Donnerstag, 4. Januar 2018

Ein Schwarzes Loch wie ein Sieb

Seit fast einem Jahr läuft nun bereits die Untersuchung des special prosecutor Robert Mueller wegen des Verdachts auf russische Einflussnahme auf den US-Wahlkampf. Zahllose spekulative Artikel sind seitdem erschienen, sagen Reaktionen der Republicans und Trumps auf angenommene Ergebnisse voraus. Ich habe hier auf Deliberation Daily bisher praktisch nichts zu dieser Untersuchung geschrieben und habe das auch in Zukunft nicht vor. Der Grund dafür ist recht simpel: es ist für Außenstehende unmöglich, irgendetwas Belastbares zu der Thematik zu finden. Ich lese auch praktisch keine Artikel darüber, denn das gilt nicht nur für mich. Kaum ein Thema ist so voller parteiischer Nebelkerzen wie diese Untersuchung. Sie steht stellvertretend für eine Problematik, vor die die uns in dieser Zeit das Weiße Haus stellt: es ist ein schwarzes Loch, das leakt wie ein Sieb.

Das ist ein Paradoxon. Wie kann eine Operation ein schwarzes Loch sein, aus dem nichts nach außen dringt, und gleichzeitig löchrig wie ein Sieb voll geschwätziger Angestellter? Wenn es Leaks aus dem Weißen Haus Obamas gab, waren diese ziemlich ernst zu nehmen. Sie waren auch selten, deswegen konnte sich die Presse stets voll darauf konzentrieren. Über das innere Arbeiten seiner Regierung war wenig bekannt, weil der Laden im Allgemeinen gut funktionierte, aber wenn das einmal nicht galt, konnte man Einblicke in das Obama-Räderwerk bekommen.

Trumps Regierung dagegen leakt permanent. Hochrangige und niedrigrangige Angestellte stechen Informationen an die Presse durch. Kongressabgeordnete geben praktisch alle Informationen aus der Regierung direkt an Kollegen oder die Presse weiter. Die rekordhohe Fluktuation tut ihr Übriges. Dazu kommen "Insider"-Informationen der stets wachsenden Schar an gefeuerten Beratern und Regierungsprechern, die ihre eigene Post-Trump-Agenda verfolgen.

Diese ungeheure Flut an Informationen muss jeden Beobachter zermürben. Wenn ein Redakteur das Leak von Montag nachrecherchieren und in eine ordentliche Geschichte packen will, sind Freitag bereits drei weitere bekannt geworden, und niemand interessiert sich mehr für das Leak von Montag. Die gleiche Mechanik wurde Hillary Clinton auch im Wahlkampf zum Verhängnis. Nichts bleibt an Trump kleben, weil die pure Menge an Dreck jede Nuance erstickt.

Dazu kommt, dass in einem Weißen Haus, das dermaßen mit korrupten Günstlingen, inkompetenten Sykophanten, Amateuren und ideologischen Fanatikern vollgestopft ist wie das von Trump, praktisch jede Geschichte eine grundsätzliche Glaubwürdigkeit besitzt. Ein Trump-Wahlkampfmanager gibt betrunken in einer Bar zu, mit den Russen kolaboriert zu haben? Warum nicht? Trumps Schwiegersohn hat Hinterkanäle über Reigerungsorganisationen geöffnet, die sämtliche solchen Vorgänge speichern und überpüfen und ging davon aus, das bleibt geheim? Kein Zweifel. Der Chefredakteur eines rechtsextremen Schmierblatts ist bei wichtigen Telefonkonferenzen mit Wladimir Putin dabei? Durchaus möglich. Solchen Blödsinn hätte man nicht einmal von George W. Bush geglaubt, und "Dubbya" hat die Latte von dummen Entscheidungen im Oval Office wahrlich nicht hoch gehängt.

Aus dem Weißen Haus kommen daher unendlich viele Informationen - das ist das Sieb - ohne dass man deswegen mehr Klarheit in die Vorgänge, die hinter seinen Mauern stattfinden, hätte - das ist das Schwarze Loch. Dieses Paradox ist bisher unzureichend verstanden und stellt den Journalismus vor gigantische Probleme.

Denn auf der einen Seite kann es sich niemand leisten, den größten Klickgenerator unserer Zeit zu ignorieren (was auch zu der inflationären Berichterstattung über seine Tweets führt), und auf der anderen Seite sorgt diese nie endende Berichterstattung mit stets neuen Ereignissen dafür, dass alles zu einem monotonen Gleichklang der Albernheiten wird, in dem es unmöglich ist, Wichtiges von Trivialem zu trennen. Denn noch ein Problem stellt sich Journalisten: sie können Trump und seine Bullshit-Welle auch nicht einfach ignorieren, denn immer wieder sind legitim wichtige Dinge darunter (Obamacare-Repeal, Eskalation mit Nordkorea, Steuerkürzungen, nur als Beispiele). Und häufig sieht man erst im Nachhinein, was davon wichtig ist.

Ich habe daher für mich beschlossen, mich so weit wie möglich zu distanzieren. Ich bin auch kein Journalist, deswegen ist es für mich billig, aus diesem Dilemma auszubrechen. Ich folge Trump auf Twitter nicht mehr und versuche so weit wie möglich seine Tweets und Eskapaden zu ignorieren (nicht, dass das immer gelingen würde). Ich habe die Hoffnung, dass dies den Blick für die wichtigen Themen geöffnet hält, aber die Natur des Schwarzen-Loch-Siebs macht es unmöglich, das sagen zu können.

Das Gleiche gilt auch für die Untersuchung Robert Muellers. Mueller ist ein Profi, und aus seinem Team dringt überhaupt nichts nach draußen. Bisher gab es kein einziges Leak. Da ich nicht hauptberuflich hinterher bin, mich voll in die Russland-Verschwörung einzuarbeiten (und das auch nicht vorhabe), ist es mir unmöglich, irgendetwas der Neuigkeiten, die aus den Ermittlungen über Umwege nach draußen dringen, einzuordnen. Ich halte mich daher mit Aussagen dazu so weit irgendmöglich zurück, bis Mueller selbst an die Öffentlichkeit geht.

Das alles nur als Erklärung, falls irgendjemand sich wundert warum zu diesen Themen praktisch nichts im Blog vorkommt.

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