Freitag, 26. Februar 2016

Was ist Ihre größte Schwäche?

Jeder hasst diese Frage beim Vorstellungsgespräch. Nur hat man da im Normalfall keine Gegner, die das wissen. Ein wichtiger Teil eines jeden Wahlkampfs ist die Recherche über die metaphorischen Leichen, die die Konkurrenten in ihren Kellern liegen haben könnten. In den USA läuft diese Recherche unter dem Namen opposition research, und sie beinhaltet das Durchforsten teils jahrzehntealter Archive nach irgendwelchen belastbaren Funden aus der Vergangenheit eines Politikers, das Erstellen von Umfragen zu bestimmten Themen und Ähnliches. Ein gutes Beispiel für opposition research ist der Fund von Pastor Jeremiah Wright während der primaries 2008. Wright war der Hauspastor der Obamas und hatte in der Vergangenheit starke Aussagen zu einigen Themen über das Verhältnis von Schwarzen und Weißen gemacht, die für den Mainstream deutlich zu radikal waren. Obama war gezwungen, sich deutlich von Wright zu distanzieren und aus seiner Kirche auszutreten, wodurch er eine Assoziierung überwiegend verhindern konnte.

Dieser Tage wurde nun bekannt, dass in der republikanischen Partei bislang niemand opposition research gegen Trump betrieben hat. Das ist eine mehr als überraschende Information. Bedenkt man die Beträge von mittlerweile über zweihundert Millionen Dollar, die allein in den republikanischen primaries ausgegegen wurden, überrascht es sehr, dass niemand es für nötig hielt, nach Leichen in Trumps Keller zu suchen. Gerade in Jeb Bushs Fall ist dies unverständlich, denn er hatte eine gewaltig ausgerüstete Kriegskasse und war monatelang das Ziel Nummer Eins für Trump. Nehmen wir den Kandidaten also etwas Arbeit ab und schauen einmal, welche Schwächen die jeweiligen Anwärter auf den Präsidentenjob haben - auch mit Blick auf die general election.

Die Democrats


Bernie Sanders

Sozialismus. Sanders bezeichnet sich selbst als democratic socialist, früher auch gerne als socialist. Während viele seiner Positionen in Europa tatsächlich im linken Mainstream liegen dürften, irgendwo zwischen dem linken Flügel der SPD und dem rechten Flügel der LINKEn, ist er in den USA damit ein extremer Außenseiter. Die Reflexe des Kalten Krieges, alles sozialistische als unamerikanisch und feindlich anzusehen, sind immer noch sehr lebendig. Das Label ist daher in jedem Falle eine Belastung für Bernie Sanders, nicht nur, weil es mögliche Unterstützer abstößt, sondern auch, weil es sich so hervorragend zur Mobilisierung der republikanischen Wähler nutzen lässt. Auffallend ist aber, dass die jüngere Generation - 35 Jahre und darunter - sich wesentlich weniger daran stört als die älteren Generationen. Es ist daher sehr schwierig vorauszusehen, wie schwer das Label Sanders in der general election behindern würde. Dass es aber eine Belastung darstellt, kann kaum bestritten werden. Radikale Vergangenheit. Bernie Sanders hat eine lange Karriere als Aktivist und unabhängiger Politiker hinter sich, mit Teilnahme an Demonstrationen und obskuren Splittergruppen. Das alles liegt bereits lange in der Vergangenheit - Sanders ist seit den 1980er Jahren ein relativ unauffälliger Politiker -, aber das hat noch nie jemanden aufgehalten, solcherlei Dinge wieder auszugraben. Dass sich in Sanders Vergangenheit einiges finden lässt, ist bei seinem Lebenslauf garantiert. Die Schablone dafür könnten sich die Republicans bei den Angriffen der CDU auf Joschka Fischer zu Zeiten der rot-grünen Koalition abholen, wenn sie denn eine nötig hätten. Realismus der Vorschläge. Der Realismusgehalt von Sanders Vorschlägen ist hochgradig umstritten. Nicht nur sind sie alle Rohrkrepierer im Kongress, wo eine Mehrheit völlig ausgeschlossen ist, wenn nicht ein elektorales Wunder in den down-ballot-races geschieht. Auch seine eigenen Zahlen gerieten in den vergangenen Wochen in schwere Kritik und wurden von mehreren Experten wie Paul Krugman auseinandergenommen, die konservativer Sympathien wahrlich unverdächtig sind. Dieses Thema wird sich niemals befriedigend klären lassen und wäre deswegen mit Sicherheit durch den gesamten Wahlkampf hindurch eine Dauerbremse. Außenpolitik. Sanders besitzt kein besonders tiefes Wissen über US-Außenpolitik und hat sich bisher wenig hervorgetan. Seine Positionen auf diesem Gebiet sind oberflächlich und teils wenig zielführend, teils Standard, teils unrealistisch. Infrastruktur. Bernie Sanders ist in der demokratischen Partei nicht sonderlich gut vernetzt und dürfte Probleme haben, sich effektiv mit dem DNC und örtlichen Parteiorganisationen zu korrdinieren. Auch das Geld könnte ein Problem werden, denn Super PACs und Geldspenden von Großkonzernen und Wallstreet lehnt er ab, während unklar ist, wie stark er seine Kernklientel durch die Vorwahlen bereits erschöpft hat. Fazit: Gegen Trump dürfte Sanders die besten Karten haben. Sowohl der Realismus seiner Vorschläge als auch seine mangelnde außenpolitische Perspektive dürften hier kaum eine große Rolle spielen, weil Trump selbst hier auch nicht gerade glänzt. Rubio würde wohl versuchen, sich als Moderater in dem Rennen zu präsentieren - und damit gute Erfolgsaussichten haben. Gegen einen hypothetischen Kandidaten Cruz sieht die Lage eher aus wie bei Trump: ihre Schwächen neutralisieren sich teils gegenseitig. Traumgegner: Donald Trump. Genauso wie Sanders ist Trump ein Rebell gegen die eigene Partei und versucht, die Wut der Leute zu benutzen. Dies macht das Ausnutzen einiger seiner Schwächen deutlich schwieriger.

Hillary Clinton

Emails. Der Emailskandal Clintons zieht sich nun bereits eine ganze Weile hin und hat zu guten Teilen dazu beigetragen, ihr Image als Regelbeugerin und wenig vertrauenswürdige Position zu bestärken. Bisher konnte in den tausenden von Mails, die von Staatsanwaltschaft und Republicans durchforstet wurden, nichts Belastbares gefunden werden. Gleichzeitig ist es aber äußerst unwahrscheinlich, dass der Skandal je abschließend geklärt wird, weswegen jeder Gegner Hillarys nur andeuten muss, dass vielleicht, eventuell, irgendwo doch noch die wahren bösen Mails liegen. Sozialstaatsreform. Zusammen mit ihrem Mann Bill war Hillary Mitte der 1990er Jahre dafür verantwortlich, den amerikanischen Sozialstaat neu zu strukurieren. Genau wie New Labour in Großbritannien und Gerhard Schröder in Deutschland wurden Leistungen eingegrenzt und mit Sanktionen verknüpft, wenn man nicht jede Arbeit aufnimmt. Das Thema ist in den USA besonders dadurch toxisch, dass die Opfer dieser Reform überwiegend Schwarze sind. Gleichzeitig aber ist das Thema eher eins der Republicans, die kaum Clinton dafür angreifen können, den Zugang zu Sozialstaatsleistungen eingeschränkt zu haben, weswegen es wahrscheinlich eher in den primaries relevant ist - wenn überhaupt, denn die 1990er sind bereits eine ganze Ecke her. Benghazi. Wie bei den Emails konnte Clinton bisher nichts nachgewiesen werden, aber die Republicans werden nicht damit aufhören, sie wegen des Angriffs auf die amerikanische Botschaft in Benghazi zu attackieren. Den Democrats wird das Thema reichlich egal sein, aber für die Republicans ist es eine gute Möglichkeit, die eigene Basis zu mobilisieren und das alte Narrativ, dass man den Democrats bei der nationalen Sicherheit nicht vertrauen könnte, wiederzubeleben. Reden. Clinton hat seit Ende von Bill Clintons Präsidentschaft Millionen mit hochdotierten Reden verdient, vor allem an der Wallstreet. Das gibt Vorwürfen, sie sei käuflich, ständig neue Nahrung und untergräbt ihre Glaubwürdigkeit beim Thema Bankenreform deutlich. Das wird durch ihre Weigerung, den Inhalt dieser Reden öffentlich zu machen, noch potenziert. Fazit: Clinton ist eine Wundertüte. Sie hat Stärken und Schwächen gegenüber jedem Kandidaten. Gegenüber Trump kann sie staatsmännisch und erfahren wirken, ist aber gleichzeitig wegen Reden sehr verletzlich, die Trump als self-financed candidate sehr leicht nutzen kann - was er ja auch bereits getan hat, als er betonte, dass er Hillary ebenfalls schon gespendet habe. Zudem ist völlig unklar, wieviele Wähler ein moderaterer Populismus Trumps sie kosten könnte. Gegen Rubio wirkt Clinton erfahrener und besonnener, aber auch älter und als Frau von vorgestern. Die Konfrontation hier wäre die klassischste und dürfte sich hauptsächlich an der Wahlbeteiligung entscheiden. Gegen Cruz hat Clinton die besten Karten. Seine extremen Positionen konstrastieren gut mit ihrem Kampf für Frauen und Minderheiten, während sie auf anderen Politikfeldern stets als vernünftiger und besonnener erscheint. Traumgegner: Ted Cruz. Alle Stärken würden voll ausgespielt, und ihre Probleme bei der Mobilisierung des eigenen Klientels durch Cruz' eigene Radikalität erleichtert.

Die Republicans

Donald Trump

Fachwissen. Donald Trump hat effektiv keine Ahnung von irgendeinem Bereich, ob Außenpolitik, Innenpolitik, Wirtschaftspolitik oder irgendetwas anderem. Bisher hat ihm das allerdings auch nicht geschadet, und es darf bezweifelt werden, ob es in der general election mehr Republicans interessiert als in den primaries. Business. Trump ist kein sonderlich guter Geschäftsmann und benutzt ziemlich schmutzige Tricks und legale Schlupflöcher. Einige davon kommen bei der republikanischen Basis gar nicht gut an (Stichwort eminent domain), und er besitzt gegenüber den Democrats dieselbe offene Flanke wie Mitt Romney. Viel von Trumps Präsenz hängt von der Aura des erfolgreichen Geschäftsmanns ab, aber der Konkurs von vier Tochterunternehmen und andere Felder sind Bleastungsfaktoren, wie Rubio in der zehnten Debatte auch aufzeigen konnte. Stil. Trump ist ungeheuer aggressiv und benutzt gerne vulgäre Ausdrücke, um seine Gegner zu überrumpeln. Dies kommt bei vielen Wählern gar nicht gut an, was auch seine gewaltigen Unfavorables erklärt. Dazu sagt Trump, was ihm in den Sinn kommt, und gibt nicht viel auf Planung und Image. Infrastruktur. Trump baut seinen gesamten Wahlkampf auf der kostenlosen Wahlwerbung durch Berichterstattung auf, was bislang auch hervorragend funktioniert hat. Es ist aber unklar, ob ihm das gegen die Democrats reichen wird, die in allen Staaten über eine funktionierende Struktur verfügen. Zwar wird Trump auf die Ressourcen des RNC zurückgreifen können, aber das wird sich effektiv anfühlen wie ein Super PAC und kaum mit dem Kandidaten koordiniert sein, weswegen die Democrats einen deutlich kohärenteren Wahlkampf machen können. Da er bislang fast keine endorsements hat, kann er auch nicht wirklich auf die regionalen Strukturen von Gouverneuren und Kongressabgeordneten zurückgreifen. Geld. Ironischerweise könnte Trump im Wahlkampf ein ernstes Problem mit der Finanzierung bekommen, denn viel von seiner Attraktivität beruht darauf, dass er keine Spenden annimmt und ihn selbst finanziert. Wenn er aber nicht willens ist, drei- oder vierhundert Millionen Dollar seines eigenen Vermögens zu verbrennen, könnte er diesen Faktor brechen müssen um seine Wahlkampfkosten zu decken. Mit dem Verkauf von T-Shirts und Kappen wird er das kaum ausgleichen könnnen. Minderheiten und Frauen. Trump beleidigt permanent Schwarze, Latinos und Frauen - alles Gruppen, deren Unterstützung die GOP dringend braucht, wenn sie eine Chance haben will, einen Sieg der Democrats zu verhindern. Trump-Apologeten gehen davon aus, dass er dies mit Zugewinnen bei der weißen Arbeiterschicht ausgleichen kann, aber ich habe hierzu bislang keine schlüssige Empirie gesehen. Fazit: Trump hat eine Reihe entscheidender Schwächen, die seine Gegner ausnutzen können. Gleichzeitig gehorcht seine Kandidatur aber nicht den bekannten Regeln des amerikanischen Politikbetriebs, weswegen die Effektivität aller solcher Attacken mit einem Fragezeichen versehen werden muss. Die effektivste Taktik ist vermutlich, Trumps Selbstverständnis als kompetenten Macher und dominantes Alpha-Männchen zu untergraben, aber das ist leichter gesagt als getan. Traumgegner: Schwer zu sagen. Die Form der general election mit Trump als Frontmann abzuschätzen ist sehr schwer, weil von einer völligen Implosion bis zu einer populistischen Revolution so ziemlich jedes Ergebnis denkbar scheint und eine sichere Voraussage schlicht nicht möglich ist. Gegen Bernie Sanders neutralisieren sich viele seiner eigenen Schwächen, aber einige seiner Stärken. Gegen Hillary Clinton entsteht der deutlichste Kontrast.

Marco Rubio

Unerfahrenheit. Rubio ist ein sehr junger Senator - er wäre fast im gleichen Alter wie Obama 2008 - und hat eine fürchterliche Anwesenheitsquote im Senat. Zudem hat er bislang keine besonderen Erfolge legislativer Art vorzuweisen. Immigration. Diese Schwäche zählt nur für die republikanischen Vorwahlen. Rubio war Teil der Gang of Eight, die 2013 versuchte, ein neues Immigrationsgesetz auf den Weg zu bringen. Das ist bei den Republicans inzwischen extrem verschrieen, und Rubio hat sich mittlerweile vollständig distanziert. Dieser Flip-Flop könnte es unter Umständen schwieriger machen, wieder in die Mitte zurückzukehren. Hawkishness. Rubio ist ein extremer Falke in der Tradition der Neocons und steht für eine Außenpolitik à la George W. Bush, die dem Großteil der Amerikaner nicht gerade positiv in Erinnerung ist. In der Debatte von South Carolina hat er sich zudem als klarer Bush-Erbe inszeniert, was in der general election durchaus zu Ballast werden könnte. Steuern. Rubios Steuerplan hat schlicht keinerlei Realitätsgehalt. Die Steuererleichterungen, die er für die oberen 1% vorschlägt, würden den US-Haushalt in tiefrote Zahlen stürzen (Rubio will unter anderem die Kapitalertragssteuer komplett abschaffen). Gerade für die Democrats, deren ganzer Wahlkampf sich gerade um das Thema soziale Ungleichheit dreht, ist das ein Mobilisierungsthema. Rubiobot. Seit seiner desaströsen Performance in der achten Debatte in New Hampshire muss Rubio gegen das Image kämpfen, nur auswändig gelernte Sätze aufzusagen. Wie es aussieht, hat er das geschafft - seine Performance in der neunten und zehnten Debatte war gut, und auch außerhalb der Debatten zeigt er Improvisationsgabe und Witz. Komplett ausgestanden ist es für ihn aber noch nicht. Fazit: Rubio ist ein starker Kandidat mit klassisch konservativen Positionen. Grundsätzlich ist er deutlich weiter rechts, als es es scheint, und viele seiner Positionen sind eigentlich am äußersten Rand der Partei. Es gelingt ihm aber, sich selbst deutlich moderater zu präsentieren, und es ist zweifelhaft, wie viel Erfolg die Democrats darin haben würden, ihn in die Ecke zu stellen, in die er eigentlich ideologisch gehört. Eine seiner größten Angreifbarkeiten dürfte der Vergleich mit George W. Bush sein, aber inwieweit der Irakkrieg noch einmal als Mobilisierungsthema taugt, darf bezweifelt werden. Traumgegner: Bernie Sanders. Rubios Strategie, sich als moderater Konservativer und echter Amerikaner zu präsentieren würde durch eine Sanders-Kandidatur potenziert werden.

Ted Cruz

Infrastruktur. Cruz ist in seiner eigenen Partei beliebt wie Fußpilz, was ihm ein ähnliches Problem wie Trump beschert: eine effektive Koordinierung seines Wahlkampfs mit dem RNC und lokalen Parteiorganisationen ist schwierig. Dafür hat er ordentlichen Zugang zu Geldquellen. Radikalität. Cruz ist ein sozialkonservativer Radikaler und Anathema für alle progressiven Gruppen. Wem Themen wie Homoehe oder LGBT-Rechte wichtig sind, dürfte durch eine Cruz-Kandidatur stark motiviert werden. Auch einige seiner anderen Positionen sind sehr am rechten Rand, und im Gegensatz zu Rubio hat Cruz keine Chance, sich selbst als Moderator zu präsentieren. Sympathie. Cruz' Sympathiewerte sind ziemlich mies, und er ist in der Bevölkerung eher unbeliebt. Diese Unbeliebtheit zieht sich auch durch seine Partei (siehe oben) und die Medien. Wenn einen die Moderatoren der großen Nachrichtensendungen nicht leiden können, gilt das wohl nur in den absoluten Tiefen der Parteibasis als Pluspunkt. Feinde. Ted Cruz hat extrem viele Feinde, gerade innerhalb der eigenen Partei. Er muss sich daher fragen lassen, wie gut er als Präsident mit dem Kongress zusammenarbeitet und ob sich die Partei auf ihn verlassen kann. Diese Feindschaften verschließen ihm zudem den Zugang zu vielen Ressourcen und Verbindungen, die sich als essenziell zeigen könnten. Fazit: Ted Cruz ist ein interessanter Fall. Seine radikalen Positionen in der Gesellschaftspolitik stellen ihn weit außerhalb des Mehrheitskonsens, während seine überraschende Zurückhaltung in der Außenpolitik kaum etwas ist, das er in einem jingoistischen GOP-Umfeld propagieren kann, egal wie gut es bei der Mehrheitsgesellschaft ankommen würde. Er hat dasselbe Problem wie Sanders: Es fällt extrem leicht, ihn in die extreme Ecke zu stellen und für zu weit außerhalb zu erklären, um das Präsidentenamt einnehmen zu können. Traumgegner: Bernie Sanders. In einer Wahl zwischen Extremen von rechts und links hätte Cruz deutlich bessere Karten als gegen moderate Kandidaten, eine Dynamik, die gegen Rubio bereits in den primaries zu beobachten ist.

Fazit

Tabellarisch gefasst ließe sich das Ganze wohl am besten so zusammenfassen:
vs.
Clinton
Sanders
Trump
?
?
Rubio
Cruz
Die Gründe für die Unsicherheit über jede Kombination, die Trump enthält, habe ich oben bereits zusammengefasst. Es mag sein, dass die Sanders-Fraktion Recht hat, dass er als Außenseiter hier bessere Chancen hätte; es mag sein, dass das Sozialismus-Label in dem Fall die Protesstimmen erst recht ins Trump-Lager bringt, wie es die Clinton-Fraktion behauptet. Umgekehrt ist es möglich, dass die Anti-Establishment-Stimmung groß genug ist um Clinton hinwegzufegen oder aber dass Clinton als einzig verantwortungsvolle Alternative den elektoralen Boden mit Trump aufwischen würde. Bei allem, was den Medienmogul betrifft, sind Prognosen gerade sehr unsicher. Ich denke, dass Rubio mit Sanders leichtes Spiel hätte und locker gewinnen würde. Zu viele Amerikaner sind sehr skeptisch gegenüber der Rolle des Staates und verbinden mit Sozialismus wenig Gutes. Ich gehe davon aus, dass Clinton siegen würde, weil die Demographie 2016 die Democrats leicht begünstigt und sie als Kandidat nicht schwach genug ist, um von Rubio leicht überwältigt zu werden. Rubio selbst hat es geschickt vermieden, sich auf Positionen festzulegen, die sich leicht gegen ihn wenden lassen - ganz im Gegensatz zu Ted Cruz, siehe unten. Cruz hingegen hat gegen keinen der beiden demokratischen Kandidaten eine echte Chance. Er ist zu radikal, um mehrheitsfähig zu sein. Zwar unterscheiden sich auch seine Positionen nicht so übermäßig von etwa George W. Bush, aber im Gegensatz zu diesem vermag er es nicht, den compassionate conservative zu markieren. Wenn Cruz etwa in der zehnten Debatte Trump für dessen Aussage bezüglich Obamacare angreift, er würde "keine Menschen auf der Straße verrecken lassen wollen", zeigt sich ein deutlicher Bruch mit der amerikanischen Öffentlichkeit. Hier ist Obamacrare zwar nicht beliebt, aber so unbeliebt, dass man stattdessen im Namen des Freien Markts Menschen auf offener Straße sterben lassen wöllte, ist man nicht. Curz steht mit solchen Positionen viel zu weit im Abseits.

Sonntag, 21. Februar 2016

Mr. Trump, tear down this wall

Gestern nach fanden in Nevada der caucus der Democrats und in South Carolina die primary der Republicans statt (am 27. Februar bzw. 23. Februar finden sie jeweils für die andere Partei statt). Die beiden Staaten wurden vom Partei-Establishment beider Seiten als "Firewall" angesehen, der die jeweiligen Rebellen stoppen sollte - Sanders für die Democrats und Trump für die Republicans. Im Falle Nevadas baute Clinton ihre Hoffnungen auf die breitgefächertere Bevölkerung. Nur 70% der Einwohner des Staates sind weiß, der Rest Latinos und Schwarze. Zudem hatte Clinton bereits im April 2015 ihre Organisation in Nevada aufgebaut, während Sanders erst im Oktober begann, verlorenen Grund aufzuholen. In South Carolina, wo fast ein Drittel der Wähler schwarz ist, sollte Clinton einen noch größeren Vorteil genießen. Auf Seiten der Republicans sieht die Lage ähnlich aus: Nevada ist hier kein wichtiger Baustein, aber South Carolina hat eine traditionell eher Establishment-nahe Wählerschaft, ist eine Hochburg der Bushs und viele Militärs leben in dem Staat. All das sind Wählerschichten, die Trump gegenüber eher abgeneigt sein sollten. Wie also haben sich die Firewalls geschlagen?

Für Clinton hat sich die Theorie bewahrheitet. Die schwarzen Wähler Nevadas wählten sie 76:22 gegenüber Sanders. Unklar bleibt aktuell, wie die Latinos abstimmten; hier dürfte der Anteil näher an 50:50 sein, mit einem kleinen Vorteil Clintons, aber die Umfragen in Nevada sind notorisch unzuverlässig und lassen aktuell kein klares Bild der Lage zu. Ansonsten wiederholten sich die aus Iowa und New Hampshire bekannten Fronten: Sanders gewann bei den Jungwählern und Millenials, Clinton bei den Alten und Wohlhabenden. Für Sanders sind das schlechte Nachrichten. Obwohl sich der zuvor gewaltige Abstand zwischen ihm und Clinton in dem Bundesstaat deutlich verringert hatte, verlor er doch überraschend deutlich (die letzten Vorhersagen sahen sie gleichauf wie in Iowa). South Carolina könnte damit für Sanders ein ähnliches Desaster werden wie New Hampshire für Clinton, nur dass dort mehr Deligierte vergeben werden. Hält sich der Trend aus Nevada, ist die Wahl für Sanders effektiv gelaufen. Er wird zwar einige weitere (weiße) Staaten gewinnen, aber besonders am Super Tuesday in den südlichen Staaten sowie in den breitgefächerteren Staaten wie Kalifornien verlieren. Wenn es ihm nicht gelingt, diesen Trend zu brechen, siegt Clinton. Im für sie besten Szenario gewinnt sie sämtliche Vorwahlen am Super Tuesday, was für Sanders das effektive Aus bedeuten dürfte.

Nevada zeigte aber gleichzeitig auch die inhärenten Probleme des caucus-Systems auf. Das System ist sehr undurchschaubar, teils zufällig und von seiner Zusammensetzung her wenig repräsentativ. Selbst für Experten ist es wenig vorhersehbar und durchschaubar, weswegen teils immer noch nicht klar ist, wer nun eigentlich wählen ging und wer für wen stimmte (etwa im Falle der Latinos). Lange Schlangen vor den Wahlpunkten und komplizierte Regelwerke sowie die lange Dauer sorgten dafür, dass die Wahlbeteiligung insgesamt sehr niedrig war: nur rund 80.000 Wähler gingen zu den Urnen, gegenüber 120.000 im Jahr 2008. Für Bernie Sanders sind auch das extrem schlechte Nachrichten. Seine Botschaft ist, dass seine Kandidatur eine "politische Revolution" starten würde, die den Kongress zum Handeln zwingt. Bislang bleiben seine Zustimmungswerte aber in absoluten Zahlen konstant unter Obamas von 2008, der mit einer ähnlichen Strategie scheiterte.

Anders die Lage in South Carolina bei den Republicans. Hier war eigentlich ein klarer Sieg des Establishments zu erwarten gewesen, bedenkt man die inhärenten Sympathien im Palmetto State. Die beliebte Gouverneurin Nikki Haley (Zustimmungsrate rund 70%) warf wie viele andere gewählte Vertreter ihr Gewicht in die Waagschale, und die Partei stellte sich überwiegend hinter Marco Rubio - trotzdem reichte es ihm nur für einen extrem knappen zweiten Platz, mit nur 0,1% Abstand zu Ted Cruz. Donald Trump, der nur vor Wochenfrist eine Häresie gegen die konservative Orthodoxie nach der anderen beging, hätte eigentlich untergehen müssen. Stattdessen gewann er mit 33% der Stimmen sämtliche Deligierten des Bundesstaates. Der vierte Platz war ebenso knapp umstritten wie der zweite und ging an Bush, der mit 7,8% vor John Kasich mit 7,6% landete.

Für Bush ist damit Endstation; er zog sich noch am Samstag aus dem Wahlkampf zurück. South Carolina war sein stärkster Staat und seine beste Chance. Doch die Wähler waren nicht geneigt, ihm ihre Stimmen zu geben, und seine verzweifelten Versuche, Haleys endorsement zu bekommen, scheiterten: sie sprach sich für Rubio aus. Damit hat sich der Kampf um die Position des Bannerträgers des Establishments auf ein Duell reduziert (Rubio gegen Kasich), dessen Gewinner praktisch schon feststeht. Kasichs fünfter Platz war vorhersehbar - South Carolina ist nicht sein Terrain - und er wird vermutlich in Ohio, Kentucky, Illionois und den anderen Staaten vor dem Mittleren Westen besser abschneiden. Nur zeigt sich immer deutlicher, dass die Partei sich hinter Rubio schart.

Und dafür ist auch höchste Zeit: Trump ist der unangefochtene frontrunner, und der Wahlkampf ist erst jetzt zu einem Dreikampf geworden (plus Wadenbeißer Kasich). In seinem Jubel über den zweiten Platz (mit dem er trotzdem keinen einzigen Deligierten gewann) sollte Rubio nicht vergessen, dass Cruz nur äußerst knapp hinter ihm liegt. Und noch niemand wurde mit dem zweiten Platz Präsidentschaftskandidat. Das window of opportunity, Trump noch zu stoppen, schließt sich immer mehr. Das spürte auch Ted Cruz, dessen Abschneiden ein schlechtes Omen für seine Chancen ist. Seine Kandidatur beruht zu diesem Zeitpunkt fast nur auf den Evangelikalen, und die reichen für eine Mehrheit nicht aus. Ohne einen deutlichen Sieg beim Super Tuesday dürfte es für ihn düster aussehen; gleichzeitig aber kann seine weitere Teilnahme am Wahlkampf verhindern, dass Rubio sich als ordentliche Trump-Alternative positioniert. Im Rennen der Republicans jedenfalls ist noch nichts entschieden. In einer Woche wissen wir mehr, wenn am 1. März in Alabama, Alaska (GOP), Arkansas, Colorado, Georgia, Massachusetts, Minnesota, Oklahoma, Tennessee, Texas, Vermont und Virginia gewählt wird.

Montag, 15. Februar 2016

Zusammenprall im vollklimatisierten Studio - Analyse der Republikaner-Debatte in South Carolina

Vergangen Samstag fand in Charleston, South Carolina, die jüngste Debatte der Republicans statt. Die Vorwahlen in Iowa und New Hampshire hatten das Feld der Kandidaten deutlich ausgedünnt, so dass nur noch sechs Kandidaten im Rennen verbleiben: Trump, Cruz, Rubio, Bush, Kasich und Carson. Bei letzterem fragte man sich praktisch die ganze Zeit, was er eigentlich noch auf der Bühne macht. Seine Umfragewerte rauschen immer weiter in den Keller, und seine Antworten auf die Fragen die Moderatoren waren bestenfalls inkohärent und häufig einfach nur lachhaft. Die verbliebenen fünf aber haben alle noch realistische (wenngleich verschieden wahrscheinliche) Aussicht darauf, die Nominierung zu ergattern. In der South-Carolina-Debatte spielten sie daher mit hohem Einsatz, denn die primary am 27. Februar dürfte eine weitere entscheidende Wassermarke darstellen - wie im Übrigen auch bei den Democrats.

South Carolina ist, im Gegensatz zu Iowa und New Hampshire, ein deutlich stärker diversifizierter Staat mit verschiedenen regionalen Schwerpunkten und Interessengruppen. Hier hat das Partei-Establishment deutlich mehr Einfluss, und die vielen Militäreinrichtungen machen die Außenpolitik zu einem wichtigen Politikfeld für die eher traditionell-konservativen Militärs. Der Staat ist damit eine traditionelle Hochburg der Bushs, und Jeb! hat seine Hoffnungen auf ein Comeback im Palmetto State. Und all das hat eine Bedeutung für die Debatte, denn das Establishment setzt seine Hoffnungen auf Bush und Rubio (ohne bisher eine klare Präferenz auszugeben). Da die Debatte vom RNC organisiert wurde und dieses auch für die Verteilung der Eintrittskarten zuständig war, war das Publikum deutlich Pro-Bush/Rubio und seeeeeeehr Anti-Trump. "Aber warum ist das interessant?", höre ich jemanden fragen. "Das ist eine Debatte. Wen interessiert da das Publikum?" Nun, South Carolina ist noch auf eine weitere Art anders als Iowa und New Hampshire.

South Carolina hat einen Ruf, zumindest bei den Republicans, für äußerst schmutzige Wahlkampftricks und extrem aggressives Auftreten. Nur ein Beispiel: in den primaries 2000 machte George W. Bush (beziehungsweise sein Wahlkampfmanager Karl Rove) Werbung gegen seinen damaligen Konkurrenten John McCain, indem er die Behauptung in die Welt setzte, McCain habe ein uneheliches schwarzes Kind. Das war eine Lüge - die McCains hatten ein Kind aus Bangladesch adoptiert, das eine recht dunkle Haut hatte - und McCain wurde in der Folge mit Hasspost und -anrufen überschüttet, ob er sich nicht "wegen der Hautfarbe seines Kindes schäme". Man kann nicht gerade behaupten, dass die Basis der Partei sich seit 2000 besonders gemäßigt hätte. Entsprechend lautstark bedachte sie Wortmeldungen von Rubio und Bush mit Applaus, während Trump konstant ausgebuht wurde. Der reagierte voll in Form und beleidigte das Publikum ("Jeb's special interest lobbyists").

Das war nur der sichtbarste Ausdruck eines hingeworfenen Fehdehandschuhs. Sah es vor Tagen und Wochen noch so aus als ob das Establishment sich zähneknirschend mit Trump oder Cruz abgefunden hatte, so zeigte es in South Carolina die Zähne. Und es war nicht gerade so, als ob Trump einen Kampf auslassen würde. Kein Bully, der herausgefordert wird, kann sich die Gelegenheit entgehen lassen. Und so ließ er schnell die Bombe in die Debatte platzen. Als er seine bereits erprobte Linie wiederholte, dass der Irakkrieg ein teurer Fehler gewesen sei und dass die 5 Trilliarden Dollar besser in Infrastruktur investiert gewesen wären, buhte ihn das Publikum lautstark aus. Jeb Bush, zum ersten Mal sicher und aggressiv, attackierte Bush sofort, attestiert von Rubio, und bezichtigte ihn effektiv der Ketzerei: wie könne er es wagen, Präsident George W. Bush anzugreifen? Und überhaupt irgendwelche Bushs? Sein Vater sei "der größte Mann, den ich kenne" und seine Mutter "die stärkste Frau, die ich kenne", was Trump nur zu dem abfälligen Kommentar hinriss, "sie sollte kandidieren".

Dann aber ging er in die Offensive. Der Irakkrieg war ein Fehler, ein Riesenfehler, und George W. Bush log über die Massenvernichtungswaffen und betrog die amerikanische Öffentlichkeit. An dieser Stelle musste Trump über die Buhrufe im Publikum bereits hinwegschreien. Die Kommentare überschlugen sich. War Trump entgültig zu weit gegangen? Ausgerechnet in South Carolina George W. Bush einen Lügner zu nennen und den Irakkrieg zu verdammen, das war Häresie. Der Austausch mit Bush und Rubio ging noch eine Weile weiter, und während der Abend voranschritt glich der Ton der Debatte immer mehr einer Schlammschlacht. Abwechselnd bezichtigten sich Cruz, Trump, Bush und Rubio gegenseitig der Lüge, der größten Lüge, der allergrößten Lüge, überschrieen sich und attackierten ihren Charakter. Jeder Zehnjährige müsste für dieses Niveau im amerikanischen Schulsystem mit Schulausschluss rechnen, kommentierte danach jemand auf Twitter.

Und wie so oft in den letzten sechs Monaten widersetzte sich Trump allen Gesetzen der politischen Gravitation. Seine Umfragewerte - vor der Debatte mit 35% rund 20 Prozentpunkte vor dem Nächstplatzierten - blieben stabil, stiegen in manchen Umfragen sogar auf knapp über 40%. Die Debatte in South Carolina zeigt damit den Riss, der durch die republikanische Partei geht, schmerzhaft deutlich auf. Die Positionen des Partei-Establishments - Pro Immigration, Pro Wallstreet, Neokonservativ - werden von einem gewaltigen Teil der Basis zurückgewiesen. Genauso wie Bernie Sanders bei den Democrats zeigt der Wahlkampf die Konfliktlinien in grellem Licht. Dazu passt auch, dass inzwischen viele evangelikale Gruppen endorsements für den (vorsichtig ausgedrückt) nicht als überzeugtesten Christen bekannten Trump aussprechen.

Auch abseits des Stils und den gegenseitigen Kriegserklärungen Trumps und Bush/Rubios war die Debatte mehr als skurril. Carson antwortete auf jede Frage derart ausschweifend und langsam, dass er offensichtlich einfach nur auf Zeit spielte (die Kandidaten haben 90 Sekunden für eine Antwort) und ansonsten penetrant auf seine Webseite verweis, auf der man seine Positionen finden könne. Na dann. Kasich plädierte permanent für einen zivilen Umgang miteinander und eine Diskussion über echte Themen und wurde von den anderen Kandidaten und Moderatoren mehr oder weniger ignoriert. Einer der Höhepunkte des Irrsinns war erreicht, als Trump im vollen Angriffsmodus schrie, dass Bush während 9/11 Präsident gewesen sei und damit ja schon irgendwie die Verantwortung trage, was bei den Republicans ja inzwischen als irre Verschwörungstheorie gilt. Marco Rubio jedenfalls antwortete in gleicher Lautstärke, dass 9/11 nur passiert sei, weil Bill Clinton bin Laden nicht getötet habe, während Bush hilfreich beisteuerte, dass er jeden Tag zum Herrn bete, dass sein Bruder und nicht Al Gore 2001 Präsident gewesen sei. Generell präsentierten die Kandidaten (mit Ausnahme Kasichs) ein Bild von sich und der Partei, das auf unbeteiligte Beobachter eigentlich nur abschreckend wirken kann.

Nur wird das wahrscheinlich wenig Einfluss haben. Die Republicans werden im November wählen, wen auch immer die Partei aufstellt, und bei den Democrats wird es wohl dasselbe sein. Die Frage ist nur, wie viele Parteigänger sich zur Wahlurne bequemen oder aus Frust zuhause bleiben. Die Chance, dass jemand aus Abneigung gegenüber Trump,Cruz, Bush oder Rubio stattdessen Clinton oder Sanders wählt (und umgekehrt) ist verschwindend gering, weil die Zahl der Wechselwähler und Unabhängigen seit 2000 massiv gesunken ist. Das Land ist polarisiert wie selten zuvor. Wer heute noch nicht weiß, welche Partei er im November wählen soll (wohlgemerkt nicht: welchen Kandidaten bei den primaries), der verfolgt in den allermeisten Fällen die Berichterstattung nicht. Diese so genannten low-information-voters treffen ihre Wahlentscheidung äußerst kurzfristig vor der Wahl, meist als Impulsentscheidung, und sicher nicht wegen einer hässlichen Debatte im Februar.

Deshalb wird die Debatte in South Carolina ein weiteres Ereignis bleiben, das auf die high-information-voters beschränkt bleibt - und die wissen zu 99% ohnehin schon, wen sie wählen werden. Sie werden sich wahrscheinlich in ihren bisherigen Ansichten bestätigt fühlen, ob das nun ist, dass Trump kein echter Republican ist, dass die Republicans allesamt Spinner sind, dass man nur Ted Cruz vertrauen kann, dass Rubio ein Roboter ist, dass Bush die einzige Rettung der Partei oder einfach nur low-energy oder dass Kasich die einzig Vernünftige in der Debatte ist. Die nächste Station sind die Vorwahlen in South Carolina, und diese Debatte hat nichts dazu beigetragen, die Entscheidung für die Republicans deutlicher zu machen. Stattdessen wurden innerparteiliche Gräben vertieft und die Gefahr eines Sieges der Democrats erhöht. Für die Partei war es ein einziges Desaster.  

Freitag, 5. Februar 2016

On the road to New Hampshire

Die primary in New Hampshire am 9. Februar rückt näher. Für uns ist das ein Grund, uns etwas näher mit den aktuellen Umfragewerten und einigen Trends und Prognosen zu beschäftigen. Das Ergebnis von Iowa hat die Dynamik des Wahlkampf deutlich beeinflusst, auf beiden Seiten. Unter diesen tagesaktuellen Ereignissen aber liegen einige Langzeittrends. Beginnen wir zuerst mit den aktuellen Umfragewerten (erhoben von WBUR zwischen dem 2. und 4. Februar): Bernie Sanders erhält demnach aktuell rund 51% der Stimmen, Clinton 38%. Zum Zeitpunkt der Umfrage wurde auch Martin O'Malley abgefragt, der auf 0% kam. Im Oktober führte Clinton noch knapp vor Sanders mit 35% zu 32%, während im September Sanders mit 32% vor Clinton mit 29% lag. Daraus lässt sich zweierlei erkennen: Zum einen ist das große Sanders-Momentum ein Phänomen des Januars, wie das auch zahlreiche Publikationen bestätigt haben, ohne dass sich bisher eine einleuchtende Erklärung dafür gefunden hätte. Was genau zwischen Weihnachten und Neujahr geschehen ist, das Sanders so nach vorne katapultiert hat, bleibt bisher nebulös. Zum anderen zeigt sich darin der Vorteil von Sanders geographischer Nähe: Vermont ist der Nachbarstaat zu New Hampshire, und beide ticken sehr ähnlich (die Wählerschaft der Democrats in New Hampshire ist zu 93% weiß; in Vermont ist die Lage ähnlich). Je näher die primary rückt, umso prononcierter wird diese Eigenschaft. Die Niederlage in New Hampshire ist für Clinton bereits eingepreist; die einzige Frage ist, wie hoch sie ausfallen wird.

Spannend ist allerdings, wie sich in New Hampshire die Zustimmungswerte verändert haben: sowohl Bernie Sanders als auch Hillary Clinton machten in den letzten Monaten dieselbe Bewegung durch: die unentschiedenen Wähler reduzierten sich von 17% auf 5% (Sanders) beziehungsweise 13% auf 7% (Clinton). In beiden Fällen stiegen die Zufriedenheistswerte (favorables) von 64% auf 82% (Sanders) und 56% auf 68% (Clinton). Zwar führt Sanders hier deutlich, aber rund 70% favorables unter den Democrats sind für Clinton alles, aber kein Hindernis zur Nominierung. Zum Vergleich: Obamas favorables während des Wahlkampfs gegen McCain 2008 unter den Democrats schwankten zwischen 73% und 76% (für die frühen primaries habe ich leider keine Werte gefunden). Bemerkenswert ist aber auch die andere Seite der Medaille, nämlich die Wähler, die die Kandidaten ablehnen (unfavorables): während Obama während der gesamten Wahl mit Werten zwischen 20% und 25% zu kämpfen hatte, sanken die von Sanders von 17% im Oktober auf 12% im Februar, die von Clinton von 30% im September auf 24% im Februar.

Das ist umso bemerkenswerter, als dass das Bild auf der Seite der Republicans sich deutlich unterscheidet. Chris Christie konnte im gleichen Zeitraum seine favorables von 39% auf 46% steigern, während seine unfavorables von 31% auf 39% stiegen. Trump blieb in beiden Werten fast konstant in den mittleren 40er Werten, ebenso Jeb Bush. John Kasich verlor an favorables und legte um fast das Doppelte an unfavorables zu (von 45% auf 39% und von 21% auf 41%). Marco Rubio steigerte sich von 46% auf 50% und von 25% auf 34%, während Ted Cruz bei den favorables gleich blieb und bei den unfavorables von 32% auf 47% zulegte und damit noch vor Bush und Trump den unbeliebtesten Republican darstellt. Generell erreicht gerade keiner der republikanischen Bewerber auch nur annähernd die Zahlen von Sanders oder Clinton. Ich vermute, dass das vor allem zwei Gründe hat: einerseits sind es immer noch relativ viele Kandidaten, so dass die einzelnen weniger bekannt sind, und zum zweiten attackieren sich die Republicans auf das Schärfste, während die Auseinandersetzung zwischen Clinton und Sanders gerade erst begonnen hat. Ich würde daher in Zukunft davon ausgehen, dass die Werte der beiden Democrats sinken und die der verbleibenden Republicans sich bessern werden.

Die Zahlen unterstreichen aber erneut den neuen Frontrunner-Status von Rubio. Die Logik seiner Kandidatur, die wir hier erklärt haben, hat sich durchgesetzt. Die endorsements beginnen hereinzufließen - Rubio führt hier zum ersten Mal das Feld an (Erklärung siehe hier). Er hat eine Chance, in New Hampshire zweiter zu werden, der dritte Platz dürfte ihm kaum noch zu nehmen sein. Gleichzeitig trifft Cruz auf eine Mauer der Ablehnung (47% unfavorables, Trend deutlich steigend; im Dezember lagen sie nur bei 30%!), während Trump sich als reichlich undisziplinierter Wahlkämpfer entpuppt, dessen Tage sich langsam den Ende zu neigen scheinen. Zwar liegt er in New Hampshire immer noch vorn, aber er muss, genauso wie Sanders, den Staat deutlich gewinnen, wenn er nicht als Verlierer dastehen will - siegt er nicht mit zweistelligem Abstand, dürfte sein Momentum endgültig ins Stottern geraten. Seine enorme Schwäche in der Organisation (kein Zugang zu internen Umfragen, fast keine freiwilligen Helfer, seine eigene Absage einer Veranstaltung wegen Schnee) dürfe ihn weiter beeinträchtigen.

Clinton und alle nicht-Trump Republicans haben daher dasselbe Ziel: möglichst nah an den Frontrunner heranzukommen und diesem so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wenn Sanders unter 50% liegt, dürfte Clinton das für sich als Erfolg verbuchen können. Gleichzeitig entscheidet sich in New Hampshire, ob Rubio der Kandidat der Republicans wird. Es ist die letzte Chance für Kasich, Bush und Christie, einen starken Eindruck zu machen. Wenn sie nicht einen ordentlichen vierten Platz erzielen, sind sie raus. Für Carson ist New Hampshire vermutlich ohnehin Endstation.

Um einige Prognosen zu wagen: ich würde davon ausgehen, dass Rubio einen starken dritten, Cruz einen schwachen zweiten und Trump einen ersten Platz belegen wird, der so lala ist: nicht desaströs, aber auch nichts, um sich zu begeistern. Bei den Democrats wird Sanders gewinnen, aber er wird Clinton nicht völlig deklassieren. Wer bei den Republicans den vierten Platz belegt, ist schwer zu sagen, aber ich gehe davon aus, dass keiner nah genug an Rubio herankommt, um sich noch als Alternative zu präsentieren, was für Christie und Kasich den Todesstoß darstellen sollte. Bush kann noch auf seine Bastion South Carolina setzen und sich mit seiner gut gefüllten Kriegskasse weiterschleppen; diese Alternative haben Christie und Kasich nicht. Für Carson, Fiorina und den Rest des Kid's Table dürfte ebenfalls Schluss sein.

Dienstag, 2. Februar 2016

Der Caucus in Iowa – Analyse

Der Iowa caucus ist vorbei. Unter Journalisten ist es praktisch schon ein Klischee geworden zu sagen, dass in Iowa alles möglich und das Ergebnis kaum vorherzusagen ist. Während man bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl von einem margin of error von 3% ausgeht, ist dieser bei den Vorwahlen bei rund 8% - und in Iowa sogar noch größer¹. Das Ergebnis ist, natürlich, trotzdem eine Überraschung. Stand Dienstag morgen sieht es folgendermaßen aus:

Democrats               Republicans:
Clinton: 49,86%      Cruz: 27,65%
Sanders: 49,54%     Trump: 24,31%
O'Malley: 0,57%     Rubio: 23,09%
Alle anderen Ergebnisse sind für Iowa recht bedeutungslos. O'Malley hat die Konsequenzen gezogen und sich aus dem Wahlkampf zurückgezogen, der damit offiziell ein Duell zwischen Clinton und Sanders ist. Auf Seiten der Republicans dagegen gab es zwei große Überraschungen: Cruz gewann deutlich vor Trump, und Rubio wurde deutlich stärker Dritter als erwartet. Vor allem letzteres ist von enormer Bedeutung.


Wie bereits im Blog erklärt ist Iowa kaum repräsentativ für die USA. Cruz' Sieg kann daher leicht in dieselbe Kategorie fallen wie Huckabee 2008 oder Santorum 2012: ein rechtsevangelikaler, dem es gelingt, die weiß und evangelikal geprägte Basis der Republicans in Iowa für sich zu gewinnen, aber danach deutlich abfällt. Zumindest in New Hampshire und South Carolina sieht es für Cruz nicht gut aus, was die Republicans, für die sein Sieg ein Horrorszenario wäre, erfreuen dürfte. Die weniger gute Nachricht für das Establishment ist, dass sowohl in New Hampshire als auch in South Carolina Trump deutlich vorne liegt, der diese Nacht trotz deutlicher Führung in den Umfragen gegenüber Cruz verloren hat. Insgesamt aber ist das Ergenis Grund zur Freude: Trump und Cruz liegen beide in etwa gleich auf und dürften sich noch eine Weile um die radikalen Elemente der Basis streiten, während Rubio mit seinem unerwartet starken Abschneiden eine gute Chance hat, in New Hampshire ebenfalls Platz drei zu belegen. Das würde bedeuten, dass er die anderen Establishment-Kandidaten - Christie, Kasich, Bush - aus dem Rennen kegeln könnte, so dass sich die Unterstützung dieser Gruppe komplett auf Rubio konzentriert. Dieser müsste dann nur durchhalten, bis die repräsentativen Staaten mit den Vorwahlen an die Reihe kommen und als stärkster der drei derzeit führenden Kandidaten ins Ziel ziehen.

Soweit zumindest die Theorie. Aktuell ist noch sehr schwer abzusehen, ob sich für die Republicans aus Iowa ein Momentum entwickeln wird und wie. Trumps ganze Anziehungskraft besteht aus seiner Dominanz, aus dem Ruch des Sieges, den er nun in Iowa trotz vorteilhafter Umfragen nicht halten konnte. Cruz' Organisation erwies sich als überlegen. Insofern besteht eine Ähnlichkeit zu 2008, wo Obama gegenüber Clinton ebenfalls mit einer guten Organisation in Iowa punkten konnte. Nur hilft das wenig in New Hampshire und South Carolina, und in beiden Staaten führte Trump vor Iowa noch mit fast 40%. Selbst wenn er im Gefolge Iowas an Dampf verliert - er kann es sich (noch) leisten und ist noch bei weitem nicht aus dem Rennen. Falls Christie, Kasich und Bush nicht unerwartet stark abschneiden und den Wahlkampf wieder auf vier oder fünf Kandidaten ausweiten, dürfte das Trio Cruz-Trump-Rubio die Schlagzeilen bis Juni bestimmen - mit einer großen Wahrscheinlichkeit, dass der Endkampf Trump vs. Rubio lautet.

Bei den Democrats ist die Lage bei weitem nicht so eindeutig. Clinton und Sanders liegen praktisch gleichauf, so dicht sogar, dass in diversen Bezirken das Ergebnis per Münzwurf entschieden wurde. Paradoxerweise ist das für beide Kandidaten eine gute Nachricht. Clinton kann sich darauf berufen, um Haaresbreite gewonnen zu haben (ein sehr ähnliches Ergebnis war 2012 extrem hilfreich für Mitt Romney), während Sanders sich darauf berufen kann, die Erwartungen erfüllt und damit seine Kandidatur gefestigt zu haben. Da er, wenn nicht ein Wunder geschieht, New Hampshire nächste Woche deutlich gewinnen und South Carolina deutlich verlieren wird, steht zu erwarten, dass das Duell zwischen Clinton und Sanders uns noch eine ganze Weile erhalten bleibt.
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 ¹Nate Silver erklärt auf 538, warum.