Dienstag, 29. Oktober 2024

Elon Musk bleibt beim Beobachten von Kundgebungen im Kindergarten von Beirut sitzen - Vermischtes 29.10.2024

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Musk Is Going All In to Elect Trump

Der Artikel beschreibt, wie Elon Musk, der reichste Mann der Welt, sich in die US-Präsidentschaftswahl eingemischt hat, insbesondere zur Unterstützung von Donald Trump. Musk hat seine Bemühungen darauf konzentriert, Trumps Wiederwahl zu fördern, indem er unter anderem eine Super-PAC finanzierte und mit einer Vielzahl von Strategien versuchte, Wähler zu mobilisieren. Er nutzte seine Plattform X (früher Twitter) zur Verbreitung von Trumps Botschaften und sogar Verschwörungstheorien über die Demokratische Partei. Musk hat in den letzten Monaten mehrfach den engen Kontakt zu Trump gesucht, obwohl er ihn früher abgelehnt hatte. Jetzt unterstützt er ihn mit einer intensiven persönlichen und finanziellen Kampagne. Dies umfasst unter anderem Wahlkampfstrategien, wie das Rekrutieren von Freiwilligen und die Koordination von Tür-zu-Tür-Kampagnen. Der Artikel betont, dass Musks Handlungen in dieser Form ohne historisches Vorbild sind und dass er das politische System auf ähnliche Weise beeinflusst, wie er es bei seinen Unternehmen tat. Die enge Verbindung zwischen Musk und Trump wurde von vielen als problematisch wahrgenommen, da Musk auch Falschinformationen über die Wahl verbreitet und behauptet, dass das Überleben der Menschheit von Trumps Sieg abhänge. (Theodore Schleifer/Maggie HabermanRyan /Mac/, New York Times)

Habe ich heute schon einmal auf das Problem der Vereinbarkeit von Milliardär*innen und Demokratie aufmerksam gemacht? Hier haben wir wieder einmal ein großartiges Beispiel dafür. Inwiefern Musk dazu beitragen kann, dass Trump gewinnt, ist für mich dabei die unklarere Frage. Musk ist ein Unsympath, er ist zutiefst weird, sagt ständig merkwürdigen Kram und passt teilweise gar nicht ins typische MAGA-Bild. Angesichts der Probleme, in denen sich die Trump-Kampagne befindet, hat er aber tatsächlich eine stabilisierende Wirkung, vor allem, was Geld anbelangt: das ist bei Trump bekanntlich notorisch knapp. Wenn Musk wirklich seine Ankündigungen wahr macht (was ein großes "Wenn" ist) und in großem Maßstab "on the ground" Leute fürs canvassing bezahlt, wäre das ein game changer. Milliardär*innengeld ist oftmals weniger wirkungsvoll als man annehmen könnte, weil es dummes Geld ist: es wird gerne in teure Werbespots investiert. Am besten ist es aber gerade in den erwähnten Bereichen, in denen es aber nicht sexy ist. Es bleibt spannend, das zu beobachten - und beunruhigend.

2) We watched 20 Trump rallies. His racist, anti-immigrant messaging is getting darker.

Donald Trump hat seine fremdenfeindliche und rassistische Rhetorik im Endspurt des Präsidentschaftswahlkampfs weiter verschärft, insbesondere in Reden wie seiner jüngsten in Aurora, Colorado. Er stellt Migranten als „blutrünstige Verbrecher“ und „die gewalttätigsten Menschen auf der Erde“ dar, die das Land und seine Kultur zerstören würden. Dabei beschwört er die Vorstellung einer „Invasion“ von Migranten innerhalb der US-Grenzen, die seiner Ansicht nach die USA von innen heraus zersetzen. Trump schlägt massive Internierungslager und Massendeportationen als Lösung vor und verspricht, die Präsidialmacht zu nutzen, um Migranten zu verfolgen. Seine Rhetorik beinhaltet zunehmend Verschwörungstheorien und extreme, abwertende Aussagen über Migranten, die er als „Tiere“ oder „Mörder“ bezeichnet. Diese Eskalation seiner Botschaft erinnert viele Beobachter an faschistische und autoritäre Ideologien, insbesondere an die von Nazi-Deutschland. Historiker und Experten für politische Rhetorik warnen vor den potenziellen Folgen dieser extremen Sprache, die Menschen dazu bringt, grausame Maßnahmen gegen Minderheiten zu akzeptieren. Trumps Angriffe auf Immigranten und seine Nutzung rassistischer Stereotype scheinen auf breite Zustimmung bei seiner Anhängerschaft zu stoßen, obwohl zahlreiche Studien zeigen, dass Migranten weniger wahrscheinlich Straftaten begehen als in den USA geborene Bürger. (Myha Ward, Politico)

Siehe dazu auch "Donald Trump’s Fascist Romp". Genauso wie die mentalen Ausfälle des Ex-Präsidenten, die mittlerweile schlimmer als alle sind, die Joe Biden je produziert hat (nur ein Beispiel) und die in den Medien kaum zu mehr als dem Äquivalent eines leichten Stirnrunzeln führen, ist die zunehmende Verschärfung sowohl der programmatischen Forderungen als auch der Rhetorik etwas, das einfach als gesetzte Größe betrachtet wird. Dabei ist es das nicht. Natürlich ist es möglich, dass Trump, der explizit faschistische Rhetorik nutzt und faschistische Politikforderungen erhebt, das "nur" als Stilmittel benutzt. Aber vielleicht auch nicht. Sein Umfeld nimmt es jedenfalls nicht als Stilmittel, sondern als Versprechen und Ankündigung. Es kann doch nicht wahr sein, dass mit einer solchen Unbekümmertheit auf den qualitativen Wandel dieser Kandidatur reagiert wird...?

3) Immer sind die anderen schuld

Der Artikel kritisiert die unausgewogene deutsche Außenpolitik im Nahen Osten, insbesondere die Position von Außenministerin Annalena Baerbock, die stark pro-israelisch wahrgenommen wird. Während Baerbock auf ihre zahlreichen Besuche in Israel verweist, beklagt der Autor die mangelnde Aufmerksamkeit für das Leid der Menschen in anderen Teilen der Region, insbesondere im Libanon. Der Artikel beschreibt die Eskalation der Gewalt durch israelische Angriffe auf den Libanon und die hohen zivilen Opferzahlen, die im Westen weitgehend ignoriert würden. Es wird argumentiert, dass der Westen das Leid der Menschen im Nahen Osten durch eine verzerrte Darstellung der Konflikte rechtfertigt, in der Israel als Verteidiger westlicher Werte dargestellt wird, während arabische Länder und ihre Bewohner systematisch entmenschlicht würden. Besonders scharf wird kritisiert, dass diese Narrative genutzt würden, um das Vorgehen Israels zu rechtfertigen, während das eigentliche Ziel, eine friedliche Lösung, durch die politische Führung in Israel nicht verfolgt werde. (Hanna Voss, taz)

Ein Artikel mit ähnlichem Tenor findet sich auch in der FAZ, falls jemand denkt, das sei nur von Links. Ich lese in der letzten Zeit immer häufiger aus einem breiten Spektrum Verurteilungen der israelischen Kriegsführung, und ich muss ehrlich sagen, dass ich selbst bei dem Thema mehr und mehr schwimme. Auf der einen Seite habe ich nicht die geringste Lust, mich von den "From the River to the Sea"-Trotteln instrumentalisieren zu lassen, aber nützlicher Idiot für Netanyahu will ich auch nicht sein. Dass die Debatte mit einer irren Heftigkeit und gegenseitigen Maximalvorwürfen (Antisemitismus vs. Genozid) geführt wird, hilft da echt auch nicht. - Baerbock indessen kann da auch nichts richtig machen. Entweder wird sie kritisiert, weil sie nicht entschlossen und 120%ig genug hinter Israel steht, oder sie wird dafür kritisiert, dass sie zu sehr hinter Israel steht. Auch da lese ich ständig beides und völlig Widersprüchliches. Vermutlich ist das ein Zeichen eines halbwegs vernünftig beschrittenen Mittelwegs. Nur: ist der Mittelweg hier gut? Erneut, ich schwimme.

4) »In den Kitas verspielt man die Bildungspotenziale von Kindern« (Interview mit Veronika Verbeeck)

Veronika Verbeek, Psychologin und Bildungswissenschaftlerin, kritisiert in einem Interview die zunehmende Tendenz, Kinder immer früher in Kitas zu schicken. Sie argumentiert, dass der frühe Aufbau einer sicheren Bindung zu den Eltern entscheidender für die kindliche Entwicklung sei als die frühe Fremdbetreuung. Insbesondere lange Betreuungszeiten für sehr junge Kinder in Kitas würden zu erhöhtem Stress führen, was durch Studien belegt sei. Verbeek sieht die frühzeitige Kita-Betreuung weniger als Bildungsförderung, sondern eher als politisch und wirtschaftlich motivierte Maßnahme. Sie plädiert für eine längere Elternzeit und betont, dass es keine belastbaren Belege dafür gebe, dass früh betreute Kinder später Vorteile haben. Zudem kritisiert sie die sogenannte „Selbstbildung“ in Kitas, die den Kindern zu viel Eigenverantwortung überlasse, was sie überfordern könne. Verbeek fordert eine ausgewogenere Pädagogik, die strukturierte Lernprozesse mit freiem Spiel kombiniert und Kinder nicht durch übermäßige Partizipation verwöhnt. (Silke Fokken)

Ich teile Verbeecks zentrale These, dass vor allem arbeitsmarktpolitische Motive hinter dem Kita-Ausbau und dem Wandel stecken. Deswegen ist, glaube ich, die Situation auch nicht besonders gut: die ganzen pädagogischen Aspekte spielen vor der Logistik bestenfalls eine sekundäre Rolle. Aber ich kann viele ihrer Annahmen in dem Artikel nicht teilen. Sie tritt als Wissenschaftlerin auf, aber viele ihrer Aussagen stellen deutliche Wertungen dar. Das ist soweit ja nicht verwerflich; ich will von meinen Wissenschaftler*innen gerne Schlussfolgerungen. Aber: ein Gutteil ihrer Setzungen ist normativ, will heißen: es ist eine reine Meinungsfrage. Und das vermischt sie komplett mit dem Thema. Dazu kommt, dass sie zwar gerne darauf verweist, dass ihre Forschung bei manchen (!) Kindern negative Effekte gezeigt hat, aber wenig Alternativen bereithält, denn die wirtschaftlichen Zwänge sind, wie sie sind. Daher wird hier vor allem Moralisieren mit Studien betrieben.

5) 15 Jahre Hattie-Studie: Warum Sitzenbleiben mehr schadet als nützt – aber bis heute in Deutschland vielen als unverzichtbar gilt

Der Artikel befasst sich mit der Frage, warum das Sitzenbleiben in Schulen trotz überwältigender Belege für seine Ineffektivität immer noch existiert. John Hattie zeigt in seiner Studie von 2023 auf, dass das Sitzenbleiben mehr schadet als nützt, mit einer negativen Effektstärke von -0,24. Schüler, die eine Klasse wiederholen, profitieren langfristig nicht, selbst wenn sie im Vergleich zu ihren neuen Klassenkameraden ähnlich abschneiden. Zudem werden negative Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwicklung der Kinder dokumentiert. Es wird weiter argumentiert, dass das Sitzenbleiben insbesondere bei benachteiligten Kindern, Jungen und ethnischen Minderheiten häufiger vorkommt. Kritiker wie Klaus Klemm oder die Roland-Berger-Stiftung betonen, dass diese Praxis ineffektiv und teuer ist. Trotz dieser Erkenntnisse halten viele Schulen an der Tradition des Sitzenbleibens fest, was auf systemische Hindernisse, veraltete Lehrkonzepte und eine mangelnde Förderkultur zurückzuführen ist. Klemm schätzt die jährlichen Kosten dieser Maßnahme auf über eine Milliarde Euro, die sinnvoller in individuelle Fördermaßnahmen investiert werden könnten. (Roland Grüttner, News4Teachers)

Es ist genauso eine Endlosdebatte wie die über Kopfnoten: wir wissen längst, wie nutzlos der Kram ist, aber aus einem Strafbedürfnis heraus ist es politisch quasi unmöglich, auf Sitzenbleiben zu verzichten, wirtschaftliche Flurschäden und Nutzlosigkeit hin oder her. Es ist völlig irrelevant, wie die Faktenlage bei diesem Thema ist, weil es sich so anfühlt, als müsste Sitzenbleiben existieren, und das ist alles, was zählt. Was Grüttner im Übrigen nicht auflistet ist der soziale Faktor von Sitzenbleiben. In dem kann ich die einzig sinnvolle Konsequenz erkennen. Denn manchmal tut es einer Person gut, den Klassenverband zu verlassen und in einen anderen zu kommen. Besonders bei emotionaler Unreife (weniger bei kognitiver) kann das manchmal nützlich sein. Aber das hängt dann weniger an den Noten. Ich spreche da aus Erfahrung; ich bin in der 9. Klasse selbst sitzengeblieben. Für die Noten tat es gar nichts, ich hatte im Wiederholungsjahr dann eine 4 statt einer 5 und in der 10. Klasse bereits wieder in beiden Fächern 5en (nur halt jetzt auch die 2en zum Ausgleichen). Aber sozial war es für mich ein Unterschied wie Tag und Nacht, daher rückblickend ein Glücksfall. Aber das hat nichts mit dem Zeugnis zu tun. In die Stufe drunter zu rutschen wäre vermutlich in der sechsten oder siebten Klasse besser gewesen, aber woher hätte man das wissen sollen? Die Noten verraten es jedenfalls nicht.

Resterampe

a) Relevanter Beitrag zu Handelsbilanzen in der FT.

b) Nobody’s jobs were taken away by illegal immigrants. Aber das Gefühl!

c) Why is everyone so quiet about war with Iran?

d) It’s Trump, Trump, Trump all the time. Ich glaube das ist für Harris gar nicht so schlecht.

e) Republicans hate Republican presidents. Ich glaube, die Erklärung mit "bad luck" könnte für Trump und Bush Senior zutreffen. Bei Bush Junior...?

f) Just how bad is Twitter, really? Oh Gott, ja. Ich kann es nicht mehr hören.

g) It’s time to raise taxes, not cut them. Die Zahlen sind echt krass. Weiß jemand, wie das im Verhältnis für Deutschland ist?


Fertiggestellt am 15.101.2024

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