tatsächlicher Effekt: kurzfristige Absatzspitze, spätestens 2010 wird der Absturz noch brutaler kommen, dazu ist die Prämie ökologischer Unfug), aber alle loben sie. In den Mainstreammedien wird sie beständig als Erfolg der ansonsten lausigen Krisenpolitik der Regierung dargestellt, auch die Regierung selbst verweist immer wieder flehentlich auf den Erfolg der Prämie, Motto: wir schaffen was! Erinnert frappant an Hartz-IV.
Nun aber heißt es, es sei vollkommen unmöglich, die Prämie nicht zu verlängern, der Druck sei so hoch, es sei "politisch" zwingend notwendig. Was bedeutet das eigentlich? Das bedeutet doch, dass die Regierung sich so unter Druck gesetzt fühlt, dass sie ein Gesetz verlängert, dessen Nutzen bestenfalls zweifelhaft ist. Der Wähler kann es nicht sein, der diesen Druck ausübt, sonst hätte es Hartz-IV auch nie gegeben oder würde es zumindest jetzt nicht mehr geben. Also, wer macht da Druck? Das kann doch eigentlich nur die Autoindustrie sein. Dass Merkel die Hure der Autoindustrie ist wissen wir ja. Offensichtlich hat man auch dieses Mal wieder den Zahlmeister die Politik bestimmen lassen, oder? Eine andere Erklärung drängt sich mir eigentlich nicht auf. Wenn ihr irgendwelche bessere Erklärungen habt seid ihr herzlich eingeladen, die Kommentarfunktion regem Gebrauch zuzuführen.

Links:
FTD

Freitag, 27. März 2009

Kommentierte Fundstücke 27.03.2009, 17.08 Uhr

Spiegelfechter kümmert sich gleich noch einmal um die Problematik der Internetzensur.

Im Freitag wird kurz über den Aufbau einer neuen Weltfinanzordnung diskutiert.

Im Deutschlandfunk finden sich gleich zwei interessante Beiträge. Der Erste befasst sich mit der Macht der Ratinagenturen, wobei besonders Thomas Friedman zu Wort kommt. Von dem halte ich nun überhaupt nichts; sein letztes Lobhudelei-Buch zur Globalisierung war eine echte Zumutung und er scheint diesbezüglich eher ein grausiger Opportunist zu sein. In der Sache allerdings ist alles richtig. Der zweite Beitrag befasst sich mit dem Europaparlament. Das hat einen eigenen privaten Pensionsfond, in den die Abgeordneten auf freiwilliger Basis einzahlen können. Kapitalgedeckte Rentenversicherung, privatisiert, also genau das was sie vorher auf breiter Front gefordert haben. Jetzt hat das Ding immer risikoreichere Anlagen getätigt und zweistellige Millionenverluste eingefahren. Scheiße, der Kapitalismus, wenn man plötzlich persönlich verliert, müssen sich diese Abgeordneten gedacht haben und fordern jetzt, dass das Parlament ihre Verluste ersetzt. Man kann kaum aussprechen wie sehr einen die Doppelmoral, diese totale Verottung der Moral bei diesen Menschen ankotzt.

Lafontaine hat eine interessante Rede zum Thema Nato und Transformation derselben in ein echtes Friedensbündnis gehalten. Was er sagt, hat absolut Hand und Fuß. Das aktuelle Geschwür der "humanitären Interventionen" hilft kein bisschen weiter, es ist nur mit tausenden von Toten verbunden.

LINKE, FDP und Grüne und forderten ja bekanntlich einen Untersuchungsausschuss zur HRE. Die SPD sperrt sich dagegen. Warum nur? Vielleicht, weil dabei irgendwelches belastendes Material zu Peer Steinbrück herauskommen würde, der genau einen Tag nach Ablauf der Frist die Verluste übernommen hat? Vielleicht, weil andere Verstrickungen deutlich würden? Fragen über Fragen.

Zum vorläufigen Abschluss der absolute Abschuss: eine niedersächsische ARGE hat einem Hartz-IV-Empfänger als ALG-II um 120 Euro gekürzt, weil er beim Betteln gesehen wurde. Der Sozialarbeiter hat in die Dose geguckt und das "Einkommen" hochgerechnet und dann vom Satz abgezogen. Man fasst es einfach nicht. Da geht es jemandem so scheiße, dass er zum Betteln gezwungen ist, und die greifen ihm auch noch das Bettelgeld ab! So weit gingen nicht mal mittelalterliche Despoten. Habt ihr mal die Bilder von der Wende gesehen, als die aufgebrachten DDR-Bürger die Stasi-Zentrale gestürmt haben? Eines Tages wird das auch bei den ARGEn passieren, und dann werden die Mitarbeiter dort auch alle nur sagen, dass sie nur Anordnungen ausgeführt und im System funktioniert hätten.

Und kaum geschrieben, schon hab ich wieder neues Zeug. Zwei Links zum Thema Kinderpornos, zum Beispiel, oder einen dazu wie das ZDF mit Bloggern umgeht. Lawblog erklärt außerdem, wie man sich mit Links auf Wikileaks strafbar machen kann, während in der FAZ ein Artikel zum G20-Treffen in London steht.

Wer aber gedacht hat, der absolute Abschuss oben sei der absolute Abschuss für heute, hat sich wie ich leider getäuscht, denn der findet sich erst noch, gewissermaßen als absoluterer Abschuss. Die Praxis der Supermarkt, gute Lebensmittel wegzuwerfen statt sie an Bedürftige abzugeben ist bekannt; ich wurde ihr selbst als Inventurhilfe beim Kaufland schon ansichtig. In Wien hat der Supermarkt Hofer aber den Vogel abgeschossen: Die schmeißen nicht nur Lebensmittel vor Verfallsdatum weg, nein, sie kippen auch noch Reinigungsmittel drüber, damit sie niemand aus den Tonnen kramt. Und das Schlimmste ist, dass das Zeug trotzdem verschwindet. Und das wissen die, und kippen trotzdem seit Monaten giftige Reiniger drüber, teilweise sogar geruchsneutrale.

Von Manuel hab ich nen interessanten Artikel zum Thema Konjunkturpakete in Deutschland und in den USA im Vergleich bekommen.

In der SZ finden sich noch zwei kleine Artikel: der eine ist eher unwichtig und befasst sich mit dem schwachsinnigen Getöse der CSU (natürlich als "Populismus" betitelt), der andere ist von Heribert Prantl und benennt eindeutig die desaströsen Zustände bei der Bahn. Abtreten, Mehdorn, da kann man Prantl nur beipflichten.

Donnerstag, 26. März 2009

Kommentierte Fundstücke 26.03.2009, 19.14 Uhr

Die neueste Folge von "Neues aus der Anstalt", immer wieder witzig. Besonders empfehlenswert der Guttenberg-Gag am Ende.

In der SZ berichten Ex-Banker über die Zustände in ihren Ex-Unternehmen.

Auch Feynsinn befasst sich mit dem Thema Kinderpornos und Internetzensur.

Die FTD befasst sich nun nach der SZ auch mit der die Straße erreichenden Banker-Wut.

Weißgarnix zerreißt das neueste Dummgeschwätz von Guttenberg.

Die FR berichtet sarkastisch darüber, wie die Banken in der Anhörung vor dem Bundestag nichts von Schwarzgeld und Steueroasen wissen. Gibt es einfach nicht. Lalalalalala. Wir können nichts hören.

Im Stern wird noch einmal unerwünschte Telefonwerbung und das aktuelle, völlig unzureichende Gesetz dagegen thematisiert.

In der TP findet sich eine Besprechung von "Deutschland 09".

Ich hab noch einen ganzen Schlag Fundstücke aus der SZ: eines berichtet anschaulich was viele Jahre Haft eigentlich tatsächlich bedeuten; eine Erkenntnis, die sich so mancher Stammtischparolenschreier gerne mal hinter die Ohren schreiben dürfte. Thorsten Denkler wendet sich gegen die allgemeine Schmähung aller Anzugträger dieser Tage; im Prinzip hat er Recht, allerdings haben auch alle Anzugträger gemeinsam die Vorteile eingeheimst. Horst Köhler unterdessen gehen immer Stimmen abhanden, um die Wahl zu gewinnen. Ich glaube zwar trotzdem nicht, dass Schwan eine ernsthafte Chance hat, aber man wird sehen. Und auch die SZ entdeckt, dass von der Leyen vielleicht etwas leyenhaft an die Sache herangeht, aber zu einer klaren Stellungnahme gegen Stefan Brauns Bockmist lässt sie sich nicht herab. Ein weiterer Artikel widmet sich der Abschaffung der Wehrpflicht; ein duchaus begrüßenswertes Vorhaben, aber wo der Autor einen Erfolg und in der Bundeswehr eine "Interventionstruppe für weltweite Einsätze im Dienst des Friedens" sieht ist mir schleierhaft. Heribert Prantl schließlich befasst sich mit Wahlgeschenken; Lesebefehl!

ad sinistram hat eine tolle Parabel auf die Deregulierung im Angebot.

Der vermutlich letzte Beitrag von heute ist bei SpOn erschienen. Es geht um die Übernahme des öffentlichen Lebens in Jerusalem durch die Ultraorthodoxen; da fehlt nur noch Steinigung und Handabhacken und die machen dem Iran und Saudi-Arabien Konkurrenz. Ein nach westlichen Werten organisiertes Land ist das jedenfalls nicht.

Mittwoch, 25. März 2009

Der Kampf gegen Kinderpornos, ohne Rücksicht auf Verluste [UPDATE3]

Manchmal verzweifelt man echt an den Menschen. Nachdem jahrelang Terrorgefahr prognostiziert und damit Grundrechtseingriffe legitimiert werden sollten, ist das Thema durch die Dauerbeschallung inzwischen vollkommen abgegriffen. Es ist wie im Märchen mit dem Hirten, der spaßeshalber um Hilfe vor dem Wolf ruft, und als der Wolf dann tatsächlich kommt hilft niemand. Da das Alte also nicht mehr tut, hat man in den Ministerien inzwischen die Kinderpornographie entdeckt, die es zu bekämpfen gilt und für die alle Mittel recht sind. Tatsächlich ist das Thema wunderbar, weil kaum jemand offen gegen Maßnahmen gegen Kinderpornographie sein kann.
Beispielhaft sieht man das in der neuesten Ausgabe des WDR5-Magazins "Politikum", in der einfach der Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo" als bei Kinderporno-Verdacht auszuschalten gilt, oder in einem Artikel in der SZ von Stefan Braun, der mir wirklich die Hutschnur schwellen ließ. In dem papiergewordenen Unfug, den beispielsweise von der Leyens Familienministerium stets leyenhaft inszeniert, um von der eigenen Bedeutungslosigkeit ob der Misserfolge einer ideologisch motivierten Familienpolitik abzulenken sieht er einen Beweis für die Handlungsfähigkeit der Großen Koalition, den Kampf als solchen sieht er als unabwendbar richtig an. Der Abschuss ist dabei folgende Behauptung:
"Das Hauptziel aber ist es, jene 80 Prozent, die nach Erfahrungen der Sicherheitsbehörden durch Zufall oder kleine Lockmechanismen in die Kinderpornoszene rutschen, frühzeitig abzuschrecken. Sie sollen durch die Blockade des Zugangs abgeschreckt werden. Dagegen gibt es keine guten Argumente."
Es gibt ungefähr zwanzigtausend gute Argumente dagegen. Woher nimmt Stefan Braun überhaupt diese Phantasiezahl 80%? In einem bekanntlich grenzüberschreitenden Kriminalbereich, in dem die Gesetzes(ver)hüter schon oft genug durch schiere Inkompetenz aufgefallen sind, als sie Rasterfahnungen durchführten und Zahlen vorstellten (man erinnere sich nur an die riesige Rasterfahndung mit Kreditkartencheck, die zu hunderten von Hausdurchsuchungen und damit zerstörten bürgerlichen Existenzen führte, ohne dass EINE EINZIGE ANKLAGE nachher Bestand hatte!) gibt es überhaupt keine Zahlen und noch viel weniger Untersuchungen, so dass die 80% zufällig herumsurfende User, die dann Kinderporno-Fans werden vielleicht ein wenig aus der Luft gegriffen sind. Ich bin bisher nie zufällig beim Surfen auf einer Kinderpornoseite gelandet und ich wäre echt erstaunt wenn irgendeiner meiner Leser hier berichten könnte, dass ihm das passiert wäre. Ich lande ja nicht mal zufällig auf Pornoseiten. Auf solchen Seiten landet man mit Absicht.
Und überhaupt: die Polizei hat schon gebetsmühlenartig betont, dass die Server in Timbuktu stehen, aber sich nicht in irgendeinem Land, gegen das man irgendwie mit der deutschen Polizei vorgehen könnte. Netze, die das Zeug tatsächlich untereinander austauschen kriegt man nicht mit solchen Sperren klein. Das ganze ist eine gigantische Farce, die vor allem zwei Ziele verfolgt:
Zum Einen wird der Anschein von Handlungsfähigkeit erweckt. Hier kann sich jeder vorher blamable gescheiterte Law&Order-Politiker noch einmal markig hinstellen, ohne Kritik ertragen zu müssen, denn die ist ja gewissermaßen von oben als unmoralisch definiert. Sobald man das absurde Vorgehen kritisiert, wird man automatisch als Sympathisant verurteilt - ähnlich wie auf dem Höhepunkt der Terrorhysterie.
Zum Zweiten ist das Ganze eine bequeme Möglichkeit, endlich in die Internetzensur einzusteigen. Wie oft hat Schäuble gefordert, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein und man müsse es zensieren, damit keine Bombenbauer irgendwelche Flugzeuge kapern? Das hat ihm nie einer abgenommen, aber Kinderpornographie ist gewissermaßen ein genuines Internetverbrechen geworden und eignet sich hervorragend, um hier zu mobilisieren. Ähnlich wie in China werden also bald die Provider, von denen die meisten bereits eingeknickt sind (was Stefan Braun in seinem dämlichen Artikel auch noch toll findet) irgendwelche von der Regierung vorgelegten Listen sperren. Denn wer definiert denn, was hier irgendwie Kinderporno-Seiten sind? Das ist die Exekutive. Die wird Listen vorlegen, und die Provider werden die sperren, begleitet von einem Feuerwerk von Hetzartikeln wie dem neulich aus dem ehemaligen Nachrichtenmagazin in Hamburg. Dabei kann alles auf den Listen stehen, besonders irgendwelche regimekritischen Seiten. Ich sage euch, wir bewegen uns im Eiltempo weg vom liberalen, demokratischen Staat, und ausgerechnet die FDP ist häufig auf breitester Front dabei, siehe Bayern oder NRW. In die brauchen wir keine Hoffnungen zu setzen.

Weitere Links:

Hofberichterstattung vom Spiegel über von der Leyen.
Zypries macht auch mit, keien Hoffnung von dieser Seite.
Die Betreiber von Wikileaks haben Hausdurchsuchen am Hals wegen Verbreitung der Zensurlisten.
Noch mal Zypries.
[UPPDATE]
Von Fefe kommt noch mehr Material:
Die Zahlen sind alle gelogen, wie ich bereits gesagt hatte.
Die EU-Kommission fordert vollkommen drakonische Strafen bereits für die Kontaktaufnahme mit unter 16jährigen. Wieder mal total praxisfern, weil sich das Alter über das Internet nicht ohne Weiteres überprüfen lässt...
[UPDATE2]
Auch Spiegelfechter hat sich des Themas angenommen und gleich noch zwei Artikel nachgeliefert:
- in der taz wird die Untauglichkeit der Maßnahmen thematisiert
- in der FAZ wird dargestellt, dass von der Leyen letztlich eine intrigante Stümperin ist
[UPDATE3]
Und noch eine Meinung von einem Profi, der es wissen sollte.

Kommentierte Fundstücke 25.03.2009, 17.21 Uhr

In der SZ findet sich ein Artikel über den Volkszorn in den USA über AIG. Das ist echt krass, und kaum mit der Verachtung hierzulande für die mittlerweile fast völlig diskreditierte Managerklasse vergleichbar.

Feynsinn bietet einen Nachschlag zum Thema Schule an, den ich bedingungslos unterschreiben kann.

Spiegelfechter befasst sich mit dem Weltwasserforum.

Die NDS geben noch einmal eine nette Übersicht zum Thema Gegenöffentlichkeit; schön zusammengefasst das Einmaleins des Nachdenkens.

Ein ganzer Haufen von Weißgarnix: er befasst sich mit der Ansprache Köhlers (wie auch die FAZ), mit Moral und die Krise und mit einer kurzen Zwischenbilanz.

Der kik-Oberchef drückt ein paar Tränen, weil er "völlig falsch verstanden" wird. Ooooooooooh.

Auch die SZ beschäftigt sich jetzt mit der Internetzensur unter dem Vorwand Kinderpornos.

Die NDS beschäftigen sich mit der Rede Köhlers. Dem Kerl kann man sein dummes Geschwätz gar nicht genug um die Ohren schlagen.

Die FDP bekommt Großspenden von äußerst dubiosen Briefkastenfirmen aus der Schweiz. Immerhin ist damit die Frage hinreichend geklärt, warum sich Westerwelle so vehement für Steueroasen einsetzt.

Die EU-Kommission wird Eon und RWE nicht zerschlagen, weil Merkel dagegen zu sehr Druck gemacht. Schön zu wissen, wie leicht man das deutsche Staatsoberhaupt kaufen kann.

Das BVerfG hat die aktuelle Wehrpflichtsform für grundgesetzwidrig erklärt. Hoffen wir, dass die Wehrpflicht bald endlich abgeschafft wird.

In Berlin hat ein Schuldirektor darüber abstimmen lassen, ob die Schule später beginnen soll. Abgesehen davon dass die Abstimmung das wegen der Unterstufe ablehnte, die den Nachmittag behalten wollte und das ganze ein äußerst vernünftiger Vorstoß ist ist das Ganze auch deswegen interessant, weil mehr Demokratie in der Schule äußerst wünschenswert ist.

Dienstag, 24. März 2009

Das Westerwelle-Lied

Kommentierte Fundstücke 24.03.2009, 14.34 Uhr

3sat hat ein Interview mit Albrecht Müller.

In der FTD werden die Ampelpläne der Grünen als dämlich attackiert. In einem anderen Artikel wird erklärt, warum eine Steigerung der Geldmenge nicht zwingend Inflation bedeutet; eine längst überfällige Lektion.

Robert von Heusinger zerreißt Merkels Krisenmanagment in der FR.

ad sinistram zerreißt einen dämlichen Stern-Artikel.

Titanic hat wieder einmal den besten Kommentar zu dem aktuellen "verbietet Killerspiele"-Unsinn.

Auf SpOn findet sich ein superinteressantes Interview mit James Galbraith.

Zeitgeist verlinkt eine Rede von Gregor Gysi.

Feynsinn zu Lernen und Lust.

Steinmeier gibt den Arbeiterführer bei VW, aber das Ganze ist echt nur noch lächerlich und das umso schlimmer, weil die Medien reichlich undifferenziert über solche Wahlkampfsperenzchen berichten.

Ausgerechnet Thomas Straubhaar glaubt, auf seinen Rat lege irgendjemand wert.

Montag, 23. März 2009

Kommentierte Fundstücke 23.03.2009, 14.43 Uhr

Zu Beginn zwei Artikel aus der FTD: Im Ersten analysiert Christian Schütte, warum gerade eigentlich in Deutschland die breite Bevölkerung kaum Sorgen über die Krise hat. Im Zweiten wird über neue Bilanzierungsregeln nachgedacht, die aktuell sehr hilfreich sein könnten. Ich versteh da wenig davon, aber es klingt eigentlich nach einem Ausweg.

Zeitgeist befasst sich in einem Kurzbeitrag mit der Frage, wo nach Meinung der Deutschen eigentlich Reichtum herkommt. Ein Spoiler: harte Arbeit ist es nicht.

In der SZ wird Guttenberg gescholten, dass er sich auf Berger verlässt um Opel zu retten - zurecht.

Heribert Prantl zerfetzt die ganzen Trottel, die derzeit davon schwadronieren dass das HRE-Enteignungsgesetz das Fundament der Marktwirtschaft zum Einsturz bringe. Damit wird das marode Finanzsystem überhaupt erst gestützt! Sehr lesenswerter Artikel.

Sowohl in der taz als auch im Tagesspiegel wird darüber berichtet, wie die grüne Basis gegen die Ampelpläne der Führungsebene rebelliert. Sieht düster aus dafür.

Heiner Flassbeck, der neu nachgefragte alte Finanzexperte, wird in er taz interviewt.

Merkel war bei Anne Will und gab dort eine Plattitüde nach der anderen von sich. Die NDS analysieren die Sendung und Merkels verbalen Müll genauer.

attac hat die Aktion der Yes-Men in den USA kopiert und eine fiktive Ausgabe der ZEIT verbreitet, die es auch online gibt. Danke an Fefe für den Hinweis.

Bei Telepolis hat Jens Berger über die Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen USA-China einen interessanten Hintergrundartikel verfasst.

Feynsinn schreibt über den aktuellen Verbotswahn der Politik. Lesebefehl!

In der SZ wird eine Analyse des Merkel-Abends bei Anne Will nachgeschoben. Zutreffend mit Ausnahme der Vorstellung, die erste Hälfte der GroKo wäre erfolgreich gewesen.

Ich habe noch einen Haufen SZ-Links als voraussichtlichen Tagesabschluss hier: Die causa Tauss wird analysiert, Guido Westerwelles "zappeliger Machthunger" verurteilt, Daimlers Zusammenarbeit mit Ölscheichs zum Finden von Alternativen jenseits des Öls analysiert und das Sterben der Jade Goody besprochen.

Sonntag, 22. März 2009

CDU, die Arbeiterpartei?

Die CDU hat erkannt, dass sie in der strategischen Falle steckt. Zurück zu den neoliberalen Plattitüden von 2003 fordern zwar Charmebolzen wie Oettinger, aber jeder mit einem bisschen Verstand im Kopf weiß, dass das zu nichts gutem führt. Wer das will, wählt genauso FDP wie derjenige LINKE statt SPD, der eine Verbesserung seines sozialen Status wünscht. Im 30%-Loch will die CDU aber nicht verharren, weswegen sie nun versucht, neue Schichten zu erschließen: die Arbeiter, womit diejenigen gemeint sind, die "hart arbeiten, aber sich an die Regeln halten" (Clinton), also die Malocher in den Betrieben. Eine stetig sinkende Wählergruppe, gewiss, aber eine die derzeit noch sexy genug ist, um umworben zu werden.
Früher hatte die CDU rund 20% der Arbeiter auf ihrer Seite, die SPD etwa 40%. Heute sind die Anteile praktisch gleich hoch, obgleich die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter weiter SPD wählen. Die CDU versucht deswegen, sich als Partei der Arbeiter zu gerieren und auf diese Weise weiter Wählerstimmen zu gewinnen. Das ist für die SPD besonders, aber auch für die LINKE gefährlich. Die FDP kann dagegen grinsen und sich auf eine breite "bürgerliche Mehrheit" freuen, denn die neu angestrebten Wähler werden ihnen nicht abhanden gehen, sofern die CDU nicht zufällig ein paar zehntausend Nichtwähler mobilisieren kann.
Seit dem Desaster des Wahlkampfs 2005, basierend auf dem durch und durch neoliberalen Leipziger Programm von 2003, in dem sich die CDU als knallharte Reformpartei ohne Rücksicht auf Verluste gerierte, hat zumindest Merkel gelernt (und natürlich der unvermeidliche Rüttgers). Die CDU wird diesen Wahlsieg 2009 trotz aller Vorzeichen genausowenig automatisch einfahren wie den von 2005. wieder glauben ihn viele CDUler als sicher in der Tasche, aber die Hoffnung auf eine Wende in den nächsten sechs Monaten in der SPD ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Diffamierungskampagne der Medien und der eingeschränkte Wahlkampf hat dafür gesorgt, dass die LINKE ihre potentiellen Wählerschichten nicht großartig weiter für 2009 wird verbreitern können. Ich denke, bei 14, 15% ist Ende der Fahnenstange dieses Jahr, wenn überhaupt. Zweistellig wird es aber wohl werden. Die SPD kann, im Gegensatz zur CDU, aus einem vergleichsweise großen Potential enttäuschter Nichtwähler schöpfen, die sie mit linken Parolen zurück an die Urne locken. Dazu braucht es keinen Schröder, wie in den Medien beständig kolportiert wird, dazu muss man den Defätismus der eigenen Partei überwinden - denn nur wer den Anschein macht, überhaupt regieren zu wollen (und das tut die SPD gerade überhaupt nicht), der wird auch regieren können. Merkel tut das, Steinmeier nicht. Entsprechend sind die Umfragen.
Wenn sich die CDU nun wieder mehr zur Mitte hin orientiert und die Arbeiter mit einer Mischung aus Sicherheitspolitik und gedämpftem Reformkurs an die konservative Mutterbrust holen will, an der viele ohnehin geistig hängen, dann ist das nur eine folgerichtige Lageanalyse. Natürlich schmeckt das Leuten wie Oettinger nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der unsympatische Schwabe tatsächlich glaubt, mit einem Leipziger Programm die Wahl gewinnen zu können. Ich glaube, er kalkuliert diese Verluste zugunsten der FDP knallhart ein, um programmatisch in der Partei die Überhand zu behalten. Im Gegensatz zur FDP ist die CDU schließlich ein heterogeneres Gebilde, in dem sich auch Vertreter der katholischen Soziallehre finden, mithin also Befürworter des Sozialstaats. Genauso wie in der SPD wurden diese durch die Reformpolitik zurückgedrängt und mundtot gemacht, haben die Partei aber nicht alle verlassen. Nun hat ein Richtungskampf begonnen, weniger hart als in der SPD natürlich, aber das ist der traditionell eher verkrüppelten innerparteilichen Demokratieverfassung der CDU geschuldet. Oettinger kann leicht auf seinem markradikalen Kurs beharren; in Baden-Württemberg gewinnt die CDU eh. Die Mandate der Leute, die er für seine Seilschaften braucht sind also gesichert.
Anders jedoch sieht dies in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen aus. Dort hat die CDU in traditionellen SPD-Gebieten gewildert, besonders weil es ihr gelungen ist, sich sozialdemokratischer zu gebärden als die SPD selbst - Kunststück bei Ministerpräsidenten wie Hans Eichel und Peer Steinbrück oder Wolfgang Clement. Es ist der CDU völlig unmöglich, hier auf einen knallharten Reformkurs einzuschwenken, will sie nicht Wählerstimmen verlieren - nicht unbedingt an die SPD, die hier erst einmal ihr Kapital verspielt hat, aber vor allem an die Nichtwähler.
Der neue Kurs der CDU ist also durchaus ein gefährlicher für die SPD und die LINKE. Die LINKE ist nicht so stark in Gefahr wie die SPD, weil ihre Wähler eher zu den Nichtwählern oder SPD/GRÜNEN als zur CDU abwandern. Aber nichtsdestotrotz ist ein weicher Kurs für die CDU derzeit ideal. Die SPD findet auf Biegen und Brechen kein Wahlkampfthema, und die CDU braucht keines. Sie führt den Wahlkampf gewissermaßen nach dem "Wurschteln wir mal weiter"-Prinzip, das aber derzeit gut ankommt. Klar, Fehler kann man auch kaum nachweisen. Die SPD verprellt derweil ihr Kernklientel immer weiter, indem die Bundestagsfraktion sich fast vollständig von der Basis abkoppelt und lauter unpopuläre wie sachlich dumme Beschlüsse fast (ich sage nur Bahnprivatisierung...). Findet die SPD keine überzeugende Antwort auf diese Offensive der CDU, sieht sie bei den Wahlen alt aus - und schwarz-gelb wird ausgerechnet von der Arbeiterschaft ermöglicht.

Links:
Welt.de - Die CDU will die Partei der Arbeiter werden

Mit Dank an Bert Haasch für den Link.

Samstag, 21. März 2009

Kommentierte Fundstücke 21.03.2009, 13.50 Uhr

In der TP findet sich eine ätzende Polemik gegen die Websperren, die von der Leyen ein wenig leyenhaft plant.

Im Freitag findet sich eine ausführliche Kritik von Obamas Gespräch mit Jay Leno, falls es jemanden interessiert.

In der FR findet sich ein Aufruf, die aktuelle Kondomproblematik des Papstes nicht zu hohe Wellen schlagen zu lassen. Ganz interessante Argumente.

Zwei Artikel in der FTD: der Erste beschäftigt sich mit der Frage der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit von Staaten durch die vermehrte Schuldenaufnahme in der Finanzkrise (nicht gegeben), der Zweite zeigt auf, welche bescheuerten Fehlinterpretationen von Adam Smith in der Gegend herumkursieren. Da Smith derzeit zusammen mit Erhard und Keynes der meist missverstandene Ökonom sein dürfte halte ich diesen Artikel für sehr empfehlenswert.

Ebenfalls im Freitag stolperte ich über diesen sehr empfehlenswerten Artikel zum Thema Sex, sexuelle Gewalt und Prostitution, der gnadenlos mit der Doppelmoral der Gesellschaft bei diesem Thema aufräumt.

In der SZ steht ein dreiseitiges Loblied auf Säkularisierung und Aufklärung, das man nur unterschreiben kann.

Weißgarnix zerfetzt einen Beitrag von Wohlstandsblogger Don Alfonso.

Inzwischen ist der erste offizielle Betrug durch Wahlcomputer festgestellt worden. Wann begreifen die das endlich?

Feynsinn macht sich Gedanken über Manager außer Kontrolle.

Freitag, 20. März 2009

Kommentierte Fundstücke 20.03.2009, 11.49 Uhr

Die Zahlen zum Organisationsgrad der Rechten in Deutschland sind äußerst merkwürdig. Entweder lügt Pfeiffer oder der Verfassungsschutz - oder beide.

In einer interessanten FT-Kolumne wird festgestellt, dass viele Erklärungsmuster zur Krise zu kurz greifen und es eher die vielen Mitläufer waren, die sie herbeigeführt haben als einige wenige agierende Spitzenmanager. Die erste Person Plural sollte man dagegen auf eine eher kleine Bevölkerungsgruppe fassen.

BILDBlog fasst noch einmal die Althaus-Berichterstattung zusammen.

Thomas Fricke verkündet in der FTD den Abschied vom dummen Staat.

Im Tagesspiegel wendet sich Norbert Blüm gegen die Neoliberalen und feiert ihren Abgesang. Hoffen wir, dass er Recht hat.

Die NDS schreiben gegen die Vogel-Strauß-Taktik der Regierung an.

Im SZ-Interview redet Schäuble über sein Verhältnis zum Geld und ist erstaunlich ehrlich gegenüber Lafontaine.

Ein richtig schön investigativ-kritischer Artikel findet sich in der SZ: es geht um die Beeinflussung des HR durch die hessische CDU. Dagegen ist die aktuelle ZDF-Affäre ein Kinkerlitzchen.

Donnerstag, 19. März 2009

Lufthoheit über die Meinungsdeutung

Der "Historiker" Hubertus Knabe hat vor handverlesenem Publikum (CDU) in der thüringer Staatskanzlei sein neues Buch vorgestellt: "Honeckers Erben - Die Wahrheit über die LINKE". Das Buch ist in etwa so wissenschaftlich wie es klingt; die SZ konstatiert "heiligen Eifer". Interessant sind deswegen weniger seine detaillierten (und sachlich durchaus richtigen) Einlassungen darüber, welcher LINKE-Funktionär Stasi-Kontakte hatte oder schon in der SED war, wie die PDS in der Wendezeit versucht hat, das SED-Vermögen zu retten etc. Interessanter ist vielmehr die Rolle, die Knabe den Blockflöten zugesteht:
Demzufolge sind die CDU- und FDP-Blockparteien nämlich vollständig schuldfrei. Sie alle wurden lediglich von der SED gezwungen. Bei dieser schlicht blödsinnigen Aussage bleibt Knabe aber nicht; er stellt den ehemaligen Blockflöten sogar noch Ablassbriefe aus. So berichtet der SZ-Artikel, dass er CDU-Vertretern die Zellen des Stasi-Folterknasts Höhenhausen mit den Worten "Hier in diesen Kerkerzellen ist euren Leuten das Genick gebrochen worden" gezeigt habe. Ja, die hat man bestimmt alle dazu gezwungen, die ganzen armen Blockflöten. Nur die SED ist schuld, die allein. Und natürlich die LINKE, zu der auch explizit die WASG gehört. Denn die hatte ja schon lange Kontakte zur PDS (=SED) und war damit selbst eine getarnte SED. Daraus folgt der messerscharfe Schluss, dass der Zusammenschluss geplant war.
Das alles ist sehr ärgerlich. Knabe verspielt jeden Ruf als Historiker, sollte er je einen gehabt haben, und begibt sich mit seinen klar tagespolitisch gefärbten "Analysen" (die er pünkrklich zur Wahlzeit ausgerechnet in der thüringer Staatskanzlei vorstellt!) auf die Spuren Edgar Wolfrums, der solche modernen Deutungen ebenfalls bereits betrieben hat (siehe hier und hier).
Doch nicht allein das ist ärgerlich. Denn im Prinzip ist die Fragestellung, welche LINKE-Funktionäre in der DDR bereits nicht ganz hasenreine bis klar kriminelle Aktionen unternommen haben durchaus berechtigt. Sollte die LINKE je regieren fände ich es auch eher unangebracht, wenn ehemalige Schießbefehlgeber und Stasi-Opfer-Nenner dabei wären, aus dem gleichen Grund warum ich auch keine Globkes und Kiesingers gewollt hätte. Und damit kommen wir zum nächsten. Die Integration der ganzen ehemaligen Nazis hauptsächlich (aber nicht nur) in die CDU werden im Gegensatz kaum gewürdigt und waren in ihrem Ausmaß deutlich bedenklicher als die Aufnahme von Ex-SEDlern in die heutige LINKE. Klar, die LINKE ist nur die SED umbenannt, sieht man die Parteigeschichte an. Aber von dem ehemaligen Spitzenpersonal gibt es fast nichts mehr, oder es hat nichts zu sagen. Lafontaine und Kippling sind wohl kaum als SED-Funktionäre verdächtig. Die Partei hat sich deutlich demokratisiert, und zwar um einiges deutlicher als es die CDU heute noch ist.
Die Nazis jener Tage waren ohne großes Fragen in die CDU übernommen worden mit der Begründung, dass man ja nicht einen Großteil der Leute aus der Gesellschaft ausstoßen und brandmarken könnte. Die Integration musste gewährleistet sein, ein Schlussstrich gezogen werden, wollte man nicht eine dauernde Hypothek für die neue BRD schaffen. Die Folgen einer solchen Ausgrenzung wären wohl tatsächlich katastrophal gewesen: eine riesige Bevölkerungsgruppe wäre beständig stigmatisiert worden und hätte sich nie mit dem Staat abfinden oder identifizieren können, in dem sie lebt. Wir könnten in größerem Maßstabe das Desaster beobachten, das derzeit der deutsche Osten ist.
Natürlich war die Situation von 1949 nicht mit der von 1990 vergleichbar. Das Land war nicht total kriegszerstört, es gab keine äußeren Feinde, keine Spaltung und auch keine tragende Mehrheit der Bevölkerung, die bereit war die Täter der vergangenen Epoche einfach zu integrieren. Es ist schwierig zu sagen ob ein ähnlicher Schlussstrich wie in den 1950er Jahren für die DDR-Zeit gut oder schlecht gewesen wäre. Aufklärung über die Verbrechen dieser Epoche musste es geben, denn dass die DDR ein Unrechtsstaat war, daran ist nicht zu zweifeln - wenn auch nicht im Ausmaß des Dritten Reiches, sicherlich, aber Unrecht wird nicht gegeneinander aufgewogen. Dementsprechend gab es auch kein pragmatisches Interesse, die DDR-Eliten zu übernehmen und zu integrieren. Im Gegenteil, es gab sehr handfeste Interessen, sie außen vor zu lassen. Die SPD, der damals ein Übernahmeangebot der PDS auf dem Tisch lag - man stelle sich vor, die PDS hätte sich in die SPD aufgelöst! - lehnte dieses ab weil sie auf eigene Wahlerfolge hoffte, zahlreiche CDU- und FDP-Politiker hofften auf einfache Mandate (nicht zu Unrecht), abgehalfterte Unternehmer sahen ihre Chance in der Abwicklung der DDR-Wirtschaft.
Ich will nicht sagen, dass die Benennung der Wurzeln der LINKEn und ihres bisweilen fragwürdigen Personals bzw. ihrer bisweilen fragwürdigen Geschichte nicht zulässig oder unfair wäre. Unfair und nicht zulässig ist die politische Instrumentalisierung, zu der sich charakterlose "Experten" wie Hubertus Knabe hinreißen lassen. Der Schaden, den diese Instrumentalisierung bereits für die Integration der Ostdeutschen geleistet hat lässt sich an jeder Umfrage erneut ablesen.

Kommentierte Fundstücke 19.03.2009, 17.30 Uhr

In der Zeit findet sich eine Würdigung Rosa Luxemburgs. Etwas ungewöhnlich für das Blatt, aber es geschehen Zeichen und Wunder.

Auf Telepolis wird spekuliert, in wiefern die Parteien das Netz für den Wahlkampf nutzen und ob das irgendwas helfen würde. Ich tendiere eher dazu, den Schluss des Artikels zu unterstützen: das Fernsehen wird das wichtigste Wahlkampfmedium bleiben.

In Australien ist die größte Kindergartenkette Pleite gegangen. Sie war die weltweit einzige börsennotierte, und kaum ein Staat der Welt hat seine Kindererziehung mehr in gewinnorientierte Hände gelegt als Australien, mit verheerenden Ergebnissen. Dazu kommt, dass der Typ Bilanzfälscher war; das Unternehmen hat seit über vier Jahren keine Gewinne mehr erwirtschaftet.

In der taz findet sich ein Interview mit Lafontaine. Zieht man die Wahlkampfrhetorik ab, finden sich einige sinnvolle Aussagen drin. Ich finde man merkt trotzdem, wie angepisst er von den aktuellen Umfragen ist ^^

In der SZ findet sich eine Rezension zu einem Aufdeckungsbuch einer Börsianerin, die ihre ehemaligen Kollegen verunglimpft. Die Kritik der SZ an der Autorin ist voll berechtigt, überhaupt nicht begreife ich dagegen dieses Loblied auf die Weiblichkeit, das da wirklich überhaupt nichts zu suchen hat und ohne jeden Sinn ist.

Deutschland sucht den Super-Opelretter.

Bert Haasch hat mir einen Artikel geschickt, der sich mit der Rolle der Gewerkschaften und ihrer offenkundigen Unfähigkeit, die aktuelle Krise zu meistern beschäftigt.

Zum Abschluss noch einmal zwei Artikel zum Amoklauf: In der Zeit findet sich ein Essay, das sich mit der zunehmenden Distanz der Eltern zu den Jugendlichen beschäftigt, und in der FR eine historisch-analytische Betrachtung von Waffen in Jugendlichenhand und Amokläufen. Sehr aufschlussreich!

Heribert Prantl kritisiert in eindeutigen Worten Althaus. Absoluter Lesebefehl!

In der SZ findet sich eine kurze Analyse zur SPD-Wahlsituation. Nichts Neues, aber nettes Update.

In der SZ wird der Interessenkonflikt Roland Bergers als Opelretter thematisiert. Wollen die etwa ernsthaft ins Nachrichtengeschäft einsteigen oder was?

Von Fefe hab ich einen Link zum Thema "Folter im 20. und 21. Jahrhundert", echt gruselig.

Mittwoch, 18. März 2009

Kommentierte Fundstücke 18.03.2009, 18.50 Uhr

Unser Bildungssystem wird im FR-Interview mal wieder in harsche Kritik genommen.

ad sinistram analysiert das neueste Wirken Guttenbergs und dem Zusammenspiel mit der BILD.

Von der Leyen kriegt immer mehr Kritik ab, durchaus zu Recht. Diese Internetzensurgeschichten waren ja wohl mal nur daneben.

Die FTD zerstört den aktuellen Mythos vom Austrocknen der Steueroasen. Ebenfalls in der FTD wettert Wolfgang Münchau gegen die aktuelle Krisenbewältigungspolitik.

In der Zeit wird die Möglichkeit einer Ampel diskutiert, die Feynsinn kommentiert.

Beispiel für Guttenberg-Hofberichterstattung. Und gleich noch eins.

Obama will weiter bei Managergehältern durchgreifen; die Wirtschaft warnt, dass zu harte Sanktionen den Aufschwung abwürgen. Welchen Aufschwung, verdammt?

Dienstag, 17. März 2009

Kommentierte Fundstücke 17.03.2009, 17.12 Uhr

Zu Beginn eine Reihe von Telepolisartikeln: ein Artikel analyiert das Change-Potential Obamas, das - wenig überraschend - nicht ganz so hoch ist gefeiert. In einem anderen Artikel werden Gemeinsamkeiten zwischen den Amokläufern analyisert. Ein dritter befasst sich mit den Auswirkungen von Gewaltdarstellung auf alltägliche Aggression, besonders da wo man es nicht erwartet - bei Zeichentrickfilmen und Mädchen. Der nächste Artikel ist gleichzeitig der wichtigste, denn er befasst sich mit den Auswirkungen von unbezahlter Mehrarbeit.

Weißgarnix nimmt mit Freude einen FAZ-Artikel auseinander, der vor Dummheit strotzt.

Im FAZ-Interview äußert sich Ottmar Schreiner äußerst vernünftig zur LINKEn und, spezielles Highlight, zu Wolfgang Clement.

T-Blog untersucht die Leistungen Zumwinkels und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis.

In der FR wird noch einmal auf Jack Welshs Wandlung eingegangen und das Shareholder Value als total dumme Idee dargestellt. Richtig, aber irgendwie hab ich solche Aussagen in dieser Deutlichkeit vor ein paar Monaten noch vermisst.

Flowers musste jetzt vor den Untersuchungsausschuss. Der fasst ihn mit Samthandschuhen an; wer sich die Farce geben möchte klicke hier.

Bofinger warnt davor, die Fehler der dreißiger zu wiederholen. Der Mann warnt schon ewig vor den dämlichen Ratschlägen seiner Mit-Weisen, aber vielleicht hört man ja endlich mal auf ihn.

In Polen ereifern sich die extrem Rechten (von denen es da nen ganzen Haufen gibt) über "Defiance", weil da Gelegenheit besteht, mal wieder ungestraft auf Juden einzuprügeln, indem man versucht dem Film historische Fehler nachzuweisen.

Lucas Zeisze schreibt in der FTD über die verschiedenen Zielsetzungen von Washington und Berlin in Zeiten der Finanzkrise. Bert Haasch kommentiert: "Die Bundesregierung lehnt weitere Konjunkturprogramme aber nicht wegen des gesunden Menschenverstandes ab, sondern weil es nicht ihr Ziel ist, die heimische oder gar die Weltkonjunktur wieder in Schwung zu bringen. Sie will vielmehr deutsche Unternehmen, wie die Kanzlerin einst sagte, stärker (als die Konkurrenz) aus der Krise herauskommen lassen."

Von jedwedem Sachverstand verlassen findet sich in der SZ ein Plädoyer FÜR den Börsengang der Bahn, weil "nur so eine effiziente Bahn gewährleistet werden könnte". Die haben doch den Schuss nicht gehört...

Heribert Prantl wendet sich in der SZ gegen die Aufgabe der Kategorie Schuld bei Fahrlässigkeit, wie es gerade Dieter Althaus versucht.

Der Spiegelfechter rechnet mal eben verständlich vor, wie viel Geld die Finanzkrise verbraten hat.

In Australien muss man jetzt 11.000 Dollar am Tag zahlen, wenn man auf Wikileaks verlinkt. Zensur in Reinkultur, und ich sag euch das dauert nicht mehr lange bis wir das hier haben.

Noch drei krasse Artikel zum Amoklauf: in Zeit und taz, besonders aber in letzterer, finden sich supergute Artikel. Unbedingt lesen! Richtig übel aber ist der dritte von Werben&Verkaufen, wo gezeigt wird, wie völlig skrupellos die Journalisten Berichterstattung verfälschen oder sich über jeden Anstand hinwegsetzen. Man kann auf die Bande nur genauso spucken wie auf die ganzen sensationsgeilen Arschlöcher, die sich das Zeug begierig reinpfeifen. Alleine der letzte Spiegeltitel wäre ein Grund dafür, das Schmutzblatt zu boykottieren.

Heribert Prantl plädiert für Straffreiheit für den Vater des Amokläufers.

Sonntag, 15. März 2009

Endlich!

Meine Güte, das muss hart gewesen sein für die Journaille. So lange vernünftig bleiben ohne einen Artikel über die bösen Computerspiele, die die Jugend verderben. Endlich ist es einem gelungen, böse Spiele für alles verantwortlich zu machen, der Artikel natürlich meisterhaft recherchiert.

"Völlig falscher Zeitpunkt"

Eieieieieieiei, die armen Gewerkschaften. Im Aufschwung dürfen sie keine höheren Löhne fordern, um die zarte Pflanze Konjunktur nicht abzuwürgen, im Abschwung aber erst recht nicht, um die Talfahrt nicht zu beschleunigen. Gerade befinden wir uns ja bekanntlich in der Talfahrt, und deswegen ist es nur angebracht, einmal zu schauen wer sich gerade einen fetten Schluch aus der Pulle gönnt.

Kommentierte Fundstücke 15.03.2009, 12.00 Uhr

Von Bert Haasch habe ich zwei Videos gelinkt bekommen, in denen Professor Bernd Senf über die Finanzkrise referiert. Vorsicht, zusammen sind das fast sechs Stunden Material.

Auf dass wir nicht auf den bösen Nationalstaat verfallen, orakelt ein Politikwissenschaftler in der FR von Grenzziehungen. Viel von dem was er sagt ist aber eher Unsinn. Danke an Bert Haasch für den Link.

Wer mal sehen will, die man sich Kritik entzieht...

In der Telepolis werden drei Gründe aufgeführt, Roland Koch zu mögen - macht er doch darauf aufmerksam, was bei den Öffentlich-Rechtlichen alles falsch läuft, wenn auch eher indirekt. In zwei Teilen.

In der FTD findet sich wieder eine Reihe interessanter Artikel. Einer befasst sich mit der Corporate Governance Committee, also jener Gruppe, die einen Kodex moralischer Regeln aufstellen soll, auf den sich die Wirtschaft freiwillig verpflichtet. Interessante Hintergrundinformationen. Ein anderer fordert eine gemeinsame, konzertierte Aktion (die Wortwahl wird kaum Zufall sein) aller europäischen Staaten. Der nächste befasst sich mit dem BaWü-Innnenminister, der dem gefälschten Chat-Screenshot aufgesessen ist.

Zeitgeist
wagt einmal einen Blick zu INSM und Konsorten und schaut, was die eigentlich zur Finanzkrise zu sagen haben. Absolut trostlos, sag ich euch.

Ohne Worte.

Feynsinn beschäftigt sich mit der medialen Verantwortung im Fall Winnenden eine Spur polemischer als Spiegelfechter letzthin :) Ich bin ja bisher echt nicht geneigt was dazu zu schreiben, aber bei dem ganzen Stuss, der darüber verbreitet wird ist man mehr und mehr versucht...

Der Erfinder des Shareholder Value hat dieses als die dümmste Idee der Welt bezeichnet. Späte Einsicht, aber immerhin.

Tiefensee kriegt vom Bundesrechnungshof eines auf den Deckel, weil die ganzen PPP-Projekte - wenig überraschend für unsereins - eine reine Verschwendung von Steuergeldern sind. Die ganze Idee ist auch grotesk.

Ein extrem wichtiger Artikel in der FAZ, den ich euch nur empfehlen will, befasst sich mit der Verantwortung der Schule beim Thema Amoklauf und macht die Schuldigen aus: alle die, die die Schule so degeniert haben, dass sie nichts mehr vernünftiges vermittelt und sich nur noch auf das "Nützliche" ausrichtet. Nur mit der verwendeten ersten Person Plural will und kann ich mich abfinden.

Freitag, 13. März 2009

ARD Schäuble Remix

Kommentierte Fundstücke 13.03.2009, 11.43 Uhr

Noch einmal Informationen zum Amokläufer vom Spiegelfechter und von blog.unkreativ.

Die Buchindustrie will jetzt auch mit tausenden von Klagen, "die die Gerichte beschäftigt halten", gegen Raubkopierer vorgehen. Hallo? Geht's noch? Wie im Fall der Musik- und Filmindustrie gilt auch hier ein eindeutiger Fall von Marktversagen. Die Contentmafia hat es einfach nicht gepackt, auf die "Herausforderungen der Globalisierung", wie es so schön heißt, angemessen zu reagieren. Deren Geschäftsmodelle waren (im Fall der Musikindustrie) schon bei der Verbreitung des Radios hinfällig und wurden seither praktisch nicht überarbeitet. Und jetzt wird nach dem Staat geschrien, dem dann die Kapazitäten fehlen um komplexe Wirtschaftsverbrechen aufzuklären, weil Staatsanwälte und Richter mit solchen nutzlosen Bagatellen beschäftigt sind.

In einem Kaff an der niederländischen Grenze ist die Hölle los: ein mehrfacher Kinderschänder ist da eingezogen, und seit zwei Wochen demonstrieren die Bürger und belagern ihn. Wenn er rausginge, würden sie ihn umbringen oder zumindest schwer verletzen. Da sind dauerhaft Polizisten im Einsatz. Wer mal sehen will, wie Freiheitsrechte unvereinbar aufeinanderprallen sehe sich das an. Eine einfache Wertung ist da unmöglich.

Guttenberg wirft mit populistischen Parolen um sich. Schön, dass das Adjektiv nicht mehr auf Lafontaine abonniert ist. :)

Hans-Werner Sinn malt die Konjunktur in tiefschwarzen Farben und fordert für den Herbst ein drittes Konjunkturprogramm - und zwar keinesfalls vorher, weil es dann genau richtig für den Tiefpunkt der Krise kommt, denn der wiederum ist genau anderthalb Jahre nach dem in den USA - ist doch logisch, das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Vielleicht hat Sinn es auch in seiner Glaskugel gesehen. Oder in seinem Kaffeesatz. Das weiß man bei dieser grob unzurechnungsfähigen Bande von Opportunisten eh nicht.

In der Telepolis finden sich vier interessante Artikel. Einer zur Nutzlosigkeit von Internetsperren, ein ätzendes Interview mit einem Politikwissenschaftler mit klarer Schlagseite gegen Parteipolitiker, einem Bericht über den Fortgang des Zeitungszeugen-Prozesses und einen über die Zukunft des Geldes.

Donnerstag, 12. März 2009

Kommentierte Fundstücke 12.03.2009, 14.40 Uhr

In der TP findet sich ein längerer Artikel über die Erstellung von Listen für Bundestagswahlen am Beispiel der hessischen FDP.

Dass der Amokläufer von Winnenden wieder für viel Stuss sorgen würde war klar, aber es gibt auch einige echt gute Berichte, überproportional sogar. Beckstein und den anderen Vollspaten wird kaum Raum eingeräumt. Es findet sich unter den lesenswerten Artikeln Telepolis, FTD, SZ und ganz besonders empfehlenswert Weißgarnix.

Im Herdentrieb wird die aktuell echt desaströse Wirtschaftslage thematisiert und beiläufig erwähnt wie ungewöhnlich ruhig die Leute in Deutschland sind. Ja, was sollen wir denn auch machen? Ein paar von uns können die Hände zum Himmel recken und stöhnen "Wir haben es euch ja gesagt", der Rest allenfalls in geduldigem Fatalismus die Folgen dieses Elitenspiels ausbaden.

Im Stern wird Merkel niedergeschrieben, vom selben Autor, der sie 2006 noch in den Himmel gelobt hatte. So kann's gehen.

In der taz findet sich ein aufwühlender Bericht von Menschen, die trotz - oder wegen - Hartz-IV kurz vor dem Verhungern sind. Wer sich immer fragt wie so was gehen soll, muss diesen Artikel lesen.

Die Autoindustrie verlangt eine Verlängerung der Abwrackprämie. Das war soooo klar. Sonderkonjunktur, die dürfe man nun nicht abwürgen, sonst käme ein besonders großer Absturz Anfang 2010. Deswegen unbedingt bis Ende 2009 verlängern. Ach ne. Und Ende 2009 heißt es dann, dass 2011 der Absturz kommt, wenn man nicht bis Ende 2010 verlängert und am besten noch andere Programme auflegt.

Absoluter Lesebefehl gilt für das folgende Interview mit Heiner Flassbeck.

Der Spiegelfechter schließt die causa Tauss.

In der faz findet sich ein Streitgespräch zwischen Winfried Hassemer und Wolfgang Schäuble. Lesenswert! Mit Dank an Bert Haasch.

Plusminus
bringt einen Bericht, wie Aldi und Co so billig sein können.

Mittwoch, 11. März 2009

Kommentierte Fundstücke 11.03.2009, 10.56 Uhr

In den USA nimmt der Anteil der säkularen Menschen zu, was er interessanterweise auch unter Bush tat.

Dem Erwerbslosen-Forum wurde von staatlicher Seite gedroht, einen strittigen Link "wegzuhacken".

Michael Schöfer beklagt sich über zu wenig Auswahl im Superwahljahr.

Die SZ bietet eine Übersicht über die letzte Maischberger-Sendung, in der immerhin Wallraff Clement beständig als Lobbyist beschimpft hat. Ich glaub die seh ich mir an wenn sie online steht.

Müntefering nähert sich ein wenig der LINKEn an. Sehr vernünftig ist dass er sagt, dass man sie nicht an der DDR messen sollte, sondern dass sie endlich den Raum bekommen sollte um in der Demokratie anzukommen.

In der SZ wird wieder einmal Lafontaine niedergeschrieben. Immerhin einmal mit Substanz. Untersucht wird der Rücktritt 1999, der sich heute zum zehnten Mal jährt. Nico Fried hat Recht damit wenn er sagt, dass an der Schröderpolitik auch Lafontaine Schuld ist, da mit seinem Rücktritt jede Opposition zu Schröder und seiner "Reformpolitik" wegfiel. Ohne jeden weiteren Beleg behauptet Nico Fried allerdings, dass es Deutschland ohne die "Reformen" Schröders heute schlechter ginge. Das kann man behaupten, aber man sollte wenigstens ein Argument dafür bringen. Das tut Nico Fried aber nicht.

Dienstag, 10. März 2009

Vielleicht...

....wäre es bisweilen einfach zu sagen, dass man sich geirrt hat. Dann muss man nicht so tun als ob man es schon immer gewusst hätte, wie man das immer den Realsozialisten vorwirft. Genau das tut aber B. Finke in der Süddeutschen Zeitung, wo er darüber orakelt, dass die massive Abhängigkeit vom Exportsektor "vom Segen zum Fluch" werde. Abgesehen davon, dass das nie ein Segen für die deutsche Volkswirtschaft war, von der europäischen ganz zu schweigen, wirft einen richtiggehend zurück dass er nun davon spricht, dass es sich rächen würde. Ach nein. Was predigen wir denn seit Jahr und Tag? Dass die Abhängigkeit vom Export beschissen ist und der Binnensektor gestärkt werden muss. Aber da hieß es immer, dass das Unfug ist und dass wir ja nichts von Wirtschaft verstehen. Schlaumeier.

Kommentierte Fundstücke 10.03.2009, 13.44 Uhr

Telepolis hat die Erkenntnis im Angebot, dass der aktuelle Streit um Abwrackprämien bei Hartz-IV-Empfängern zeigt, dass diese der Politik auf ganzer Linie am Arsch vorbei gehen.

Der Stern versucht gerade tatsächlich wieder, so was wie ein kritisches Nachrichtenmagazin zu werden. Zwischen tonnenweise Panorama-Müll finden sich solche Perlen wie dieser kritische Bericht über die Seilschaften von Scholz&Friends mit der CDU.

Eine ganze Reihe von Artikeln hab ich aus der FTD im Angebot: Thomas Fricke ärgert sich über die Dogmengläubigkeit der deutschen Ökonomen und ihrer Politiker-Schoßhunde, Merkels Lage wird analysiert, Wolfgang Schäuble warnt vor blinder Staatsgläubigkeit (derzeit wahrlich unser dringendstes Problem) und Joseph Stiglitz zeigt auf, wie Erholung misslingt (wenn man den status quo der Banken wiederherzustellen versucht).

In der FAZ findet sich ein Artikel, der zeigt dass das beste Konjunkturprogramm der Zweite Weltkrieg war. Krugmanns Folgerung ist nicht, Krieg zu führen, sondern Geld auszugeben, als ob man im Krieg wäre. Interessanter Standpunkt. Passend dazu findet sich im Freitag ein Artikel, die Banker abzurüsten.

Aggregat7 hat interessante Rechenspiele zum BGE im Angebot und denkt über die aktuelle Krise hinaus.

Die Katastrophe des Kölner Stadtarchivs war absehbar: bereits Ende 2008 haben sich zentimeterdicke Risse gezeigt, die Stadt hat das aber ignoriert. Hundertpro mal wieder kein Geld ausgeben wollen.

Spiegelfechter zerlegt mal wieder Hans-Werner Sinn und seine Entourage. Immer wieder eine Freude.

Montag, 9. März 2009

1932 = 2009 ! Und dies ganz ohne Globalisierung und Demografie!

Ein Gastbeitrag von Jürgen Voß

Nichts fällt dem politisch Interessierten und erst recht dem Leser der wenigen kritischen Blogs heute leichter, als die "klassischen" Bestandteile des neoliberalen Credos im Stile einer Litanei runter zu beten: Steuern runter, Um-(Ab-)bau der Sozialsysteme (am besten privatisieren!), Bürokratieabbau (als Chiffre für Deregulation) sowie natürlich: Löhne runter! Gestützt werden diese Forderungen mit den zwei großen Argumentationsmythen unserer Zeit, der „Demografie“ und der „Globalisierung“. Diese Algorhythmik wird selbst heute – wo die Ideologie der „invisible hand“ klassisch gegen die Wand gefahren ist - ungebrochen weiter geplappert, von Sinn, Hüther, Franz und Konsorten.

Was ist nun wirklich neu (neo!) an dieser (neo)-klassischen Variante wirtschaftswissenschaftlichen Denkens und seiner populärwissenschaftlichen Umsetzung in fast allen (gleichgeschalteten) Medien? Erstaunlich wenig, wie ein Blick in den "Arbeitgeber", eine Zeitschrift der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände e. V. des Jahrgangs 1932 (!!) beweist.

Gehen wir also auf eine Zeitreise von der Gegenwart in die Vergangenheit. Schnell stellt sich heraus, dass es sich wohl um eine Rundreise handelt.

Zunächst wird uns erklärt, wie die Wirtschaft funktioniert, wenn sie funktioniert: "Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die Sicherung und Steigerung der Lebenshaltung, die Belebung der Wirtschaft und ein neuer Auftrieb der sozialen Entwicklung - dieser ganze Prozeß ist in der Tat aufs stärkste vom Unternehmer und seiner Unternehmenstatkraft abhängig. Man zerbreche die öffentlichen Fesseln der Unternehmertätigkeit, entlaste die Wirtschaft von überspannten Abgaben und Steuern, fördere die Kapitalbildung und enge nicht die Rentabilität ein, sorge für geordnete politische Verhältnisse und gebe der Wirtschaft somit Vertrauen zur Politik - und man wird sich wundern, wie bald die aufgespeicherten und ungeduldigen Selbstheilungskräfte der Wirtschaft sich regen und die heutige Krise ausheilen werden." (Der Arbeitgeber;1932, Nr. 2. S. 26)

Alle Versuche, durch "staatssozialistische Methoden" (Vom Tage, Heft 1, S. 2) in den Markt einzugreifen und die "Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft außer Kraft zu setzen", führen deshalb ins Dilemma. In Weimar hatte das Dilemma eines Namen: "Notverordnung". Z. B. die Vierte Notverordnung zur "Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" vom 8. Dezember 1931. Löhne wurden um 10 - 15% gekürzt, die des öffentlichen Dienstes um 9%. An dieser Notverordnung waren natürlich die Gewerkschaften selbst schuld:

Ohne die gewerkschaftliche Politik der letzten Jahre und die von ihr ......stark beeinflußte Sozial- und Steuerpolitik des Staates wäre diese Notverordnung .....nicht nötig gewesen" (Vom Tage, Heft 2, S. 2).

Diesem Weltbild entsprechend sind natürlich die hohen Löhne generell (von Lohnnebenkosten sprach man noch nicht, das Schlagwort hieß "Lohnüberhöhung") an der Wirtschaftskrise (6,127 Mio. Arbeitslose im Februar 1932) schuld: "Zusammenfassend läßt sich demnach sagen, dass die Lohnüberhöhung wesentlich zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage beigetragen hat, wenn sie auch nicht als die einzige Ursache des konjunkturellen Rückgangs angesehen werden kann. Sie hat ... die Entwicklung des Außenhandels erschwert, den Absatzmarkt der deutschen Industrie verengert, zur Überhöhen des deutschen Zinsniveaus beigetragen und den eingetretenen Inflationsdruck verstärkt,....Sie hat die Kapitalbildung verringert und der Produktionsgüterindustrie ... Kaufkraft entzogen, sie hat über erzwungene Rationalisierungsmaßnahmen Arbeitslosigkeit verursacht..". (Eugen Achenbach: Lohn und Konjunktur, ebenda, Nr. 8, 1932 S. 164)

Wenn die Löhne eine so entscheidende Wirkung auf das gesamtwirtschaftliche Geschehen haben, ist die sog. Kaufkrafttheorie natürlich blanker Unsinn, oder eben "gründlich falsch". Denn sie (die Theorie) will nicht begreifen" dass eine Lohnsenkung nicht den Binnenmarkt beeinträchtigt und keine Kaufkraft zerstört, vor allem dann nicht, wenn sie als Maßnahme innerhalb eines Deflationsprogramms wirkt." ("Vom Tage", ebenda, Nr. 8, 1932, S. 158).

Wenig später werden wir im Stile von Herrn Sinn aufgeklärt über den "Sinn" einer Lohnsenkung: "Die Lohnsenkung vernichtet keine Kaufkraft, sondern führt einen größeren Teil des Gesamteinkommens der Produktionsgüterindustrie zu, die infolge der unzureichenden Kapitalversorgung zum Krisenherd geworden ist. Durch die Übertragung wird an anderer Stelle neue Konsumkraft erzeugt. Eine solche Verschiebung tritt auch ein, wenn die gesamte Lohnsenkung sich in Preissenkungen auswirkt. Infolge der hohen Vorleistungen der Industrie auf der Preisseite ist es notwendig, daß die Löhne stärker sinken als die Preise. Die wiedergewonnene Rentabilität ist die Voraussetzung für eine Stabilisierung und Neubelebung der Konjunktur."(Achenbach, Nr. 9, S. 202).

Neben der "Lohnüberhöhung" geht "die übersteigerte Gesetzgebung im Ausbau der (sozialen) Leistungen seit 1924 auf das Schuldkonto amtlicher Sozialpolitik". (Vom Tage, ebenda, Nr. 10 S. 213). Die Notverordnung vom 14 Juni 1932 mit der massiven Kürzung der Renten und der Arbeitslosenunterstützung (damals bei 6 Familienangehörigen Maximalbetrag 27,90 RM pro Woche!, nachzulesen auf Seite 268 des „Arbeitgebers“) wird deshalb zwar bedauert, aber als richtig angesehen, denn "Seit Jahr und Tag ist .. von allen einsichtigen und positiv zur Erhaltung der Sozialversicherung eingestellten Kreisen die Reichsregierung immer wieder auf die Notwendigkeit beschleunigter Reformen der Sozialversicherung hingewiesen worden. Eine ... falsch verstandene Rücksichtnahme auf Interessen der Arbeitnehmer oder auf die politische Gesamtlage hat die Durchführung ausreichender Maßnahmen verhindert." (Vom Tage, Nr. 12, 1932, S. 261)

Während heute - bis auf wenige Ausnahmen - die politische Demokratie (noch) nicht in Frage gestellt wird und zur Zeit lediglich Studien angefordert werden, warum der Bürger denn so störrisch ist und die vielen doch gut gemeinten Reformen so gar nicht freudig begrüßt, war man 1932 ehrlicher:

"Daß der formaldemokratische Staat, der auf paritätischen Ur- und Massenwahlen , also nach der Fiktion des Vertragsstaates aufgebaut ist, ein Mißgebilde ist, darin herrscht heute ...... weitgehende Einigkeit. ... Unser Staatssystem führt statt zur Herrschaft der Besten, der Berufenen, der Verantwortlichen zur Herrschaft unverantwortlicher Anonymitäten, zur Herrschaft der Minderwertigen, also zur Anarchie und nationalem Untergang. .. Alle Volksteile, voran die Arbeiterschaft, selbst so weit diese aus traditionellen Gründen noch in der Sozialdemokratie organisiert ist, wollen und ersehnen, die Wiedergeburt eines Staates, der die Hände frei bekommt für seine eigentliche Aufgabe, für die Aufgabe einer starken nationalen Führung". (Paul Karrenbrock: Die Wiederkunft der organischen Ordnung, ebenda, Heft 2, 1932. S. 36)

So weit, so schlecht. Die Zeitschrift "Der Arbeitgeber" ist 1949 wieder "aus den Ruinen auferstanden" (an deren Zustandekommen die Herausgeber ja nicht ganz unschuldig waren) und ist bis zum Dezember 2005 in der Verlagsgruppe Handelsblatt von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände herausgegeben worden. In der letzten Ausgabe (12/2005) werden in einem Interview mit Prof. Dr. Franz folgende drei Baustellen genannt, die dringend einer Reform bedürften:

"Erstens bedarf es einer Senkung der Unternehmenssteuerbelastung im Rahmen einer grundlegenden Steuerreform".

"Zweitens müssen die Systeme der sozialen Sicherung gründlich reformiert werden. Die Pflegeversicherung muß baldmöglichst auf eine Kapitaldeckung und die gesetzliche Krankenversicherung auf ein kapitalgedecktes Prämienmodell umgestellt werden".

"Drittens muß die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte entscheidend voran gebracht werden und die Defizitobergrenze des Stabilitäts - und Wachstumpaktes im Jahre 2006 im Sinne der Generationengerechtigkeit strikt eingehalten werden"

(Alle Zitate aus "Arbeitgeber", Heft 12, Dezember 2005, S. 22 f.).

Sieht man mal von dem demagogischen Modebegriff "Generationengerechtigkeit" ab, haben sich die politischen Zielvorstellungen der Arbeitgeberseite in den letzten 75 Jahren offensichtlich nicht großartig verändert. (Ob der werte Prof. Franz angesichts der Milliardenhilfe für die „notleidenden“ Banken auch heute noch die dritte Forderung stellen würde, mag zweifelhaft sein, aber bei Neoliberalen ist ja alles möglich.)

Zwei Auffälligkeiten sind aber festzustellen: 1932 kam man völlig ohne den Verweis auf Globalisierung und Demografie aus. Und heute führt eine seltsame historische Blindheit dazu, einen Schleier des Vergessens über die fatalen Konsequenzen einer Wirtschaftspolitik auszubreiten, die voll auf die Selbstheilungskräfte des "Marktes" setzte. (Daran scheint auch das Finanzmarktdesaster nicht viel zu ändern!) Denn kurze Zeit später führte diese Politik zur Kooperation mit Massenmördern - deren planwirtschaftlicher national-"sozialistischer" Modellansatz plötzlich gar nicht mehr als Ausgeburt des Leibhaftigen angesehen wurde – und damit geradewegs in eine der größten Katastrophen der Menschheit.


Kommentierte Fundstücke 09.03.2009, 12.54 Uhr

In der FTD wird es direkt systemkritisch. Lesenswert.

Feynsinn
macht sich bereits Gedanken für die Zeit nach der Revolution. Ich gehe davon aus dass es soweit nicht kommt, aber interessant sind seine Gedanken trotzdem.

Die FAZ feiert den Abgesang des Exportweltmeisters.

Weißgarnix macht sich Gedanken zu Opel und Manager-Boni.

Bei den NDS erklärt Norbert Blüm wieder, warum die Rente doch sicher ist. Außerdem werden Koalitionspräferenzen der Grünen analysiert, die die FDP bevorzugen.

Michael Schöfer ist nicht blöd.

In der SZ werden die CDU-Versager in der Luft zerrissen, die derzeit ein "klares Profil" fordern. Absolut lesenswerter Majestätsbeleidigung.

Auf Youtube finden sich Reden von Lafontaine und Gisy zum Thema Bankenrettung und Untersuchungsausschuss. Interessant.

Sonntag, 8. März 2009

Fundstücke 08.03.2009, 11.50 Uhr

Um den unbequemen SPD-Datenschützer Tauss gibt es gerade einiges zu sagen, deswegen verlinke ich Leute, die das bereits für mich erledigt haben: den Spiegelfechter, doppelt, denn im Freitag hat er auch was.

In der SZ bringen sie einen Artikel über die diese SMS-Anbieter ("Chatte mit Julia (20)"). Wenn ihr glaubt, Investmentbanker sind der Abschaum der Geschäftswelt, dann schaut euch mal deren Geschäftsmodell an. Immer wenn du glaubst, tiefer geht's nicht mehr, kommt von irgendwo ein Arschloch her.

In Panorama nehmen sie auf herrliche Art und Weise das "Programm" der FDP auseinander. Besonders geil finde ich deren Finanzexperte, der seine Steuerkalkulation einfach mal auf angenommenen Steuereinnahmen (die jeder Experte als viel zu hoch einschätzt) basieren lässt.

1983 hat Michael Crichton das Buch "Electronic Life" geschrieben, das zum Thema Copyright und Datenschutz geradezu prophetische Dimensionen annimmt, wie Nerdcore berichtet.

Unglaublich hervorzuhebender Link: Die Zeit hat ein Schäuble-Wörterbuch erstellt. Die Courage sollten die immer haben, dann wäre nichts von dem Zeug durchgekommen.

Die NDS analyiseren noch mal Gehälter und andere geldwerte Unappetitlichkeiten.

Freitag, 6. März 2009

Der kranke Mann Deutschlands - Deutschlands Bildungssystem, Teil 2: Wurzeln

Teil 1: Auftakt
Teil 2: Welche Wurzeln hat unser Bildungssystem?
Teil 3: Schulformen
Teil 4: Infrastruktur
Teil 5: Lehrerbildung
Teil 6: Die Universitäten

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Welche Wurzeln hat unser Bildungssystem?

Wie immer, wenn man sich an einen historischen Überblick wagt gilt es die Frage zu beantworten, wo man eigentlich damit beginnen will. Bei Karl dem Großen? Früher? Später? Und warum? Ich will irgendwann in der Neuzeit einhaken, weil das die Zeit ist, in der die Leute damit beginnen, sich als „deutsch“ zu betrachten. Wenn wir also unsere Wurzeln kennenlernen wollen ohne in allzu vergessene Zeiten abzurutschen, erscheint mit das angebracht.

Irgendwann in der Neuzeit (Definition: ab 1500) also. Bildung ist durch die entstehende und von Italien aus Europa erobernde Renaissance ein Wert an sich geworden. Wer es sich leisten kann (und das sind wenige) studiert die antiken Klassiker und führt wichtige Gespräche. Durch den Aufstieg des Handels entgleitet das Machtmonopol mehr und mehr dem Adel und fließt hin zu den Händlern, die im Allgemeinen deutlich besser gebildet sind (ja, es sein müssen) und ihrem Nachwuchs eine noch bessere Ausbildung angedeihen lassen wollen. Erste Universitäten entstehen; geprägt sind die Lehrpläne hauptsächlich von den sieben schönen Künsten.

Schnitt. Im 18. Jahrhundert beginnt das große Zeitalter des Rationalismus. Die Aufklärung und die Philosophen predigen die Loslösung von der selbstverschuldeten Unmündigkeit des Geistes. Zumindest auf dem Papier führt Preußen die allgemeine Schulpflicht ein. Der preußische Staat schafft zum ersten Mal echte, allumfassende Bildungsinstitutionen. Die größte und erfolgreichste davon ist die Armee, die von Friedrich II. nicht von ungefähr als Schule der Nation bezeichnet wird. Die allgemeine Wehrpflicht sorgt dafür, dass jeder die klasssichen Werte von Pflicht und Disziplin eingebläut bekommt – und nebenbei außerdem noch das eine oder andere, was noch die Väter nie im Leben gelernt haben.

In der Folgezeit wird zumindest die Alphabetisierungsrate Stück für Stück in die Höhe getrieben. In der richtigen Erkenntnis dass ein ungebildetes Volk ein schwaches Volk im entstehenden Wettbewerb der Nationalstaaten ist bringt Napoleon mit weitreichenden Reformen eine erste Spitze der Entwicklung, während sich Preußen auf seinen Lorbeeren ausruht und es sich im Niedergang gemütlich macht, womit es dem Italien Berlusconis verblüffend ähnelt. In Frankreich werden (wieder einmal zu einem Gutteil auch über die Armee) feste Institutionen geschaffen, alte Privilegien gebrochen und Institutionen gegründet. Mit der Besetzung des Rheinlandes und Preußens kommen diese Dinge auch nach Deutschland.

In der Nachfolgezeit der napoleonischen Kriege kommen wir nun in die Zeit, in der das Fundament unseres heutigen Bildungssystems gelegt wird. Wir wollen deswegen unseren parforce-Ritt durch die Geschichte etwas zugunsten eines genaueren Blicks verlangsamen. Es entstehen zwei Schulformen, zum einen die Elementarschulen, die man sich als Grundschulen auf niedrigem Niveau vorstellen kann und die für die Masse des Volkes gedacht sind, und die Gymnasien. Letztere sind für die Elite gedacht (des reichen Bürgertums wohlgemerkt, die Adeligen bleiben eher ungebildet) und stark humanistisch ausgerichtet. Latein, Griechisch und Philosophie bestimmen den Lehrplan. Aber darauf kommt es gar nicht an, denn hier soll auch das Rüstzeug erlernt werden, eine der entstehenden Universitäten zu besuchen. Wilhelm von Humboldt ist hier ein Name den wir uns behalten sollten, denn der preußische Reformer macht sich so seine eigenen Gedanken über Bildung. Seiner Meinung nach hat Bildung nicht praktisch zu sein, ja, Praxisorientiertheit ist geradezu das Menetekel der Bildung, ihr Untergang. Zum ersten Mal entsteht eine zwar schmale Elite gebildeter Menschen, aber immerhin haben wir sie. Diese Leute streben eine Karriere im Staatsdienst an (in Großbritannien werden sie eher Händler, aber wir sehen uns ja die deutsche Entwicklung an). Die Elementarschulen indes, die in Teilzeit beispielsweise vom Dorfmetzger betrieben werden, sind auf einem grausigen Niveau, Schulfplicht ist graue Theorie (die Schüler fehlen wegen der nötigen Mitarbeit auf dem Feld oder im elterlichen Handwerksbetrieb andauernd) und oftmals kann der Lehrer selbst kaum irgendetwas, weiß aber mit dem Rohrstock immerhin ausdauernd zu bestrafen. Nach dem damaligen Menschenbild reicht das völlig.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts ändert sich das immer mehr, ohne dass das Fundament überhaupt angetastet würde. Die Elementarschulen werden besser und geraten unter staatliche Aufsicht, es entstehen naturswissenschaftliche Gymnasien und schließlich, weil die Wirtschaft immer mehr ausgebildete Fachkräfte braucht, die irgendetwas von Arbeit verstehen anstatt von Platon die Realschulen. Die deutschen Universtitäten sind weltklasse. Um die Jahrhundertwende gehen Unmengen an Nobelpreisen an deutsche Forscher, besonders in Chemie ist das Kaiserreich spitze. Das humanistische Gymnasium wird immer mehr eine Randerscheinung des an Bedeutung verlierenden Bildungsbürgertums. Längst haben neue Schichten das Bildungssystem erobert. Naturwissenschaften sind Trumpf und werden entsprechend gefördert. Der Ausbildungsstand hat allgemein selbst auf den Volksschulen ein hohes Niveau erreicht, die Alphabetisierungsrate im Deutschland der 1920er Jahre beträgt nahe 100% (und ist deutlich höher als heuzutage).

Im Dritten Reich wird in den Schulen auf Disziplin geachtet und Unangenehmes aus den Lehrplänen verdammt. Am System selbst können die Nationalsozialisten erstaunlich wenig ändern – vielleicht wollen sie es auch nicht, denn der Krieg lässt für derlei Reformen wenig Zeit. Wichtiger ist die Zeit des Dritten Reichs wegen des personellen Aderlasses; weit über die Hälfte der intellektuellen Elite Deutschlands verlässt das Land oder wird umgebracht.

Die 1949 entstehende BRD nimmt nur eine einzige wichtige Weichenstellung vor: durch die Forderung der siegreichen Alliierten, das neue Deutschland müsse ein föderaler Bundesstaat sein, wird der Föderalismus auch im Bildungssystem Gesetz. Vorläufig ändert das wenig; das dreigliedrige Schulsystem (etwa 2% besuchen das Gymnasium, meist Kinder reicher Eltern, die ebenfalls das Gymnasium besucht haben) besteht wie bereits zuvor weiter. Erst die SPD sorgt für einen radikalen Wandel: als sie 1969 im Verbund mit der FDP die bisher einzige sozialliberale Episode der BRD einleitet, ändert sich fast alles. Der Reformeifer dieser Regierung und der mit ihr verbündeten Kräfte ist beachtlich; der Konservatismus der CDU/CSU befindet sich auf dem Rückzug. Für das Bildungssystem ist vor allem die sogenannte „Bildungsoffensive“ der Sozialdemokraten wichtig. Wo sie es ändern können – und das ist wegen des Föderalismus’ nur in den von ihr regierten Bundesländern der Fall – werden neue Schulkonzepte getestet – Stichwort Gesamtschule. Des Weiteren wird eine beispiellose Investitionskampagne gestartet und mehr Geld in das Bildungssystem gepumpt als je zuvor. Durch gezielte Förderung wird auch Kindern armer Eltern das Gymnasium und das Studieren ermöglicht; die Zahlen steigen sprunghaft an, neue Gymnasien und Universitäten werden aus dem Boden gestampft. Bereits drei oder vier Jahre später wird das Ganze drastisch zurückgefahren, weil zu erfolgreich, aber das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Das System hat sich – noch immer im Korsett des traditionellen dreigliedrigen Schulsystems – drastisch verändert. Während immer mehr Kinder berechtigterweise das Gymnasium besuchen können, verkümmern die Hauptschulen mehr und mehr. Die Einführung von Sonderschulen begann als engagiertes Förderprojekt und endete in einer totalen Sackgasse, deren Scheitern heute niemand eingestehen will. Die CDU sorgte ab 1982 für ein totales Abwürgen der Bildungsoffensive mit der Folge, dass heute die soziale Herkunft wieder mehr über den schulischen Erfolg bestimmt als alles andere.

Eine letzte wichtige Weichenstellung wurde nach der Wiedervereinigung unternommen. Die Auswirkungen dieser Revolution sind noch immer kaum verstanden und akzeptiert worden. Wie immer bleibt das längst überholte dreigliedrige Schulsystem bestehen, aber das Grundgerüst wird praktisch vollständig umgerissen. Das Haus steht noch, seine Wohnungsaufteilung ist unpraktisch wie eh und je, aber Innenarchitekten versuchen trotzdem, es in nach ihrem Willen zu formen. Der Bologna-Prozess, abgestimmt mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, zerstört die letzten Reste des humboldt’schen Bildungsideals. Ab jetzt sind Kindergärten, Schulen und Universitäten nur noch einem Ziel verpflichtet: den idealen Arbeitnehmer zu schaffen. Alles, was gelernt wird, hat sich dem Primat der wirtschaftlichen Notwendigkeit zu unterwerfen. An den Universitäten hat dies durch die Einführung von Bachelor und Master die bislang weitreichendsten Konsequenzen, aber wenn der Prozess nicht gestoppt wird werden auch Schulen und Kindergärten bald nicht mehr länger verschont bleiben.

Der Bolognaprozess allerdings wird später noch Thema sein, weswegen wir hier abbrechen und innehalten wollen. Wir befinden uns derzeit an einem Scheidepunkt in der Bildung; der Bolognaprozess wirft die bestehenden Wurzeln über den Haufen und schafft Neue – im Guten oder im Bösen, das wird noch zu zeigen sein.