Freitag, 6. Februar 2009

Welche Wurzeln hat die LINKE?

Die LINKE feiert derzeit 90 Jahre Nationalversammlung. Zur Erinnerung: die Nationalversammlung war die verfassungsgebende Versammlung der Weimarer Republik. Thorsten Denkler, einer der neoliberalen Vordenker der SZ, befindet, dass dies frech sei. Schließlich sei die KPD die Vorgängerpartei der LINKEn, und die sei ja erstens strikt antidemokratisch gewesen und zweitens nicht einmal Mitglied der Nationalversammlung. Konnte sie auch gar nicht, sie war ja damals noch nicht gegründet, aber solche Details müssen Denkler nicht interessieren. Auch ob ihm eine Feier der KPD-Gründung lieber gewesen wäre, lasse ich einmal dahingestellt. Für diese Leute ist alles, was die LINKE tut, falsch. Bekennt sie sich zu Rosa Luxemburg, hat sie das antidemokratische Erbe offenbar nicht überwunden, bekennt sie sich zur Demokratie, ist das frech.
Aber zum Thema. Kann, darf sich die LINKE mit der Nationalversammlung identifizieren, mithin der Geburtsstunde der deutschen Demokratie?
Unbestritten gehört die KPD zum Erbe der LINKEn ebenso wie die SED. Aber darin erschöpfen sich die Erblinien nicht. Die LINKE hat auch Elemente der 1946 liquidierten Ost-SPD in sich vereint, und seit 2005 hat sie weitere Elemente der Sozialdemokratie und Gewerkschaften aufgenommen, während die kommunistisch-sozialistischen Traditionslinien immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden. Wollen wir die FDP nach ihrem nationalliberalen Erbe beurteilen, oder die CDU allein nach dem Zentrum messen? Wohl kaum. Man muss also differenzieren. Dazu kommt, dass auch immer Elemente existierten, die eher einem Bündnis mit der Sozialdemokratie zugeneigt waren (wie es umgekehrt bei den Sozialdemokraten auch Fürsprecher für eine Vereinigung mit der KPD gab). Mit der spätestens ab 1926 vollzogenen Totalausrichtung der KPD an der KPdSU und ihrem Herabsinken auf den Status eines Moskauer Satelliten war diese Vision allerdings vom Tisch; Moskau gab die Devise aus, dass die Reformer (in diesem Fall also die Sozialdemokratie) "rot lackierte Faschisten" seien und noch energischer zu bekämpfen seien als die Rechtsextremisten. Dies führte 1932 zu der absurden Kooperation von KPD und NSDAP im Kampf gegen die demokratischen Kräfte und letztendlich dem Todesstoß für die Republik.
1946 erfolgte dann die, wiederum von Moskau befohlene, Zwangsvereinigung zwischen KPD und SPD (Ost). Man entledigte sich dieses Mal endgültig dem "Gegner" Sozialdemokratie (in dem es auch Elemente gab, die die Vereinigung begrüßten, ich komme noch darauf zu sprechen). Dass die Menschen dem Braten nicht trauten zeigt sich an den desaströsen Wahlergebnissen der letzten freien Wahlen in der DDR. 1990 waren die Vorzeichen dann umgekehrt. Der gesamte Vorstand der damaligen SED-PDS hatte im Geheimen angeboten, geschlossen in die SPD einzutreten. Dies wäre der Todesstoß für die PDS und damit die letzte Partei links der SPD gewesen. Doch die SPD lehnte ab. Verantwortlich waren verschiedene Gründe, der wichtigste ist jedoch die Furcht davor, von den ehemaligen PDSlern überschwemmt zu werden und ihnen zuviel Gewicht einzuräumen, sowohl programmatisch als auch, und vor allem, beim Konkurrenzkampf um die neuentstehenden Wahlkreise und Posten. Denn viele eilig in den Osten gewechselte SPDler hätten sich so Sorgen um die eigentlich sicher geglaubten Direktmandate machen müssen. Die Wahlergebnisse zeigen heute jedoch, dass die Rechnung so nicht aufging.
Der vorläufig letzte Akt dieses Kapitels spielt dann 2005, als die neugegründete WASG gemeinsam mit der Linkspartei.PDS (wie die neueste Umbenennung hieß) in den Wahlkampf zog. War die PDS noch leicht als ostdeutsche Splitterpartei abzuurteilen und wegen ihrer SED- und KPD-Vergangenheit zu verteufeln, war dies mit der WASG nicht möglich. Wie die Grünen in den 1980er Jahren waren sie Fleisch vom Fleisch der SPD, und der Verlust schmerzte. Die verhärteten Gräben scheinen noch heute unüberwindlich. Es dauerte über zehn Jahre, bis die SPD sich mit den Grünen zu arrangieren bereit war; nichts spricht derzeit dafür, dass es bei der LINKEn (und ihrer deutlich schwierigeren Vergangenheit) schneller gehen wird.
Kehren wir wieder zurück zum aktuellen Festakt. Die LINKE erklärt die Feier damit, dass man Wurzeln eben nicht nur bei der KPD sehe, sondern auch bei SPD und USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Vor allem letzte sind ein interessanter Punkt, bei dem wir kurz verweilen wollen. Grüne und WASG sind nämlich nicht die einzigen Abspaltungen, die die SPD erleben musste und erbittert bekämpfte (wie immer zu ihrem eigenen Schaden). 1917 trennte sich die USPD im Streit um die Politik im Ersten Weltkrieg (die SPD hatte am Burgfrieden teilgenommen und die Kriegspolitik des Reiches getragen; die innerparteiliche Opposition hatte mit Ausnahme Liebknechts diese Mehrheitsentscheidung mitgetragen, geriet jedoch immer mehr in Streit mit der Parteiführung unter Ebert und Scheidemann, bis es 1917 zum Bruch kam), Hugo Haase wurde Vorsitzender. Die USPD wurde neben der MSPD (Mehrheitliche Sozialdemokratische Partei Deutschlands) zur linken Massenpartei, die jedoch nach der Gründung der Weimarer Republik 1919 schnell an Bedeutung zu verlieren begann und sich mit ihren moderaten sozialistischen Vorstellungen schnell zwischen der reformistischen MSPD und der revolutionären neuentstandenen KPD befand. 1922 trat der Großteil der Mitglieder der USPD in eine dieser beiden Parteien ein, was der faktische Tod der USPD war.
Was aber hat dieeser gesamte historische Exkurs nun mit unserem Thema zu tun? Mehr jedenfalls, als es Thorsten Denkler erkennen will, der hier halbblind in einer Materie herumstochert, die er nur in Ansätzen versteht. Wenn sich die LINKE versucht, eine neue Traditionslinie zu geben, ist dies natürlich "mutig und frech", wie Ulrich von Alemann das ausdrückt. Es zeigt aber auch gleichzeitig, dass die LINKE sich von ihrer stalinistischen, sozialistischen und kommunistischen Vergangenheit trennen will; es ist ein klares Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie, wie wir sie hier in Deutschland haben. Insofern müsste Denkler diesen Schritt eigentlich begrüßen, aber wie es scheint, versteht er dafür eben einfach zuwenig von dem, was vorgeht.
Die bewusste Wahl der Nationalversammlung als Anknüpfungspunkt und damit der indirekte Traditionsbezug auf die USPD zeigt aber auch etwas anderes: es ist ein Signal an die SPD. Vermutlich sind Müntefering, Steinmeier und Steinbrück zu traditionsvergessen und blind, um dieses Signal zu sehen. Sollten sie, werden sie es ignorieren. Aber an sie ist es auch nicht gerichtet, sondern eher an die zweifelnde linke Basis der SPD. Es wurde schon oft gemutmaßt, dass Lafontaines eigentliches Ziel die Wiedervereinigung von LINKEr und SPD wäre (natürlich mit ihm in hoher Position, kein Zweifel). Diese Traditionsschaffung deutet in diese Richtung. Sie ist zumindest ein klares Signal für eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, denn USPD und MSPD waren es, die in den Revolutionswirren von 1918/19 gemeinsam den Laden am Laufen hielten, im Rat der Volksbeauftragten.
Ich interpretiere diese Feier also als ein Signal an die SPD, dass die LINKE zu einer Zusammenarbeit grundsätzlich offen ist. Gleichzeitig dient es natürlich - und wahrscheinlich auch hauptsächlich - dazu, die Partei von der Traditionslinie der SED zu lösen und an Weimar anzuknüpfen. Dadurch soll höchstwahrscheinlich die Akzeptanz in der bürgerlichen Mittelschicht gesteigert werden, und dieser Plan könnte mit genügend Reifezeit durchaus aufgehen. Ich sehe es jedenfalls als positiv, dass sich die LINKE an Weimar und nicht an der Sowjetunion festmacht.

13 Kommentare:

  1. In der Philosophie kennt man den Begriff Linkshegelianer. Die gab es noch ein Jahrhundert früher.

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  2. Ich beziehe mich auf Ihren letzten Satz, dass es nämlich positiv sei, wenn sich die Partei Die Linke auf Weimar beziehe statt auf die Sowjetunion. Was heißt das?

    Weimar, das war der Verrat der rechten SPD am Sozialismus. Sowjetunion, das war der Aufbau des Sozialismus.

    Darf ich diesen letzten Satz so interpretieren, dass Sie es begrüßen, wenn die Linke die Arbeiterklasse verrät - wie damals die SPD in Weimar?

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  3. Sorry, aber das ist Unfug. Erstens war es die SPD, die mit Noske gemeinsame Sache mit den Freikorps machte und die eigenen Leute zusammenschießen ließ, und zweitens meinen Sie ja wohl nicht ernst, dass die Sowjetunion "Aufbau des Sozialismus" war, oder? Die SU als positiver Gegenentwurf zu Weimar? Millionen Tote, ein diktatorisches System, Gulag, Säuberungen - das soll der Republik vorzuziehen sein?

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  4. gehört jetzt nicht zur sache, aber, lieber oeffinger, wenn ich mich direkt auf deine homepage klicke, funktioniert kein einziger link oder options-button mehr. deine seite ist wie eingefroren.
    klicke ich mich von feynsinn aus direkt zu diesem beitrag von dir, funktioniert vieles. ob alles, habe ich nicht überprüft.

    grüße
    klaus baum

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  5. präzisierung: folgender link führt mich auf eine funktionierende seite.
    http://oeffingerfreidenker.blogspot.com/2009/02/welche-wurzeln-hat-die-linke.html?showComment=1234009320000#c1173107873537829744

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  6. http://oeffingerfreidenker.blogspot.com

    da funktioniert von meinem mac aus noch nicht mal der versuch, deine internetadresse in der browserzeile zu kopieren.

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  7. Ich bin Mitglied der Partei die LINKE und kann nur sagen, dass die Einschätzung des Autors bezüglich der politischen Ausrichtung der Partei zutrifft. Vor allem die Ex-Sozis in der Partei haben eine starke Sehnsucht in den Schoß des "verwesenden Leichnams" ( Luxenburg über die SPD) zurück zu kehren. Die Methoden der gelenkten Demokratie haben jedenfalls die Spezialdemokraten in die LINKE mitgebracht: Parteirausschmisse von echten Linken, kreative Mitgliedelistenführung, vagabundierende Wähler, die auf Mitgleiderversammlungen auftauchen um die Büchenspanner und Vorsitzenden der Partei tatkräfig zu unterstützen, gibt es alles und Euch würden die Augen übergehen über die Zustände in der WESTPARTEI! Denn die kreative Auslebung der schwamig formulierten Bundessatzung ist in den Westdeutschen Landesverbänden gang und gäbe. Hier haben die Ex-WASGler aus dem Gewerkschaftslager die Partei übernommen, die beherzt alle Kommunisten und Sozialisten rausschmeißen. Haben sie in den DGB-Gewerkschaften auch so gemacht, um diese auf Sozialpartnerschaft zu trimmen und von alten Gewohnheiten trennt man sich ungern! Warum? Na wenn die Partei wirklich das machen wollte, was sie vorgibt, die Durchsetzung des demokratischen Sozialismus, ginge es der Führung genauso wie der Unita Popular 1973 in Chile. Glaubt jemand Gregor Gisi und Lafontaine haben lust sich -in einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft im Bundeskanzleramt bombadieren zu lassen? Na?

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  8. Nun, Gisy und Lafontaine sind schwerlich als Revolutionäre vorzustellen. Diese Gefahr besteht wohl kaum, und Gisy hat durch seine beständig gescheiterten Versuche der Westexpansion auch versucht, die PDS vom revolutionären Image wegzubringen.

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  9. Man kann auch manche Dinge überinterpretieren...

    DIE LINKE schwört *jetzt* Stalin ab? DIE LINKE will *ab jetzt* mit der SPD zusammenarbeiten? DIE LINKE hat *jetzt* entdeckt, eigentlich lieber SPD zu sein?

    Schwachfug.


    Es gibt keine Stalinisten in der LINKEN - bitte zeige mir einen.

    DIE LINKE war schon immer zu einer Zusammenarbeit mit der SPD bereit, auch auf Bundesebene - unter bestimmten *inhaltlichen* Voraussetzungen.

    Und das man bei der LINKEN eigentlich in den Schoss der SPD zurück will? Zumindest hier (im Hamburger Landesverband) sehe ich das nicht.

    Außerdem hast Du eine Tradierung vergessen: Es sind nicht wenige "linke Grüne" inzwischen bei der LINKEN gelandet.

    Ne, DIE LINKE (und vor ihr die PDS, als auch die SED-PDS) ist schon viel länger demokratisch als Du glaubst, in die SPD will niemand zurück, mit der SPD arbeitet man zusammen (wenn es inhaltlich geht, die SPD ihre Phantomschmerzen und ihren Anti-Kommunistischen Beisreflex überwindet) und ansonsten fühlen sich viele in der LINKEN pudelwohl - oder zumindest viel wohler als in anderen Parteien.

    (Doppelter Post, weiss nicht ob es jetzt geht...)

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  10. Das Posting-System fuer Kommentare ist kaputt. Bei mir geht es aus Firefox nich - Ich muss extra IE anwerfen...

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  11. Wer hat denn davon gesprochen das Gysi und Lafontaine Revolutionäre wären? Ich habe auf den Umstand gedeutet, dass man glaubt auf reformistischen und parlamentarischen Weg zum demokratischen Sozialismus gelangen zu wollen -oder das halt vorgibt!

    Was droht, wenn einem aber der Mantel der Geschichte zu schwer wird und dahin drückt wo man glaubt nie hin gelangen zu können, ist die Gefahr eines FASCHISTISCHEN PUTSCHES -so wie in CHILE 1973. Wenn also LINKE wirklich über Wahlen und streng demokratisch die Kontrolle über die BRD übernehmen würde. Genau das war ja Salvador Allende in Chile gelungen. So, was meinen sie warum wir die Notstandsgesetze eingeführt BEKOMMEN haben. Warum gab (gibt?) es in Europa die Geheimarmee Gladio, mit ihren schwarzen Listen, geheinen Waffenlagern und einer Menge Mörder-Hneker-Faschisten auf warte Position. Das ist halt der Notausgang in der >>kapitalistischen Deomokratie<< (Bush).

    Das wissen die schlauen Füchse Gysi und Lafontaine, glaube ich, sehr gut. Und das Bürgerum ist auch informiert, lehnt sich zufrieden in den Chefsessel dieser morschen und ausgehöhlen Republik zurück und wiegt sich in Sicherheit. Die haben nicht wirklich Angst vor einer LINKEN, die auch nur mit der scheiß SPD koalieren möchte und dann ganz schnell maginalisiert ist! Dabei gibt es doch noch echte Sozialisten in der Partei. Und die meinen was sie sagen!

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  12. kannst du mir mal antworten auf meine frage, warum es mir unmöglich ist, irgendeine funktion auf deiner seite anzuklicken, wenn ich direkt zu
    http://oeffingerfreidenker.blogspot.com
    gehe?
    antwort erbeten an: klausbaum2@gmx.de

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