Mittwoch, 23. Januar 2019

Romney bezieht mit Döpfner eine islamische Kommunalwohnung der Antifa - Vermischtes 23.01.2019

Die Serie "Vermischtes" stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Mitt Romney supports the status quo. But for everyone else, it's infuriating
Thirty years ago, conservatives looked at Detroit or Newark and many other places and were horrified by what they saw. Conventional families had all but disappeared in poor neighborhoods. The majority of children were born out of wedlock. Single mothers were the rule. Crime and drugs and disorder became universal. What caused this nightmare? Liberals didn’t even want to acknowledge the question. They were benefiting from the disaster, in the form of reliable votes. Conservatives, though, had a ready explanation for inner-city dysfunction and it made sense: big government … There was truth in this. But it wasn’t the whole story. How do we know? Because virtually the same thing has happened decades later to an entirely different population. In many ways, rural America now looks a lot like Detroit. … Here’s a big part of the answer: male wages declined. Manufacturing, a male-dominated industry, all but disappeared over the course of a generation. All that remained in many places were the schools and the hospitals, both traditional employers of women. In many places, women suddenly made more than men. Now, before you applaud this as a victory for feminism, consider the effects. Study after study has shown that when men make less than women, women generally don’t want to marry them. Maybe they should want to marry them, but they don’t. Over big populations, this causes a drop in marriage, a spike in out-of-wedlock births, and all the familiar disasters that inevitably follow — more drug and alcohol abuse, higher incarceration rates, fewer families formed in the next generation. (Tucker Carlson, FOX News)
Diese Rede von Tucker Carlson wurde in letzter Zeit viel debattiert. Für mein Gefühl ist es dieses periodische Auftauchen des Populismus-Aspekts von Trump. Es ist diese Botschaft, die ihm die berühmten Arbeiterstimmen im Mittleren Westen (mit) eingebracht hat. Gegen Freihandelsabkommen, irgendwie für bessere Arbeitsplätze, Erhalt oder Wiederherstellung der alten Facharbeiterherrlichkeit. Diese ganze Botschaft beißt sich nur mit der tief in der DNA der Partei verwurzelten Interessenvertretung der oberen 0,1%, weswegen diese Anwandlungen (bisher) immer nur Episode blieben. Das gilt übrigens für die Democrats ebenso; auch die entdecken gelegentlich ihre populistische Ader (prominent etwa im Wahlkampf 2012 oder jetzt gerade wieder), aber sie halten die Botschaft nicht wirklich durch. Ich bin auch nicht überzeugt davon, dass das bei den Republicans jetzt großartig anders sein wird. Nicht nur sind die meisten Abgeordneten an dieser Art des ökonomischen Populismus kaum interessiert, so dass er nur ein von außen eingespieltes, fremdes Element bleibt. Trump ist auch schlicht keine besonders gute Figur für diese Art von Populismus. Er hat ihn zwar gelegentlich raus (und macht dabei eine gute Figur), aber er hat nicht die Disziplin, um ihn zum Kern zu machen (wie etwa Bernie Sanders das tut). Selbst diejenigen, die das von außen eingeben - wie Tucker Carlson - haben andere Motive. Und das ist das für mich herausstechendste an dem obigen Zitat. Die direkte Verknüpfung dieses ökonomischen Populismus mit rechten identity politics ist das, was seine Chancen nimmt. Für Carlson ist, nicht zu Unrecht, diese Art von Ökonomie direkt mit Männlichkeitsvorstellungen verbunden. Es geht nicht (nur) darum, dass wieder gut bezahlte, sichere Jobs in der Verarbeitung entstehen. Es geht darum, dass der "a man provides for his family"-Lebensstil wieder entsteht. Deswegen sind diese Vorstellungen auch mit dem verarbeitenden Sektor verbunden: Hier arbeiten echte Männer, die man sich etwas verdreckt im Overall vorstellen muss. Ehrliche Arbeit für ehrlichen Lohn. Und die kommen dann nach Hause, wo Ehefrau und Kinder warten. Dieser ökonomische Populismus ist zutiefst mit traditionellen Gendervorstellungen verknüpft. Und das spielt auch eine Rolle dafür, dass diese Art von Populismus heimatlos ist. Denn dasselbe Problem hat ja Bernie Sanders auch. In der GOP ist diese Politik vor allem deswegen heimatlos, weil sie gegen die Interessen aller mächtigen Player in der Partei läuft. Niemals wird es eine Kongressmehrheit für diesen Kram geben; es ist ja kein Zufall, dass Trump nicht einmal versucht hat, seinen Wahlkampfschlager vom großen Infrastrukturprogramm einzubringen. Aber bei den Democrats läuft diese Idee völlig gegen die mittlerweile vorherrschenden neulinken Strömungen. Die Sprache dieses ökonomischen Populismus hat historisch die Schwarzen, Frauen und Latinos immer ausgeschlossen. Das mag zwar für ihre heutigen Proponenten nicht mehr gelten, erklärt aber, warum er für sie deutlich weniger attraktiv ist  - und die Wand, gegen die Bernie 2016 gelaufen ist, wie auch die demographischen Linien, die die Unterstüzer von Hillary und Bernie trennten, sowohl hinsichtlich Ethnie und Geschlecht als auch Alter. Deswegen denke ich, dass diese Art des ökonomischen Populismus zwar für ein großes Segment der US-Bevölkerung attraktiv bleibt, das über beide Parteien verteilt ist und völlig konträr zu den aktuellen ideologischen Trennlinien läuft - und dass gerade diese politische Heimatlosigkeit ihn dazu verdammt, ein Außenseiterdasein zu spielen. Zumindest, bis einem Kandidaten die Synthese gelingt. Und ich denke, der erste, der das schafft, hat eine neue Mehrheit in der amerikanischen Politik.

2) The five key constituencies of the 2020 Democratic primary
Over the long course of the Republican presidential nomination process in 2015 and 2016, we frequently featured a diagram called “The Republicans’ Five-Ring Circus.” The chart was based on the idea that the GOP essentially consisted of five different constituencies: the establishment wing, the moderate wing, the tea party, libertarians and Christian conservatives. Each presidential candidate’s goal was to dominate his or her constituency or “lane” (for example, Rand Paul would have been looking to win libertarians, or Jeb Bush to win establishment voters), and then unify with the other constituencies to claim the Republican nomination. Except it didn’t exactly work out that way. Donald Trump, a candidate who didn’t fit neatly into any of the lanes, won instead. In retrospect, President Trump had a fair amount in common with the tea party movement — we sometimes placed him there in the chart, and sometimes put him outside of the five circles entirely. But he was really running as more of a mix of a tea party populist on issues such as immigration1 and a Northeastern moderate on economic policy. (In Pennsylvania, for instance, Trump did just as well with self-described moderate voters as with conservatives.) Problematically, our five-ring circus chart didn’t even consider the possibility of candidate who overlapped between the moderate wing and the tea party wings of the GOP. Trump also won over a significant number of evangelical voters, even though he had not exactly abided by a “family values” lifestyle, nor did he make a particular priority of issues such as abortion. So for the 2020 Democratic nomination, we’ve resolved to entertain multiple hypotheses about the contest simultaneously. Perhaps the party will decide, and so we should be looking at how much support each candidate has from party elites. Perhaps the candidate most dissimilar to Trump will win, and so we should be evaluating the candidates based on that criteria. Perhaps the primary is just so hard to forecast that you might as well look at the polling, crude as it might be. (It has more predictive power than you might think.) (Nate Silver, 538)
Dieser Artikel ist letztlich eine direkte Fortsetzung meiner Gedanken zu Fundstück 1). 538 stellt hier ein interessantes Modell vor, das im Auge zu behalten sich lohnt, um die demokratischen primaries zu analysieren. Mit dem offiziellen Start der Wahlsaison wird die Berichterstattung zu diesen Themen hier auf DD sicherlich wieder an Prominenz gewinnen, das nur gleich als Ankündigung/Warnung. ;) Trump als Kandidaten kennen wir mittlerweile und können wir einschätzen. Wer ihn 2020 herausfordern wird, wird allerdings viel davon bestimmen, welche Themen den Wahlkampf dominieren. Es ist noch zu früh für irgendwelche Vorhersagen. Was wir aktuell sehen sind erste Versuche der Kandidaten, diese Themen zu bestimmen. Ob sie damit erfolgreich sind, bestimmt zu einem großen Teil, ob sie eine Chance haben (abgesehen von ihrer Kandidatenpersönlichkeit). Bis dahin sei die obige Matrix empfohlen, um die Kandidaten einzuordnen versuchen.

3) Als Kulturgut nicht ernstgenommen
Das liegt nicht daran, dass es in der Szene keinen Widerstand gäbe. Den gibt es. Es liegt eher daran, dass die gesellschaftlichen Mechanismen, die in einem solchen Fall für Aufmerksamkeit und eine öffentliche Diskussion sorgen würden, nicht zu greifen scheinen. In vielen Punkten ist die Gamerszene nicht sehr reif. Sie verlässt sich auf eine Art gesellschaftlichen Welpenschutz, unter dem aber inzwischen nicht mehr jugendlicher Leichtsinn toleriert wird, sondern so ziemlich alles, von sinnloser Splatter-Gewalt bis zu offenem Hass. Wenn die Menschen hinter den Spielen stärker in den Vordergrund träten, würde sich das natürlich nicht sofort ändern. Aber es wäre ein wichtiger Schritt, Spiele als Kulturgut ernster zu nehmen und es würde auch den Entwicklern helfen, ihre gesellschaftliche Rolle ernster zu nehmen: Sie sollten an Debatten teilnehmen und sie sollten in den Medien präsenter werden, um, wie andere Künstler auch, ihre Werke zu diskutieren. Sie sollten den Entwicklerstudios ein Gesicht geben und für ihre Spiele einstehen und sich nicht hinter einem Firmenlogo verstecken. Wenn ein Chefentwickler oder ein Team dafür bekannt ist, ein Spiel entwickelt zu haben, werden sie Sexismus und Fremdenhass auf ihrer Plattform mit Sicherheit anders begegnen, als wenn diese scheinbar nur von einem anonymen Unternehmen betrieben wird. Und es würde den Spieleentwicklern erlauben, anderen Künstlern wie Filmemachern und Schriftstellern auf Augenhöhe zu begegnen. Es wäre ein wichtiger Schritt für das Medium auf dem Weg zum Erwachsenwerden. (Nicolas Freund, SZ)
Die obigen Punkte sind sicherlich richtig. So viel die Gamer-Community sich auch darüber beschwert, nicht wirklich ernstgenommen werden, so sehr muss man auch sagen, dass sie nicht gerade ihren Teil dafür erbringen. Sowohl Programmierer als auch Spieler ziehen sich oft aus jeglicher Kritik heraus, indem sie sich auf die "es ist nur ein Spiel"-Linie zurückziehen, aber gleichzeitig beschweren sie sich dann, wenn ihr geliebtes Medium als bedeutungslos und kindisch abgetan wird. Wenn man gerne Kunst sein will und als Kunst anerkannt werden, dann muss man auch die Kritik aushalten. Der andere Punkt aus obigem Artikel ist die Identität der Spielemacher. Ich finde die Forderung nach höherer Sichtbarkeit der Verantwortlichen zwar nachvollziehbar, aber gleichzeitig schwierig umsetzbar. Für die Games sind hunderte von Leuten verantwortlich. Wer ist da die entscheidende Figur? Bei Filmen gibt es ja bereits diese wenig hilfreiche Konzentration auf den Regisseur. Aber wer soll eine solch hervorgehobene Rolle bei Spielen übernehmen? Mein Gefühl ist, dass hier keine so klare künsterlische Entscheidungsfigur wie der Regisseur existiert. Um mir gleich selbst zu widersprechen könnte das natürlich ein Henne-Ei-Problem sein. Es gibt ja eine ganze Reihe von Filmproduktionen, die nach Schema F einfach nur ein wenig Geld in die Kassen spülen sollen und künstlerisch irrelevant sind, während andere - gerade von prominenten Regisseuren - von Anfang an mit einer gewissen künstlerischen Intention gemacht werden. Es kann also durchaus sein, dass die grausige Storykultur der Spielebranche ins Wanken gebracht werden könnte, wenn ein prominenter Creative Director das Projekt leitet und entsprechend ein Budget bekommt. In den aktuellen Branchenstrukturen scheint das aber nicht wirklich möglich.

4) Interview mit Matthias Döpfner
Frage: Sind Sie in den Sozialen Medien unterwegs? Döpfner: Nein, das kostet zu viel Zeit, produziert zu viel negative Energie und zu wenig Erkenntnis. Frage: Da widersprechen Sie vielen Journalismus-Strategen, die sagen, dass man als Medienmanager drin sein müsse. Döpfner: Journalisten müssen natürlich Soziale Medien als Informationsquelle und Rechercheinstrument benutzen. Aber die eigene Präsenz von Journalisten in sozialen Medien erscheint mir zunehmend problematisch. Die Idee, dass der Vertreter einer Medienmarke rein privat twittern oder auf Facebook posten kann, ist absurd. Kein Mensch kann das unterscheiden. Ein Chefredakteur oder Redakteur ist dort keine private Person. Deshalb wird viel zu schnell geschrieben, was am Ende der Marke abträglich ist. Am Ende dienen diese Aktivitäten allenfalls der Person, sehr selten dem von ihr vertretenen Medium. Ich empfehle allergrößte Zurückhaltung, wenn nicht gar vollkommene Enthaltsamkeit. Außerdem haben Journalisten doch eine gute Plattform, um sich auszudrücken. Ihr Medium. Warum sollten sie Ihr wertvollstes Gut – ihre Erkenntnisse und Gedanken, ihre Inhalte – verschenken, um Twitter zu Exklusivnachrichten oder Kurzkommentaren zu verhelfen? Frage: Die Leidenschaftlichkeit verführt manchmal zu diesem schnellen Schreiben ... Döpfner: Verkürzung, Emotionalisierung kann dann, hektisch zwischendurch geschrieben und gesendet, komplexe Sachverhalte verzerren. Frage: Da müssen wir Sie dann als Springer-Chef fragen: Gerade die „Bild“-Zeitung hat die Verkürzung zu ihrem Markenzeichen erhoben. „Wir sind Papst“ oder „Der Mond ist jetzt ein Ami“ ... Döpfner: Solche Überschriften sind eine Kunstform. Daran wird oft Stunden hart gearbeitet. Wer etwas zu sagen hat, braucht keine langen Sätze. Das ist das Stilmittel des von mir so bewunderten Boulevard-Journalismus. Ich finde es geschickter, wenn Journalisten ihre Kreativität für die kürzeste, originellste und treffendste Schlagzeile für ihre eigenen Plattformen nutzen und nicht mit ihren Tweets als Gratis-Dienstleister die Reichweite der Sozialen Medien steigern. (Welt)
Einmal abgesehen von der echt langweilig-konventionellen Medienkritik, die Döpfner hier abzieht und die von einem gewissen Unverständnis der Sozialen Medien zeugt, finde ich vor allem seine Ablehnung der "Journalisten als Marke" spannend. Denn er hat ja durchaus handfeste Gründe jenseits der Journalismus-Ethik, warum er das ablehnt. Konkret: Journalisten, die ihre eigene Marke sind (wie es in den USA schon lange Usus ist, man denke nur an Ezra Klein, Jamelle Bouie und andere), sind im Wesentlichen unabhängig von der Zeitung, für die gerade arbeiten. Ihre Artikel erscheinen gerade bei Medium XY, aber sie können genausogut woanders arbeiten - und dann hat diese Zeitung ihre Artikel. Döpfner will, dass die Journalisten hinter der Marke verschwinden. Jeder BILD-Journalist ist austauschbar. Das ist besser für die Marke, keine Frage, und für den Gewinn sowieso, weil man die Leute dann schlechter bezahlen kann. Aber das ist Herausgeber-Interesse, nicht Journalisteninteresse, und man tut gut daran, diese beiden Dimensionen zu trennen.

 5) Rechte bedrohen erneut Frankfurter Anwältin
Seitdem ist Seda Başay-Yıldız, 42, nicht mehr nur ein Organ der Rechtspflege, sondern ein Anschlagsziel. Und der Staat, der sie schützen soll, offensichtlich hilflos. Das erste Fax kam im August. Der Absender drohte Başay-Yıldız, ihre kleine Tochter zu "schlachten". Er nannte den Namen der Zweijährigen und auch die Wohnadresse der Familie. Der Brief war mit NSU 2.0 unterzeichnet. Bei der Suche nach dem Urheber stieß die Polizei auf fünf Frankfurter Polizisten, die sich in einem Chat Hakenkreuze und Hitlerbilder schickten. Die Ermittler fanden heraus, dass in der Polizeiwache - ohne nachvollziehbaren Grund - die Daten von Seda Başay-Yıldız abgefragt worden waren. Nun ist wieder ein Fax bei Başay-Yıldız angekommen - obwohl die Polizisten aus der Frankfurter Wache vom Dienst suspendiert sind. Und dieser Brief stützt sich wieder auf interne Daten aus dem Polizeicomputer. Er nennt den Namen von Başay-Yıldız' Vater, ihrer Mutter, ihres Mannes, ihrer Tochter - aller Menschen, die unter ihrer Adresse gemeldet sind. "So etwas kann man nicht über die sozialen Netzwerke herausfinden", sagt Başay-Yıldız. "Und mein Vater ist 79, der ist nicht auf Facebook oder sonstwo aktiv." Alles deutet abermals darauf hin, dass der Täter Zugang zu Polizeidaten hat. Sein Brief bezieht sich klar auf die Suspendierung der Frankfurter Polizisten. "Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast! Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, du Türkensau! Deiner Scheiß (Name der Tochter) reißen wir den Kopf ab ... und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden." Wieder steht am Ende: NSU 2.0. (Anette Ramelsberger, Süddeutsche Zeitung)
Ich habe letzthin sehr viel Gegenwind für die Aussage bekommen, dass Rechtsextremismus ein besonders großes Problem bei Polizei und Bundeswehr ist. Hier haben wir wieder einmal ein Beispiel dafür, warum das nicht so ist. Es ist auch schlicht offenkundig. Logisch haben diese Berufsgruppen eine besondere Anziehungskraft auf Leute, die an Ordnung, Macht und Durchsetzung mit Gewalt glauben. Genauso wie Journalismus und Bildung eher Leute anziehen, die daran glauben, dass man die Gesellschaft verändern kann. Deswegen ist es auch notwendig, dass diesen Strömungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wenn rechtsextreme Gewalt und Drohungen direkt von der Polizei ausgehen und die Täter offensichtlich Rückgriff auf den Polizeicomputer nehmen, dann ist das ein essenzielles Problem, genauso wie wenn ein Linksextremist Politik an der Schule unterrichtet (wie ja auch in Hessen schon Thema gewesen). Warum muss man das überhaupt kontrovers diskutieren? Diese Leute sitzen an einer ungeheuer sensiblen Schaltstelle, an der absolute Zweifel- und Tadellosigkeit Bedingung der Berufsausübung sein muss. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Siehe auch Fundstück 10)

6) Want to Cultivate a Liberal European Islam? Look to Bosnia.
Today, the history and practice of Bosnian Islam yield a number of noteworthy lessons for those seeking to cultivate a liberal Islam in Europe. One is that an institutionalized, centralized form of Islam can be highly successful, as seen in the case of the Islamic Community. [...] The Islamic Community cites the “requirements of time” (in the words of Bosnia’s top Islamic legal scholar) as one of the principles animating its religious interpretations: Islamic thought can and should offer Muslims answers on how to practice Islam here and now. The result is that “the institutions are given an element of flexibility, while maintaining Islam’s timelessness.” The same institution today asserts its credibility to “serve as a constructive partner for other Muslim communities and EU institutions.” [...] Second, forced secularization—including bans on wearing face veils—can be counterproductive. As the testimonies of Muslim women from Yugoslavia revealed, such restrictions can produce deeply negative consequences, including insults and attacks against veiled women. Instead, Muslims’ own questioning of the religious foundations of the face veil can yield progressive interpretations that feel authentic because they’re coming from within the community. [...] Finally, Islamic modernism, born in the 19th century as an effort to reinterpret Islam with a liberal spirit, is not as ineffective as some pessimistic commentators on Islam believe. In today’s Bosnia, Islam is internally diverse: Many Muslims see it as part of their cultural heritage, while others emphasize the importance of daily religious rituals. (Riada Asimovic Akyol, The Atlantic)
Ich bin kein Experte für Bosnien, deswegen nehme ich diese Beschreibung für bare Münze. Falls jemand abweichende Informationen hat, gerne in die Kommentare. Ich finde allerdings die Lektionen, die in dem Artikel genannt werden, auch unabhängig von der Landesfolklore interessant, vor allem was den zeitlichen Aspekt und die Frage der Mitarbeit der Muslime selbst betrifft.
Zeitlich gesehen zeigt das bosnische Beispiel, dass eine erfolgreiche Integration nur über einen Zeitraum von Jahrzehnten gemessen werden kann. Das ist eigentlich, wenn man sich Migrationsgeschichte ansieht, eine Selbstverständlichkeit. Gerade im Einwanderungsland USA kann man sehr gut sehen, wie lange es immer gedauert hat, bis die jeweils letzte Einwanderergeneration integriert war, und häufig brauchte es dazu eine neue, von der sie sich abgrenzen konnten.
Personell gesehen zeigt Bosnien aber auch, dass Integration überhaupt nur möglich ist, wenn die kulturellen Führungsfiguren der jeweiligen Community das wollen. Die islamischen Führungspersonen erklärten die Loyalität und Integration in den Staat für akzeptabel und mit der Religion vereinbar. Das fehlt uns in Europa, unter anderem auch, weil es solche Führungsfiguren nicht gibt. Die bisherigen Versuche, einen Euro-Islam zu etablieren, etwa über den Zentralrat der Muslime oder ähnliche Maßnahmen, waren ja eher halbherzig und wenig erfolgreich.

On January 4, the day after Rep. Rashida Tlaib (D-MI) referred to President Donald Trump by saying “Impeach the motherfucker” during a reception with supporters, cable news outlets (CNN, Fox News, and MSNBC) spent over two and a half hours discussing the topic. In comparison, in the roughly 24 hours following the publication of Rep. Steve King's (R-IA) comments in The New York Times that showed him embracing white supremacy, cable news devoted just under 30 minutes of coverage to the congressman’s racism. The discrepancy was the most glaring on Fox News, which devoted 52 minutes of coverage to Tlaib’s cursing and just 42 seconds to King’s comments about white supremacy. That’s over 74 times more coverage of Tlaib. Fox’s sole segment about King was framed as “Republican Congressman Steve King is fighting back against a New York Times article.” CNN’s and MSNBC’s coverage was also skewed, though not nearly as much. CNN covered Tlaib’s comments for nearly an hour and five minutes while covering King’s comments for just about 15 minutes. MSNBC covered Tlaib cursing for the least amount of time, nearly 38 minutes, and covered King’s embrace of white supremacy for just over 14 minutes. It isn't just the amount of coverage that shows a clear difference in how these stories were covered. The day after Tlaib cursed, congressional Democrats appearing on cable news were consistently asked for their response to her comment. While some Republicans have issued condemnations of King, cable news doesn’t have the same urgency in asking elected Republicans to respond to King’s comments. The imbalance in coverage between these stories raises serious questions about just what stories cable news considers newsworthy and whether there’s a double standard in coverage of Democrats versus Republicans. (Lis Power/Rob Savillo/Stephen Morris, Media Matters)
Ich würde gerne sagen, dass dieses mediale Ungleichgewicht ein spezifisch amerikanisches Problem wäre, aber leider nicht. Der Verstoß Tlaibs gegen existierende Normen durch ihr Fluchen ("motherfucker") verurteilt sich wesentlich leichter als der offene Rassismus Kings, schlichtweg deswegen, weil offener Rassismus inzwischen eine parteiische Größe ist: dadurch, dass die GOP eine offen rassistische Partei ist, ist Kritik an solchem Rassismus immer gleichzeitig parteiisch. Die Norm gegen öffentliches Fluchen dagegen ist überparteilich und lässt sich deswegen viel leichter öffentlich angreifen, ohne dass man deswegen gleich von Kritik der jeweiligen Parteigänger überschüttet wird. Diese Anreizsituation existiert auch in Deutschland, und sie ist extrem schädlich für die Demokratie. Auf diese Art finden die Empörungswellen über irgendwelchen irrelevanten Blödsinn statt, über den sich aber alle "sicher" empören können ohne irgendwem auf die Füße zu treten, anstatt über die echten Probleme zu reden, bei denen man mit ernsthaftem und teils schmerzhaftem Gegenwind rechnen und sich ihm stellen muss. Es ist Feigheit vor dem Feind.

8) Tweet
Ich lass das mal hier liegen für die "ach, das spielt alles keine Rolle, du übertreibst total"-Leute. Die Korrelation ist viel zu stark, als dass das keine Rolle spielen würde. Wir können gerne darüber diskutieren, wie groß der Effekt von Sexismus ist. Aber darüber, dass er existiert und eine Rolle spielt, besteht keinerlei Zweifel. 9) Berliner Senat steht hinter Rückkauf von Wohnungen
Die Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen große Wohnungsbestände abkaufen zu wollen, stößt koalitionsintern auf positive Resonanz. Mit dieser Idee könne man arbeiten, hört man in den Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne. Auch die Finanzpolitiker der Koalition haben keine grundsätzlichen Bedenken gegen ein solches Projekt. Es geht, wenn man Müller beim Wort nimmt, um 51.000 ehemals landeseigene Mietwohnungen, die 2004 für 405 Millionen Euro an US-Fondsgesellschaften verkauft wurden – und seit November 2013 der Deutsche Wohnen gehören. Eine Aktiengesellschaft, die in Berlin fast 115.000 Wohnungen besitzt und einen Börsenwert von fast 17 Milliarden Dollar hat. Die rot-rot-grünen Haushalts- und Bauexperten räumen ein, dass auch eine teilweise Rekommunalisierung der Deutsche Wohnen ein Milliardenprojekt wäre, dass nur in mehreren Tranchen, gestreckt über viele Jahre, machbar ist. (Ulrich Zawatka-Gerrlach, Tagesspiegel)
Thilo Sarrazin, Meister des nachhaltigen Wirtschaftens und der pragmatischen Finanzpolitik, hat diese Wohnungen, die man nun für mehrere Milliarden zurückkaufen will, 2004 für 7941 Euro das Stück verramscht. Knapp 8000 Euro pro Stück. Jetzt muss Berlin Milliarden ausgeben, nur um den Status Quo wiederzubekommen. Das ist natürlich kein Problem, weil der gleiche Thilo Sarrazin die Stadtfinanzen ja in brillantem Zustand hinterlassen hat. /Ironie Diese Episode ist exemplarisch für den Privatisierungswahn der 2000er Jahre. Aus rein ideologischer Motivation wurde damals das Tafelsilber effektiv verschenkt. Sarrazin hat 204 Millionen gemacht. Hat das den Berliner Staatshaushalt irgendwie besser gemacht? Ist die Situation durch diesen Verkauf besser? Gibt es irgendeinen Menschen, dessen Leben durch diesen Verkauf besser ist? Das gleiche gilt für zahlreiche andere Maßnahmen damals auch. Damals wurden Milliarden verschwendet, in deutlich schlimmerem Ausmaß als viele der "Steuerverschwendungen", die der Bund der Steuerzahler so gerne anprangert. Das Ganze beruhte immer auf der ideologischen Prämisse, dass man die Staatsquote senken müsse, auf Teufel komm raus. Dabei waren die Schleuderpreise Ausdruck des Unvermögens, mit dem Kram auf dem freien Markt bestehen zu können. Sonst hätte man ja viel höhere Preise verlangen können. Wenig überraschend lassen sich die sozialen Leistungen dann nicht aufrecht erhalten. Oft genug kommt das die Steuerzahler teurer als wenn der Kram einfach beim Staat als Zuschussgeschäft verbleibt. Die Hoffnung wäre, dass künftige Maßnahmen dieser Art eine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung bekommen, so dass man da privatisieren kann, wo es sinnvoll ist - und es da bleiben lässt, wo es nur ein Zuschussgeschäft ist.

 10) Interview mit Seda Başay-Yildiz
Sie fühlen sich in einen Topf geworfen mit Islamisten? Die Drohung gegen mich ist nicht nur ein Angriff auf mich, sondern ein Angriff auf den Rechtsstaat. Populistische Äußerungen, vor allem von Innenminister Horst Seehofer, aber auch von Alexander Dobrindt, der Rechtsanwälten eine "Anti-Abschiebe-Industrie" vorwarf, tragen dazu bei, das Klima aufzuheizen. Da werden wir Anwälte, Organe der Rechtspflege, plötzlich zu Feinden. [...] Die Polizei sagt mir, dass ich eine öffentliche Person bin und deswegen immer ein gewisses Risiko besteht. Aber man sieht das Risiko nicht als sehr groß an. Gleichzeitig bieten mir die Polizisten an, dass ich einen Waffenschein haben kann, um mich zu schützen.  Vergangene Woche kam heraus, dass auch ein anderer Polizist aus Hessen interne Informationen herausgegeben hat, diesmal an eine Frau aus der rechtsradikalen Szene, die derzeit in Halle wegen eines gewaltsamen Angriffs am 1. Mai 2017 vor Gericht steht. Haben Sie noch Vertrauen in die Polizei? Der Vertrauensverlust hat schon seit der Selbstenttarnung des NSU eingesetzt. Es wurden da so viele, bis dahin unvorstellbare Fehler gemacht. Nun heißt es wieder, diese verschiedenen Vorfälle hingen nicht miteinander zusammen, das seien Einzelfälle. Aber was wissen wir schon von der Dunkelziffer, von den Fällen, in denen interne Daten weitergegeben werden, und die nicht auffliegen? Von Einzelfällen kann man nicht mehr sprechen. Was erwarten Sie von der Polizei? Die Polizei ist eine wichtige Säule unserer Gesellschaft. Sie muss alle Bürger schützen, ohne Rücksicht auf Herkunft, Religion oder Geschlecht. Viele Polizisten machen einen aufrechten Job. Umso wichtiger ist es, rechtsradikale Tendenzen im Auge zu behalten und diese Leute ohne Wenn und Aber aus dem Dienst zu entfernen. Wenn nach solchen Drohungen und rechtsradikalen verfassungswidrigen Äußerungen nur Disziplinarstrafen verhängt werden und einer dann weiter Dienst als Polizist tun kann - das wäre für mich und auch andere nicht mehr nachvollziehbar. Hier muss man mit aller Härte durchgreifen.
Passend zu Fundstück 5) hier noch dieses Interview. Ich lasse das mal unkommentiert stehen.

11) Danke, Antifa
Das staatliche Gewaltmonopol hat Kamal K. damals nicht geholfen. Und wer angesichts der zahlreichen Gewaltaufrufe der AfD und anderer rechter Gruppen nur mit „Keine Gewalt“ und Justizgrundsätzen reagiert, verkennt, dass sich der Mörder von Kamal K. nicht um solche Grundsätze scherte und diese Gewalt gegen Menschen sehr wohl existiert. „Keine Gewalt“ ist angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Menschen heute in Deutschland Gewalt ideologisch befürworten und sie auch ausführen, eine naive Parole. [...] Die Polizei hat es damals nicht geschafft, auf irgendeine Weise für unsere Sicherheit zu sorgen. Ganz anders die Leipziger Antifa-Szene: Eine 300-­Menschen-Demo stellte sich vor unser Haus und rief die alte Parole „Alerta, alerta, antifascista“ in den Stadtteil. In ­unserem Hausflur hielten nachts schwarz gekleidete Männer mit Schlagstöcken Wache, und ich konnte schlafen. [...] Was wäre geschehen, wenn er täglich nach seiner Knastentlassung von einer Antifa-Sportgruppe aufgesucht worden wäre? Wäre Kamal K. dann noch am Leben? Wäre es das wert gewesen, sein Leben gegen Marcus E.’s körperliche Unversehrtheit zu tauschen? Und kann Nothilfe präemptiv sein? (Lalon Sander, taz)
Das ist genau die Idiotie, die ich auf der Linken so hasse. Klar haben wir das hier in den Fundstücken beschrieben Problem, dass die Polizei auf dem rechten Auge blind ist. Aber die Lösung kann doch nicht darin bestehen, eine eigene Stadtguerilla aufzubauen, die für Sicherheit sorgt und effektiv rechtsfreie Räume zu schaffen. Wir würden das ja auch für andere Gruppen nicht akzeptieren. Mit der gleichen Begründung könnten irgendwelche Nazis in Berlin ihre eigene Schlägertruppe begründen, die für Sicherheit gegenüber dem Schwarzen Block sorgt. Oder eine islamistische Schlägertruppe, die den eigenen Bezirk absichert. Inhärent in diesen Ideen ist immer, dass die eigene Seite "die Guten" sind und es deswegen kein Problem ist, ihr Sonderrechte zu geben (in dem Fall präventive oder defensive Gewaltausübung). Aber das ist Quatsch. Und es ist in höchstem Maß gefährlich. Dass die taz diesem Blödsinn hier wohlwollend Raum gibt, spricht nicht gerade für sie.

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