Dienstag, 20. Februar 2024

Bei Edeka wählen Babyboomer geschlossen den Geheimplan der Flüchtlingskartenbetreiber - Vermischtes 20.02.2024

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Edeka-Händler nahm Anti-Nazi-Spruch zurück – nun teilt er hart gegen Ampel aus

Peter Simmel, Eigentümer von rund 20 Edeka-Filialen in Sachsen und Thüringen, geriet zunächst in die Kritik, nachdem er auf seinen Werbeprospekten den Slogan „Für Demokratie – gegen Nazis“ verwendet hatte. Diese Aktion führte zu Boykottdrohungen seiner Kunden, woraufhin Simmel sich öffentlich entschuldigte. In einer Facebook-Nachricht betonte er, niemanden verletzen zu wollen. Später äußerte er jedoch Kritik an der Politik der aktuellen Bundesregierung. Gegenüber dem „Spiegel“ erklärte er, dass viele Menschen sich von der Politik „abgehängt, schikaniert, nicht wertgeschätzt“ fühlten, insbesondere in Bezug auf das Thema Zuwanderung. Er zeigte Verständnis für diejenigen, die durch seinen Werbeslogan verärgert waren. Parallel dazu wird erwähnt, dass der Verfassungsschutz die Landesverbände der AfD in Thüringen und Sachsen als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, die Partei dort jedoch laut einem Bericht der „Welt“ hohe Umfragewerte erzielt. (Focus)

Auf der einen Seite ist es super, dass Simmel sich für die Demokratie engagiert hat. Das ist genau das, was man auch von Unternehmer*innen erwarten muss. Umso schlimmer ist, was daraufhin passierte. In Sachsen und Thüringen identifizieren sich offensichtlich mittlerweile signifikante Bevölkerungsteile mit Nazis. Der Rückzieher Simmels, sein Kotau vor Rechtsextremisten und seine 180°-Wende zu populistischer Kritik an der Ampel sind eine Vollkatastrophe und zeigen, wie kaputt die Zivilgesellschaft in diesen Bundesländern bereits ist. Das ist wesentlich beunruhigender als die Umfragewerte der AfD per se. Wie alarmierend ist denn, dass massenhaft Leute sagen "Gegen Nazis - der meint mich?" und das als vollkommen in Ordnung und gerechtfertigt gesehen wird?

2) Im Osten einfach mal geschlossen CDU wählen

Bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis in Thüringen konnte der CDU-Kandidat Christian Herrgott, trotz seiner Positionen wie Ablehnung von Windkraft im Wald und Befürwortung einer Arbeitspflicht für Asylbewerber, mit einem Vorsprung von 4,8 Prozent gewinnen. Allerdings gelang es ihm nicht, ehemalige AfD-Wähler für sich zu gewinnen. Laut einer Analyse der Amadeu-Antonio-Stiftung erhielt Herrgott in der Stichwahl hauptsächlich die Stimmen aus dem ersten Wahlgang sowie die Stimmen, die zuvor an SPD und Linke gegangen waren, während der AfD-Kandidat Uwe Thrum signifikant mehr Stimmen hinzugewinnen konnte. Die Wahl zeigte, dass die Wählerbasis der AfD stabil bleibt und die Partei bei ihren Anhängern kein Schamgefühl auslöst, sondern eher als klügere Wahl betrachtet wird. Kritisiert wird auch die Haltung von Mitte-Links-Wählern, die trotz der politischen Konstellation die CDU ablehnen. Die AfD-Anhänger zeichnen sich durch eine Ablehnung gegenüber politischen Korrektheiten und eine Vorliebe für einfache Lösungen aus. Die Diskussionen um Themen wie Gender-Politik oder Umweltschutz werden von ihnen als irrelevant betrachtet. Die Analyse deutet darauf hin, dass der Kampf gegen die AfD im Osten möglicherweise nur erfolgreich sein kann, wenn das Mitte-Links-Lager seine Bedenken zurückstellt und geschlossen die CDU unterstützt. (Jan Alexander Caspar, Welt)

Ich bin völlig bei Caspar. Die Befindlichkeiten von Mitte-Links müssen zurückstehen, wenn es um die Verteidigung der Demokratie geht. Und offensichtlich standen sie zurück, das schreibt er ja auch selbst (was den aggressiven Ton der Kolumne etwas widersprüchlich macht). Dasselbe gilt allerdings auch in die andere Richtung: die Befindlichkeiten von Mitte-Rechts müssen gegebenenfalls auch zurückstehen. Das betrifft vor allem die CDU Thüringen, die gegebenenfalls die Nase zuhalten und mit der LINKEn kooperieren muss, um die Demokratie zu verteidigen. Genauso wie Mitte-Links-Anhänger*innen mit zugehaltener Nase CDU-Kandidierende wählen müssen, wenn es eine Stichwahl zwischen AfD und CDU gibt. Das gehört zum erwachsen Sein in der Politik eben dazu. Siehe auch hier.

3) Was ist denn so schlimm an einer Bezahlkarte für Asylbewerber?

In Thüringen hat der AfD-Kandidat die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis trotz eines großen Vorsprungs nicht gewonnen. Die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber im Kreis, welche die Auszahlung von Bargeld verringern und damit den Transfer ins Ausland einschränken soll, könnte neben anderen Faktoren wie den Enthüllungen über menschenverachtende Pläne und bundesweiten Demonstrationen gegen Demokratiefeinde, zur Niederlage der AfD beigetragen haben. Die Bezahlkarte ermöglicht es Asylbewerbern, ihre Einkäufe direkt zu bezahlen und wird bereits in anderen Thüringer Landkreisen sowie in Bayern getestet. Die Ankündigung von 14 von 16 Bundesländern, solche Karten einzuführen, stieß jedoch auf Kritik von Flüchtlingsorganisationen und einigen politischen Parteien, die sie als diskriminierend betrachten. Der Artikel argumentiert jedoch, dass die Karte als pragmatische Lösung für administrative Herausforderungen und als Schritt gegen Missbrauch staatlicher Gelder zu verstehen ist, ohne dass dies einer Unterstützung rechtsextremer Positionen gleichkommt. Die breite Einführung der Bezahlkarten wird als Beispiel für überparteiliche Kooperation in der Asylpolitik gesehen, die auf die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger eingeht und praktische Probleme adressiert.(Jan Friedmann, Spiegel)

Ich bin kein Experte für das System, aber so wie ich es verstehe sehe ich auch wenig Grund, das nicht zu machen. Transfers der Asylleistungen ins Ausland zu verhindern sollte für die viel zitierten Pull-Effekte tatsächlich eine ordentliche kalte Dusche sein, und wenn ich richtig verstehe, dass das effektiv eine EC-Karte ist, dann sehe ich das große Problem nicht wirklich. Ich fände es nicht so pralle, wenn die ähnlich der amerikanischen Food Stamps wären und den Leuten vorschreiben, was sie kaufen können, aber so wie ich es verstehe ist das nicht der Fall. Mir scheint das eine verpasste Chance für die Ampel (und besonders die Grünen) zu sein, vernünftige Symbolpolitik zu betreiben, die nicht in unumsetzbare Abschiebungsphantasien mündet und gleichzeitig den Bedürfnissen der Mehrheitsbevölkerung entgegenkommt.

4) Vom Geheimplan zum »Geh-heim-Plan«

In der aktuellen Debatte spielt der Begriff "Remigration" eine zentrale Rolle, der ursprünglich aus der Migrationsforschung stammt, aber von rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen vereinnahmt wurde. Laut Forschungen des Sprachwissenschaftlers Meier-Vieracker zeigt sich hier ein Beispiel für "semantische Kämpfe", bei denen Sprache bewusst eingesetzt wird, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die "Correctiv"-Recherchen enthüllten Pläne rechtsextremer Gruppen und Politiker, die eine massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund anstreben. Diese Pläne und der Gebrauch des Begriffs "Remigration" zielen darauf ab, rechtsextreme Ideologien zu normalisieren, indem sie mit einem gemäßigten, akademischen Vokabular verkleidet werden. Die Gegenstrategie besteht darin, Begriffe wie "Zwangsmigration", "Vertreibung" und "Deportation" zu verwenden, um die Brutalität und Menschenfeindlichkeit dieser Pläne offenzulegen. Zugleich werden historische Vergleiche gezogen, um die Schwere der Pläne zu unterstreichen, was jedoch auch Kritik hervorruft, da es die Einzigartigkeit des Holocaust relativieren könnte. Die rechtsextreme Strategie, scheinbar neutrale Begriffe zu nutzen, um extreme Ideologien salonfähig zu machen, wird als erfolgreich betrachtet, da sie bereits tief in die gesellschaftliche Mitte vordringt. Die Forschung zu neueren Formen des Rassismus zeigt, wie Begriffe wie "Kultur" und "kulturelle Identität" verwendet werden, um rassistische Ideologien zu verdecken. Die Notwendigkeit, gegen diese semantischen Kämpfe anzugehen und die sprachlichen Strategien der extremen Rechten zu entlarven, wird betont, da Sprache als Einfallstor für extremistische Ideologien fungiert. Die Debatte um "Remigration" und die damit verbundenen Pläne verdeutlichen die Bedeutung der Auseinandersetzung mit der Sprache im politischen Diskurs. (Simon Meier-Vieracker)

Der Artikel lässt mich einigermaßen ratlos zurück. Auf der einen Seite ist es wichtig, Begriffe zu tabuisieren und außerhalb des Sagbaren zu stellen, was mit "Remigration" (bisher) erkennbar nicht gelungen ist (was ja aber auch der ganze Zweck der Verwendung des Begriffs seitens der AfD war), auf der anderen Seite ist es aber auch irgendwie problematisch, semantische Kämpfe auszufechten, weil sie die Gefahr beinhalten zu scheitern und die Begriffe zu normalisieren - die aber ohne die semantischen Kämpfe ja sicher normalisiert werden würden. Letztlich bleibt für mich nur festzustellen, dass der Kampf gegen Extremismus des Tabus bedarf. Wann immer dieses gebrochen wird, werden die Grenzen des Sagbaren verschoben, erst einmal unabhängig davon, wie sehr man das begrüßt oder nicht (ich habe das ja seinerzeit am Beispiel Kevin Kühnerts durchdekliniert). Will man den demokratischen Konsens verteidigen, muss man sich seinen Feinden entgegenstellen, auch wenn man ihre Kritik teilt.

5) Are Millennials really as well off as Baby Boomers?

Der Text befasst sich mit gängigen Beschwerden der Millennials über ihre Lebenssituation und stellt diesen Behauptungen Beweise entgegen, die zeigen sollen, dass diese Klagen unbegründet sind. Es wird argumentiert, dass Millennials im Vergleich zu den Boomern im gleichen Alter tatsächlich nicht schlechter, sondern in einigen Bereichen sogar besser dastehen. Zu den angesprochenen Punkten gehören der Immobilienerwerb, Einkommen, Lebenshaltungskosten in Großstädten wie New York, Vermögensverteilung, Jobzufriedenheit, Studienschulden und Rentenaussichten. Es wird behauptet, dass Millennials Häuser kaufen können, mehr Geld verdienen als vorherige Generationen im gleichen Alter, in New York leben können, nicht durch Boomer im Vermögensaufbau benachteiligt sind, ähnliche Jobzufriedenheit wie junge Boomer haben, die Belastung durch Studienschulden überschätzt wird und bessere Rentenaussichten als oft angenommen haben. Trotz der verbreiteten Annahme, Millennials seien die erste Generation, die schlechter dran ist als ihre Eltern, wird dargelegt, dass ihr Einkommen 23% höher ist als das der Boomer im gleichen Alter. Der Text erkennt an, dass die Ansicht über die Studentenschulden teilweise zutrifft, merkt jedoch an, dass diese oft übertrieben dargestellt wird. Es wird erwartet, dass Millennials von diesen Argumenten nicht überzeugt sein werden, aber die präsentierten Daten sollen die Wahrheit belegen. (Kevin Drum, Jabberwocking)

Ich habe ja lange diese These vertreten - also dass die Millenials schlechter gestellt sind als die Boomer - aber Drums konstanter Pushback dagegen überzeugt mich ehrlich gesagt. Vermutlich war viel der Wahrnehmung ein Kohorteneffekt. Wie Drum es beschreibt, haben junge Menschen schon immer weniger Geld und schlechtere Jobs als ihre Eltern gehabt, was aber nichts daran ändert, dass sie aktuell über ähnliche Prosperität verfügen. Ein Freund von mir hat noch einen anderen Kommentar zu dem Thema gemacht, der mich zum Grübeln brachte und der vor allem auf geändertes Konsumverhalten abzielt: zwar hat die Generation unserer Eltern im Schnitt durchaus früher das Eigenheim erworben (so sie zu der Minderheit derer gehörten, denen das je gelang), aber sie gaben dafür wesentlich mehr andere Konsumwünsche auf. Das deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung mit meinen Eltern und deren Eltern; konstantes Sparen an allen Ecken und Enden. Daher: ich bin aktuell überzeugt, bisher falsch gelegen zu haben und werde die These erst einmal ad acta legen.

Resterampe

a) Natenom ist tot - von einem Auto überfahren. Es ist eine Katastrophe in diesem Land.

b) Sowohl Grüne als auch CDU/CSU diskutieren über Schwarz-Grün 2025. Die Ampel scheint reichlich tot.

c) Bildungsstätte Anne Frank kritisiert TikTok für »Speed-Radikalisierung«. Ich bin immer etwas skeptisch, ob Social Media Ursache oder nur Transmissionsriemen ist...

d) Die Ampel streicht das Budget der Bahn.

e) Letzte Generation will sich nicht mehr auf Straßen festkleben: Was steckt hinter dem Strategiewechsel? Was soll man sagen? Der Reiz des Neuen ist weg. Ich bin auf jeden Fall froh, dass die ihr Heil nicht in Radikalisierung suchen.

f) Wie ein palästinensischer Staat funktionieren kann.

g) Merz ist ungeeignet als Kanzler, Folge 51385623. Siehe auch hier.

h) Gebührenzahler haben ein Recht zu erfahren, was die Fernsehstars verdienen. Absolut.

i) Wie Annalena Baerbock sich von ihrer Partei entfremdet. Die übliche Geschichte: Regieren erfordert Kompromisse. Ich finde weniger die "Entfremdung" erstaunlich, sondern wie ruhig SPD und Grüne bisher sind. Deren Basis ist ganz entgegen des Klischees wahnsinnig diszipliniert und schluckt viele Ampel-Kröten. 

j) Schulleiter warnt Eltern: Töchter nicht allein zur Schule laufen lassen. Zur Diskussion über Sexualstraftaten letztes Mal.

k) Anti-AfD-Proteste: Nein, diese Demos helfen nicht gegen rechts. Ich teile die Kritikpunkte, aber die entstehen halt auch deswegen, weil so Bürgerliche sich wohlfeil rausnehmen und Gratiskritik austeilen, statt sich zu engagieren. Lauft halt mit!

l) Carbon capture is slowly picking up steam. Wäre ja gut.

m) How to think for yourself. Ich halte diese häufig geäußerte Kritik für Kulturpessimismus.

n) Die FU Berlin – offen und tolerant gegenüber Antisemiten.

o) Dass dieser Aufruf in der Welt steht, macht ihn besonders relevant.

p) Sehr empfehlenswertes Interview mit zwei Historiker*innen zum Rechtsextremismus.

q) Nur, weil ein SUV auf dem Land praktisch ist, gehört er noch lange nicht in die Stadt.

r) AfD will sich in Landeszentrale für politische Bildung einklagen (um Einfluss auf Unterrichtsmaterialien zu bekommen) – abgeschmettert. Sehr gut. Noch so ein Grund, warum man die nicht an die Regierung lassen darf.

s) Super Beispiel dafür, wie sich die Ampel selbst blockiert.

t) Eine Würdigung Hubert Humphreys. Immer wieder faszinierend, wie knapp der die Wahl 1968 verlor.

u) Genderverbot an Schulen: CDU, FDP und AfD scheitern – zumindest vorläufig. Sehr gut. Den Verbotsparteien muss man Grenzen aufzeigen.

v) Sowohl Welt als auch Spiegel begrüßen Buschmanns "Verantwortungsgemeinschaft" und finden, sie gehe nicht weit genug. Bin ich völlig dabei, finde es aber faszinierend, wie sich da der gesellschaftliche Konsens gerade wandelt.

w) CDU in Berlin: Die peinliche Hauptstadtpartei. Die CDU Berlin war immer schon ein korrupter Saftladen, aber diese Kritik am "Familienunternehmen" halte ich weiterhin für überzogen.

x) Yes, Fox News has gotten even worse.

y) Hubertus Heil: Die Entzauberung eines Ministers. Mir wäre neu, dass auf dem je ein Zauber gelegen hätte.

z) AI is almost here.


Fertiggestellt am 07.02.2024

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