Dienstag, 29. September 2015

Wenn Verantwortung nicht Verantwortung heißt

Es gehört zu den beliebten Ritualen bei Politikerrücktritten dass zwar Verantwortung übernommen wird, man aber gleichzeitig jedes Fehlverhalten von sich weist. Häufig waren es namenlose Untergebene, die ohne das Wissen von Big Boss irgendwelche Fehler gemacht oder gar bösartige Verschwörungen durchgezogen haben. Trotz all dieser Theatralik ist diesen Rücktritten doch meist eines gemein: ein Politiker, der in einen Skandal verwickelt wird und vom Amt zurücktritt, tut dies tatsächlich. Er oder sie trägt im Wortsinne die Verantwortung, denn ob man nun Bescheid wusste und direkt verwickelt war ist nur für den eigenen Ruf relevant. Als Chef ist man im Zweifel immer die letzte Barriere, gegen die ein Ball rollt. Das hat schon immer zum Jobprofil gehört und wird im allgemeinen auch in der Vergütung berücksichtigt. Bei Politikern sind das die Pensionen und vorher auch nicht völlig unerheblichen Bezüge, in der Wirtschaft die Jahresgehälter, Boni und Pensionen. Und hier hören die Gemeinsamkeiten auch auf.

Denn wenn die VW-Affäre eines beweist, dann, dass in Politik und Wirtschaft Verantwortung nicht gleich Verantwortung ist. Apologeten werden vermutlich wieder darauf verweisen, dass bei Winterkorn - wie in allen Fällen zuvor - die Höhe der Abfindungen oder die Unkündbarkeit ohne Abfindungen vertraglich festgelegt ist und dass, egal wie schäbig das für die Öffentlichkeit auch aussehen mag, dem Buchstaben genüge getan muss. Pacta sunt servanda. Und ich will auch gar nicht fordern, Winterkorns Vertrag zu ignorieren und VW Druck zu machen, ihm nichts zu bezahlen. Der offensichtliche nutzlose Aufsichtsrat hat diesen Vertrag abgenickt, und dann wird er auch eingehalten, keine Frage. Was mir unbegreiflich ist, und ich kann mir nicht vorstellen in diesem Unverständnis alleine zu sein, ist, warum solche Verträge immer noch geschlossen werden. Winterkorn hat zuletzt einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr erhalten. Seine Pensionsansprüche gegenüber VW, für die der Konzern in weiser Voraussicht, die er hoffentlich bei normalen Betriebsrenten ebenfalls walten lassen wird, einen Fond zurückgestellt hat, belaufen sich auf rund eine Million im Jahr. Es sei ihm gegönnt. Ich nehme einfach einmal an, dass Winterkorn sein Geld wert war und ohne diese Summen im knallharten globalen Konkurrenzkampf um Führungskräfte einfach bei einem britischen oder amerikanischen Konzern angeheuert hätte, wie es so viele seiner Kollegen ja auch nicht tun.

Geschenkt. Um die völlig absurden Bezahlungen der Spitzenpositionen in Konzernen auf der ganzen Welt soll es hier gar nicht gehen, denn in einem freien Land können freie Konzerne in den Grenzen des Gesetzes ihr Geld zum Fenster hinauswerfen, wie es ihnen passt. Wo mein Verständnis völlig aufhört ist in der Forderung Winterkorns, seinen bis 2016 laufenden Vertrag voll ausbezahlt zu bekommen. Das kann er natürlich machen, denn der bereits erwähnte Aufsichtsrat scheint die Möglichkeit eines Scheiterns offensichtlich nicht bedacht zu haben. Wenn Winterkorn nun also davon redet, "wegen der Fehler Einzelner", mit denen er natürlich nichts zu tun hat, "die Verantwortung zu übernehmen", dann macht mich das wütend. Denn Winterkorn tut eben gerade nicht das, was eben auch zu seinem Jobprofil gehört und die Pille für den Betrieb zu schlucken. Eine der Begründungen für die gewaltigen Gehälter der Firmenbosse ist ja gerade immer die unglaubliche Verantwortung die sie tragen, der Druck, dem sie ausgesetzt sind.

Und diesen Druck will ich auch nicht in Abrede stellen. Diese Leute arbeiten hart und viel, überhaupt keine Frage. Aber ich sehe nicht, dass sie die Verantwortung tragen, und das unterscheidet sie von ihren Kollegen in den Führungsetagen aller kleineren Betriebe weltweit. Denn die würden bei einem Fuck-Up von dieser Dimension schlicht entlassen, und im Normalfall erlauben ihre Verträge das auch. Zurecht, denn sie erhalten dafür im Normalfall auch ein gutes Bisschen mehr als ihre Angestellten. Das gehört eben alles zum Job dazu. Und Herr Winterkorn kann mir nicht ernsthaft erzählen, dass er mit 16 Millionen im Jahr UND einer Million Pension, jährlich, nicht in der Lage ist, tatsächlich die Verantwortung zu übernehmen, für die er sich all die Jahre ostentativ hat entlohnen lassen.

Aber erneut, die Kritik richtet sich nicht an Winterkorn. Der hat einen Klasse Vertrag und pocht jetzt darauf. Prima Spieler im System, würde ich an seiner Stelle auch nicht anders machen. Mir bleibt vielmehr unklar, wie Unternehmen solche Verträge nach all den Katastrophen, nach all den Lektionen wie wir sie gerade aus der Finanzkrise ziehen konnten, immer noch solche Verträge machen. Wenn man es ernst meinen würde mit der Belohnung von Risiko und Unternehmermut, dann würde ein Rücktritt oder eine Kündigung jederzeit und ohne Abfindung möglich sein. Ja, damit werden Spitzenmanager anders behandelt als 99% der Erwerbstätigen, und ja, damit tragen sie ein gewaltiges Risiko. Aber genau dafür werden sie ja auch bezahlt.

Montag, 28. September 2015

Eine Erklärung der amerikanischen Vorwahlen

Das System der amerikanischen Vorwahlen gehört nicht gerade zu den leicht durchschaubaren Systemen dieser Erde. In Deutschland funktioniert das vergleichsweise einfach: die Parteien in den Wahlkreisen wählen ihre jeweiligen Direktkandidaten (Erststimme), und die Partei auf Landesebenen legt die Landeslisten fest (Zweitstimme). Zwar gehen die Parteien zumindest mit "Spitzenkandidaten" ins Rennen, diese sind jedoch ein reiner Wahlkampfgag und haben keine institutionelle Funktion. Formal wird der Bundeskanzler vom Bundestag auf Vorschlag des Bundespräsidenten gewählt und ernennt dann seine Regierung. In den USA dagegen ist das Amt des Präsidenten vom Kongress völlig unabhängig und wird durch (mehr oder weniger) direkte Wahl bestimmt. Zudem gibt es im amerikanischen politischen System keinen offiziellen Platz für Parteien, weswegen technisch gesehen jeder zur Wahl antreten kann. In der Praxis aber läuft es auf einen Zweikampf zwischen den Democrats und den Republicans hinaus, und der erste Kampf, den jeder potenzielle Kandidat bestehen muss, ist der um die Nominierung seiner Partei als Präsidentschaftskandidat - und das passiert in den sogenannten Vorwahlen.

Da für Parteien im institutionellen System der USA kein Platz vorgesehen ist, dominieren sie den Auswahlprozess nicht so offensichtlich wie hier in Deutschland. So ist es auch erklärbar, dass Kandidaten sich für die Präsidentschaftskandidatur bewerben, die eigentlich überhaupt nicht in der jeweiligen Partei tätig sind. So ist etwa Bernie Sanders, der für die Democrats antreten möchte, als Unabhängiger für Vermont im Senat, während Donald Trump, Carly Fiorina und Ben Carson, die um die Kandidatur der Republicans kämpfen, nie ein gewähltes Amt für diese Parteien ausgefüllt haben. Donald Trump war vor einem Jahrzehnt sogar noch selbsterklärter Democrat.

Natürlich ist die Kandidatur nicht ohne Hürden. Jeder Kandidat muss sich in jedem Bundesstaat formal für die Wahl anmelden, was aufwändig und teuer ist. Allein die Akkreditierung in South Carolina etwa kostet 40.000 Dollar. Dieser Registrierungsprozess wird von den jeweiligen Parteiorganisationen durchgeführt und überwacht. Für die Democrats ist das das Democratic National Council (DNC), für die Republicans das Republican National Council (RNC). Das DNC und RNC sind aber nicht mit den deutschen Parteien vergleichbar, weil es sich eher um informelle Netzwerke handelt, die sich zum Zweck der Wahlen zusammenschließen und weniger der Koordination einer einheitlichen programmatischen Plattform verpflichtet sind. Kandidaten durchlaufen diesen Registrierungsprozess häufig nur dann, wenn sie überhaupt eine Chance sehen. Dieses Saison haben einige Bundesstaaten die Fristen dieses Prozesses bereits deutlich vorgezogen, um eine Wiederholung des chaotischen Wahlkampfs von 2011/12 zu vermeiden und unseriöse Kandidaten auszusortieren.

Doch auch vor der offiziellen Registrierung in den Bundesstaaten ist die ebenso offizielle Erklärung der Kandidatur ein wichtiger Zwischenschritt. Mangels staatlicher Parteienfinanzierung sind das DNC und RNC nicht in der Lage, Wahlkämpfe ernsthaft zu finanzieren. Dies obliegt daher den Kandidaten selbst, die Spenden eintreiben müssen. Per Gesetz ist die maximale Spende direkt an die Kandidten für Privatpersonen aber bei 2700 Dollar angesetzt, was die Kandidaten zwingt, breite Unterstützung bei Spendern zu suchen, um ihre Organisation zu finanzieren. Keine Obergrenze gibt es die sogenannten "Super PACs", eine Art Stiftung, die für einen bestimmten Kandidaten Wahlkampf betreibt, der es aber per Gesetz verboten ist, sich mit dem Kandidaten abzustimmen. So unüberprüfbar dieses Gesetz in der Praxis der Wahlkampfbotschaften natürlich ist (was Jon Stewart und Steven Colbert im Wahlkampf 2011/12 eindrücklich demonstriert haben), so hat es doch ernste Konsequenzen für die Bewerber.

Sobald eine Kandidatur offiziell erklärt wurde, muss der Kandidat alle Verbindungen zu seinen Super-PACs abbrechen. Ab diesem Zeitpunkt müssen Ausgaben wie etwa Reisekosten, Mitarbeiter und Ähnliches vom Kandidaten selbst aufgebracht werden. Super-PACs können noch so viele Millionen in Werbespots für den Kandidaten investieren; wenn diesem das Geld für die Registrierung in South Carolina fehlt, das er selbst aufbringen muss, bricht der Wahlkampf für ihn zusammen. Dieses Schicksal hat bereits Rick Perry und Scott Walker ereilt, denen beiden das Geld ausging, obwohl ihre jeweiligen Super-PACs noch mehrere Millionen übrig hatten. Es erklärt auch, warum manche Politiker wie Jeb Bush mehrere Monate effektiv Wahlkampf betrieben, ohne ihre Kandidatur zu erklären - es erlaubte ihnen, auf die Ressourcen des Super-PAC zurückzugreifen.

Die meisten Kandidaten erklärten ihre Kandidatur daher im Frühling bis Frühsommer 2015, was ihnen rund ein Jahr für den eigentlichen Vorwahlkampf ließ (bis zum Beginn der eigentlichen Vorwahlen im Frühjahr 2016). Zumindest die ernsthaften Kandidaten begannen ihren Wahlkampf aber bereits deutlich früher, in der sogenannten "invisible primary".

Wie hier im Blog bereits dargestellt sind für einen Kandidaten die Unterstützung der Amtsträger und Parteifunktionäre entscheidende Messgrößen, weil ohne ihre Unterstützung der Aufwand in Geld, Zeit und anderen Ressourcen für den Kandidaten deutlich steigt. Der Kampf um diese Funktionäre hinter den Kulissen wird von Politikwissenschaftlern als invisible primary bezeichnet, weil sie von den Medien größtenteils unbeachtet und ohne öffentliche Auftritte stattfindet. Die Kandidaten treffen sich dabei mit den großen Spendern (etwa den Koch-Brüdern, Milliardären, die die Republicans unterstützen) und mit den lokalen Parteigrößen (besonders in Iowa, New Hampshire und relevanten großen Staaten) und versuchen ihre Gunst zu gewinnen. Viele Kandidaturen entscheiden sich bereits in diesem Stadium. Mitt Romney etwa, der ernsthaft mit einem dritten Anlauf geliebäugelt hatte, verlor diese invisible primary, weil ihm die Parteifunktionäre und viele Großspender die Unterstützung versagten. Entsprechend verzichtete Romney auf eine Kandidatur.

Sind die Kandidaten registriert, wurden erste Umfragen unternommen und ist der Sommer vorbei, beginnt der Vorwahlkampf ernsthaft. Noch immer spielt er für meisten Zuschauer keine Rolle, weil sich nur ein Bruchteil der Bevölkerung dafür interessiert, aber dieser Bruchteil ist für die Kandidaten relevant, weil es die Parteiaktivisten sind. Es sind die Leute, die in ihrer Freizeit Wahlkampf für den Kandidaten machen, von Haus zu Haus gehen und Plakate kleben. Ihre Unterstützung zu gewinnen ist der relevanteste Teil nach den Funktionären und Gr0ßspendern der invisible primary, und es ist der erste Teil des Wahlkampfs, der in der Öffentlichkeit stattfindet. Hierzu werden townhall meetings veranstaltet, bei denen die Wähler die Kandidaten befragen können, und Debatten geführt, die im Fernsehen übertragen werden. Im Gegensatz zu den eigentlichen Präsidentschaftsdebatten, die zwischen den beiden Kandidaten durchgeführt werden, können die Debatten im Vorwahlkampf ernsthafte Effekte haben. Während die Präsidentschaftsdebatten im Oktober 2016 statistisch nur zwischen zehn und zwanzig Prozent der Wähler in ihren vorherigen Ansichten über den Kandidaten bewegen können, bewegen die Vorwahlkampfdebatten rund 60% der Wähler. Eine gute Performance ist im Herbst und Winter 2015 daher deutlich wichtiger als im Herbst 2016.

Im Frühjahr 2016 beginnen dann tatsächlich die eigentlichen Wahlen (Vorwahlkalender 2016). In der medialen Berichterstattung beginnt der Vorwahlkampf nun größeren Raum einzunehmen, der in Richtung Frühsommer immer größer wird, bis im Sommer und Herbst dann der eigentliche Präsidentschaftswahlkampf alle anderen Nachrichten dominiert. Durch die Besonderheiten des amerikanischen Föderalismus hält jeder Staat seine eigenen Vorwahlen an einem eigenen Termin ab, weswegen sich die Vorwahlen bis in den Juni 2016 ziehen. Im Normalfall aber ist der Sieger bereits deutlich vorher klar, weil Kandidaten, die keine Chance mehr sehen, im Normalfall aufgeben. Lange Duelle wie zwischen Obama und Clinton 2007/8 sind eher selten.

Die Vorwahlen finden auf eine von zwei Arten statt (die im Deutschen beide unter "Vorwahl" laufen, weswegen ab sofort die englischen Begriffe verwendet werden): als caucus oder als primary. die primaries sind normale Wahlen mit Wahlzetteln, einer Stimme und geheimer Wahl. Die caucuses dagegen sind ein spezifisches amerikanisches Phänomen und werden oft als "sich anbrüllen in einer Scheune" verunglimpft. Es handelt sich um offene Treffen, bei denen die Stimmen ebenso offen abgegeben werden und bei denen die lokalen Parteifunktionäre großen Einfluss auf das chaotische und volksfestartige Prozedere haben. Letzten Endes sind sie ein Relikt der politischen Kultur des 19. Jahrhunderts, als geheime Abstimmungen noch nicht üblich waren und lokale Honoratioren den Ton angaben.

Der erste caucus findet grundsätzlich in Iowa statt, und zwar noch vor der ersten primary. Diese ist immer in New Hampshire, das von seiner Verfassung verpflichtet ist, immer als erstes dran zu sein. Beide Staaten haben daher einen ihrer Größe und Einwohnerzahl völlig unangemessenen Einfluss auf den Prozess und sind das Ziel von massiver Werbung, was für jeden Einwohner, der sich nicht brennend für Politik interessiert wirklich Nervenaufreibend sein muss. Dieses Problem wird noch dadurch verstärkt dass beide Staaten nicht gerade repräsentativ für die USA als Ganzes sind; sie sind eher ländlich und eher weiß, so dass städtische, junge, schwarze und Latino-Wähler deutlich unterrepräsentiert sind. Da die caucuses und primaries zudem hauptsächlich von den knallharten Parteiaktivisten frequentiert werden, die deutlich linker (Democrats) oder rechter (Republicans) als der amerikanische Durchschnitt sind, steht den Kandidaten ein Eiertanz bevor.

Um den Wählern im Frühjahr 2016 zu gefallen, müssen sie Positionen einnehmen, die für die Mehrheit der Amerikaner eigentlich zu links bzw. rechts erscheinen und nach dem Vorwahlkampf entsprechend wieder in die Mitte zurückwandern. Ist der Vorwahlkampf aber besonders hart (wie etwa bei den Republicans sowohl 2012 als auch nun 2016), versuchen sich die Kandidaten jeweils auf der ideologischen Flanke zu überholen und drücken sich gegenseitig in den extremen Rand ihrer jeweiligen Partei. So wurde Mitt Romney, der eigentlich ein klassischer Republican mit Bindungen zum großen Geld und sozialkonservativen Ansichten ist, 2012 zu extremen Aussagen gegenüber Schwarzen, Armen und Homosexuellen gezwungen, die er vermutlich nicht gemacht hätte, wenn er nicht von seinen Konkurrenten gezwungen worden wäre und die ihn im eigentlichen Wahlkampf gegen 2012 nicht mehr losließen.

Doch die Besonderheiten sind damit noch nicht am Ende. Die Staaten können sich nämlich auch entscheiden, ob sie die Delegierten, die die Kandidaten gewinnen können (und deren Zahl sich nach den Einwohnern richtet) nach dem Verhältnis- oder Mehrheitsprinzip verteilt werden. Die Republicans haben zudem festgelegt, dass das Mehrheitsprinzip erst ab einem bestimmten Stichtag angewendet werden darf, um die Wahltermine zu entzerren. Iowa und New Hampshire, die relativ wenig Delegierte verteilen, sind daher vor allem wichtig um zu bestimmen wer überhaupt im Rennen bleibt. Viele Kandidaten, die hier nicht mindestens vierter werden, geben für gewöhnlich auf, während besonders für Kandidaten, die nicht bereits frontrunner sind (wie Hillary Clinton 2008, Mitt Romney 2012 oder Jeb Bush 2016) der Termin in Iowa extrem wichtig ist, um mit einem guten Ergebnis auf sich aufmerksam zu machen.

Die Vorwahlen ziehen sich dann bis in den Juni hinein. Im Juli finden dann die National Conventions (Parteitage) der beiden Parteien statt, auf denen die vorher gewählten Deligierten den Kandidaten küren. Die Deligierten sind aber nur im ersten Wahlgang verpflichtet, den Kandidaten zu wählen, der die jeweilige Vorwahl in ihrem Staat gewonnen hat. Wenn also kein Kandidat zu den National Conventions eine Mehrheit erzielen konnte, muss er auf der Convention selbst bestimmt werden. Hier haben zum einen die gewählten Deligierten aus den jeweiligen Bundesstaaten, die beiden Vorwahlen bestimmt wurden, eine Stimme, aber auch eine Reihe von sogenannten Super Delegates, bei denen es sich effektiv um Parteifunktionäre handelt. Hat ein Kandidat zur Convention eine Mehrheit, spielen diese Super Delegates - die effektiv ein Überbleibsel aus der Zeit vor den Vorwahlen sind, in der die Kandidaten ausschließlich auf den Conventions in Hinterzimmerdeals ausgehandelt wurden - keine Rolle. Wenn jedoch kein Kandidat eine Mehrheit hat, sind sie das Zünglein an der Waage. Hillary Clinton etwa richtete 2008 ihre Hoffnungen darauf, etwa gleichauf mit Barack Obama in die Convention einzuziehen, da sie sich eine Mehrheit der Super Delegates ausrechnete. Sie verlor dann aber doch vorher. Im unwahrscheinlichen Fall, dass dadurch immer noch niemand die Mehrheit hat, müssen so viele Wahlgänge durchgeführt werden, bis es einen Kandidaten gibt.

Das wäre dann die große Stunde der Hinterzimmerdeals und Intrigenspinner, aber dieses Szenario ist mehr als unwahrscheinlich. Die gewaltigen Kosten des Wahlkampfs machen es wahrscheinlicher, dass Kandidaten, die keine deutlichen Siegeschancen aufweisen, ihre Spender verlieren und wegen Geldmangels aufgeben müssen. Die meisten Spender wollen nämlich vor allem vermeiden, auf der Verliererseite zu landen und werfen sich hinter den akzeptabelsten frontrunner. Auch bei den Parteifunktionären lässt sich dieses Verhalten beobachten. Sobald ein Kandidat klar Siegchancen zeigt, beginnen normalerweise die endorsements (siehe hier) zu fließen. Für Obama etwa war das endorsement durch Ted Kennedy nach seinem Sieg in Iowa der Durchbruch in Parteikreisen, er war als seriöse Alternative zu Clinton etabliert, deren vorher sicher geglaubte Unterstützung der Super Delegates damit ins Wanken kam.

Mit der jeweiligen Convention endet auch der Vorwahlprozess und der entsprechende Kandidat stürzt sich, nun mit der Unterstützung von DNC und RNC, in den Kampf gegen seinen Rivalen von der anderen Partei. Je früher diese Entscheidung relativ zu der anderen Partei fällt, desto früher kann sich ein Kandidat auf die eigentliche Präsidentschaftskandidatur konzentrieren. Dieser kleine Vorteil ist natürlich nicht entscheidend - er half John McCain etwa 2008 nicht gegen Obama - spart dem jeweiligen Kandidaten aber in jedem Falle Geld.

Und das, in a nutshell, ist der Prozess der amerikanischen Vorwahlen.

Samstag, 26. September 2015

One Coup Too Far: Der Rücktritt von John Boehner im Kontext

Der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, hat seinen Rücktritt angekündigt. Unter seinen politischen Gegnern, den Democrats, waren die Reaktionen hierauf eher verhalten. Als Marco Rubio die Nachricht während einer Wahlkampfveranstaltung brühwarm seinen Anhängern unterbreitete, jubelten diese jedoch als ob sie gerade eine Wahl gewonnen hätten. Dabei war Boehner ein Republican, und noch dazu einer, der nicht gerade durch innige Nähe zu Obama aufgefallen wäre. Warum also jubeln die Republicans, wenn ihr eigener Sprecher und effektiver Parteivorsitzender den Rücktritt ankündigt? Es scheint jedenfalls nicht, als ob Boehner mit mehr Liebe auf seine eigenen Leute blicken würde. In einem Interview vor einer Woche erklärte er, dass man alles ertragen würde, wenn man für eine Sache kämpfe, und fügte einen hilfreichen Vergleich hinzu: "Müllmänner gewöhnen sich ja auch an den Gestank von Müll." Nun, das klingt nicht gerade nach einer Liebesbeziehung zwischen ihm und den Abgeordneten, deren Sprecher er ist. Was also ist da passiert?

John Boehner, ein treuer Parteisoldat und verlässlicher Funktionär seit er seine Karriere begonnen hatte, wurde im Januar 2011 im Zuge des Sieges der Republicans bei den Midterm Elections 2010 zum Sprecher gewählt. Es war die große Zeit der Tea Party und des Konflikts um Obamacare, und die Democrats hatten zum ersten Mal seit 2006 die Mehrheit im Repräsentantenhaus wieder verloren (im Senat behielten sie bis 2014 die Mehrheit). Für Obama brachen wegen der starken Gewaltentrennung in den USA, die für effektives Regieren eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses und die Macht im Weißen Haus erfordert, schwere Zeiten an. Tatsächlich erklärte Boehner auch ziemlich offen, dass er keinerlei Interessen an Kompromissen mit dem Weißen Haus besäße. Das Ziel der Republicans war die Abwahl Obamas 2012 und die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses. Boehners Strategie zum Erreichen dieses Ziels war eine totale Obstruktionspolitik - eine Taktik, mit der auch Deutschland seine Erfahrungen hat.

Die Regierung kam denn auch sofort in schwieriges Fahrwasser. Noch 2011 bescherten Boehners Truppen Obama die erste Krise, als sich die Republicans weigerten, eine Routineabstimmung - die Anhebung der Obergrenzung der US-Schulden, das sogenannten debt ceiling - durch den Kongress zu winken. Wäre das debt ceiling nicht zum Stichtag angehoben worden, wären die USA zahlungsunfähig geworden. Boehner hoffte, durch diese Strategie einen Haushalt nach den Vorstellungen der Republicans erzwingen zu können. Das Spiel mit dem Feuer ging glimpflich aus: Obama einigte sich mit den Unterhändlern auf den sogenannten Sequester: so nicht bis zu einem neuen Stichtag ein Kompromiss gefunden wurde, würden im Haushalt automatisch Mittel gestrichen - ein fixer Wert quer durch alle Posten. Das betraf auch Lieblingsprojekte der Republicans wie das Militär, die diese gerne aus dem Deal herausgehalten hatten. Die Voraussage vieler Experten, dass Obamas Regierung durch den Sequester stärker getroffen werden würde als die Republicans, erfüllte sich nicht. Die Regierung überstand die Krise, und das Kriegsbeil wurde schließlich begraben.

Zwar hatte Boehner einen vergleichsweise guten Haushalt für seine Partei herausholen können, aber vielen der 2010 neu gewählten radikalen Republicans erschien der Kompromiss mit Obama als Sündenfall, und das debt ceiling war als Geißel in zukünftigen Verhandlungen nicht mehr zu gebrauchen, da die Republicans offensichtlich nicht gewillt gewesen waren, die Zahlungsunfähigkeit der USA zu riskieren. Für Boehner zeigte sich damit die Dynamik, die ihm in den kommenden Jahren die meisten Probleme bereiten würde: obwohl er nach den normalen Maßstäben des Politikbetriebs große Erfolge erzielten konnte, war dies dem lautstarken und irrationalen radikalen Flügel - etwa ein Drittel der republikanischen Abgeordneten - seiner Partei zu wenig. Zwar war der Kompromiss nie ernstlich in Gefahr, weil Boehner ihn notfalls mit den Stimmen der Democrats hätte durchbringen können, aber das wäre für ihn natürlich das politische Todesurteil gewesen.

Boehner verlegte sich in der nächsten Zeit auf eine unauffälligere Obstruktionsstrategie, die aber Mitt Romney nicht retten konnte, der 2012 die Wahl verlor. Zwar hielten die Republicans mühelos ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus, konnten aber auch 2012 den Senat nicht erobern, so dass Obama besonders bei der Ernennung wichtiger Verwaltungsposten noch relativ viel Freiraum besaß. 2013 aber konnte er die Radikalen nicht mehr unter Kontrolle behalten - sie erzwangen den Shutdown der Regierung (siehe Deliberation Daily damals), indem sie sich weigerten, einen Haushalt zu verabschieden. Obama hatte aus den Jahren 2011 und 2012 die Lehre gezogen, dass ein Kompromiss mit den Republicans sinnlos war - egal wie weit er ihnen entgegen kam, sie würden ihm nichts dafür geben und weiter mit den härtesten Maßnahmen drohen. Boehner meinte seine Strategie, die er bereits 2011 erklärt hatte, ernst, auch wenn er ein Gegner von theatralischen und sinnlosen Zuspitzungen wie dem Shutdown war. Obama nutzte die Auseinandersetzung und gab nicht nach. Nach rund zwei Wochen gaben die Republicans auf. Die Grenzen der Obstruktionspolitik wurden offensichtlich, und Obama begann in verstärktem Maße - besonders ab den Midterm Elections 2014, bei denen die Democrats den Senat verloren - um den Kongress herumzuarbeiten und die exekutiven Machtmittel stärker zu nutzen. Gleichzeitig gewann Boehner mit dem Senat zwar mehr Rückhalt, aber auch dort schwangen sich die Radikalen auf häufig unangenehme Art ins Scheinwerferlicht, etwa in Gestalt des texanischen Senators Ted Cruz.

Anfang 2015 sah die Bilanz Boehners aus republikanischer Sicht damit gemischt aus. Die meisten Rebellionen der Radikalen im Kongress hatte er abwehren können, sowohl der debt-ceiling-Streit von 2011 als auch der Shutdown von 2013 - die öffentlichsten Auseinandersetzungen mit Obama - waren verloren gegangen. Gewonnen hatte Obama allerdings in beiden Fällen nichts, seine Siege waren nur defensiver Natur. Boehner kann damit für sich in Anspruch nehmen, den Kongress effektiv lahmgelegt zu haben. Er erreichte dies vorrangig, indem er die meisten Gesetzesvorschläge gar nicht erst zur Abstimmung freigab und damit die Lesungen, Ausschüsse und Debatten neutralisierte. Tatsächlich sind die Kongresse unter Boehner unter den unproduktivsten der US-Geschichte überhaupt. Es hängt wohl vom parteipolitischen Standpunkt ab, wie man diese Errungenschaft bewertet. Eines aber war mittlerweile überdeutlich geworden: die Radikalen seiner Partei hassten ihn und die Tatsache, dass er gelegentlich eben doch das Notwendige tat und nicht irgendwelche symbolischen, aber erfolglosen Gesten wie den Shutdown übte. Sie warfen ihm vor, zu nachgiebig zu sein. Der konstante Druck, den Boehner so erfuhr, hinterließ seine Spuren. Kommentare wie der Müllmänner-Vergleich zeigen dies allzu deutlich. So hoffe Boehner, 2015 sein Amt an einen handverlesenen Nachfolger übergeben zu können: Eric Cantor, einen anderen klassischen Republican, der weniger den radikalen Evangelikalen der Tea Party als den Interessen des Großen Geldes zugetan war. Doch völlig überraschend verlor Cantor 2014 die Vorwahlen für seinen Senatssitz gegen einen Tea-Party-Rebellen und ging als Lobbyist in die Wirtschaft. In den letzten Wochen drohten die Radikalen zudem, den Kongress wie bereits 2013 zu einem Shutdown der Regierung zu zwingen.

Boehners Rücktritt ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Er hat keine Lust mehr, bis 2016 weiterzumachen. Als lahme Ente in das Wahljahr 2016 zu gehen ist auch keine Option. Für Boehner ist es zudem wichtig, die destruktiven Tendenzen der Tea Party einzudämmen, weswegen er ihnen bei der Bestimmung seines Nachfolgers so wenig Raum wie möglich gewähren darf. Daher sein überraschender wie kurzfristiger Rücktritt, der seinen Gegnern nur wenig Zeit lässt, sich hinter einem Kandidaten zu sammeln. Wie so häufig in radikalen Bewegungen wissen die Tea-Party-Anhänger zwar, wogegen sie sind, können sich aber nur schwer auf etwas einigen, für das sie sind. Dies ist auch in den Vorwahlen zu beobachten, wo die Kandidaten der radikalen Rechten steigen und fallen während die Kandidaten des Establishments stabil bleiben. Es ist daher wahrscheinlich, dass ein Abgeordneter wie Steven McCarthy aus Kalifornien, der vor allem durch seine guten Funktionärseigenschaften aufgefallen ist, der nächste Sprecher wird. Andererseits sollte man nie die destruktive Kraft der Tea Party unterschätzen. Dafür muss man nur John Boehner fragen.

Donnerstag, 24. September 2015

Warum niedrige Leitzinsen wirklich gefährlich sind

Als die USA ihren Unabhängigkeitskrieg gewonnen hatten, gründete sich das junge Gemeinwesen nicht auf die Verfassung, die wir heute kennen - mit ihren Wahlmännern und -frauen, dem Kongress und der Erlaubnis zum privaten Waffenbesitz - sondern auf die so genannten "Articles of Confederation", eine Verfassung die so unpraktikabel war dass sie noch im selben Jahrzehnt durch eben diese Verfassung ersetzt wurde. Damit waren damals nicht alle glücklich, und die Verfassungsväter nutzten das ganze Repertoire ihrer Tricks, um die Eliten des Landes auf ihre Seite zu ziehen. Einer dieser Tricks war die Übernahme der horrenden Schulden der Einzelstaaten, die noch aus dem Unabhänigkeitskrieg herrührten, durch die neue Bundesregierung. Wie zuvor das moderne Großbritannien entstand der amerikanische Staat durch die Einrichtung einer Staatsschuld, die (kurz darauf) von einer semi-autonomen Zentralbank gesteuert wurde.

Die Zentralbank legt bekanntlich die Leitzinsen fest. Sind diese niedrig, ist es günstig, Geld zu leihen, was allgemein das Wachstum ankurbelt (weil Investitionen leichter sind), aber auf der anderen Seite Blasen begünstigt und inflationstreibend sein kann. Sind sie hoch, ist es teuer, Geld zu leihen, was allgemein das Wachstum senkt (weil nicht investiert wird), was Blasen unwahrscheinlicher macht und inflationshemmend sein kann. Sowohl die USA als auch - in etwas geringerem Ausmaß - der Euro-Raum erleben gerade eine ungewöhnlich lange Periode ungewöhnlich niedriger Zinsen, ohne dass es zu der befürchteten Inflation kommt. Sowohl die amerikanische Fed als auch die EZB verfehlen gerade regelmäßig das festgelegte Inflationsziel von 2%, und eine Blase ist gerade auch nicht in Sicht. Trotzdem warnen vor allem konservative bis liberale Kreise beständig vor der drohenden Inflationsgefahr, auch wenn sich ihre bisherigen Warnungen allesamt als falsch herausgestellt haben. Teilweise sind die Warnungen nur noch bizarr. Warum haben diese Leute so viel Angst vor niedrigen Leitzinsen?

Eine Antwort darauf finden wir im Rückgriff auf die eingangs erzählte Geschichte von der amerikanischen Revolution. Die Bundesregierung hat die Staatsschulden nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern aus knallhartem Kalkül übernommen. Die Wirtschaft war in der Zeit der "Articles of Confederation" in einem katastrophalen Zustand und das Land in einem desaströsen Handelskrieg mit Großbritannien gefangen, der seine Expansionschancen deutlich hemmte. Besonders die wohlhabenden Pflanzer und Geschäftsleute (die während des Unabhängigkeitskriegs in die Milizen der einzelnen Staaten investiert hatten, indem sie die jeweiligen bonds kauften) fragten sich damals, ob die unabhängige Republik wirklich eine gute Idee war oder ob man nicht unter britischer Herrschaft oder vielleicht einem autoritäreren System besser fahren würde. Durch die Übernahme der Staatsschuld in die neue Bundesregierung wurden die bisherigen Investments, die man bereits fast abgeschrieben hatte, plötzlich wieder stabil und wertvoll und warfen eine sichere, stabile Rendite ab. Mit diesem Schritt band die amerikanische Regierung die reichen Eliten an das junge politische System, eine enge Verklammerung, ohne die eine Demokratie einen schweren Stand hat - man sehe nur nach Weimar, wo ein ähnlicher Mechanismus fehlte und die reichen Eliten ihr Heil mit bekannten Folgen bei autoritären Systemen suchten.

Und genau hier liegt die tatsächliche Gefahr von niedrigen Leitzinsen, solange keine Inflation oder Blasen drohen: niedrige Zinsen mögen das Wachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen, aber sie sind schlecht für die Rentiers und ihre Rendite. Wenn diese Gruppen glauben, dass eine demokratische Regierung ihre Interessen massiv gefährdet, kann dies zu ernsthaften Verschiebungen im politischen System führen. Da sich diese Interessengruppen aber hinter den Angstszenarien vom jetzt aber ganz sicher kommenden Inflationsschwung verstecken, ist diese Verbindung nicht offenkundig, erlaubt man ihnen, sich als Vertreter des Gemeinwohls zu präsentieren, während sie in Wahrheit nur Partikularinteressen folgen. Es lohnt daher, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen und sich nicht hinters Licht führen zu lassen.

Donnerstag, 17. September 2015

Ein atemberaubender Moment in der Debatte der Republicans

Gestern Nacht fand die zweite Debatte der Republicans im US-Vorwahlkampf statt, dieses Mal mit 11 Kandidaten (Carly Fiorina war nach ihrer starken Performance bei der letzten "Junior-Debatte" mithinzugezogen worden) und über drei Stunden. Abgesehen von einem leichten Strategiewechsel bei Trump (nicht mehr ganz so aggressiv) war die Debatte vor allem reichlich mäandernd mit merkwürdigen Schwerpunktsetzungen (kaum Steuern, überhaupt kein Obamacare). Eine Frage jedoch sticht so heraus, dass man die Antworten auch einem deutschen Publikum zeigen und sie kommentieren will, denn sie offenbaren eine Sollbruchstelle innerhalb der Partei der Republicans, die unter den Bedingungen der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton nur größer werden kann.

Die Frage war, welche Frau die Kandidaten auf den 10-Dollar-Schein drucken würden (Video). Hintergrund der Frage ist die Forderung, das bisher rein männliche Roster der Köpfe auf US-Geldscheinen mit wenigstens einer Frau zu diversifizieren, und das US-Schatzamt hat zugesagt, dafür Alexander Hamilton vom 10-Dollar-Schein zu werfen. Diese Entscheidung ist in sich selbst sehr kontrovers, weil der 10-Dollar-Schein einer der am wenigsten gebrauchten Scheine in den USA ist, während neben dem (mit George Washington besetzten) Ein-Dollar-Schein der Zwanziger am Häufigsten gebraucht wird - was eine Initiative auch zum Anlass nimmt, eine Frau auf diesem Schein zu fordern, auf dem zudem das Konfertei von Jackson prangt. Jackson war nicht nur ein Gegner der US-Zentralbank und des Papiergelds allgemein sondern auch ein Rassist, Sklavenhalter und Massenmörder, weswegen es mehr als überfällig ist, ihn aus dem Geldumlauf zu entfernen.

Aber zurück zu den Kandidaten. Auf die Frage, wen sie auf den Schein packen würden - und sind wir ehrlich, in Wirklichkeit lautete die Frage "Nenne eine historisch berühmte amerikanische Frau" antworteten sie wie folgt:

Rand Paul: "You know, I agree with what Carly said on women suffrage, and so I think that Susan B. Anthony would be my choice."
Susan B. Anthony war eine überzeugte Suffragettin und die erste registrierte Wählerin in den USA. Pauls Wahl erscheint daher angemessen, auch wenn Anthony selbst bisher eher unbekannt sein dürfte. Aber die meisten Deutschen dürften Clara Schumann auch nur vom 100-Mark-Schein gekannt haben, von daher wäre das weniger ein Problem. Paul zeigt hier seine libertäre Seite, für Bürgerrechte.

Mike Huckabee: "That's an easy one, I'll out my wife on there. I've been married to her 41 years, she fought cancer and lived through it, she raised three kids, five great grandkids and she put up with me, I mean, who else could possibly be on that money other than my wive? And that way, she could spend her money with her own face."
Es sind Momente wie diese, die man sich eigentlich gar nicht ausdenken kann. Ernsthaft, Mr. Huckabee? Deine Frau? WEIL SIE MIT DIR VERHEIRATET WAR? Ihre sonstigen Errungenschaften: das Erfüllen des konservativen Wunschtraums, Kinder großgezogen zu haben. Das Einzige, was Huckabee zu einer eigenen Lebensleistung einfällt ist, dass sie überlebt hat, ein Erfolg, der es ihr ermöglicht hat die "großartigen Enkelkinder" zu erziehen. Dafür aber könnte sie immerhin ihr "eigenes Geld" ausgeben, statt wie bisher das ihres viel besseren Ehemanns zu verbrauchen. Auf die Frage nach historisch bedeutsamen Frauen, die man neben Washington, Jackson und Lincoln auf die Geldscheine drucken kann fällt ihm genau niemand ein; stattdessen macht er die Frage zu einem dummen, sexistischen Witz über seine Ehefrau. Wahnsinn.
Marco Rubio: "Rosa Parks. An everyday American that changed the course of history."
Eine sichere Bank. Rosa Parks ist schwarz (was es Rubio gleich ermöglicht, sich von Trump und den anderen hatern abzusetzen) und die wohl berühmteste Frau. Niemand kann ernsthaft etwas gegen sie und ihr Ziel zur Gleichberechtigung der Schwarzen haben.

Ted Cruz: "Well, I wouldn't change the ten-dollar-bill, I'd change the twenty, and I would pull Jackson off and I'd leave Alexander Hamilton right where he is as one of our Founding Fathers. And I very much agree with Marco that it should be Rosa Parks, she was a very principled pioneer that helped this country, helped remedy social injustice, and that would be an honor, that would be enitrely appropriate."
Ted Cruz, der als Feuerfresser sonst nur Trump Konkurrenz macht, überrascht hier, indem er nicht nur den Südstaatenliebling Jackson vom Zwanziger werfen will sondern auch den Rosa-Parks-Vorschlag unterstützt. Gleichzeitig aber weiß er, beide für seine Ideologie zu kooptieren: den ersten wirklich großen Fan von big government, Alexander Hamilton, wirft er hier einfach mit Thomas Jefferson und den anderen Founding Fathers in denselben Tea-Party-Topf, und Rosa Parks wird durch das Adjektiv "prinzipientreu" in die sozialkonservative Richtung gezogen. Well played, Mr. Cruz.

Ben Carson: "I'd put my mother on there. She was one of twenty-four children, got married at age thirteen, had only a third-grade education, had to raise two sons by herself, refused to be a victim, wouldn't let us be victims, and has been an inspiration for many people."
Ohne die persönlichen Qualitäten von Mrs. Carson in Abrede stellen zu wollen, aber nichts davon qualifiziert sie als Symbol der gesamten Nation, besoners weil die "vielen Menschen", die sie inspiriert hat, wohl kaum die Hunderter-Marke überschreiten - was in einem Land von über 300 Millionen nicht gerade viel ist. Carsons Begründung ist eine, die ein absoluter Monarch geben würde, der sich einen feuchten Kehricht um seine Nation kümmert, und die Ignoranz, die er gegenüber der Symbolwirkung einer solchen Tat zur Schau stellt, ist beeindruckend. Sie zeigt auch, wie ungeheuer ungeeignet er für das Amt - jedes Amt - ist. Diesen Menschen an die Macht zu lassen ist ein Rezept für radikale, allein getroffene und desaströse Entscheidungen. Daneben findet sich das für schwarze Republicans typische Muster, die Probleme der Schwarzen in den USA komplett ihnen selbst zuzuschreiben. Kein "Opfer" sein zu wollen sondern sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen - wofür Carson mit seiner Lebensgeschichte eindrücklich steht - ist hier einer der vielen Codes, die dazu verwendet werden.

Donald Trump: "Well, because she's sitting here for three hours, my daughter Ivanka sits right here. Other than that, we'll go with Rosa Parks, I like that."
Donald Trump hat das Pech, erst jetzt zum Zug zu kommen, so dass nach Huckabee und Carson der Gag, einen eigenen Verwandten zu nennen - denn er mit entsprechend Arroganz versehen hätte bringen können - lahm verpufft. Dafür hat er das Glück, sich Rosa Parks abschreiben zu können, auf die er alleine vermutlich nie gekommen wäre.

Jeb Bush: "I would go with Ronald Reagan's partner, Margret Thatcher. Probably illegal, but what the heck. Since it's not gonna happen. A strong leader is what we need in the White House and she certainly was a strong leader who restored the United Kingdom to greatness."
Vermutlich fiel Bush auf, wie ungeschickt seine Antwort war, weswegen er noch weitere Qualifikationen anfügte. Erst "das passiert sowieso nicht", wobei unklar ist, worauf sich das bezieht: eine Frau auf einem Geldschein? Nicht mir dir, Jeb, das hast du klar gemacht. Margret Thatcher? Natürlich nicht, aber warum nennst du sie dann? Ach ja, weil wir einen "starken Anführer" im Weißen Haus brauchen (womit er natürlich sich meint), und sie war ja eine. Und sie hat die "Größe des Vereinigten Königreichs wiederhergestellt", was super zu Jebs Motto "Right to Rise" passt - die Wiederherstellung amerikanischer Größe, die ihn unter den anderen Kandidaten wirklich gar nicht hervorhebt. Die gesamte Antwort und vor allem wie sie vorgebracht wird zeigt die enormen Schwächen Bushs als Wahlkämpfer auf. Er und Hillary Clinton sind sich auch in dieser Hinsicht sehr ähnlich und werden sich im eigentlichen Wahlkampf darin neutralisieren.

Scott Walker: "First, thanks to Huckabee and Carson for making us all look like chumps up here, but I'd put Clara Barton. I once worked for the Red Cross, she was a great founder of the Red Cross."
Barton war die Gründerin des amerikanischen Roten Kreuzes. Sie qualifiziert damit und zeigt gleichzeitig eine Seite an Scott Walker, die dieser gerne hervorheben würde: seinen bodenständigen Konservatismus, der sich in diesem Fall durch Arbeit bei der Charity auszeichnet. Das Ganze kommt auch authentisch herüber, weil er ihren (unbekannten) Namen kennt, er bekommt aber Abzug in der B-Note, weil seine Qualifizierung eines "großartigen Gründers" nicht eben dafür spricht, dass er neben dem Wissen um ihre Existenz viel mehr Details auflisten könnte. Zu seinem Glück musste er das auch nicht.

Carly Fiorina: "I wouldn't change the ten-dollar-bill, or the twenty-dollar-bill. Honestly, I think it's a gesture. I don't think it helps to change our history. What I would think is that we ought to recognize our women aren't a special interest group, they're the majority of this nation, we are half the potential of this nation, and this nation will be better off if she has the opportunity to live the live she chooses."
Fiorina macht hier mit den Frauen - einer Stammwählerschaft der Democrats - was Carson mit den Schwarzen - dito - versuchte: das vorherrschende Narrativ ihrer Benachteiligung zu ändern und die Schuld hierfür der Gruppe selbst zuzuschreiben. Wie Carson auch kann sie das dank ihrer eigenen Lebensgeschichte glaubhaft tun. Beide erklären, dass es keine Symbolpolitik brauche (während sie in der Reagan-Library vor der Air Force One stehen) und dass es eine reine Willensfrage sei, ob man in Amerika eine Chance habe. Das ist natürlich Unfug, aber man muss Fiorina Respekt dafür zollen, wie sie all das in einen Satz verschwurbelt. Ähnlich geht sie auch in Fragen der Klimapolitik vor, wie Jonathan Chait dargestellt hat.

John Kasich: "It probably wouldn't be legal, but I would pick Mother Theresa. The lady that I had the chance to meet, the woman who lived a live so much bigger than our own, an inspiration to everyone when we think about to love our neighbors as we love ourselves."
Kasich, der Gouverneur von Ohio, zeigt ebenfalls seine wahlkämpferischen Fähigkeiten. Obwohl seine Wahl natürlich Unsinn ist wählt er eine weltweit bekannte, unangreifbare Ikone konservativer Fürsorge, belegt seine eigenen Referenzen durch den Hinweis dass er sie selbst getroffen hat und setzt sich von den anderen einmal mehr dadurch ab, dass er die Fremdenhetze nicht mitmacht sondern mit einem Bibelzitat zur Nächstenliebe anmacht. Well played, Mr. Kasich.

Chris Christie: "I think the Adams family has been shorted in the currency business. Our country wouldn't be here without John Adams, and he would not have been able to it without Abigail Adams, so I'd put Abigail Adams on the bill."
Christies Wahl ist solide: Abigail Adams gehört zu den aktivsten Präsidentengattinnen überhaupt, ohne gleich - wie die noch geeignetere Eleanor Roosevelt - zu liberal zu sein und kommt aus dem Nordosten, in dem Christie Gourverneur ist und ohne dessen Unterstützung er keine Chance hat. Insgesamt aber kann er sich damit nicht vom Feld abheben, was kein ernsthaftes Problem wäre wenn er wie Bush ein gutes Netzwerk und eine gut gefüllte Kriegskasse hätte, aber Christie hat miserable Umfragewerte und braucht dringend etwas, mit dem er sich abheben kann.

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Generell zeigen die Antworten auf diese Frage eine große Schwäche vieler Kandidaten der Republicans auf: der Ruf der GOP, eher frauenfeindlich zu sein und in Fragen der Bürgerrechte sogar regressiv wird von der Hälfte der Kandidaten eher unterstützt. Völlig indiskutabel sind Huckabee und Carson, die beide nachdrücklich beweisen, wie ungeeignet sie jenseits der Basis der radikalen Republicans als Präsidentschaftskandidaten sind und sich als Vertreter der ganzen Nation völlig disqualifizieren. Auch der Versuch, Rosa Parks als eine Konservative umzuschreiben läuft bereits seit längerer Zeit und hat bisher wenig Erfolg gezeigt, bietet aber immerhin eine sichere Bank, um diese zentralen Bevölkerungsgruppen nicht noch weiter abzustoßen. Wenn die Republicans es nicht schaffen, hier ihre message zu verändern - und natürlich auf dem Feld der Einwanderung und dem Umgang mit den Illegalen Einwanderen - werden sie keine Chance haben, das Weiße Haus im November 2016 zu erobern. Bis dahin ist natürlich noch über ein Jahr Zeit, in dem Botschaften angepasst und Images aufpoliert werden können. Aber wäre ich ein Anhänger der Republicans würde mir angesichts ihrer bisherigen Perfomance echt das Gruseln kommen.

Dienstag, 15. September 2015

Dereguliert die Äcker!

Das Remstal in Baden-Württemberg ist eine Region kleiner Städte von 20.000 bis 60.000 Einwohnern, die entlang eines lieblichen Tals voller alteingesessener und liebgewonnener Schwarzbrenner-Traditionen an Weinberghängen entlang aufschnüren. Infrastrukturechnisch läuft die gesamte Region auf die Landeshauptstadt Stuttgart zu, die abseits der Stoßzeiten in rund 20 bis 40 Minuten zu erreichen ist. Stuttgart selbst, wahrlich keine liebliche Perle, liegt in einem Talkessel und gehört wohl zu den wenig ästhetisch ansprechenden städtebaulichen Merkmalen der Bundesrepublik. Das Remstal aber ist ziemlich ruhig und ziemlich - wie soll man sagen - schwäbisch. Es regiert das Eigenheim, die Bürgermeister kommen von der CDU, die Städte sind sauber und wohlhabend und haben jeweilige regionale Konzentrationen von mittelständischen Betrieben, häufig Zulieferern der großen schwäbischen Giganten, Porsche, Daimler, Bosch, Miehle und Co. Städte wie diese sind Vorzeigeobjekte südwestkonservativer kommunaler Politik. Nur, in einem Bereich sind haben sie ein echtes Problem: beim Platz.

Denn die Attraktivität dieser Städte bedeutet zugleich, dass viele Menschen dort wohnen wollen. Stuttgart-Feuerbach mag eine gute Adresse für die Hauptwerke von Bosch sein, aber wohnen möchte da genauswenig jemand wie in der Daimler-Metropole Stuttgart-Untertürkheim. Stattdessen zieht es die Mittelschicht, die den Belegschaftskern dieser Unternehmen ausmacht, in die Vororte, und viele der attraktivsten und verkehrstechnisch bestangeschlossenen finden sich im Remstal. Entsprechend sind die Mieten und Immobilienpreise: hoch. Wer versuchen will, in meinem Heimatort ein Haus zu kaufen oder zu bauen, wird noch nach Jahren emsiger Suche erfolglos sein, wie mir leidgeplagte Nachbarn immer wieder erzählen können. Und genau hier tritt die kognitive Dissonanz ein: fährt man nämlich zwischen den verschiedenen Städten (und oft sogar ihren Teilorten) herum, sieht man kleine Äcker, sofern das Auge reicht. Selbst die EU-Agrarpolitik erklärt nur schwerlich, wie sich diese kleinen Äcker für die sie in der x-ten Generation besitzenden Familien lohnen können, besonders unter den Bedingungen eines globalen Wettbewerbs. Gleichzeitig besteht offensichtlich eine enorme Nachfrage nach Baugrund in der Region. Warum findet die Nachfrage hier also kein Angebot an Baugrund? Die Antwort liegt, verblüffend für das Stammland von CDU und FDP, in viel zu viel Regulierung.

Es ist ein Phänomen der Lokalpolitik, dass wenn man nur in den Gremien und Institutionen tief genug hinabtaucht, man bald auf eine Gemengelage gut organisierter Partikularinteressen stößt, die mit einem repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft in etwa so viel zu tun haben wie eine Villa am Tegernsee. Im Falle des Remstals sind das die alteingessenen Familien, denen die Äcker rund um die Gemeinden gehören. Sie sind in den Gemeinderäten, Bezirksräten und Landkreistagen gut vertreten. Das sind die Wahlen, bei denen die Wahlbeteiligung sehr deutlich unter 50% liegt. Und es sind diese Gremien, die darüber entscheiden, ob ein bestimmtes Gebiet zum Bauland erklärt wird - was es den Besitzern dann ermöglicht, es an Investoren zu verkaufen.

Aus dem Bauch heraus würde man vielleicht annehmen, dass diese Familien ein Interesse daran hätten, dass ihre unwirtschaftlichen Äcker zu Bauland erklärt werden, aber dem ist nicht so - sie sind diejenigen, die ein solches Ansinnen über Jahrzehnte blockieren können. Denn die stetig hohe Nachfrage treibt die Preise und ermöglicht es so, kleine Parzellen Stück für Stück über die Jahre verteilt als Bauland zu deklarieren - nie genug, um den Bedarf an Wohnraum wirklich decken zu können und stets auf das mittlere bis hohe Preissegment bedacht. So bleiben die Spitzensteuersatzzahler unter sich im beschaulichen Grünen, während in den Städten ganze Gegenden verkommen, weil einkommensarme Unterschichten sich dort zusammendrängen, die keine Repräsentation in den Gemeinderäten haben, für die saubere Spielplätze und genügend Kitas eine Priorität sind.

Und hier kommen wir zu der Dimension, wo die Frage der Bauregulierungen deutlich über bezahlbaren Wohnraum im Remstal hinausgeht und die Gefilde eines eng umrissenen sozialpolitischen Themas verlässt. Gentrifizierung und Ghettoifizierung sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Sozialwissenschaft erkennt immer mehr, wie wichtig das Nachbarschaftsumfeld für die Entwicklung eines Menschen ist. Die Chancen, in einer Hartz-IV-Nachbarschaft selbst in Hartz-IV zu landen sind wesentlich höher als am eingangs erwähnten Tegernsee, und nicht nur aus statistischen Gründen. Vorbilder aus der Peer-Group spielen in der Entwicklung von Jugendlichen eine dominante Rolle, noch weit vor dem Einfluss der Eltern. Und er wird massiv durch den Wohnort beeinflusst.

Die Deregulierung der Äcker ist daher aus mehreren Gründen notwendig. Einer dieser Gründe ist schlichte Marktwirtschaft: der Schutz der Grundbesitzer durch kommunalpolitischen Regulierungen widerspricht dem Gedanken eines freien Spiels von Angebot und Nachfrage; effektiv werden Insider-Geschäfte durchgeführt. Das führt direkt zum nächsten Problem, einer ungestillten Nachfrage nach einem der wichtigsten Grundgüter, dem nach Wohnraum. Er steht auch der Arbeitsmigration innerhalb Deutschlands und Europas entgegen und reduziert das Arbeitskräfteangebot der örtlichen Unternehmen, was deren Produktivität schmälert und in Extremfällen sogar zu Outsourcing führen kann. Und zuletzt hat es für die am wenigsten repräsentierten Schichten verheerende Auswirkungen, die mit all den Nachteilen ökonomisch abgehänger Wohnviertel leben müssen. Es gibt keinen Grund, diese Nachteile zum Schutz einer eingesessenen Interessengruppe weiter so massiv zu schützen, wie das aktuell der Fall ist. Dereguliert die Äcker!

Wie konntet ihr nur so leben?

Manchmal hat man, wenn man vom erhobenen Standpunkt der Gegenwart zurückblickt, dieses Gefühl dass die Menschen vor 20 Jahren einige Dinge als normal akzeptiert haben, die einem heute völlig blödsinnig vorkommen. Aus heutiger Perspektive gehören dazu wohl die im Vergleich geradezu lächerlich schlechten und teuren Kommunikationsmöglichkeiten (Briefe! Ferngespräche! Abrechnung nach Minuten!), die Haltung gegenüber Frauen (siehe hier), gegenüber Homosexuellen oder Transgenderpersonen, gegenüber der Kindeserziehung und vieles mehr. Nicht für alle diese Faktoren können die Leute was. Gerade technologisch waren die 1990er eben noch nicht so weit wie heute. Die Frage, die man sich stellen muss ist daher eher, ob man nicht hätte viel früher beginnen müssen, die entsprechende Technologie zu entwickeln. Ich frage mich in letzter Zeit immer häufiger, wie meine eigenen Kinder in 20 oder 30 Jahren über unsere Gegenwart denken werden. Beim Anblick welchen Phänomens werden sie dich denken: "Wie konntet ihr nur so leben?" Und wir werden hilflos mit den Schultern zucken und sagen "Haben alle so gemacht", wie es meine Eltern eben auch tun würden. Ich will im Folgenden einige Bereiche aufstellen, von denen ich denke, dass sie unter die Frage fallen werden. Und gleich vorangestellt - ich bin da auch kein Heiliger, der schon jetzt quasi vorbeugend alles richtig macht. Aber genug der Vorrede - Wie können wir nur so leben?

Auto fahren - Ich gehe fest davon aus, dass in 20 Jahren niemand mehr selbst Auto fährt, sondern dass alle Autos selbstfahrend sind. Ich gehe außerdem davon aus, dass der Konsens sein wird, dass es kaum so etwas Unverantwortliches gibt wie selbst Auto zu fahren. Allein in Deutschland sind 2014 3386 Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben gekommen. Das ist natürlich nur noch ein schwaches Echo von 1970, wo in Gesamtdeutschland 21.000 Menschen an Verkehrsunfällen starben, bei niedrigerem Verkehrsaufkommen als heute. Trotzdem ist es blanker Wahnsinn, für die Freiheit, selbst ein Auto steuern zu dürfen, jährlich über 3000 Tote und 330.000 Verletzte hinzunehmen. In den USA töten alleine die erschreckend schlecht regulierten Trucks 4000 Personen pro Jahr. Weltweit sieht die Statistik noch wesentlich düsterer aus: 1,24 Millionen Menschen lassen weltweit jährlich im Verkehr ihr Leben. Da kommt so manche Seuche nicht mit. Wenn mich meine Kinder (oder deren Kinder) um 2035 dann also fragen, wie wir je so verantwortungslos sein konnten, selbst Auto zu fahren - und das oft genug übermüdet oder sonstwie eingeschränkt - werde ich wahrscheinlich nur hilflos die Schultern zucken können und sagen "Hat jeder so gemacht".

Energie - Ein weiterer Faktor, von dem ich überzeugt bin ist, dass es in der nahen Zukunft nur noch eine Energiequelle geben wird: Solar. Wind- und Wasserkraft sind zu beschränkt und gerade im Fall von Wasserkraft auch zu landschaftsschädigend, aber natürlich kein Vergleich mit dem, was wir jetzt seit Jahrzehnten nutzen: fossile Brennstoffe und Nukleartechnologie. Wenn eine Alternative dazu erst einmal verfügbar ist wird sich wahrscheinlich auch jeder fragen, wie wir nur so dämlich sein konnten, Kohle zu verbrennen und unser eigenes Klima zu zerstören, oder Nuklearabfälle tonnenweise zu produzieren, für die man wohl auch 2035 noch kein sicheres Endlager haben wird. In diese Kategorie gehört natürlich auch die Frage, warum um Gottes Willen die oben erwähnten Autos Benzin verbrennen statt elektrisch zu sein. Ich weiß nicht, welche Antwort ich meinen Kindern hier einmal geben soll. Klar, die mächtigen Industrien haben die Politik gekauft und alles, aber es ist ja jetzt nicht gerade so dass man mich allzu oft beim Protestieren oder Energiesparen beobachtet hätte.

Fleisch - So wie uns heute unbegreiflich ist, welche Tierquälerei früher einmal gang und gebe war, so gehe ich davon aus, dass unsere nachfolgenden Generationen es als eine unserer großen Sünden sehen werden, dass wir Tiere getötet haben, um ihr Fleisch zu essen. Und ich sage dass als jemand, der praktisch jeden Tag Fleisch isst. Meine Vermutung ist auch nicht, dass wir alle zu Vegetariern werden, sondern dass es möglich werden wird, Fleisch einfach im Labor zu züchten. Warum man dann unter furchtbaren Bedingungen Tiere züchtet, die unter dem Gewicht ihres eigenen Fleischs zusammenbrechen, um sie dann zu töten, wird vermutlich unerklärbar sein. "Selektive Ignoranz" ist wahrscheinlich das Einzige, was man dem entgegnen kann. Wir wollten es nicht wissen, wollten uns nicht damit befassen, weil Fleisch einfach gut schmeckt. Und wie bei so vielen anderen Technologien haben wir viel zu spät angefangen, nach Alternativen zu suchen.

Freiheit - Wir bewegen uns bereits seit einer geraumen Weile langsam aber sich in eine Richtung, die das traditionelle Verständnis von Freiheit - dass ich tun und lassen kann was ich will solange es nicht explizit ein Gesetz dagegen gibt - zugunsten paternalistischerer Regelungen und gesellschaftlicher Zwänge eingeschränkt wird. Dies gilt besonders für selbstzerstörerisches Verhalten oder solches, das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit andere negativ beeinflusst. So ist zum Beispiel überraschend, dass es immer noch keine Null-Promille-Regel beim Autofahren gibt. Auch das Rauchen an Orten, an denen andere gezwungen sind den Rauch abzubekommen (zum Beispiel Bushaltestellen) fällt in diese Kategorie. Dazu kommt eine ganze Reihe von Themen, bei der Staat steuernd eingreifen kann, etwa das Nudging oder härtere Maßnahmen wie eine Zuckersteuer. Noch immer dürfen wir schmutzigen Strom oder mit ausbeuterischer Arbeit gefertigte T-Shirts kaufen, wenn wir wollen. Und so weiter. Ich gehe davon aus, dass wir in dieser Richtung noch weit mehr sehen werden, die die traditionelle Freiheit von Verhalten und Konsum gegenüber heute deutlich einschränkt.

Internationalisierung - Die heutige Generation der 15-35-jährigen ist deutlich kosmopolitischer als die ihrer Eltern. Sie spricht häufig gut genug Englisch, um sich international verständigen zu können und hat dank des Internets und billiger Flugreisen auch mehr Kontakt mit anderen (industrialisierten) Ländern als ihre Elterngeneration. Aktuell ist dies allerdings noch ein Phänomen, das auf die wohlhabenderen Schichten beschränkt ist. Ich würde davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, besonders, wo die kosmopolitischere Generation selbst Kinder bekommt. Selbst wenn man mangels Geld nie selbst ins Ausland reist, ermöglicht das Internet eine früher unvorstellbare Kommunikationsmöglichkeit und schafft die weltweit einheitliche Popkultur einen gemeinsamen Referenzrahmen, der früher schlicht nicht gegeben war. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich diese Entwicklung zurückdreht, eher, dass sie sich verstärkt.

Diese Entwicklungen sehe ich mehr oder weniger als gegeben an. Daneben gibt es eine Reihe von Entwicklungen, auf die ich hoffe, bei denen ich aber nicht sonderlich optimistisch bin.

Müll - Wir produzieren eine Unmenge von Müll, der einfach nicht verschwindet. Allem voran ist dabei Plastikmüll, der mittlerweile in den Ozeanen zu einer ernsthaften Gefahr wird. Ich hoffe schwer, dass man in 20 Jahren sagen wird "Warum haben die damals nicht schon [Name eines noch zu erfindendenden, extrem belastbaren Materials das sich trotzdem innerhalb eines kurzen Zeitrahmens rückstandslos auflöst] genutzt?". Ich bin aber eher skeptisch, ob das auch so passieren wird.

Arbeit - Die Automatisierung und Digitalisierung ist ein sehr reales Problem, das Stand 2015 noch weitgehend verdrängt wird. Genausowenig wie frühere Rationalisierungswellen wird sie sich aufhalten lassen, weswegen die Frage ist, was mit all den Menschen passieren soll, die dann nicht mehr gebraucht werden. Die Vollbeschäftigung als Idealzustand wird immer weniger zu halten sein. Ich bin hier sehr pessimistisch und gehe von einer lang anhaltenden Verweigerungshaltung aus, die zu einer deutlichen Belastung der Sozialsysteme führen wird. Im Idealfall findet die Gesellschaft neue Wege, den Alltag jenseits der Erwerbsarbeit neu zu strukturieren. Dieses Thema ist aber so komplex, dass es hier nur gestreift werden kann.

Insgesamt kann diese Liste nur unvollständig bleiben. Mit Sicherheit werden einige dieser Prognosen so nicht eintreffen, und mit Sicherheit wird es Entwicklungen geben, die aktuell noch gar nicht vorhergesagt werden können. Als Gedankenspiel allerdings ist es interessant genug, und ich möchte die Leser dazu einladen, ihre Meinung zu meinen Prognosen ebenso der Kommentarspalte anzuvertrauen wie ihre eigenen.  

Sonntag, 13. September 2015

Von Blair zu Corbyn, von Obama zu Sanders?

Gestern gewann der vor kurzem noch obskure Hinterbänkler Jeremy Corbyn die Wahl zum Labour-Parteivorsitzenden in Großbritannien. Fast zeitgleich kam die Nachricht, dass Bernie Sanders - Senator aus Vermont, Sozialdemokrat und Präsidentschaftskandidat bei den Democrats - Hillary Clinton zum ersten Mal in Umfragen in Iowa, dem ersten Vorwahl-Staat¹, überholt hat. Ist hier ein neuer Aufschwung der Linken, ist das Teil eines allgemeinen populistischen Trends, der auf der Rechten genauso seine Entsprechung findet, oder was passiert hier? Sowohl Corbyn als auch Sanders haben bereits Kritik aus den eher gemäßigten Teilen ihrer jeweiligen politischen Strömungen bezogen, und ein britischer Bekannter meinte jüngst zu mir: "We're about to elect Lafontaine as Labour deputy." Sehen wir uns beide Phänomene also etwas genauer an.

Jeremy Corbyn ist tatsächlich ein ungewöhnliches Phänomen in Großbritannien. Der Großteil seiner politischen Forderungen schreit geradezu "Old Labour" und wendet sich gegen praktisch alles, was Tony Blair in seiner radikalen Umwandlung der Partei zu New Labour 1997 an die Macht brachte. Corbyn will die Infrastruktur des Landes (vor allem die Eisenbahnen) wieder verstaatlichen, die EU grundlegend reformieren (aber gleichwohl Mitglied bleiben), TTIP ablehnen, die Bank of England anweisen Geld zu drucken um Sozialmaßnahmen zu finanzieren und die Steuern erhöhen, vor allem für die Reichen. Er plädiert zudem für einen Austritt Großbritanniens aus der NATO, ein freundschaftlicheres Verhältnis zu Russland und diversen arabischen Staaten und eine Wiedereröffnung der in den 1980er und 1990er Jahren geschlossenen britischen Kohlebergwerke. Thatchers brutale Vernichtung der Gewerkschaften in den großen Bergwerk-Streiks der frühen 1980er sind ein Labour-Trauma geblieben.

Corbyns Erfolg offenbart eine Sehnsucht nach Sicherheit, die von vielen Wählern vor allem mit der Zeit vor dem Eintreten der großen Globalisierungswelle nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verbunden wird. Dieses Bedürfnis teilen sie mit den Fans der rechten Populisten, deren Lösungvsvorschläge (sofern man deren Hasstiraden als solche adeln will) jedoch naturgemäß in eine andere Richtung gehen. Die Ähnlichkeiten von Corbyns Positionen mit denen der LINKEn in Deutschland sind wenig verwunderlich, speisen sie sich doch aus denselben Milieus und Mentalitäten. Auch Lafontaine sprach im Wahlkampf schon davon, die Kohlegruben an der Saar wiederzueröffnen. Die Gegnerschaft zu NATO und Auslandseinsätzen ist ebenfalls schon seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner in einem Subset der politischen Linken.

Corbyns Positionen sind daher nicht neu, und die NachDenkSeiten verschwenden auch keine Zeit damit aufzulisten, wo ihre erwarteten Vorteile liegen. Gleichwohl hat das ZDF Recht zu sagen, dass Corbyn "nicht nur bei Konservativen als linker Spinner gilt". Zahlreiche führende Labour-Funktionäre, die dem Schattenkabinett angehörten, haben ihren Rücktritt aus demselben eingereicht, und obwohl Corbyn mit rund 60% der Stimmen einen Erdrutschsieg erreicht hat, ist er bei den anderen 40% der Gottseibeiuns und, höflich ausgedrückt, umstritten. Ihn plagen außerdem dieselben Probleme, die viele Linke plagen: Corbyn ist und bleibt letztlich ein Mann der Vergangenheit. So sehr ich ihm darin zustimme, dass die verrottete britische Infrastruktur dringend aufgebessert werden muss und dass mehr Geld für soziale Leistungen angebracht ist, so kann ich über seine außenpolitischen Verrenkungen und seine Idee, den britischen Bergbau wiederzubeleben, nur den Kopf schütteln. Wie die deutsche LINKE auch will Corbyn vor allem zurück in die Zeit vor dem Mauerfall. Zu den Fragen und Technologien der Zukunft findet sich dieseits wie jenseits der Nordsee nichts in den klassischen linken Parteien.

Corbyn schleppt daher auch ein ernstes Wählbarkeitsproblem für Labour mit sich, das sich 2020 genauso schlimm auswirken könnte wie das berühmt-berüchtigte Wahlprogramm 1983 ("the longest suicide note in history"). Kein Zweifel dass Corbyn bei den Labour-Aktivisten extrem beliebt ist. Aber das reicht nicht für einen Wahlsieg, heute genausowenig wie 1983. Polarisierung ist nur eine erfolgversprechende Strategie, wenn die eigene Seite größer als die andere ist, wie auch die Republicans gerade wieder einmal erfahren müssen. Die Tories nutzten die Chance sofort und zeichneten Corbyn als "threat for the security of our country, economy and families". Es ist kaum vorstellbar, wie Labour bei den Wahlen 2020 die Aussagen Corbyns zu NATO, seine Nähe zu Hamas und anderen Organisationen oder seine unorthodoxen Politiken im Inland erklären will.

Das gleiche Problem stünde Bernie Sanders ebenfalls bevor, sollte er jemals Präsidentschaftskandidat der Democrats werden (was ihm aber wohl kaum gelingen wird). Sanders ist in seinen Positionen grundsätzlich weniger problematisch als Corbyn. Ein Großteil seines Programms ließt sich so, als ob die SPD es jederzeit unterschreiben könnte, selbst mit Steinbrück oder Steinmeier an der Spitze: Gesetzliche Krankenversicherung, höhere Steuern für Superreiche, stärkere Regulierung der Wallstreet, Steuererleichterungen für die Mittelschicht - Sanders ist ein ziemlich klassischer Sozialdemokrat. Weniger klassisch sind seine Ablehnung von TTIP und NAFTA sowie von Militäreinsätzen und NSA-Überwachung, aber er befindet sich nicht allzusehr im extremen Bereich - von Europa aus betrachtet. Bei den Aktivisten der Democrats, die wie Aktivisten aller Parteien und Strömungen in ihren Überzeugungen radikaler und lauter sind, fällt das alles auf extrem fruchtbaren Boden. Sanders gibt der Basis etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt - analog zu Corbyn in Großbritannien. Die Mechanismen des Vorwahlkampfs werden allerdings seinen Sieg verhindern und damit nicht den Test erbringen, der Corbyn in den nächsten fünf Jahren bevorstehen wird: wie attraktiv sind diese Forderungen für das amerikanische Volk insgesamt?

Und hier, so ärgerlich das auch ist, sieht die Sache eher düster aus. Sanders bezeichnet sich selbst als democratic socialist, aber viele seiner Positionen sind keinesfalls mehrheitsfähig, nicht in der eigenen Partei und schon gar nicht über ihre Grenzen hinaus. Eine gesetzliche Krankenversicherung ist im aktuellen politischen Klima utopisch und kürzlich erst in Sanders Heimatstaat Vermont selbst gescheitert. Auch massive Investitionen in Amerikas verrotete Infrastruktur, so notwendig sie auch wären, werden bei der breiten Ablehnung von Maßnahmen der Bundesregierung auf Ablehnung stoßen. Im vorherrschenden politischen Klima haben weder Corbyn noch Sanders eine Chance, ihre jeweiligen Wahlen zu gewinnen, egal wie gut sie sich innerparteilich durchsetzen konnten.

Man mag das alles bedauern. Ich würde es begrüßen, eine nachfrageorientiertere Wirtschaftspolitik zu sehen, mehr öffentliche Investitonen, eine bessere Lastenverteilung innerhalb der Gesellschaft. Nur sind weder Corbyn noch Sanders die Kandidaten, die sie bringen werden², genausowenig wie konservative Aktivisten von Leuten wie Donald Trump oder Ted Cruz eine Rückkehr zu dem Ideal der USA bekommen werden, das es so nie gab, das aber ihre Träume dominiert. Stattdessen werden am Ende diejenigen Kandidaten gewinnen, die über die Basis der eigenen Aktivisten hinaus Attraktivität besitzen. Selten genug ist das ein Willy Brandt oder ein Barack Obama. Häufig genug bekommt man dabei Bill Clinton oder Hans-Jochen Vogel. Das aber ist häufig eben doch besser als die Alternative, wie die Labour-Aktivisten zu ihrem Leidwesen 2020 erfahren werden.

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¹Technisch gesehen der erste Caucus-Staat, weil die erste primary in New Hampshire ist, aber den Unterschied schenken wir uns hier.

²Immer vorausgesetzt, dass es keinen dramatischen Wandel in den politischen Einstellungen der Mehrheit gibt, aber danach sieht es gerade nicht aus.