Sonntag, 13. Oktober 2013

Wir können uns 1700 Flüchtlinge leisten

Laut einem Bericht des Spiegel haben derzeit 250 von insgesamt 1700 Beschäftigten der Bundeswehr, des Auswärtigen Amts und des Innenministeriums eine so genannte "Gefährdung" angezeigt: sie erklärten damit, ihr Leben in Gefahr zu sehen, wenn die alliierten Truppen erst einmal aus Afghanistan abgezogen sind. Die positive Beantwortung dieser Anträge geht eher schleppend voran; in einem 24 Personen umfassenden, dem Verteidigungsressort zugehörigen Bereich etwa wurden bislang nur fünf Personen ein positiver Bescheid ausgestellt. Es steht zu befürchten, dass Deutschland (und andere ISAF Staaten) das Problem auf die lange Bank schieben bis es sich von selbst erledigt, weil die letzten Bundeswehrstiefel den Boden des Landes verlassen. Das ist eine Schande.

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Die maximal 1700 Afghanen, um die es geht, waren direkt von den deutschen Institutionen beschäftigt - zu einem guten Teil als Übersetzer, aber natürlich als Ortskundige, Fahrer u.ä. Man kann kaum ernsthaft damit rechnen, dass solche Leute keine Repressalien zu befürchten hätten, wenn erst einmal die Taliban wieder die Macht übernehmen (was nicht gerade ein unwahrscheinliches Szenario ist; und auch so werden alte Rechnungen sicherlich so beglichen). Wenn man sich vor Augen hält, welche grausamen Racheaktionen etwa in westeuropäischen Staaten an "Kollaborateuren" mit der Nazi-Besatzungsmacht verübt worden waren, braucht man sich bezüglich solcher Reaktionen in einem Land, das vor Eintreffen der ISAF-Truppen zu den grausamsten der Erde gehörte, keine Illusionen zu machen. Die schleppenden Aufnahmeprozesse sind daher ein Skandal. Klar schickt es das Signal einer Niederlage, wenn man dem aufgebauten afghanischen Staat nicht so weit vertraut, die eigenen Leute schützen zu können. But who are you kidding? Der verletzte Stolz eines sich ohnehin zurückziehenden Westens jedenfalls ist es kaum wert, dass diese Menschen sterben müssen. Es wäre ohnehin im Hinblick auf zukünftige Einsätze und die Notwendigkeit einer örtlichen Kollaboration kurz gedacht, die bisherigen Mitarbeiter nun vor den Zug zu werfen. Aber der Hauptgrund ist definitiv moralischer Natur. Davon abgesehen: die Zahl von maximal 1700 Afghanen ist lächerlich gering. Wenn nicht noch mehr von ihnen Anträge stellen, wären es sogar nur 250. Vor dem Hintergrund der bisherigen horrenden Kosten des Afghanistaneinsatzes könnten wir diesen Leuten eine Villa hinstellen und eine Staatssekretärspension für den Rest ihres Lebens zahlen, ohne dass das in einer Aufstellung aller Kriegskosten überhaupt spürbar wäre. Deutschland sollte sich seiner Verantwortung gegenüber seinen Verbündeten bekennen und sie aus Afghanistan herausholen, wenn sie das wünschen. Das sind wir ihnen schuldig.

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