Dienstag, 16. April 2024

Eine empörter Lindner diskutiert die rechte Zivilgesellschaft im kompetenten Wahlkampf - Vermischtes 16.04.2024

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Empörung allein reicht nicht mehr

Der Artikel beschreibt die zunehmende Kritik am israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen, insbesondere nach einem Luftangriff, bei dem sieben Helfer der Organisation World Central Kitchen getötet wurden. Diese Tragödie verdeutlicht ein Muster der Missachtung humanitärer Normen durch das israelische Militär, was nicht nur den Opfern schadet, sondern auch die internationale Gemeinschaft alarmiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die fortgesetzte Unterstützung Israels durch westliche Länder wie die USA und Deutschland hinterfragt wird. Die fehlende Konsequenz der Verbündeten, Israel zur Rechenschaft zu ziehen, wird kritisiert, obwohl sie Einflussmöglichkeiten hätten, wie z.B. die Aussetzung von Waffenlieferungen. Es wird betont, dass angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen und des fehlenden politischen Willens zur Lösung des Konflikts die internationale Gemeinschaft stärker handeln muss, um Israel zur Verantwortung zu ziehen und die humanitäre Situation zu verbessern. (Thore Schröder, Spiegel)

Ich bemerke bei mir einen Wandel in meiner Haltung zum Krieg in Gaza. Ich war nach dem 7. Oktober völlig auf Israels Seite und hatte - und habe weiterhin - null Geduld mit den Hamas-Apologeten, gerade auf der Linken. Aber es wird immer schwieriger, die Handlungen der Netanyahu-Administration und der IDF zu rechtfertigen. Immer öfter äußern selbst Expert*innen, die jeglicher Sympathie für die Hamas unverdächtig sind, harsche Kritik an den Rules of Engagement, an der generellen Strategie und an der Politik Netanyahus. Ich befürchte, dass die Regierung dem Land gerade massiv Sympathien verspielt (siehe auch: Benjamin Netanjahu hat Israel isoliert), selbst bis in die Kreise der US-Sicherheitspolitik hinein. Israel kann gewiss auf deutsche Militärhilfe verzichten (wenngleich auch das gar nicht ausgemacht scheint, wenn man Toozes U-Boot-Analyse ernstnehmen darf), aber selbst die Finanzhilfen sind nicht eben klein, und die Abhängigkeit des Landes von amerikanischer Militärhilfe ist glaube ich unumstritten.

2) Lässt Christian Lindner jetzt die Ampel platzen?

Der Artikel beschreibt das politische Manövrieren von Christian Lindner und der FDP im Kontext der laufenden Koalitionsregierung. Lindner droht mit dem Platzen der Ampelkoalition, insbesondere im Zusammenhang mit der Aufstellung des nächsten Haushalts. Er betont die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen und stellt provokante Forderungen zur Diskussion, die auf Differenzen mit den Koalitionspartnern SPD und Grüne abzielen. Die FDP fordert eine "Wirtschaftswende" mit Steuersenkungen und der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, um die Wirtschaft anzukurbeln. Lindner setzt auf strategische Unklarheit, um Druck auf seine Partner auszuüben und Zugeständnisse zu erhalten. Die mögliche Auflösung der Koalition bleibt ein Thema, doch die Dynamik zwischen den Parteien und die Entscheidungen des Kanzlers spielen eine entscheidende Rolle in dieser angespannten Situation. (Severin Weiland, Spiegel)

Zu den Hintergründen der FDP-Forderungen und -Positionierungen siehe dieser Bericht vom FDP-Leitantrag. Das größte Problem für Lindner scheint mir zu sein, dass ein Platzenlassen der Koalition anders als 1982 nicht in einen Regierungswechsel münden kann: es gibt keine Mehrheit für sie im Bundestag, die nicht die Grünen oder SPD mit einschließen würde. Warum genau diese einen solchen Koalitionswechsel mittragen sollen, ist gelinde gesagt unklar. Blieben Neuwahlen, die für die FDP (milde ausgedrückt) gerade wenig ratsam sind, oder der Gang in die Opposition, gegebenenfalls außerparlamentarisch. Mein Problem ist, dass ich zu wenig kulturellen Bezug zur FDP habe um das alles irgendwie einschätzen zu können. Bei der SPD weiß ich, dass die staatsmännische Verantwortung über alles stellen. Die Grünen? Auch keine Ahnung.

3) Konservativ ist nicht rechts

Der Autor drückt seine Besorgnis über eine zunehmende Bereitschaft aus, Rechtsextreme zu verteidigen, und betont die Notwendigkeit für die CDU, ihre Distanz zu ihnen zu wahren. Er reflektiert seine eigene konservative Erziehung und die traditionelle Haltung der CDU gegenüber Extremismus. Kritisiert wird die jüngste Verteidigung einer Schülerin mit Neonazi-Verbindungen sowie die Umdeutung rechtsextremer Aktivitäten als Meinungsfreiheit. Historische Bezüge zur Konservativen Partei, wie Strauß' Ablehnung rechtsextremer Positionen, werden herangezogen, um die aktuelle Situation zu beleuchten. Der Autor warnt vor der Verschiebung politischer Markierungen und dem Aufstieg von Rechtspopulismus. Er fordert eine klare Ablehnung von Extremismus durch die CDU, selbst wenn dies bedeuten könnte, dass die AfD in einigen Bundesländern an die Macht kommt. (Peter Huth, Welt)

Ich habe null Verständnis oder Geduld mit den Linken, die die CDU/CSU (oder selbst die Freien Wähler) mit der AfD oder gar Neonazis in einen Topf werfen wollen, wie es leider gerade bei den Demos gegen Rechts oft genug geschehen ist. Auf der anderen Seite aber ist es natürlich wenig hilfreich, wenn Konservative dasselbe Geschäft begreifen und sich reflexhaft in eine Pose der Verteidigenden von Rechtsradikalen begeben, wie es gerade im Umfeld der Demos gegen Rechts der Fall war. Entweder gilt, dass "konservativ nicht rechts" ist; dann darf man sich aber mit "rechts" auch nicht angesprochen fühlen. Oder aber wir machen - wofür ich sehr plädieren würde - eine Unterscheidung zwischen "rechts" und "rechtsradikal" und "rechtsextremistisch", aber dann kommen die Leute auf der Rechten auch nicht umhin, dieses Label zu nehmen und mit (demokratischem) Leben zu füllen. Ich kriege das selbst auch nicht konsistent hin, und das scheint mir ein sehr deutsches Problem zu sein - angelsächsische Länder oder Frankreich jedenfalls haben mit dem Begriff kein Problem, und ich nehme an, viele andere auch nicht.

4) Zivilgesellschaft – was genau soll das sein?

Der Autor hinterfragt die gängige positive Konnotation von "Zivilgesellschaft" und betont, dass diese nicht automatisch demokratisch oder positiv ist. Er erklärt den historischen Ursprung des Begriffs und seine Entwicklung im Zusammenhang mit politischen Institutionen. Anhand der Weimarer Republik zeigt er, wie die Zivilgesellschaft auch nationalistische und republikfeindliche Bewegungen unterstützte. Die NSDAP habe sogar einen Teil ihrer Kader aus diesen Organisationen rekrutiert. Der Autor warnt davor, die Zivilgesellschaft unkritisch zu glorifizieren und betont die Bedeutung starker politischer Institutionen für eine stabile Demokratie. Die Politik sollte nicht von der Zivilgesellschaft dominiert werden, sondern ihre eigenen Handlungsweisen und Regeln beibehalten. (Thomas Schmid, Welt)

Schmid macht hier einen sehr guten Punkt. Zivilgesellschaftliches Engagement trägt sehr positive Konnotationen mit sich; man hat Bilder von Friedensdemos im Kopf, FridaysForFuture, Widerspruch gegen rassistische Sprüche in der Bahn, solchen Kram. Aber natürlich ist auch die Wehrsportgruppe Hoffmann erstmal zivilgesellschaftliches Engagement, die Letzte Generation, die Antifa, die Hausbesetzenden und so weiter. Schmids Punkt mit der großen Bedeutung starker staatlicher Regelungen ist ein sehr wichtiger. Mir kommt da das Beispiel der Meldeportale in den Kopf, das wir letzthin diskutiert haben: wie viel besser ist es, wenn solche Dinge in einem kontrollierten, transparenten und verantwortlichen Rahmen ablaufen als wenn das "zivilgesellschaftlich" passiert, außerhalb jeder Kontrolle und Verantwortung? Von den anderen Beispielen ganz zu schweigen.

5) Inside the Terrifyingly Competent Trump 2024 Campaign

Donald Trumps Präsidentschaftswahlkampf für 2024 nimmt eine dramatische Wendung, als er rechtlichen Gefahren ausgesetzt ist und eine Rolle als Möchtegern-Diktator annimmt, der nach Rache strebt. Trumps Bild des Widerstands während einer möglichen Festnahme wird zu einem prägenden Symbol für sowohl seine Unterstützer als auch Kritiker. Trotz rechtlicher Herausforderungen sammelt Trumps Kampagne Millionen und gewinnt an Fahrt, indem sie eine disziplinierte und fokussierte Operation präsentiert. Mit einem überfüllten GOP-Primärkandidatenfeld und anhaltenden rechtlichen Ablenkungen wächst Trumps Vorsprung, da er seinen Status als politischer Märtyrer ausnutzt. Spekulationen über potenzielle Ernennungen in einer zweiten Trump-Regierung werden laut, wobei Loyalität als wichtigstes Kriterium gilt. Von Trump vorgeschlagene Politiken, darunter Massenabschiebungen und das Zielen auf politische Feinde, deuten auf eine möglicherweise extreme Agenda hin. Mit der Festigung von Trumps Dominanz wachsen die Bedenken hinsichtlich des Erosions demokratischer Normen und der Möglichkeit autoritärer Herrschaft. (Gabriel Sherman, Vanity Fair)

Ich habe an dieser Stelle schon öfter über die alles andere als erbaulichen Aussichten eines Trump-Siegs geschrieben und will das gar nicht endlos wiederholen. Ich verweise an dieser Stelle nur einmal mehr auf den Kontrast zwischen dem totalen Chaos seiner ersten Präsidentschaft (siehe hier) und dem Project25. Was ich an dieser Stelle hervorheben will ist aber etwas anderes: nicht Trump ist kompetenter geworden, sondern die Leute um ihn herum. Anders als 2016 hat die republikanische Partei sich vollständig hinter ihn gestellt. Trump IST die republikanische Partei, die demokratische Elemente weitgehend gesäubert hat. Niemand sollte darauf bauen, dass wie 2017-2021 schon irgendwelche halbwegs normal denkenden Leute seine schlimmsten Impulse abfangen werden, oder dass seine Kandidat*innen solche abseitigen Clowns sind, dass sie keinen Schaden anrichten können. Die Profis haben die Kontrolle übernommen, und ihr Projekt ist, was Orban eine illiberale Demokratie nannte. Da ist viel zu wenig Sorge und Bewusstsein vorhanden.

Resterampe

a) Diese Frühgeschichte Amazons zeigt gut, wie Monopolismus funktioniert.

b) Wenn das stimmt, war Stoiber echt ganz schön illusionär unterwegs.

c) Kamala Harris ist bei weitem kein so negativer Punkt, wie gerne behauptet wird.

d) Dieser Test ist angesichts der Empirie auch schon lange überfällig.

e) Verriss von Schröters neuem Buch.

f) Analyse Teslas aktueller wirtschaftlicher Lage.


Fertiggestellt am 07.04.2024

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.