Montag, 2. September 2013

War das eigentlich ein Duell?

Das TV-Duell ist vorüber. Wie zu erwarten hat es nicht gerade dazu gedient, eine Begeisterungswelle demokratischen Partizipationswillens loszubrechen oder die Verhältnisse im Wahlkampf grundlegend umzuwühlen. Einige interessante Beobachtungen ließen sich trotzdem machen, auch wenn sie in der offiziellen Choreographie nicht vorgesehen waren.

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Ein Sieger des TV-Duells am gestrigen Abend stand bereits fest, bevor die ganze Chose begonnen hatte: Angela Merkel. Ohne einen geradezu katastrophalen Fehltritt war vom Duell kein ernstzunehmender Effekt zu erwarten. Merkels Debattenperformance war noch nie gut, das ist nicht ihr Metier. Da sie es aber auch geschafft hat, gegen ein political animal wie Gerhard Schröder in der späteren Nachbereitung auf ein Unentschieden zu kommen (immer noch eine der größten Fehleinschätzungen, meiner Meinung nach: 2005 hatte Schröder klar gewonnen, während 2002 eher einem Unentschieden entsprach – erzählt wird es, wohl auch wegen der Unbeliebtheit Stoibers, gerne andersherum). Dass Steinbrück daran etwas ändern könnte, war nicht zu erwarten. Es musste daher auch jedem klar sein, dass Merkel ihre übliche Strategie fortsetzen und alles in endlosen Phrasen ohne jeglichen inhaltlichen Anspruch erdrücken würde, die sich hauptsächlich auf die eine Aussage herunterkochen ließen, die den CDU-Wahlkampf dominiert: Keine Panik, Mutti macht. Ihre Strategie und die Einfallstore darin waren so offenkundig, dass es verwundert, wie hilflos die Moderatoren darauf reagierten, die sich scheinbar entschlossen hatten, aggressiver als üblich zu fragen. Wenn dem generellen Tonwechsel in diesem Duell aber keine adäquate Vorbereitung entgegenstand, so bot man Merkel damit nur die Chance, sich auch noch als Underdog gegen die fiesen Journalisten zu inszenieren. Steinbrück hingegen ging mit einer doppelten Hypothek in das Duell. Einerseits verlor er das Erwartungsspiel krachend. Jeder und seine Oma ging davon aus, dass er der bessere Redner als Merkel war. Für Merkel war es daher genug, sich nicht völlig zu verhaspeln; Steinbrück dagegen konnte hier nichts gewinnen. Seine persönliche Wahlkampfstrategie war immer gewesen, „Klartext“ zu sprechen – keine Phrasen, kein Geschwätz, klare Kante. Deutliche Ansagen gegen das Phrasengeschwurbel von Merkel. Umso unverständlicher ist es, dass Steinbrück jegliche Vorteile hier verschenkte. Mit Ausnahme der auswendig gelernten Eingangs- und Schlussstatements gelang es ihm nur äußerst selten, irgendwelche Gefühle von Klarheit aufkommen zu lassen. Besonders frappant wurde dies beim Thema Energiepreise, wo Steinbrück Schachtelsätze mit so eindeutigen und verständlichen Forderungen wie die „schnellstmögliche Beseitigung von Überforderungstatbeständen im EEG“ aufwartete. Selbst Stefan Raab gab nach der Sendung zu, Steinbrück nicht immer verstanden zu haben, und das ist ein Statement, dem ich mich problemlos anschließen kann. Steinbrücks große Chance war, Merkels fehlende Substanz, ihr Verharren im Ungefähren anzugreifen. Gelungen ist das nicht ihm, sondern Raab. Stattdessen verschanzte sich Steinbrück hinter einem Wall von Daten, Fakten und technokratischen Phrasen. Dumm nur dass weder ihm noch Merkel Kompetenz angezweifelt wird – hier ging es darum, Kanzler zu werden und nicht Ministerialbeamter. Auf der Moderatorenfront zeigte sich deutlich, dass die Idee mit den vier verschiedenen Moderatoren schlicht Unsinn ist. Deren vorherige Absprachenpolitik scheint hauptsächlich die Sicherstellung eines gleichen Fragenanteils gewesen zu sein. Das ist auch gelungen. Ansonsten waren die Fragesteller überraschend scharf. Immer wieder hakten sie nach und beklagten das ausweichende Frageverhalten beider Kontrahenten (Steinbrück versteckte sein Ausweichen besser als Merkel, aber er machte das auch gerne und oft). Höhepunkte dieses Fragestils waren sicher Wills schnippische, beinahe zickige Gefechte mit Merkel („Ich beantworte gleich Ihre Frage!“ „Das ist aber nett!“) und Raabs unerbittliches Nachhaken bei der PKW-Maut, die zur genuinen Überraschung des Abends führte, in der Merkel notgedrungen Horst Seehofer einen Dolch in den Rücken rammen musste. Überhaupt war Raab wohl derjenige, auf den „besser als erwartet“ zutraf. Sein überaus frecher Fragestil („Warum King of Kotelett?“) schien die beiden Kandidaten eher unvorbereitet zu treffen und provozierte wenigstens Reaktionen, wenngleich mit Ausnahme der PKW-Maut leider wenig Substanz herauskam. Raabs eigene fehlende Substanz zeigte sich denn auch in der Nachbesprechung im „Absolute Mehrheit Spezial“. Das Format ist so, wie es angelegt ist, zu sehr ein Hybrid. Will man den Kandidaten Fragen stellen und sie dazu schwadronieren lassen? Dann wäre ein rigideres Debatten-System wie in den USA sinnvoll, wo dann auch ein Moderator wahrlich ausreicht. Will man eher journalistisch vorgehen und die Kandidaten grillen? Dann fragt sich, warum man sie überhaupt in denselben Raum packt und warum die Journalisten dann solche Beißhemmungen haben (Raab und Klöppel gaben beide zu, aus „Respekt“ nicht härter gefragt zu haben). Will man, dass die Kandidaten sich frei streiten? Dann sollte man vielleicht Stefan Niggemeiers Vorschlag aufgreifen und überhaupt keinen Moderator in die Gleichung einführen. Vor allem sollte man ernsthaft darüber nachdenken, wie man die inhaltliche Überfrachtung beseitigen kann. Ein TV-Duell mit 90 Minuten ist einfach viel zu wenig, um die Themen jenseits von Soundbites zu beackern. Zwei Fragen zu Syrien, ein bisschen NSA, ein bisschen Energie, ein bisschen Euro-Krise – was soll dabei herauskommen? Im amerikanischen Vorbild gibt es drei Debatten, die thematisch scharf voneinander getrennt sind. Entweder man versucht sich daran oder konzentriert sich eben in Gottes Namen auf die Themen, die gerade die brennendsten sind. So aber wird viel irgendwie angeschnitten, manches weggelassen (Familienpolitik? Integration?). Irgendwelchen Gewinn hat man daraus nicht.

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