Mittwoch, 24. Mai 2017

Hängt das richtige Schmidt-Bild in die Kaserne

Empörung schwappt über die konservative Seite der Bundesrepublik: in ihrem - natürlich völlig überzogenen - Eifer gegen Nazi-Umtriebe in der Bundeswehr hat von der Leyen (quasi persönlich) ein Bild von Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform aus der Bundeswehruni abhängen lassen. Der Schock! Dabei ist doch Schmidt ein über jeden Zweifel erhabener Demokrat! Ein Sozialdemokrat gar! Das ist natürlich richtig, und fern liegt es mir, ihm eine Nähe zum Hitler-Regime andichten zu wollen. Trotzdem ist es richtig, das Bild abzuhängen. Der Grund dafür ist einfach: die Verteidiger dieser Art der "Traditionspflege" bei der Bundeswehr verwechseln Geschichte mit Tradition, und sie verwechseln Geschichtsklitterung mit Revisionismus.

Dass Helmut Schmidt in der Wehrmacht war ist ein unbestrittener Fakt. Dieser Fakt wird nicht dadurch aus der Welt geschaffen, dass man sein Bild aus den Kasernen abhängt. Die Frage muss aber erlaubt sein: warum hing das Bild dort? Welche Botschaft sollte es aussenden? Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass die Intention durchaus war, einen Kanzler im Portfolio zu haben, der "gedient hat" und damit einen demokratischen Bezugspunkt für die Rekruten zu schaffen. Das ist löblich. Dummerweise hat Schmidt in der Wehrmacht gedient, und auch wenn er dort kein großes Licht war, so kann man schlecht, wie die Verteidiger dieser Ideen es heute hinstellen, einen klaren Trennstrich zwischen "soldatischen Leistungen" in der Wehrmacht und der Kernidentität der Wehrmacht selbst ziehen.

Die Wehrmacht war eine im Kern verbrechischere Institution. Das wird nicht dadurch relativiert, dass auch gute Menschen in ihr (zwangsweise) Dienst getan haben und möglicherweise selbst schuldlos geblieben sind¹. Der Zweck der Wehrmacht war die Führung eines Angriffskriegs und, von September 1939 an im Osten Europas, die Vorbereitung und Durchführung eines Massenmords auf beispielloser Ebene. Dieser Zweck ist nicht von einzelnen Höchstleistungen oder auch nur tadellosem Verhalten zu trennen. Die Bundeswehr selbst erkennt dies in ihren Traditionserlassen an, die seit Mitte der 1980er Jahre klar definieren, dass die Wehrmacht keine Traditionsquelle sein kann. Zwar werden einzelne Höchstleistungen davon ausgenommen, aber es gibt gute Gründe, das Schmidt-Bild trotzdem abzuhängen.

In seiner aktuellen Gestalt - genauso wie viele andere Memorabilia der Wehrmacht - leistet es der Revision Vorschub, den Mythos der "sauberen Wehrmacht" am Leben zu erhalten, in der es möglich gewesen ist, unbefleckt seinen Dienst zu tun und von allem nichts gewusst zu haben. Die reine Natur dieser Institution macht das aber unmöglich. In den allermeisten Fällen hat sich auch gezeigt, dass die scheinbar so tadellosen und unbefleckten Wehrmachtslebensläufe einzelner Personen bei genauerem Hinsehen doch gar nicht so tadellos und unbefleckt sind, wie das der jeweilige Träger immer gerne gehabt hätte.

Dabei könnte man gerade im Falle Schmidts problemlos an eine rein bundesrepublikanische Tradition anknüpfen. Der Mann war immerhin jahrelang Verteidigungsminister und ist nicht gerade als Gegner der Truppe bekannt. Deswegen gibt es auch keinen Grund, ein Gemälde der letzten Schlacht der Bismarck oder ein Foto von Helmut Schmidt als Wehrmachtsoffizier aufzuhängen. Auch wenn die Bundeswehr natürlich in einer Traditionslinie der preußischen, kaiserlichen, autoritären und nationalsozialistischen Armee steht, so können diese Linien kaum identitätsstiftend sein. Sie sind Geschichte, und sie sollten nicht wegradiert werden. Aber ein Foto oder Gemälde in Lebens- und Lernräumen aufzuhängen oder in einem Museum sind zwei Paar Stiefel. Und diese Sachen gehören in ein Museum, nicht auf den Schlafzimmergang.
---
¹ Was bei Helmut Schmidt, man verzeihe mir die Bilderstürmerei, im Übrigen ganz und gar nicht klar ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.