Mittwoch, 31. Oktober 2012

Urheberrecht und Lifestyle

Von Stefan Sasse 

Euro-Krise. Afghanistan-Einsatz. Soziale Schere. Finanzkrise. Stürme. Rentenkrise. Zahllose große, wichtige Themen, allesamt von elementarer Bedeutung, und die Piraten kümmern sich um das Urheberrecht. "Habt ihr nichts Wichtigeres zu tun?" rauscht es aus dem Blätterwald. "Gebt euch ein Programm auf die großen Krisen der Zeit!" Ah, aber das Urheberrecht ist ein Thema, dessen Bedeutung weit über die technischen Fragen der Verteilung von Unternehmensgewinnen hinausgeht. Es ist ein sehr wichtiges Thema, nicht, weil es so elementar wäre, den GEMA-Verteilungsschlüssel zu diskutieren, sondern weil das Urheberrecht eine entscheidende Wegmarke für die junge Generation und ihren Lebensraum darstellt. Das Urheberrecht ist heute, was Tanzverbote an Feiertagen in den 1950er Jahren waren: ein Schlachtfeld von Lebensentwürfen und Lifestyles, in dem keine Seite mehr die andere versteht. Auch die früheren Tanzverbote waren geltendes Recht, das lange Zeit einen Lebensstil der Mehrheit beschützt und reglementiert hatte, bis die damals junge Generation sich um solche Konventionen nicht mehr scherte. Entsprechend aus der Zeit gefallen wirkten Polizeieinsätze gegen Tanzparties am Ostertag. Heute ist es dasselbe - warum das Teilen eines Bilds auf Facebook ein Problem sein soll, erschließt sich überhaupt nicht. Nur, das Gesetz definiert es als Problem. Und wie damals gibt es Hüter des Status quo, die es sich zunutze machen, weil sie davon profitieren. 

Dienstag, 30. Oktober 2012

Wenn Helden den Mund aufmachen

Von Stefan Sasse

Der Felix Baumgartner hat den Rekord für den höchsten Sprung gebrochen. Aus der Stratosphäre ist er gesprungen, hat die Schallmauer durchbrochen, powered by Red Bull. Man konnte dem Wirbel um diese Tat kaum entgehen, und wie bei Wirbel so üblich wurde mit Superlativen herumgeworfen. Ob Baumgartner ein Held sei ist eine Frage, die schnell im Raum stand, und ob er als Vorbild tauge. Ich persönlich bin bei diesen Rekordbrechern nie ganz sicher wo der Mut aufhört und der Wahnsinn beginnt, aber das soll jeder für sich selbst ausmachen. Die Frage, ob Baumgartner als Vorbild taugt, hat er uns freundlicherweise selbst beantwortet. In einem Interview mit der österreichischen "Kleinen Zeitung" plädierte er für die Einführung einer "gemäßigten Diktatur" und erklärte offen, ein Steuerflüchtling zu sein. Das Interview ist gerade mal vier Fragen lang, und keine geht auf die andere ein, was angesichts der Antworten auf seine ersten beiden Fragen ziemlich schade ist.
Ist ein Wechsel in die Politik eine Option für Ihre Zukunft?
FELIX BAUMGARTNER: Nein, man hat das am Beispiel Schwarzenegger gesehen: Du kannst in einer Demokratie nichts bewegen. Wir würden eine gemäßigte Diktatur brauchen, wo es ein paar Leute aus der Privatwirtschaft gibt, sie [sic!] sich wirklich auskennen.
Warum haben Sie Wohnort in die Schweiz verlegt?
BAUMGARTNER: Das hat steuerliche Gründe. Weil es in Österreich schwierig ist. Man hat keine Sicherheit, was die Steuern betrifft. In der Schweiz hat man die Möglichkeit, sich mit dem Finanzminister zu einigen. Da muss man Unterlagen auf den Tisch legen und weiß, woran man ist. In Österreich ist es das nicht, da gibt es immer wieder Finanzbeamte, die meinen, das, was ich mache, ist kein Sport.

Regierungsmitglieder blockieren Cannabis-Legalisierung in Frankreich

Von Luis Costa

Disclaimer: Dieser Artikel stammt nicht vom Autorenteam des Oeffinger Freidenker.

Bislang waren es vor allem Mitglieder der sozialistischen Regierungspartei in Frankreich, die die Gesetzesentwürfe zur Cannabislegalisierung vorangetrieben und unterstützt haben. Nun hat die Regierung allerdings diesen Willen zum Fortschritt zurückgewiesen, indem alle Anträge blockiert wurden. Staatschef Francois Hollande hat höchstpersönlich schon vor einigen Monaten die Diskussionen rund um die Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis abgebrochen, um die konservative Opposition nicht noch lauter werden zu lassen.

Montag, 29. Oktober 2012

Annette Schavan und der Plagiatsvorwurf

Von Stefan Sasse

Als der Plagiatsvorwurf gegen Schavan erhoben wurde, war meine erste Reaktion Ungläubigkeit. Sie war diejenige gewesen, die äußerst scharf gegen Guttenberg geschossen hatte. War das alles Chuzpe, ein gigantischer Bluff, der jetzt auffliegt? - Ich kenne Schavan schon aus ihrer langen Zeit als Kultusministerin hier in Baden-Württemberg und bin sicher kein Fan ihrer Politik. Aber eine Abschreiberin schien sie mir eigentlich nicht zu sein. Klar, ohne persönliche Bekanntschaft ist so etwas immer schwer zu sagen, aber es gibt Leute, bei denen man sofort glaubt, dass es der Fall ist - Guttenberg, Koch-Mehrin und Pröfrock, nur um einige zu nennen - während es bei anderen eher unglaubwürdig erscheint. Als würde man Steinmeier vorwerfen, Steuern hinterzogen zu haben. Das kann der gar nicht, das erfordert mehr Nonkonformismus, als er aufbringen kann. Das Gleiche ist es bei Schavan. 

Freitag, 26. Oktober 2012

Brüderle möchte Giralgeld nach Hause holen

FDP-Fraktionschef empfiehlt, immer wieder nachzuzählen   

Berlin. FDP-Fraktionschef Brüderle plädiert dafür, den Wert des auf ausländischen Konten lagernden Giralgelds nachzuprüfen. "Ich bin dafür, dass wir immer wieder nachzählen", erklärte Brüderle auf Anfrage des Oeffinger Freidenker. Entgegen populären Annahmen existiere nicht zwangsläufig ein in bar gehaltener Gegenwert für das Geld, das die Deutschen in Schatzbriefen, auf Konten oder auf Sparbüchern halten. Stattdessen erklärte die FDP, dass das Geld, das die Deutschen größtenteils auf von Finanzinstituten angebotenen Plattformen halten, nicht so sicher wie der bewährte Sparstrumpf ist. Hintergrund ist der generelle Mangel an Wissen zu wirtschaftlichen Zusammenhängen, der sich laut Experten bis in den Bundesrechnungshof zieht. 

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Wider die Politikerverachtung

Von Stefan Sasse

Mit schöner Regelmäßigkeit kann man davon ausgehen, dass irgendjemand das Thema anschneidet, das Zustimmung aus allen Richtungen quasi garantiert: wie schlecht, böse, inkompetent, faul und überbezahlt Politiker doch sind. Auf keinen Fall fehlen darf der Verweis darauf, dass sie Diäten selbst festlegen. Unbedingt verwiesen werden muss auf die Alterssicherung, die ihnen garantiert wird, wenn sie lange genug im Parlament saßen. Geradezu Pflicht der Verweis auf die Kostenpauschalen, die sie erhalten. Bezahlt wird das alles von "unseren Steuern". Abgerundet wird mit der Bestandsaufnahme, dass nicht immer alle Politiker im Plenarsaal anwesend sind. Wer es gerne substantieller hat, verweist auf den hohen Anteil von Akademikern und Lehrern und erklärt, dass die Politik keinen Bezug zum "wirklichen" Leben hat, abgehoben ist und ohnehin nichts von der Sache versteht. Wenn dazu die Forderung kommt, das Wahlrecht zu ändern und sich eine generelle Parteienverachtung Bahn bricht, ist der gesamte Cocktail beisammen. Man kann noch nachschauen, ob Hans Herbert von Arnim den fraglichen Artikel geschrieben hat, aber das ist zu diesem Zeitpunkt schon Makulatur, denn der Mann sagt zwar seit 30 Jahren das Gleiche und wird immer noch zitiert, aber die beschriebene Politikerverachtung findet sich ja bereits viel früher und geht so weit zurück wie es Politiker gibt. Ich will an dieser Stelle gar nicht so sehr darauf eingehen, ob die Politikerverachtung die Demokratie schädigt (das tut sie) oder ob nicht manche Politiker diese Kritik mehr als verdient haben (das tun sie sicherlich). Mir geht es darum, die Pauschalität dieser Urteile zurückzuweisen.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Lehren aus Stuttgart

Von Stefan Sasse

Fritz Kuhn ist neuer Oberbürgermeister von Stuttgart. Erstmals wird damit eine Landeshauptstadt von einem Grünen regiert. Für die Partei ist das sicher schön, mit etwas Glück ist es vorteilhaft für die Stuttgarter, aber warum sollte es den Rest der Republik interessieren? Tatsächlich zeigt die OB-Wahl in Stuttgart einige interessante Dinge auf. Der erste und offensichtlichste ist, dass die Grünen die SPD endgültig als Gegenpart zur CDU im Südwesten abgelöst haben. Die Sozialdemokratie, die nach der Implosion der BW-CDU für einen Moment hoffte, endlich aus dem 20%-Jammertal entkommen zu können, dürfte in Zukunft sogar noch bedeutungsloser werden. Der Süden ist nicht mehr so schwarz geprägt wie ehedem - aber die neue Farbe ist nicht rot, sondern grün. Das liegt natürlich zu guten Teilen an der konservativen Prägung der baden-württembergischen Grünen, die oftmals von der CDU nur schwer zu unterscheiden sind, was ihre Werteprägung anbelangt. Man muss es so brutal formulieren: in Baden-Württemberg sind die Grünen eine moderne Variante der CDU. Sie sind nicht so reaktionär, (noch) nicht so korrupt, weltoffen, ein bisschen ökologisch, aber nicht zuviel - alles Dinge, die dem schwäbischen Bürgertum durchaus entgegen kommen. Die Grünen haben es meisterlich verstanden, im Ländle das zu tun, was die SPD seit der Schröderzeit erfolglos versucht - sich als Kraft der Mitte zu präsentieren und doch irgendwie cool zu sein.

Montag, 22. Oktober 2012

Die deutsche Einheit, Teil 2


Von Stefan Sasse

Emblem "Schwerter zu Pflugscharen"
Die Proteste innerhalb der DDR benötigten wegen der Unterdrückung von Opposition durch die SED Schutzräume, innerhalb derer sie sich entfalten konnten. Ein Schutzraum war die evangelische Kirche, die zwar im durch die DDR verordneten Staats-Atheismus keine große Rolle spielte und deren Stellung stets prekär war, die aber auch nicht einfach angegriffen werden konnte – das internationale Ansehen der DDR war so schon schlecht genug, ohne einen Kulturkampf vom Zaun zu brechen, und die abzusehenden Propagandabilder von aufgelösten Gottesdiensten und misshandelten Pfarrern ließen die staatlichen Stellen vorsichtiger agieren als bei den meisten anderen Oppositionsgruppen. Dazu kam, dass der Protest auf einer breiten, nicht grundoppositionellen Stimmung genährt wurde: der Afghanistankrieg der Sowjetunion und die Verschärfung des Tonfalls in den 1980er Jahren, verbunden mit der Wiederaufrüstung (Stichwort NATO-Doppelbeschluss) hatten viele Menschen auch in der DDR mit Sorge um einen neuen Krieg zurückgelassen. Durch die Selbststilisierung in der Propaganda des Sozialismus als „Kraft des Friedens“, konträr zum kriegerischen „Imperialismus des Westens“, konnte die Friedensbewegung, die aus dieser Furcht resultierte, ebenfalls nur vorsichtig angegangen werden.

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Sonntag, 21. Oktober 2012

Drei Schlagzeilen

Von Stefan Sasse

Und alle befassen sich nur mit Personaldebatten, keine mit irgendwelchen Inhalten. *seufz*


Freitag, 19. Oktober 2012

Augstein und Blome zu den Piraten

Von Stefan Sasse



Interessantes Thema. Ich denke, das aktuelle Auf und Ab - von 2 auf 12 auf 4 - ist hauptsächlich ein Umfragenphänomen. Dazu aber bald mehr, genauso wie zu der Frage, ob sie links, liberal oder was anderes sind.

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Schlaglichter auf die Geschichte, Band 2

Von Stefan Sasse

Nachdem nun fast ein halbes Jahr vergangen ist, seit Schlaglichter auf die Geschichte das Licht der Welt erblickte, ist nun "Schlaglichter auf die Geschichte, Band 2" auf Amazon und Beam E-Books (in PDF, MOBI und EPUB) erhältlich.

„Schlaglichter auf die Geschichte“ ist ein Lesebuch zur Geschichte. Es bietet kurze Kapitel, die sich auf etwa zehn bis zwanzig Seiten mit einem spezifischen Thema auseinandersetzen und auf dem Stand der aktuellen Forschung allgemein verständlich darlegen. Das Spektrum dieser Artikel ist breit gewählt und reicht von der Antike über das Mittelalter in die Frühe Neuzeit und in unsere Gegenwart hinein. Schwerpunkte sind die Geschichte Deutschlands und der USA. Viele dieser historischen Themen werden dabei unter dem Fokus von bestimmten Problemen untersucht, die in der entsprechenden Epoche maßgebend waren.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Target 2 – Unsinn ohne Ende

Von Marc Schanz

Wir sind deutsch, wir müssen einfach über alles Buch führen. Wer hat was bezahlt? Wo ist der Beleg? Welche Rechnung ist noch offen? In geschäftlichen Beziehungen, in Mietangelegenheiten bei Mehrfamilienhäusern, in der in der Ehe, kurz: jede zwischenmenschliche Beziehung muss bei uns in geordneten Buchungsbahnen verlaufen. Eine Familie benötigt immer nur ein Konto, denn alle sind bereits per Geburt Buchhalter und ohne die stundenlangen Debatten über die korrekte Verbuchung der Zimmerpflanzenbewässerung gäbe es in deutschen Familien überhaupt keinen Gesprächsbedarf. Diese zwanghaft pedantische Denkweise saugen wir bereits mit der ebenfalls buchhalterisch exakt erfassten und rationierten Muttermilch auf.

Dienstag, 16. Oktober 2012

Cowboy im Wahlkampf

Lucky Luke Gesamtausgabe 26: 2007-2012Es gibt Dinge, die sollte man einfach in Frieden ruhen lassen, denn sie altern eigentlich gut. Das ist eine Erfahrung, die so mancher in der Midlife Crisis macht, wenn er versucht, noch einmal auf Party und Mädels zu machen. Uderzo, einer der Großmeister des französischen Comics, musste die Erfahrung machen, als er Asterix gegen außerirdische Invasoren antreten ließ, nur um zu zeigen, dass er Animés und Disney wirklich, wirklich nicht mag. Und nachdem bereits Asterix eine Reise in die Untiefen der platten Botschaften angetreten ist, nur um dem Ego-Trip seines Zeichners Befriedigung zu verschaffen, unternehmen die Nachfolger von Morris und Goscinny nun dasselbe für Lucky Luke.

Montag, 15. Oktober 2012

Zur Nobelpreisentscheidung für die EU

Von Stefan Sasse

In meinem Kurzbeitrag zur Nobelpreisentscheidung habe ich die Frage, ob die EU den Preis verdient hat, bereits mit "Ja" beantwortet. Ich will versuchen, hier einige Gründe dafür darzulegen, besonders für meinen Spruch "Sie bekommt ihn nicht für das, was sie tut, sondern das, was sie ist." Nun, was hat es damit auf sich? Ich denke es ist universeller Konsens, dass die EU nicht gerade eine treibende Kraft der aktiven Friedenspolitik ist. Ihre Versuche, Konflikte in ihrem unmittelbaren Nachbarschaftsraum zu entschärfen, waren entweder fruchtlos oder griffen auf die NATO-Strukturen zurück, um eine militärische Lösung herbeizuführen (Kosovo, Libyen). Dazu kommt, dass an den eigenen Außengrenzen eine aggressive Flüchtlingsabwehr betrieben wird, bei der es zu Hunderten von Todesopfern kommt, und der Umgang mit ankommenden Flüchtlingen nur eingeschränkt menschenrechtlichen Standards entspricht. All das sind richtige und schwere Einwände, denn sie treffen zu. Meine Interpretation der Preisvergabe ist aber, dass die EU den Preis nicht für das erhielt, was sie getan hat (analog etwa zu Willy Brandts Versöhnungspolitik mit dem Ostblock), sondern für das, was sie in ihrem eigentlichen Gründungszweck getan hat: Kriege innerhalb Europas zu verhindern. Dieses Ziel wurde, mit der Ausnahme des Balkans, in den letzten 70 Jahren erreicht und sollte keinesfalls kleingeredet werden. Es ist eine Ehrung wert, auch wenn der Zeitpunkt durch die Euro-Krise etwas merkwürdig scheinen mag. 

Freitag, 12. Oktober 2012

Vier Prozent

Von Christian Sickendieck

Beim neuesten Deutschlandtrend kommen die Piraten nur noch auf 4%, in der derzeitigen Verfassung ist es fraglich, ob sie im nächsten Jahr in den Bundestag einziehen. Wenn man nicht ganz schnell gegensteuert, bleibt man das One-Hit-Wonder des Sommers 2012.

Der Niedergang ist nicht nur ein Problem der Skandale und Shitstorms - auch wenn mittlerweile jeder Idiot aus Hintertupfing mit Piratenfahne auf Spiegel Online erscheint: insbesondere das Führungspersonal prägt das Bild der Piraten. Auch wenn es den Piraten nicht gefällt: Politik ist immer mit denen verbunden, die diese öffentlich vertreten.

Dabei stechen zwei Personen heraus: Johannes Ponader und Julia Schramm. Ponader mag privat ein netter Mensch sein, aber sein öffentliches Auftreten ist unterirdisch. Zudem pflegt er einen zweifelhaften Lebensstil. Direkt gesagt: Ein Klaus Ernst im Porsche, eine Sahra Wagenknecht beim Hummeressen treten glaubwürdiger für eine Reform des Sozialstaats ein, als es Ponader jemals könnte.

Donnerstag, 11. Oktober 2012

O'Reilly vs. Stewart The Rumble 2012

Von Stefan Sasse



Bill O'Reilly und Jon Stewart führen ihre eigene Debatte. Sehr unterhaltsam. Krass sind O'Reillys Ansichten zur Außenpolitik, die sind vollkommen lächerlich. Der Rest ist debattierbar, aber hier ist Bullshit Mountain wirklich die richtige Metapher.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Konservative Gesellschaftssteuerung und Umverteilung

Von Stefan Sasse

Wenn es etwas gibt, das in Sonntagsreden von Unions- oder FDP-Abgeordneten nicht fehlen darf, dann ist es die unbedingte Weigerung, Geld umzuverteilen um in die Gesellschaft einzugreifen. Gemünzt ist das Ganze natürlich, wie stets, auf Hartz-IV und die Arbeitslosen, die sich keinesfalls am falschen (will heißen: empfangenden) Ende der Umverteilungskette wiederfinden dürfen. Eine Umverteilung in die andere Richtung dagegen ist immer gut und setzt Wachstumskräfte frei, die dann wieder zurücktropfen und auf diese Art allen helfen. Dieses Wolkenkuckucksheim soll hier gar nicht weiter thematisiert werden. Denn interessant ist etwas anderes: die Bundesrepublik hat in den letzten anderthalb Dekaden gigantische Milliardenbeträge in den Ausbau des Sozialstaates gesteckt, mit der expliziten Absicht, massive gesellschaftliche Änderungen herbeizuführen und steuernd in den privaten Alltag der Menschen einzugreifen. Durchgeführt wurden diese Expansionen ausgerechnet, federführend zumindest, von der Union. Darin liegt vermutlich auch der Grund, dass wir diese Maßnahmen im Normalfall nicht als solche präsentiert bekommen (es sei denn in einem Rant von Jan Fleischhauer, der sich hier als relativ hellsichtig erweist). Die Rede ist natürlich von der Familienpolitik und hauptsächlich dem Elterngeld, dem jetzt auch noch flankierend das Betreuungsgeld zur Seite gestellt werden soll. 

Dienstag, 9. Oktober 2012

Eine schwäbische Milchmädchenrechnung ruiniert Europa

Von Marc Schanz

Ökonomie mochte ich noch nie. Über Wirtschaftsthemen zu diskutieren ist so unterhaltsam, wie im Altenheim an einer Diskussion über die aktuellen Trends der Volksmusik teil zu nehmen. Die Gesprächspartner beider Diskussionsrunden versprühen in etwa das gleiche Charisma. Doch seit dem Ausbruch der Krise hat sich das grundlegend gewandelt, die Ökonomie ist so richtig spannend geworden und ich befasse mich gerne mit ihr. Der Grund ist: es werden nirgends so schöne Märchen erzählt wie in der Ökonomie! Selbst Magie und Zauber sind in den schnöden Zahlenkolonnen zu finden und übertreffen bisweilen jedes Harry Potter Buch.
Die populärste Geschichte aus dieser märchenhaften Traumwelt lautet: die Austerität ist eine Wundermedizin, sie vermag nicht nur sämtliche Krisen zu beenden, sondern sie schafft Wachstum und wird uns - wenn wir uns ihr nur leidenschaftlich genug unterwerfen - von aller irdischer Pein erlösen!

Montag, 8. Oktober 2012

Offener Brief an Kerstin Schwenn (FAZ)

Von Jürgen Voß

Sehr geehrte Frau Schwenn,

wenn Sie in Ihrer Eigenschaft als stolze FAZ-Redakteurin danach gefragt würden, ob Ihre Zeitung, angeblich eine der wenigen deutschen Qualitätszeitungen, die Grundbedingungen differenzierter Berichterstattung und Kommentierung einzuhalten bereit und fähig wäre, würden Sie sicherlich fast beleidigt mit einem „Selbstverständlich!“ antworten.

Im Gegensatz dazu muss ich leider feststellen, dass Ihre Zeitung bei den wie in Wellen immer von neuem auftretenden Demografiediskussionen (die in Wirklichkeit gar keine sind, weil es sich um eine ideologische Schimäre handelt) immer noch im Sinne des neoliberalen Mainstreams argumentiert und kommentiert, vor allem wenn es um das leidige Thema „Rente“ geht.

Sie schreiben wörtlich: „Am Ende ist das die Quittung für eine Gesellschaft, deren Rentensystem aus den Fugen gerät, weil Kinder fehlen.“  Und weiter vorne heißt es in dem Artikel „Komplizierte Rentenformel“: „Das sinkende Rentenniveau ist der Preis dafür, dass wegen der niedrigen Geburtenrate immer weniger Beitragszahler in das Umlagesystem einzahlen“. Beide Sätze zeigen: Sie und Ihr Kollege bzw. Ihre Kollegin haben das Problem entweder gar nicht begriffen (was angesichts Ihrer Profession unverzeihlich wäre), oder aber Sie interpretieren die Zahlen im Sinne des neoliberalen Ansatzes Ihrer Zeitung vorsätzlich falsch (was menschlich vielleicht entschuldbar, gleichwohl ebenfalls fatal wäre).

Freitag, 5. Oktober 2012

Sieg für Romney

Von Stefan Sasse

Das erste TV-Duell zwischen Romney und Obama ist vorüber. Der Sieger ist überraschend klar: Mitt Romney. Für Obama war das Zusammentreffen nicht weniger als ein Desaster. Der Präsident war unfokussiert, gab sehr technische, defensive Antworten und schaute seinem Herausforderer nicht in die Augen. Es gelang ihm nicht, offensichtliche Unwahrheiten Romneys zu benennen und richtigzustellen, während Romney jede Schwäche Obamas nutzte. Es scheint, als ob es Obamas Strategie gewesen wäre, das 2008-Duell gegen McCain zu wiederholen und die "I agree with you"-Routine zu fahren um sich selbst als rationale Lösung darzustellen. Romney nahm ihm auch hier den Wind aus den Segeln und präsentierte sich und die Republikaner als die pragmatischen, an einer bipartisan solution interessierte Partei, während die Demokraten jede Zusammenarbeit verweigerten - eine geradezu lächerliche Anmaßung, die aber durch Romneys herausragende Performance verkauft wurde. Obama schaffte es nicht, irgendeine dieser Diskrepanzen klar aufzuzeigen und anzugreifen, ja, er versuchte es nicht einmal. Romney nahm ihn geradezu an der Hand.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Steinbrück – der „richtige“ Kandidat

Von Jürgen Voß

Meine (ehemalige) Partei, die gute alte Tante SPD, hat’s schon schwer. Nach der katastrophalsten Wahlniederlage seit 1945 hatte sie aus der La mäng ein Triumvirat von drei völlig ungeeigneten Kandidaten, da allesamt verantwortlich für das Desaster, aus der Taufe gehoben und war jetzt auf Gedeih und Verderb gezwungen, einen von diesen, aber damit auf jeden Fall den falschen, zum Kanzlerkandidaten zu küren. Sie hat sich für den eloquentesten, den scheinbar aggressivsten aber auch den am ehesten mit seiner neoliberalen Vergangenheit  (und Gegenwart) konfrontierbaren entschieden.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Die deutsche Einheit, Teil 1

Von Stefan Sasse

Als die DDR 1989 den 40. Jahrestag ihres Bestehens feierte, knirschte es bereits heftig im Gebälk. Der sowjetische Staatschef Gorbatschow, der anlässlich der Feiern in Berlin weilte, kündigte dem Land de facto die Gefolgschaft auf – und ohne die Unterstützung der Sowjetunion war die DDR in ihrer damaligen Form nicht zu halten, das musste allen klar sein, selbst Erich Honecker. Die frenetischen Reformversuche der SED nach Honeckers Entmachtung und dem Mauerfall zeigen, dass die Parteiführung das auch erkannt hatte – sie kam jedoch wesentlich zu spät und musste mit einer Konkursmasse arbeiten, die kaum mehr Handlungsspielraum bot. Dazu kam noch die erdrückende Umarmung aus dem Westen, denn auch wenn er rhetorisch noch etwas anderes behauptete, so hatte Bundeskanzler Helmut Kohl längst die Weichen auf die deutsche Einheit gestellt – nach Artikel 23GG, was ein substantielles Mitspracherecht der SED effektiv ausschloss. Im Folgenden sollen die Schritte, die zur deutschen Einheit führten, besprochen werden, ehe der Blick auf eine Bewertung dieser Vorgänge gerichtet werden kann.

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Dienstag, 2. Oktober 2012

Der Unfug vom Profilverlust

Von Stefan Sasse

Neben den Kanzlerkandidaten der SPD gibt es eigentlich nur einen Evergreen in den Medien, der einfach nicht totzukriegen ist: das ständige Gerede vom konservativen Profil, das die CDU angeblich verloren habe und das sie dringend brauche, um auch in Zukunft Wahlen zu gewinnen. Es ist beachtlich, wie resistent Merkel und die anderen CDU-Granden gegen (meistens) gegen diesen Unfug sind. Wer einen Beleg dafür braucht, dass Angela Merkel politisch ziemlich clever ist braucht nur darauf zu sehen, dass sie diese Aufrufe beharrlich ignoriert. Im Allgemeinen hört sich dieses Narrativ so an: In einem aktuellen Trend so genannten "Pragmatismus" habe die CDU ihre Positionen bis zur Unkenntlichkeit aufgegeben - Stichwörter Mindestlohn, Atomausstieg, Elterngeld - und dadurch ihr "konservatives Profil" verloren. Ominös wird dann darauf verwiesen, wie wichtig es doch wäre, dieses Profil zu haben, sonst käme bald das Desaster. Daran sind drei Dinge interessant. Erstens, dass die gleichen Medien ständig von der SPD fordern, ihr soziales Profil aufzugeben beziehungsweise sie dafür beglückwünschen, obwohl es offensichtlich nicht zu ihrem Vorteil war. Zweitens, dass die CDU entgegen aller Unkenrufe eher dort verloren hat, wo sie das "konservative Profil" besonders betonte - Baden-Württemberg etwa oder Bayern. Und drittens, dass dieses "konservative Profil" überhaupt nicht konservativ ist. 

Montag, 1. Oktober 2012

Ein Blick aufs Wesentliche, bitte

Von Stefan Sasse

Seit Peer Steinbrück Kanzlerkandidat der SPD ist, häufen sich Berichte über Unsauberkeiten aus seiner Vergangenheit. Die bekannte Geschichte seiner Nebeneinkommensmillion mit Vorträgen und Interviews gehört dazu, sein Spendenaufruf für ein Schachturnier ist ein weiteres. Und er ist nicht der Einzige; noch immer fasziniert Wulff so sehr, dass sein Spendenaufruf für ein irgendetwas nicht originär bundespräsidentiales (schon wieder vergessen was) es in die Spalten der Nachrichten schafft. Nun ist Korruption von Amtsträgern in einem Land, das sich immer noch beharrlich weigert ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung einzuführen oder die UNO-Konvention gegen Korruption zu unterschreiben nicht gerade auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber bitte, können wir vielleicht nicht übertreiben? Es gibt Korruption, die ein Problem ist, und es gibt kleine Vorteilnahmen, die einfach normal sind und auch keinen Schaden ausüben. Sich mit letzteren zu beschäftigen ist groteske Zeitverschwendung und lenkt von wichtigen Dingen, besonders ersteren. Als Steinbrück noch ein Hinterbänkler war, gerade frisch aus der Bundesregierung geflogen, in der seine vornehmste Aufgabe das Verhindern einer ordentlichen Finanzregilierung war, machte er massiv Geld mit Vorträgen bei eben diesen Finanzdienstleistern. Das interessierte damals außer Lobbycontrol und der Blogosphäre kaum jemanden, obwohl die Frage, wer um Gottes Willen höhere fünfstellige Beträge für einen Vortrag von Peer Steinbrück ausgibt, durchaus im Raume hätte stehen können.