Freitag, 8. September 2017

Die Guten

Einer der häufigsten Kritikpunkte, den mein Mammutartikel "Der lange Weg nach Charlottesville" erhielt war, dass ich zu einseitig die Republicans als die "Bösen" und die Democrats als die "Guten" darstellen würde. Ich möchte anhand einiger aktueller Entwicklungen zeigen, dass diese Einteilung nicht einfach nur meiner Parteinahme für die Democrats entspringt.

Eine Voraussage, die ich in meinem Artikel getroffen habe war, dass die Democrats im Gegensatz zu den Republicans nicht das debt ceiling als Geißel nehmen würden, sondern es erhöhen. Eine These war, dass die Republicans in ihrer aktuellen Form grundlegend regierungsunfähig sind. Beides wurde durch die Ereignisse der letzten drei Wochen belegt.

Ereignis Nummer eins ist der Hurrikan "Harvey", der verheerende Schäden über Texas anrichtete und Houston überflutete. Die katastrophale Stadtplanung, die dieses Ereignis extrem verstärkte, ist ein Thema für einen eigenen Artikel und kein republikanisches Problem; die Democrats haben ebenfalls kein ordentliches Stadtplanungskonzept. Die Reaktion auf den Sturm dagegen ist ein Mikrokosmos der aktuellen Sackgasse, in der sich die GOP befindet. Ted Cruz, der 2012 in einer vergleichbaren Situation gegen Hilfen für die Opfer des Hurrikans "Sandy" stimmte, der New Jersey verwüstete, schrie lauthals nach Bundesgeldern, und andere konservative Hardliner taten es ihm nach. Ihnen allerdings muss man noch zugute halten, dass sie wenigstens für ihre eigenen Wähler ihren Radikalismus hinten anstellen.

Im Gegensatz dazu stehen 90 Kongressabgeordnete der republikanischen Partei, die gegen Hilfen für Hurrikan-Opfer stimmten. Ausschließlich Republicans stimmten dagegen, alle Democrats waren dafür - obwohl von dem Sturm nur tiefrote Staaten betroffen sind. Sie versuchten auch nicht, die Republicans damit zu erpressen. Es war selbstverständlich, dass in solch einer Situation keine Parteipolitik betrieben wird.

Während der laufenden Notfallmaßnahmen indessen drohte Trump mit der Aufhebung des DACA, der es Kindern von undokumentierten Einwanderern erlaubt, in den USA zu bleiben, sofern sie vor 2007 und im Alter von unter sieben Jahren eingereist waren (die so genannten "Dreamer"). Im Bereich Houston wies er die Grenzpolizei ICE an, ihre Checkpoints so lange wie möglich offen zu halten, so dass von dem Sturm bedrohte Dreamer befürchten mussten, verhaftet und deportiert zu werden wenn sie flohen - oder aber riskieren, vom Sturm getötet zu werden. Kein einziger Republican kritisierte diese mörderische Maßnahme.

Ereignis Nummer zwei ist das debt ceiling. Wie immer drohen republikanische Fanatiker damit, die USA bankrott gehen zu lassen. Ryan und McConnell brauchen daher die Stimmen der Democrats, um das debt ceiling zu erhöhen. Versuchten sie, wildeste Konzessionen zu erpressen wie die Republicans 2011 und 2013? Natürlich nicht. Stattdessen lösten sie den beiden nominellen Anführern ihres regierungsunfähigen Haufens gleich zwei Dilematta, indem sie die Finanzhilfen für die Opfer von Harvey ebenfalls mit verabschiedeten. Wir erinnern uns: im Februar 2009 stimmte JEDER EINZELNE REPUBLICAN gegen Hilfsmaßnahmen für die größte Wirtschaftskrise seit 1929. Eine dieser beiden Parteien ist um Längen besser als die andere.

Die Zustimmung der Democrats zur debt-ceiling-Erhöhung war übrigens auch deswegen so groß in den Nachrichten, weil es das erste Mal seit acht Jahren war, dass die Minderheit im Kongress mit der Mehrheit konstruktiv zusammengearbeitet hat. Kein Wunder, schließlich ist es das erste Mal seit acht Jahren dass die Democrats in dieser Rolle sind und nicht die Republicans. Unter Bush war dies die Norm (siehe 9/11, siehe Irak, siehe Medicare D, siehe Katrina-Hilfen). Die totale Disfunktionalität Washingtons wurde erst in den letzten acht Jahren zur Norm - unter den extremistischen Republicans.

Ereignis Nummer drei ist der Doppel-Hurrikan aus "Imra" und "Jose", der aktuell auf Florida zurast. Rush Limbaugh, der rechtsextremistische Talkshowhost, verkündete noch am Dienstag, es handle sich um ein liberales Lügengespinst. Der Hurrikan existiere nicht und sei nur ein politisches Manöver der Democrats, um ihre Klimawandellügen zu verbreiten. Heute schrie er aus voller Kehle, man müsse Florida evakuieren (wo 21 Millionen Menschen leben). Der Umweltminister Trumps, Pruitt, stieß ins selbe Horn und verkündete mit denselben Formulierungen mit denen die Republicans nach Schulmassakern eine Debatte über schärfere Waffengesetze ablehnen, dass "jetzt nicht der Zeitpunkt sei, über Klimawandel zu sprechen". Während Meteorologen vor dem sich nähernden Sturm "Harvey" warnten erließ der texanische Kongress übrigens ein Gesetz, das neben Sturmgewehren nun auch das offene Tragen von Schwertern und Macheten erlaubt, weil der Staat keine dringenderen Probleme hatte.

Ereignis Nummer vier ist die Abschaffung einer Obama-Initiative im Bildungsministerium, die die Universitäten und Schulen dazu verpflichtete, Anschuldigungen von Vergewaltigung und sexueller Belästigung nachzugehen. Trumps Bildungsministerin Betsy DeVoss hatte sich zuvor mit einer Gruppe von "Männerrechtsaktivisten" getroffen und deren Argumente übernommen. Sexuelle Straftaten unter Trump sind selbstverständlich kein Grund, diesen auch nachzugehen. Aber das dürfte bei diesem Präsidenten niemanden überraschen.

Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen:

Von 535 Abgeordneten im Kongress stimmten 90 gegen Hilfen für die Opfer eines 500-Jahr-Sturms. Alle 90 waren Republicans.

Damit die USA nicht bankrott gehen brauchte die Regierungspartei, die in beiden Häusern die Mehrheit hat, die Stimmen der Democrats.

Man verzeihe mir vor diesem Hintergrund, wenn solange dieser Fieberwahn die Republicans im Griff hält, ich kein Problem damit habe, die Democrats als die Guten zu betrachten.

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