Montag, 9. Dezember 2013

Kulturpessimismus, als versteckte Kapitalismuskritik verkleidet

Der deutsche Umgang mit dem Versandhändler, Cloudanbieter, Hardwarehersteller und Verleger Amazon hat schon etwas Merkwürdiges an sich. Ständig befindet sich das Unternehmen in der Diskussion, ist quasi die Deutsche Bank der Einzelhandelsbranche, aber die vorgebrachten Argumente gegen das Unternehmen (dafür hört man eh keine) haben alle eine merkwürdige kulturpessimistische Schlagseite, die sich selbst als versteckte Kapitalismuskritik tarnt. Klingt merkwürdig? Der Beweis dafür die die gestrige Jauch-Sendung, die die FAZ hier protokolliert und kommentiert.

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Amazon sei ein asoziales Unternehmen, befindet etwa Ranga Yogeshwar. Zudem, da waren sich fast alle anwesenden einig, zerstöre Amazon das soziale Zusammenleben und veröde die Innenstädte. Günther Wallraff sprach von Sklavenhaltung in einer Sekte, weil die Arbeit so standartisiert sei wie am Fließband. Gleichzeitig brachten die Anwesenden das Kunststück fertig, sich über die rapide vorangetriebene Automatisierung zu beklagen.
Die gesamte Amazon-Kritik hat etwas unglaublich inkohärentes an sich. Das liegt daran, dass sie vor allem ein Vehikel für Kulturpessimismus ist. Es geht nicht wirklich um die Arbeitsbedingungen, die Löhne oder die armen, armen Einzelhändler in den Innenstädten. Stattdessen wird einfach eine schöne Geschichte von "früher" erzählt, der der fiese Technogigant Amazon als Antagonist gegenübergestellt wird.

Und bevor jemand anfängt, bei Amazon kann man genug kritisieren. Die ans Illegale grenzenden Preiskämpfe mit Konkurrenzanbietern, die teils absurden Incentives, die im Bestellsystem verborgen liegen, die reibungslose Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden, unter anderem. Aber das kommt hier gar nicht zum Tragen, stattdessen spricht man über moralische und nostalgische Anekdoten.

Der Geschenkeinkauf in einer Innenstadt bietet Platz für zwischenmenschliche Beziehungen, Familienleben und Ausspannen? War irgendjemand mal in einem innerstädtischen Kaufhaus zur Weihnachstszeit? Da ist jedes Amazon-Paket persönlicher. Vollgestopfte Kaufhäuser, gestresstes Verkaufspersonal, Schlange stehen an der Kasse, Höllenkrach. Ob die Leute da besser bezahlt sind sei dahingestellt, unstressiger ist der Job aber wahrscheinlich auch nicht.

Weder bieten die Kaufhäuser der großen Innenstädte noch die dortigen Bäcker irgendwelche persönlichen Elemente, die irgendwie preislos wären. Auch gehen unsere Sozialverhältnisse nicht unter, wenn wir nicht mehr bei Menschen kaufen, sondern online. Wie viele Leute haben denn intensive Sozialbeziehungen zum örtlichen Karstadtverkäufer, oder zur H&M-Verkäuferin? Der nette Bäcker an der Ecke, der noch selbst backt und ein Probierstück rausgibt, wird es auch weiterhin geben, einmal davon abgesehen dass Probierstücke auch beim Versandhandel möglich sind, sollte der je in die Bäckerbranche vorstoßen. Und schon jetzt gibt es keine Probierstücke in den Bäckerketten, die die Innenstädte mit ihren Selbstbedienungstheken erobert haben.

Auch der merkwürdige Vorwurf, asozial zu sein, weil man keine Steuern in Deutschland bezahlt ist Quatsch. Amazons Ziel als Unternehmen ist Profit, also wird es Steuern sparen. Es ist die Aufgabe der Politik, die Schlupflöcher zu stopfen, und nicht Amazons, sie generös nicht in Anspruch zu nehmen.

Gleiches gilt für die technischen Entwicklungen von dem Versandsystem bis zur Lieferdrohne. Auf der einen Seite wird sich über die miesen, tayloristischen Arbeitsbedingungen beklagt, auf der anderen Seite die große automatisierte Bedrohung an die Wand gemalt. Wäre es nicht super, wenn die Amazon-Logistikzentren praktisch menschenfrei wären? Zumindest wäre es Fortschritt. Es weint ja auch niemand dem Job des morgendlichen Fensterklopfers hinterher, der durch die Verbilligung des Weckers überflüssig wurde.

Generell sollten die mit nostalgischen Geschichtenerzähler ihrem Kulturpessimismus vielleicht mehr mit Leuten durchsetzt werden, die etwas vom Thema verstehen oder doch wenigstens neue Ideen anzubieten haben, anstatt den aktuellen Zustand zu beklagen, aber abgesehen vom "früher" (das auch nicht besser war) ohnehin keine Lösungen anzubieten haben. Ist es Amazons Schuld, dass DHL Subunternehmer mit furchtbaren Konditionen einstellt? Nein, es ist die Schuld der Politik, dass sie das möglich macht und sogar fördert.

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