Montag, 23. Dezember 2019

Arbeiter gehen in den öffentlichen Dienst um Villen per Post an den Klimawandel zu schicken - Vermischtes 23.12.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Abschied von einem verpeilten Jahrzehnt
Beispiel Staat überhaupt: Im öffentlichen Dienst sind zwar ebenfalls allmählich wieder mehr Stellen geschaffen worden. Nur arbeiten beim Staat nach wie vor weniger Menschen als 2000, während die Wirtschaft seitdem kaum gewachsen ist und alles in allem in Deutschland heute gut zehn Prozent mehr Leute arbeiten als noch 2010. Und eben auch deutlich mehr Menschen überhaupt im Land leben. Da kümmern sich heute also weniger Beamte um deutlich mehr Bürger. Und weniger Bauarbeiter oder Handwerker um mehr Leute, die gern etwas gebaut oder repariert haben wollen. Ganz nebenbei: Im Handwerk werden heute fast fünf Prozent weniger junge Leute ausgebildet als 2013. [...] Gemessen an dem, was vor Beginn der jetzt endenden Dekade erwartet wurde, dürften in zehn Jahren, also anno 2030, fast sechs Millionen mehr Menschen in Deutschland leben: Immer noch rund 83 statt der damals veranschlagten 77,4 Millionen. Da ist es jetzt höchste Zeit, sich vom Sparbrötchendogma zu verabschieden und in Deutschland so viel zu investieren, wie es der realen Entwicklung der vergangenen zehn Jahre angemessen ist. Da kann man schon mal die eine oder andere Bahnstrecke, Schule, Uni oder Gesundheitsanstalt noch zusätzlich bauen. (Thomas Fricke, SpiegelOnline)
Es ist auffällig, dass dies nicht nur ein Beispiel staatlicher Fehlplanung ist. Auch die Wirtschaft hat sich hier offensichtlich verkalkuliert. Das ist wenig verwunderlich; niemand konnte schließlich 2010 damit rechnen, dass die Bevölkerung derart zunehmen würde. Gleichzeitig stellt das natürlich etwas in Frage, wie planbar solche Entwicklungen überhaupt sind. Ich würde da gerne das große Fass aufmachen. Denn was ist denn, für Unternehmen oder Behörde, die Alternative? Nicht planen geht ja schließlich auch nicht. Man kann sich nur auf die bestmöglichen Prognosen verlassen, die es zu dem Zeitpunkt gibt, und ansonsten die Produktzyklen aushalten. Das kann ziemlich unangenehm sein. Die deutschen Autobauer etwa leiden immer noch unter ihrer irregeleiteten Prognose, dass krasse Benzinschlucker das Nonplusultra bleiben und Investitionen in alternative Betriebsarten oder kleinere, weniger leistungsstarke Autos keine gute Idee sind. Ebenso leiden die Bundesländer unter der irregeleiteten Prognose, man werde nachhaltig weniger Kapazitäten brauchen. Im Falle des öffentlichen Dienstes ist das doppelt übel, weil der Raubbau bei den Kapazitäten sich nicht so einfach auffangen lässt wie in der Privatwirtschaft. Die kann im Zweifel leichter und schneller auf Leute zugreifen, die die entsprechenden Fähigkeiten haben oder nachqualifizieren können, während der Staat die langwierig selbst ausbilden muss. Daimler kann Autobauer von Tesla abwerben, wenn es sein muss, aber wo wirbt die Stadt Wuppertal im Zweifel einen Experten für Wasserwirtschaft an? Niemand außer dem Staat hat diese Fähigkeiten je nachgefragt, weswegen der Öffentliche Dienst ja im Guten wie im Schlechten sein eigenes Ding ist.

 2) Wie aus Anne Frank ein Kinderschreck gemacht wird
Das zeigt auch das jüngste Beispiel: Es geht dabei um die vom Gemeinderat beschlossene Umbenennung eines städtischen Kindergartens in "Anne-Frank-Kindergarten". Die AfD stimmte als einzige dagegen. In der Kolumne in der "Stadtzeitung" vom 4. Dezember brüstete sich Benner mit dem Fernbleiben bei der Feier zur Umbenennung. Seine Begründung: "Erstens hat der Name keinerlei Bezug zu Heilbronn. Zweitens werden ’unsere Sonnenscheine’ (Anm.: Damit sind wohl die Kindergartenkinder gemeint) schon im Vorschulalter mit den Tagebüchern einer vom Krieg betroffenen Frau konfrontiert." Anne Frank, das jüdische Mädchen, war keine "vom Krieg betroffene Frau", sondern ein mit ihrer Familie von den Nazis verfolgtes, ermordetes Kind, ein "Sonnenschein", ein Mädchen, das kurz vor Kriegsende im Alter von 14 Jahren im Lager Bergen-Belsen starb. [...] Zu was AfD-Kreise auch in Bezug auf Anne Frank fähig sind, hat sich unter anderem vor zwei Jahren gezeigt. Damals postete ein Bäckerei-Angestellter in Wetzlar in der geschlossenen Facebook-Gruppe "Die Patrioten" – in dieser fanden sich auch AfD-Mandatsträger – eine Fotomontage von Anne Frank auf einer Pizzaschachtel mit dem Text: "Die Ofenfrische, locker und knusprig zugleich". Er verlor den Job, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Der Beitrag erinnert auch daran, dass Michael Seher, ein anderer AfD-Stadtrat in Heilbronn, ungestraft auf gleicher geistiger und medialer Ebene den Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg benutzen durfte, um ein Attentat auf die Bundeskanzlerin nahezulegen. Bis heute hat sich die Fraktion der AfD im Heilbronner Gemeinderat davon nicht distanziert. (Brigitte Fritz-Kador, Rhein-Neckar-Zeitung)
Und mit dieser Partei wollen manche CDU-Landesverbände eine Koalition eingehen. Nicht auszudenken, wenn die je Zugriff auf ein Kultusministerium kriegen. Die AfD ist wesentlich zu revisionistisch, wenn es um die Nazi-Vergangenheit geht, und eine echte Gefahr auf diesem Feld. Furchtbarer Laden. Die Argumente sind auch so schrecklich vorgeschoben. Ich bin selbst auf eine Anne-Frank-Grundschule gegangen; das Trauma blieb mir erspart. Aber eigentlich tut man der AfD schon mit dieser kurzen Widerlegung Unrecht; ihr geht es darum, das Andenken an den Holocaust zu minimieren oder ganz abzuschaffen. Es sind halt widerliche Rechtsextremisten, die den Kurs der Partei bestimmen.

 3) Americans say they’re changing behaviors to help the environment – but is it making a difference?
One area where Americans have unquestionably reduced their environmental footprint is water use. About two-thirds (68%) say in our survey that they’ve reduced the amount of water they use for environmental reasons – and according to the U.S. Geological Survey, by and large they have. [...] However (by this point you probably were anticipating a “however”), most water isn’t used by individuals. In 2015, the thermoelectric-power industry used 132.9 billion gallons per day, or 41% of the nation’s entire water use, in the cooling systems of power plants. Irrigation consumed 118 billion gallons per day, or 37% of total use. By contrast, residential water use (from public supplies and private wells) was about 26.6 billion gallons per day in 2015, or roughly 8% of total use. (Drew Desilver, Pew Research Center)
Hier kommen wir zum Kern der Idee, dass individuelle Verhaltensänderungen viel für den Klimawandel tun. Dass das allein nicht funktioniert ist ja eine (durchaus berechtigte) Kritik, die etwa Stefan Pietsch hier nicht zu betonen müde wird. Aber die andere Seite der Medaille ist halt, dass die größten Klimasünder die Unternehmen sind, ob es um Verschmutzung, Verbrauch wertvoller Ressourcen oder eben Emissionen geht. Jede Klimapolitik, die daher nicht mit harscher Regulierung an der Privatwirtschaft ansetzt, springt wohl immer zu kurz, wenn man dieser Logik folgt. Zumindest wäre mir nicht einleuchtend klar, warum die Tragik der Allmende sich urplötzlich ändern sollte.

4) Die Null steht
Wir sollten daher vielleicht keine weiteren Hoffnungen auf zukünftige Gipfel verschwenden. Von der Weltpolitik brauchen wir keine Veränderung zu erwarten, solange Staatsmänner wie Trump, Bolsonaro oder Morrison jeden legislatorischen Fortschritt zum Klimaschutz sabotieren oder sogar das Gegenteil fördern. Selbst in Deutschland, wo hunderttausende Menschen regelmäßig für mehr Klimaschutz demonstrieren und dieses Thema zu den wichtigsten in Wählerumfragen gehört, rafft sich die Regierung kaum zu wirklich weit reichenden Maßnahmen auf (siehe »Der Berg, der eine Maus gebar«). Aufgeben ist jedoch ebenfalls keine Option. Die Lösung könnten bilaterale Abkommen sein: Mit dem »Green Deal« hat die Europäische Union immerhin eine Idee vorgelegt, mit der sie bis 2050 klimaneutral werden will. Füllt sie diesen Plan bald mit Leben, kann er als Vorbild für andere große Wirtschaftsräume dienen. Unterstützung bekommt Europa sicher von kleinen Nationen wie Neuseeland oder Costa Rica, die schon heute ihre Energieversorgung auf null Emissionen umbauen. [...] Immer noch ist Europa eine Wirtschaftsmacht und kann dies ausspielen. Als im Sommer Brasiliens Wälder brannten, reagierte Bolsonaro erst, als ihm Einschränkungen im internationalen Handel angedroht wurden. Und im September 2020 – und damit vor der Klimakonferenz von Glasgow – verhandeln die EU und China auch über den Klimaschutz. Klimaschützer erwarten sich hier ein positives Signal. Selbst die viel gescholtenen Märkte könnten den Klimaschutz voranbringen. In Europa ging die Energieerzeugung aus Kohle 2019 teilweise massiv zurück, auch dank des EU-Emissionshandels, der CO2-Emissionen bepreist. Schon moderat steigende Kosten sorgten dafür, dass Kohlekraftwerke stillgelegt werden. (Daniel Lingenhöhl, Spektrum)
Der aktuell zu beobachtende schleichende Tod des Freihandels - mit den Trump'schen USA und dem Johnson'schen Großbritannien brechen gerade ja zwei seiner bisher einflussreichsten Proponenten weg - könnte für den Klimawandel zu einer Chance werden, weil er Handelsmächten wie der EU erlauben könnte, zu verhängen was effektiv auf Klimasanktionen hinauslaufen würde: Strafzölle auf Produkte, die unter klimaschädlichen Bedingungen hergestellt werden, oder gar auf Länder, die sich dem Ganzen verweigern. Hier könnte theoretisch den Konferenzen auch mehr Druck gegeben werden: Länder, die sich nicht an den Abkommen wie Madrid, Kopenhagen und Co beteiligen beziehungsweise die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, werden an den europäischen Außengrenzen sanktioniert. Das Problem mit dieser charmanten Idee ist natürlich, dass wir uns damit einseitig Handelserschwernisse auferlegen würden, für die es (außer der Rettung der Menschheit...) keine direkte Gegenleistung gibt. Politisch ist das daher praktisch nicht durchsetzbar.

 5) Wo die Villen weichen müssen
Wahrscheinlich wird es mehrere Hundert Millionen Euro kosten, die Häuser, Kindergärten, Hotels und Fußballplätze wieder instand zu setzen. Sorgen machen den Bewohnerinnen und Bewohnern inzwischen aber viel mehr die versiegelten Flächen: Nirgendwo sonst in Frankreich wurde so viel betoniert wie an der Côte-d'Azur. Eine Million Menschen leben in Zonen, die auf Karten als Überschwemmungsgebiete eingezeichnet sind. Diese Fehlplanung ist doppelt problematisch: Betroffene Häuser riskieren bei jedem Starkregen vollzulaufen. Und die Fläche fehlt, um das Wasser aufzusaugen. Denn abseits der trockenen und warmen Sommer sind die Niederschläge am Mittelmeer überraschend heftig: Im Herbst und Frühjahr regnet es zwar selten, aber häufig sintflutartig. "Die betonierten Flächen sind unser größtes Problem", sagt Serge Castel, Planungsdirektor bei der Präfektur in Nizza. Sie gibt den Ton an für neue Bauvorhaben in Südfrankreich. Castel trat seinen Job 2015 an, kurz nachdem ein Starkregen einige Campingplätze und Stadtviertel überschwemmte und 20 Menschen ertranken. Castels Job ist es, solche Tragödien künftig zu verhindern. Die Campingplätze hat er geschlossen und inzwischen müssen auch Villen dran glauben: Einige Dutzend Eigentümer, so Castel, sollen langfristig enteignet werden. "Wir müssen der Natur wieder Fläche zurückgeben: In meiner Amtszeit werde ich alle Einkaufszentren an der Küste und Siedlungen im Hinterland verhindern: Wir werden mit dem Klimawandel und den häufigeren Starkregen nur fertig, wenn das Wasser wieder abfließen kann." Eigentümer enteignen? Häuser abreißen? Noch vor wenigen Jahren war dies undenkbar in Südfrankreich. Hier erzielen Immobilien so hohe Preise wie sonst nur in Paris. Deswegen wurde jeder Quadratmeter Grün bebaut, auch die Hügel über Nizza, Cannes und Antibes sind inzwischen vollständig besiedelt. Früher wurden hier Orangen und Jasmin gezüchtet und die Flächen an den Dutzenden Flüssen aus den Alpen für die Landwirtschaft genutzt. Das Wasser versickerte bis in die Achtzigerjahre problemlos. Bis der Tourismus das Grün in der Region verschlang. Im sonnigen Süden bauen sich viele Multimillionäre ihr Traumhaus für ein paar Wochen Urlaub im Jahr – und betonieren dann oft weiter ohne Genehmigung, aber dafür mit viel Geld. (Annika Joeres, ZEIT)
Die Moral von dieser Geschicht' ist so offensichtlich, dass sie einem fast ins Gesicht springt. Es ist ein Staatsversagen, das durch tonnenweise Geld vorangetrieben wurde. Weil man der Überzeugung war, die Multimillionäre und Hotels unbedingt zu brauchen, ließ man fünf gerade sein und ignorierte alle Vernunft. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass die freie Wirtschaft sich nicht die eigene Lebensgrundlage wegbauen würde. Die Tragik der Allemende, einmal mehr. Von der freien Wirtschaft ist nicht zu erwarten, dass sie ohne Druck irgendwie zur Erhaltung von Klima und Umwelt beiträgt; für keinen einzelnen Akteur ist das wirtschaftlich vorteilhaft. Derselbe Egoismus, der zu Innovation, Gewinnen und Effizienz führt, verhindert dies. Das sollte eigentlich offensichtlich sein.

 6) Forscher fordern Ende kostenloser Retouren
Die Verbraucher in Deutschland bestellen immer mehr im Internet. Der Umsatz dürfte dieses Jahr um 11 Prozent auf gut 70 Milliarden Euro wachsen, schätzt der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel. Aber jedes sechste Paket wird wieder zurückgeschickt. Um Müllberge und Klimabelastung zu reduzieren, könnte eine gesetzlich vorgeschriebene Rücksendegebühr helfen, erklären Wirtschaftsforscher der Universität Bamberg in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Schon eine Rücksendegebühr von rund 3 Euro könnte die Zahl der Retouren um 16 Prozent senken, erwarten die befragten Online-Händler. Bei 490 Millionen zurückgeschickten Artikeln im vergangenen Jahr entspräche das etwa 80 Millionen Retouren weniger. Das würde dem Klima fast 40.000 Tonnen CO2 ersparen, sagt Studienleiter Björn Asdecker. Zudem könnten die Preise sinken, denn der Handel kalkuliert die Kosten der Rücksendungen natürlich mit ein – Kunden, die weniger zurückschicken, könnten also sparen. Mit Retourengebühr würde der „E-Commerce grüner und gerechter“, erklären die Bamberger Wirtschaftswissenschaftler in ihrer Studie. [...] Ein Viertel aller heutigen Retouren ließe sich nach Einschätzung der Bamberger Forscher durch für alle Kleiderhersteller verbindliche Größenangaben und eine funktionierende Online-Größenberatung sparen. Artikel in drei Größen und drei Farben bestellen, einen behalten, das ist heute gängige Praxis: Bei Kleidung und Schuhen geht fast die Hälfte der Pakete zurück, Größenangaben seien heute nur „bedingt aussagekräftig und zum Teil irreführend“. Das zu ändern, wäre allerdings Sache der Hersteller. Handykameras zur Körpervermessung, Datenanalyse und Künstliche Intelligenz könnten bei der Größenberatung künftig ebenfalls viele Retouren überflüssig machen - „sofern die Händler und Kunden die Technologien auch einsetzen“. (dpa, FAZ)
Hier sieht man schön die andere Seite der Medaille aus Fundstück 5. Die ständige Innovation und Effizienzsteigerung in der Privatwirtschaft sorgt auch dafür, dass der Staat der Entwicklung ständig hinterherhechelt. Auch das ist systemisch und grundsätzlich auch kein Problem. Wir wollen (Fundstück 1) ja auch gar nicht, dass da irgendwelche 5- oder 10-Jahres-Pläne mit Regulierungen verabschiedet werden; die würden notwendigerweise völlig fehl laufen. Aber man muss dann eben in der Lage sein, auf neu auftauchende Trends schnell zu reagieren und sie gegebenenfalls abzuwürgen. Das stetige Wachstum des Online-Versands und der Retouren ist so ein Problem. Das heißt nicht einmal, dass man den Versandhandel generell beschneiden muss; ich persönlich jedenfalls habe keine Lust, in das Zeitalter der Ziegel-und-Mörtel-Läden zurückzukehren. Aber Alternativen wie wiederverwendbare Retourenkartons (notfalls mit Pfand) oder Ähnliches sind ja bereits in der Diskussion, oder eben die im Artikel erwähnten technischen Hilfen gerade bei der Klamottenauswahl. Da geht einiges, was das Problem deutlich eindämmen kann, ohne dass man der Branche selbst an den Kragen muss. Wie immer muss man die Wirtschaft halt zu ihrem Besten zwingen und die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Innovation und Effizienz- und Gewinnstreben in die richtigen Bahnen laufen.

 7) Tweet
Ich empfehle die Lektüre des gesamten Threads. Es gibt keine ungefährliche Zusammenarbeit mit einer Partei, die grundsätzlich extremistische Ziele verfolgt, wie das die AfD tut. Man sehe sich nur die beschriebenen Beispiele an. Im Gegensatz zu ihren Vorläufern bei NPD und Konsorten ist die AfD nur deutlich schlauer. Sie weiß einerseits um die gewaltige Macht, die sie in den kommunalen Vertretungen besitzt, sobald sie einmal die Muster dieser "ungefährlichen" Zusammenarbeit aktivieren kann, und sie weiß auch, wie sie sich deutlich besser positionieren muss als die idiotischen Glatzen von früher, um den relativierenden Schutz der bürgerlichen Mitte zu bekommen.

 8) Why the ‘Wokest’ Candidates Are the Weakest
“Wokeness,” in this rendering, is an overly rigid commitment to identity politics and social justice ideology. And in their zeal, these woke Democrats are pushing the Democratic Party away from the voters it needs to beat President Trump in 2020. If this were actually true, you would expect real traction for the wokest candidates in the Democratic presidential race. But it’s been just the opposite. The woke candidates have been the weakest, electorally speaking, and the defining attribute of the Democratic primary has been a preoccupation with the voters that put Trump in the White House. [...] None of this is dispositive. The Democratic Party might still be too woke for its own good. But the evidence for that isn’t in the primary campaign. A former vice president, Joe Biden, known for his centrist politics and blue-collar affect, leads the field. His nearest rivals, Senators Bernie Sanders of Vermont and Elizabeth Warren of Massachusetts, support social justice politics, but they’ve centered their campaigns on inequality and corruption. Yes, the failure of explicitly woke campaigns is a function, in part, of moderate and conservative voters in the Democratic coalition, including African-Americans and Latinos. But if the Democratic Party is as woke as critics say, the race should be able to sustain one or two woke candidates. The fact that it can’t should undermine, or at least temper, the idea of a “Great Awokening” transforming Democratic politics. At the very least, it shows that Democrats are far more concerned with beating Trump than elevating woke ideology. (Jamelle Bouie, New York Times) 
Ich habe ja schon im letzten Vermischten darauf hingewiesen, dass Joe Biden, obwohl sicherlich nicht meine bevorzugte Lösung, der wahrscheinlichste Gewinner der primaries zu diesem Zeitpunkt ist - und das eher nicht trotz, sondern wegen seiner wenig radikalen Positionen. Genauso wie das ständige Geblöke zu "political correctness" ist das Hände-wringen zur "wokeness" der Democrats nur noch nervtötend. Es ist eine ebenso hohle Phrase, wie die Grünen eine "Verbotspartei" zu nennen - ohne Verankerung in der Realität, ein Ritual zum Bestätigen der eigenen Identität und Gruppenzugehörigkeit. Es ist identity politics der bürgerlichen Mitte und der Konservativen, nichts weiter.

 9) Tweet
Ein Musterbeispiel für die jammernde Schieflage der Debatte, die ich auch in Fundstück 8 thematisiert habe. Da beklagt sich eine ehemalige Ministerin in den Öffentlich-Rechtlichen, dass ihre Meinungsfreiheit bedroht sei, wenn sie für ihre Meinung "mitunter hart angegangen" wird. Ich bin mir aktuell unsicher, ob die Konservativen das wirklich glauben oder aus reinem Zynismus behaupten. Wenn sie es wirklich glauben, haben wir eine echte intellektuelle Krise des Mitte-Rechts-Spektrums, denn ein Grundverständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit sollte man von einer Ministerin schon erwarten dürfen. Meinungsfreiheit schützt die Meinungsäußerung, es schützt nicht vor den Reaktionen anderer Leute auf diese Meinung. Und wenn es einfach nur zynische Machtkalkulation ist, die in Fundstück 8 erwähnten identity politics, die eine genehme politische Grundstimmung schaffen sollen, dann wird da an den Grundfesten der Demokratie gezündelt, indem man die Narrative von Extremisten in der AfD pusht, um ein paar billige politische Punkte zu machen. So oder so muss das aufhören, und besser heute als morgen.

 10) Fürchtet euch nicht (vor dem Falschen)
"Handystrahlen" sind genauso gefährlich wie Gespenster oder Dämonenangriffe: Schädlich ist die Angst selbst, und eventuell die Tatsache, dass sie von den eigentlichen Ursachen der Probleme ablenkt. Man nennt das, als Pendant zum scheinwirksamen Medikament, dem Placebo, Nocebo. Der Nocebo-Effekt ist auch für die Symptome verantwortlich, die vermeintlich Windrad-Geschädigte erleben: Wer glaubt, dass nicht hörbarer "Infraschall" von Windrädern krank macht, dessen Gesundheit könnte tatsächlich leiden. Durch die Angst, nicht durch die Windräder. Das zeigen mehrere Studien. [...] Die Deutschen fürchten sich einfach gern vor dem Falschen. Belege für diese These liefert Jahr für Jahr auch die von einer großen Versicherung in Auftrag gegebene Studie "Die Ängste der Deutschen". 2019 auf Platz eins der Angstquellen: "Überforderung des Staats durch Flüchtlinge", Platz zwei: "Spannungen durch Zuzug von Ausländern". Unter den Top Ten sind der Studie zufolge auch noch die Angst vor den Kosten der EU-Schuldenkrise für den Steuerzahler und die vor Terrorismus. [...] Ein bisschen mehr Angst vor dem Klimawandel könnte den Deutschen nicht schaden, denn dann wäre die Bereitschaft in der Bevölkerung größer, endlich die notwendigen Veränderungen einzuleiten. Und die Politik vielleicht bereit, diese Veränderungen auch umzusetzen. Tatsächlich nimmt die Zahl der Menschen, die derzeit an "Eco Anxiety" leiden, im Moment möglicherweise zu. "Es ist durchaus gesund, sich so zu fühlen", sagte Caroline Hickman von der "Climate Psychology Alliance", "es ist ein Zeichen von Empathie". Am meisten leiden unter der Krise bekanntlich zunächst vor allem die Ärmsten. Ein guter Vorsatz für das Jahr 2020: Weniger Angst vor Geistern, Dämonen, harmloser elektromagnetischer Strahlung und Fremden zu haben - und stattdessen darauf drängen, dass politisch gegen die tatsächlich größte Gefahr für die Menschheit endlich etwas getan wird. (Christian Stöcker, SpiegelOnline)
Ich finde es immer wieder faszinierend, was für einen Bullshit die Leute glauben. Ob das jetzt "Elektrosmog" ist, oder Chemtrails, oder "Infraschall" oder was auch immer, Menschen lassen sich allen möglichen Quatsch einreden. Gerade in Deutschland weist eine florierende Homöopathie-Industrie auch darauf hin, dass sich das leider finanziell extrem lohnt. Das ist mehr als bedauerlich, weil die Leute nicht nur aktiv krank gemacht werden (geistig, in dem Fall, denn die unbegründeten Ängste haben allerlei negative gesundheitliche Auswirkungen), sondern das auch noch relevante Problemlösungen blockiert oder behindert. Im medizinischen Bereich werden wertvolle Ressourcen dafür abgezogen, irgendwelchen Blödsinn in Zuckerkügelchen zu produzieren und zu vermarkten, während wir bei regenerativen Energiequellen mittlerweile so einschneidende Regulierung haben, dass der Bau neuer Windräder mittlerweile mehr als doppelt so schwierig ist wie der neuer Autobahnen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Ich bin allerdings auch nur semi-begeistert davon, deswegen Eco-Anxiety zu pushen; eine eingeschücherte und verängstigte Bevölkerung, auch wenn sie vor dem Richtigen Angst hat, ist wenig dazu angetan, offen für die besten und überlegtesten Lösungen zu sein....

 11) A party that works and wins for working people will need to understand us first
This approach is summed up with ‘less identity politics, more class politics’ and the idea the party needs to appeal to the ‘traditional working class’. It doesn’t tally with the evidence (if you read only one piece linked here, I’d make it academic Cas Mudde’s account of why left leaning parties mimicking populist ones rarely prosper) and it crosses all sorts of moral lines that shouldn’t be open to people on the left. When Labour has done so badly in many leave voting towns where it once weighed rather than counted its vote the appeal to forget the cities and focus on ‘the heartlands’ is getting a lot of traction but there are two things we have to guard against here. Firstly, it can slip into suggesting that people in cities — especially London — are having a high old time of it while ignoring the reality that our cities are often home to the biggest numbers of people who are really hard up. Much more dangerously it implies ‘identity’ issues like racism, sexism and homophobia aren’t issues that concern working class people, who are presumably all white, male and straight. Labour should be the party countering, not indulging, sweeping characterisations of working class people as some homogenous lump. Nobody whose values are rooted in social justice should be mounting an argument that echoes the language of the Brexit Party and before them the BNP with their slogan that they were ‘The Labour Party your grandad voted for’. If your image of the ‘traditional working class’ doesn’t have space for black, Asian or LGBT working class people, it’s neither progressive nor accurate and has no place in left politics in 2019. (Roger Harding, Medium)
Hier wird das grundsätzliche Dilemma sozialdemokratischer Parteien dieser Tage beschrieben: das Nullsummenspiel zwischen ihrer alten Stammwählerklientel und der neuen potenziellen progressiven Wählerschicht. Selbstverständlich gibt es die reale Trendlinie, dass die sozialdemokratischen Parteien weiße, männliche Wähler der Arbeiterschichten verlieren, die Probleme mit dem Ende des alten konservativen Gesellschaftsbilds haben, dem sie anhingen. Aber gleichzeitig können die Parteien diesen Wählern keine Angebote machen, die ihre Identität bestätigen, ohne die Stimmen der emanzipierten und diversen Teile der Arbeiterschicht zu verlieren, die mittlerweile mehr als die Hälfte selbiger Schicht ausmachen. Diese Quadratur des Kreises gelang in den letzten 15 Jahren nur Barack Obama, und der war halt auch ein politisches Ausnahmetalent.

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