Dienstag, 24. Mai 2016

Das große Geld und der kleine Mann - Geld im US-Wahlkampf

Im Jahr 2010 fällte der damals mehrheitlich konservative Supreme Court ein Urteil, das hohe Wellen schlug: in Citizens United v FEC entschied das Gericht für die Lobbyorganisation Citizens United und gegen die Bundeswahlbehörde FEC. Unternehmen, die Geld in Wahlwerbung steckten, konnten darin nicht durch das Gesetz eingeschränkt werden. Der erste Verfassungszusatz, der das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet, gilt seit diesem Urteil nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für Unternehmen. In den Worten Mitt Romneys: corporations are people, my friend. Das Urteil schlug hohe Wellen. Die Befürchtung war, dass ab sofort die (überwiegend konservativen) Großunternehmen und die Finanzbranche in der Lage sein würden, den Präsidentschaftswahlkampf zu kaufen und einen Kandidaten ihrer Wahl zu platzieren. Sowohl Donald Trump als auch Bernie Sanders schlugen im Wahlkampf hohe Wellen damit, diese Entwicklung zu kritisieren und sich als nicht korrumpierbare Kandidaten zu zeigen. Sechs Jahre nach Citizens United ist es daher mehr als angebracht, eine genauere Betrachtung der Folgen des Urteils durchzuführen und näher auf die Rolle des Gelds in der US-Politik einzugehen.

Erinnert man sich an den Beginn der Vorwahlphase zurück, waren vor allem drei Kandidaten finanziell gut bestückt: Hillary Clinton, Scott Walker und Jeb Bush. Es schien, als ob sie die klaren Favoriten wären - eine Einschätzung, der wir uns bekanntlich anschlossen. Scott Walker implodierte im Herbst 2015 jedoch trotz gewaltiger fundraising-Erfolge im Frühjahr und Sommer des Jahres, und Jeb Bush, dessen Einnahmen die dreistellige Millionenmarke durchbrachen bevor er seine Kandidatur offiziell erklärt hatte, musste seinen Wahlkampf nach kläglichen Ergebnissen in Iowa, New Hampshire und South Carolina abbrechen. Stattdessen siegte auf der republikanischen Seite ein Mann, der beispiellos wenig Geld in den Wahlkampf steckte - Donald Trump - während auf der anderen Seite Clinton unerwartet starken Gegenwind von einem Kandidaten bekam, dessen durchschnittliche Spende rund 28 Dollar betrug.

Woran liegt dieser Einbruch der Macht des Großen Geldes bei der Auswahl des Kandidaten? Um das zu verstehen, müssen wir uns zuerst den rechtlichen Rahmenbedingungen zuwenden.


In den USA sind Wahlkampfspenden an Kandidaten auf insgesamt 5400 Dollar begrenzt - 2700 Dollar während der Vorwahlen und 2700 Dollar während des eigentlichen Wahlkampfs. Für den Durchschnittsverdiener (und eine ganze Menge Leute unter wie über diesem Durchschnitt) ist diese Grenze völlig bedeutungslos. Sie kämen nie auf die Idee, vierstellige Summen in irgendwelche Kandidaten zu investieren. Die Elite der oberen 5% jedoch tut dies sehr wohl, und sie sind darin sehr beschränkt. Dieses Gesetz zwingt die Kandidaten in der Theorie, eine breite Unterstützerbasis zu gewinnen und nicht nur einige wenige superreiche Spender zu unterhalten.


Soweit ist das alles graue Theorie, denn in der Realität können willige Spender natürlich wesentlich mehr Geld investieren. Seit Citizens United 2010 können sie es einer offiziell gemeinnützigen Organisation spenden, die dann für den jeweiligen Kandidaten Wahlkampf macht. Diese Organisationen, "political action comittee" oder kurz PAC, dürfen ihre Finanzen nicht mit denen des Kandidaten vermengen und sich nicht mit ihm absprechen. Letztere Bestimmung wurde von Jon Stewart und Stephen Colbert im Wahlkampf 2012 bereits gründlich zerlegt, so dass sie hier keiner weiteren Ausführung bedarf, aber die Bestimmung, dass das Geld den Kandidaten nicht direkt zur Verfügung gestellt werden darf ist bedeutsam. Die PACs können damit nämlich nur einen Teil der Ausgaben übernehmen und viele Ausgaben nicht tätigen. Wir unterscheiden daher zwischen dem hard money der direkten Spenden und dem soft money der Supern PACs.


Diese Details wurden im Zuge der Entrüstung (oder Begeisterung) über Citizens United häufig nicht bedacht. Geld ist schließlich Geld, richtig? Falsch.


Denn bestimmte Ausgaben einer jeden Wahlkampforganisation - Personal, Reisekosten, Veranstaltungen, Miete, Nebenkosten, etc. - lassen sich nur mit hard money bezahlen. Super PACs dürfen das nicht. Und diese Dinge kosten eine ganze Menge Geld. Scott Walker, der seine Kandidatur am 17. November 2015 beendete, hatte zu diesem Zeitpunkt insgesamt 8,4 Millionen Dollar in hard money angesammelt - und ausgegeben. Sein Super-PAC hatte 31,4 Millionen Dollar eingetrieben. Geholfen hat es nicht - seine Organisation war nicht mehr in der Lage, die Reservierung von insgesamt sieben Millionen Dollar Werbesendungen in Iowa mit dem Label "I am Scott Walker and I approve this message" zu begleichen. Der Super-PAC hatte noch Geld, für Walker unerreichbar. Nicht anders erging es Rick Perry. Als er seine Kandidatur einstampfte, hatte sein Super-PAC noch 13 Millionen Dollar in der Kasse. Perry hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Wochen lang seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen können. Die Liste lässt sich fortsetzen. Jeb Bush reduzierte bereits vor Iowa massiv Personal und buchte auf Hotels am Stadtrant und zweiter Klasse um, während sein Super-PAC noch zweistellige Millionenbeträge besaß und nicht wusste, wohin damit. Am anderen Ende dieses Extrems ist Bernie Sanders, der bis Ende April die atemberaubende Summe von 210 Millionen Dollar in hard money eintrieb¹.


Tatsächlich zeigte sich dieses Jahr, dass die Möglichkeiten der Super-PACs, Geld auszugeben, reichlich beschränkt waren. Nichts zeigt dieses Problem so deutlich auf wie das erbärmliche Billboard von Jeb Bushs Super-PAC gegen Trump in Iowa:
Murphy, Bushs Super-PAC Manager, gewann atemberaubende 84 Retweets mit dieser Nachricht. Die sinnlose Geldvernichtung der Super-PACs in diesem Wahlkampf war zwar kein exklusiver Vorgang in Bushs Super-PAC; Murphy trieb es allerdings in neue Höhen. Hochrechnungen haben ergeben, dass Bush für jeden Wähler, den er in Iowa gewann, rund 2800 Dollar ausgab. Diese Summen sind ebenso schwindelerregend wie nutzlos. Das Geld verschwand effektiv in einem schwarzen Loch.

Gleichzeitig boten die Super-PACs ausgerechnet Sanders und Trump eine Plattform, und Wähler beider Parteien waren davon begeistert. Die Wahlspenden aus dunklen Kanälen hatten, anders als noch 2012, bei Democrats wie Republicans äußerst schlechte Presse. Während die Super-PACs auf beiden Seiten die versprochenen oder angedrohten Effekte nicht nur nicht erreichten - Bushs Super-PAC sprach davon, seine Gegner mit shock and awe von Anfang an kleinzuhalten, was wohl auch Clinton vorschwebte - sondern in den meisten Fällen die unterstützten Kandidaten auch nicht vor frühzeitigen und reichlich schmachvollen Abbrüchen retten konnten, zeigte sich auch, dass sie jenseits des reinen monetären Verlusts für ihre Unterstützer extrem nachteilig waren. Vermutlich niemand ist so sehr mit dem schmutzigen Geld in der Politik verbunden wie die Koch-Brüder, Milliardäre, die bereits seit Jahrzehnten konservative und reaktionäre Kandidaten unterstützen.

Die beiden Milliardäre hatten vor Beginn der Wahl angekündigt, republikanische Politiker mit der nie dagewesenen Summe von 889 Millionen Dollar zu unterstützen. Unlängst haben sie angekündigt, überhaupt keine Kandidaten zu unterstützen - weder Trump noch Abgeordnete. Dieser Sinneswandel ist kaum mit einem plötzlichen Sinn für das demokratische Prinzip des one man, one vote zu erklären. Stattdessen mussten die Kochs zwei sehr unangenehme Erkenntnisse machen. Erstens, ihr Geld kaufte ihnen im Präsidentschaftswahlkampf praktisch nichts. Zweitens, nicht nur warfen sie ihr Geld zum Fenster hinaus, ihre Unternehmen litten darunter. Die Kochs warfen wohl einen Blick in die Nachrichten jenseits von FOX News, wo ihre Name praktisch ausschließlich mit dem Kaufen von Wahlen verbunden ist. Da die Brüder sich gerne als Philantropen à la Warren Buffet, Andrew Carnegie oder John D. Rockefeller inszenieren, entschlossen sie sich, sich aus dem schmutzigen Geschäft zumindest offiziell zurückzuziehen.

Was heißt das nun konkret? Geld in der Politik, alles kein Problem? Ist Citizens United völlig bedeutungslos? Leider nein. Denn das oben Gesagte gilt für die Präsidentschaftswahlkämpfe, die eine ungeheure Öffentlichkeit haben. Sie sind in den Nachrichten allgegenwärtig, und spätestens zum Labor Day, der effektiv den offziellen Start der Wahlkampfsaison markiert, werden die Medien entgültig mit Nachrichten übersättigt sein. Zusätzliche Werbespots, die wirkmächtigste Waffe der Super-PACs, tun da nur wenig dazu. Es gilt aber nicht für die "downballot races" - die Kandidaturen zum Kongress und, noch schlimmer, den Parlamenten der Einzelstaaten. Die dortigen Kandidaten sind, ähnlich wie hierzulande, weitgehend unbekannt. Ein oder zwei Millionen, die in negative Wahlwerbung gegen den Konkurrenten fließen, sind auf der Ebene des Weißen Hauses nur Hintergrundrauschen. Wenn es um Sitze im Senat von Louisiana geht, entscheiden sie über Sieg und Niederlage. Viel Geld wird ab sofort eher in diese Bereiche fließen und damit die Lokalpolitik noch mehr stärken als dies ohnehin bereits der Fall ist. Die Democrats müssen dringend ihr Arsenal hier verstärken, wenn sie auch nur die geringste Chance haben wollen hier aufzuholen.

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¹ Alle Zahlen für alle Kandidaten hier.

Dienstag, 10. Mai 2016

Bin das nur ich?

Die FAZ, seit Frank Schirrmachers Zeiten stets an vorderster Front um uns die neuesten Meldungen über das drohende Rentendesaster zu überbringen, hat eine genaue Analyse der künftigen "Versorgungslücke", also der Zahl zwischen dem letzten Nettogehalt und der späteren Netto-Rente. Der geneigte Leser ahnt es schon: diese Lücke ist gewaltig, und die Deutschen sparen zu wenig für das Alter. Praktischerweise bietet die FAZ dazu einige Rechenbeispiele:


Die Beispiele sind vor allem aus einem Grund interessant: der Durchschnittsverdiener, darin dürften wir uns einig sein, wird Mühe haben, die 744 Euro zur Schließung der Rentenlücke aufzubringen. Auch der Gutverdiener hat mit seinen 1372 Euro monatlichen Hamsterns wenig Aussicht auf durchschlagenden Erfolg; am besten sieht es noch für den Topverdiener aus. Das Rezept der FAZ ist dabei relativ simpel: Geld zur Seite legen und anlegen, bei etwa 6% Zinsen p.a., also in einem Aktienfonds.

Nun ist so ein Fond sicherlich nicht die schlechteste Art, sein Geld anzulegen, wenn man denn welches haben sollte. Ich sehe zwar einige konkrete Probleme mit dem Plan - vor allem in der Masse an Kapital, die bei der flächendeckenden Umsetzung dieser Idee auf den Markt schwemmen und durch das gewaltige Angebot die Preise, sprich: Zinsen, senken würde - aber das ist gar nicht das, worüber ich heute reden will. Mir geht es auch nicht um die von der FAZ hier ausgelassenen Geringverdiener, denn die betrifft diese Debatte nicht. Deswegen will ich das auch gleich aus dem Weg räumen, schon allein, weil ich letztens im Spiegel (leider noch nicht digital verfügbar) über eine traurige Geschichte zur Altersarmut gestoßen bin, bei der ein Rentner mit seinen 800 Euro nicht über die Runden kommt.

Diese Geschichte ist tatsächlich traurig, weil diese völlige Armut so unnötig ist. Wenn man nämlich einmal nachschaut, wie viel Anspruch auf Sozialhilfe ein Rentner mit einer solchen Rente hat, kommt man auf wundersame Weise auf Gesamtbezüge von 1100 Euro. Immer noch nicht üppig, aber deutlich besser. Wie viele Rentner mit Minirenten aus falsch verstandenem Stolz diesen Schritt nicht gehen, will man sich gar nicht ausmalen. Es sollte aber einsichtig sein, dass niemand von ihnen in der Lage war, die nötigen Summen zum Erreichen entsprechender Renten beiseite zu sparen. Niedrigverdiener sind daher auf Gedeih und Verderb der Rechenweise der Rentenversicherungsanstalt ausgeliefert.

Etwas anders verhält sich die Sache beim Durchschnitts- und Topverdiener aus der Grafik oben. Und hier entgleitet mir jetzt das Verständnis, denn ich sehe die Rentenlücke durchaus als Problem. Nur die oben aufgezeigte Lösung überzeugt mich nur eingeschränkt. Aufgezeigt wird das Problem immer wie folgt:

Die Renten werden in Zukunft sinken. Ergo müssen die Menschen privat vorsorgen, um die Lücke zu schließen.

Aber das ist zu einseitig gedacht. Etwas genereller lässt sich das Problem so formulieren:

Die Renten werden in Zukunft sinken. Soll das derzeitige Niveau gehalten werden, müssen die Menschen mehr bezahlen.

Wenn ich also so oder so monatlich Geld verlieren soll, um das Rentenniveau zu erhalten - warum in Dreiteufelsnamen wickeln wir das dann nicht über die Rentenversicherungsanstalt ab? Die Gewerkschaften haben bereits vor geraumer Zeit vorgeschlagen, den Rentenversicherungsbeitrag zu erhöhen, um das Rentenniveau zu halten. Mir ist völlig unklar, warum wir als Gesellschaft kollektiv den Sprung ins Dunkle wagen und alle zu Privatanlegern werden sollten - besonders wenn man die miese Performance der amerikanischen Rentenfonds und Betriebsrenten bedenkt - wenn wir stattdessen auch einfach höhere Rentenbeiträge bezahlen könnten. Der Unterschied in meinem Portmonee ist null. Das Geld ist so oder so weg. Nur wird im einen Fall von mir erwartet, dass ich sowohl meine künftigen Lebenshaltungskosten, meine Lebenserwartung und die Entwicklung des Finanzmarkts bis zu meinem Tod vorhersehe, während im anderen Fall immer das Geld für die aktuelle Rentnergeneration hereingeholt werden muss.

Und bevor jetzt wieder jemand kommt und von den hohen Belastungen für den Standort Deutschland wegen der Lohnnebenkosten jammert - diese Erhöhung könnten sogar einseitig die Arbeitnehmer tragen. Erneut: wenn das FAZ-Szenario stimmt, dann muss ich das Geld so oder so bezahlen. Das einzige Problem wären hier die oben angesprochenen Geringverdiener, weil die gar nichts gewinnen - ihre höheren Renten würden nur gegen etwaige Ansprüche bei der Grundsicherung verrechnet. Also, bin das nur ich? Übersehe ich irgendetwas wichtiges?

Mittwoch, 4. Mai 2016

Die Vorwahlen sind vorbei

Donald Trump ist der Kandidat der Republikaner. Nach den gestrigen Wahlen in Indiana, bei denen Trump seinen Gegner Ted Cruz mit 53% zu 36% zermalmt und damit die letzten Hoffnungen auf eine "contested convention" (siehe hier) zerstört hat, gab Cruz offiziell auf. Sofern nicht noch etwas wirklich, wirklich merkwürdiges passiert, wird Trump im Sommer in Cleveland zum offiziellen Kandidaten seiner Partei gekürt werden. Das gleiche gilt auch für Hillary Clinton, trotz Sanders' knappem Sieg in Indiana. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass dieses Ergebnis nicht gerade eines war, das viele Experten (oder wir) vorausgesehen hätten. Welche Faktoren also führten zu diesem Ergebnis?

Wenden wir uns zuerst dem einfacheren Fall zu: Hillary Clintons Sieg war von Anfang an vorgezeichnet (und wurde von uns auch korrekt prognostiziert). Sie verfügte über die überwältigende Unterstützung ihrer Partei, der Spender, vieler affiliierter Gruppen und nicht zuletzt der Wähler. Clintons Stärke in allen Staaten, die das primary-System benutzen und über eine breitgefächerte Bevölkerung verfügen, zeigt deutlich ihre Stärken als Kandidatin. Seit dem Super Tuesday ist ihre Position eigentlich nicht mehr einholbar, egal, was Bernie Sanders und seine Berniebros sagen. Daran ändert auch Sanders' jüngster Sieg in Indiana nichts. Clinton war die stärkere Kandidatin, sie machte einen reibungslosen Wahlkampf und gewann so die Nominierung. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie auch die Wahl im November aus genau diesen Gründen gewinnen.

Im Falle Trumps ist die Lage komplizierter. Spannend ist nämlich, dass die Umfragen der letzten acht Monate durchgehend auf ein Ergebnis hingewiesen haben: dass Donald Trump zwischen 30% und 40% der Stimmen bekommt - wie es sich nun, da er der einzige Kandidat im Rennen ist, auch darstellt: Trump hat ziemlich genau 40% aller Stimmen. Diesen Anteil wird er natürlich in den verbliebenen primaries weiter steigern, da Ted Cruz nun wegfällt. Und nein, ich vergesse John Kasich nicht, aber der Gouverneur Ohios hat zu diesem Zeitpunkt immer noch weniger Stimmen als Marco Rubio, und der ist über zwei Monaten aus dem Rennen ausgeschieden. Nun sind 40% der Stimmen weniger als 51%, wie jeder mittelmäßig begabte Schüler bestätigen kann. Und genau in diesem kleinen Fakt findet sich der Grund für Trumps Sieg ebenso wie der für Hillarys recht kleinen Abstand zu Bernie Sanders: die reine Menge der Kandidaten ist entscheidend.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass wenn im Rennen der Democrats ein weiterer starker Kandidat gewesen wäre - etwa ein erfolgreicherer Martin O'Malley oder Joe Biden - Hillary wesentlich eindeutiger gewonnen hätte. Genauso wie Trump hätte sie unter 50% der Stimmen eingefahren, aber die meisten, während Sanders nur ein also-ran gewesen wäre, nicht annähernd auf Augenhöhe mit Clinton. Und jeder Kandidat, der bei den Democrats aufgegeben hätte, hätte ihr Lager gestärkt - und nicht Sanders'. Auf ähnliche Art wurden Howard Dean und John Edwards 2004 und 2008 marginalisiert. Clinton wurde in einem gewissen Sinne auch Opfer ihrer eigenen Stärke.

Genau diese Mechanik aber verfing bei den Republicans nicht, denn deren breit gefächertes Feld enthielt weder eine klare Alternative zu Trump, hinter der sich alle hätten versammeln können, noch solche Rohrkrepierer, dass diese schnell aus dem geräumt wären (wie etwa O'Malley bei den Democrats). Stattdessen zersplitterten sich die Stimmen der Wähler, die nicht Trump wählten, zwischen Rubio, Bush, Cruz und Kasich. Bush hielt bis South Carolina aus, Rubio bis Florida. Das Resultat in beiden bevölkerungs- und deligiertenreichen Staaten waren überwältigende Trump-Siege, die das Fundament seiner Dominanz legten. Danach kämpften Kasich und Cruz gegeneinander um die Stimmen derer, die Trump verhindern wollten, und hielten Trump stabil als Frontrunner im Rennen. Da viele republikanische primaries und caucuses aber winner-takes-all-Wettkämpfe waren, wirkte sich diese Zersplitterung für Trump extrem günstig aus. Dazu kam, dass die beste Alternative zu Trump ausgerechnet Ted Cruz war (siehe hier), einer der wohl unbeliebtesten Politiker aller Zeiten, dessen Aussichten gegen Clinton tatsächlich fast noch schlechter als die Trumps waren.

Trump ist damit ein sehr ungewöhnlicher Kandidat. Ein großer Teil der Republicans lehnt ihn ab, eine kleine Minderheit sogar so stark, dass sie ihn im November nicht wählen werden. Einige konservative Intellektuelle wie Max Boot, Max Salzer oder Erick Erickson haben bereits angekündigt, für Hillary stimmen zu wollen; andere wie Ben Sasse bleiben zuhause oder wählen die Constitutionalist Party. Während die meisten Republicans sich sicherlich hinter Trump stellen werden - Wendehälse wie Newt Gingrich, Marco Rubio, Ari Fleischer und andere haben das bereits getan - sollte man die Ablehnung des Kandidaten nicht unterschätzen. Die meisten republikanischen Funktionäre, Intellektuellen und Politiker haben Trumps Niederlage im November bereits eingepreist. Trump hat zudem keinerlei formellen Rückhalt in der Partei und keine eigene Wahlkampfsorganisation, die in der Lage wäre, den Sommer-Wahlkampf zu stemmen.

Das bedeutet, dass Trump in hohem Maße auf den RNC und dessen Ressourcen angewiesen ist - eine wunderbar ironische Situation für den großen Außenseiter. Denn wenn Trumps bisheriges Verhalten ein Indikator ist, wird er nicht nennenswerte eigene Geldmittel in den Wahlkampf einbringen. Und das Eintreiben von Spenden dürfte für ihn nicht leicht sein, während es schwer vorstellbar ist, dass allzuviele Kongress-Abgeordnete für ihn die Werbetrommel mehr rühren werden als unbedingt notwendig. Es ist daher kein unwahrscheinliches Szenario, dass Clinton im Wahlkampf über deutlich mehr Geldmittel verfügen wird als Trump.

Wie immer ist nichts davon in Stein gemeißelt. Die fundamentals aber - Konstanten der politischen Landschaft 2015/16 wie Demographie, wirtschaftliche Entwicklung, generelle Stimmung, etc. - weisen deutlich auf einen Kandidaten als Sieger im November hin. In den Worten Obamas: "There's no way to tell who she will be."