Donnerstag, 30. November 2017

You're Fired?

Seit Trumps Wahl im vergangenen November taucht eine Frage wieder und wieder in liberalen Zirkeln auf: sollte Trump impeacht werden? Ich habe mich mit der Frage bisher nie großartig auseinandergesetzt, weil ich die Idee für behämmert gehalten habe, sowohl politisch (sie hat null Chance auf Verwirklichung) als auch demokratisch (man putscht nicht einfach gegen den Wählerwillen). Die Republicans zerstören im Alleingang genügend demokratische Normen und schieben das gesamte System in Richtung einer disfunktionalen Autokratie, da braucht es nicht auch noch die Democrats die versuchen, von der anderen Seite eine Wahlentscheidung umzuwerfen, egal wie beknackt diese Wahlentscheidung war. Ich war daher überrascht, von einem Autoren wie Ezra Klein eine längere Auseinandersetzung mit dem Thema zu lesen, in der er gestand, von meiner eigenen Position, die er aus den gleichen Gründen vertrat, abgerückt zu sein und ein Impeachment zu befürworten.

Bevor wir uns mit der Frage auseinandersetzen, was von Kleins Argumentation zu halten ist, eine kurze Erklärung des Impeachment. Da in den USA die Stellung des Präsidenten nicht von einer parlamentarischen Mehrheit abhängt, gibt es anders als bei uns kein konstruktives Misstrauensvotum. Die einzige Möglichkeit, einen Präsidenten gegen seinen Willen und außerhalb der Wahl loszuwerden ist es, entweder ein Impeachment-Verfahren anzustrengen oder über Artikel 25 der US-Verfassung eine geistige Umnachtung zu erklären. Beides wurde noch nie erfolgreich angewandt.

Für ein Impeachment, das in der US-Geschichte zweimal (erfolglos) versucht wurde, braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat, nachdem das Repräsentantenhaus mit einfacher Mehrheit Anklage erhoben hat. Es handelt sich nicht um ein juristisches, sondern ein politisches Verfahren. Der Präsident muss sich "Fehlverhaltens" (misdemeanor) schuldig gemacht haben, aber das ist weit genug auslegbar dass es selbst für Clintons Affäre gereicht hat. Schwieriger ist im Normalfall die Mehrheit dafür zu erlangen. Noch problematischer ist Artikel 25, der für Fälle schwerer Verletzungen etwa im Rahmen eines Attentats oder Fälle geistiger Umnachtung geschaffen wurde. In diesem Fall muss der Vizepräsident eine Mehrheit im Kabinett und zwei Drittel des Kongresses hinter sich bringen. In beiden Fällen würde der Vizepräsident neuer Präsident bis zur nächsten regulären Wahl; in diesem Fall Mike Pence.

Erfolgreich angewendet wurde dieses Verfahren noch nie. Artikel 25 wurde nicht einmal versucht; das Impeachment gegen Andrew Johnson scheiterte 1867 wegen einer einzigen Stimme (und niemand hätte berechtiger eine Amtsenthebung erlitten). Clinton war nie wirklich in Gefahr, und die Republicans büßten bei den Midterms 1998 bitterlich für ihre Anmaßung. Der einzige Präsident, der wahrscheinlich erfolgreich impeacht worden wäre, war Richard Nixon, und der entzog sich der Schmach vorher durch Rücktritt.

Klein argumentiert nun, dass die Zurückhaltung bei der Anwendung des impeachment der einzige Fehler sei, den man bisher gemacht habe und dass es wie in jedem Job möglich sein müsse, einen grotesk ungeeigneten Kandidaten rauszuwerfen, besonders wenn der Kandidat die Verfügungsgewalt über Atomwaffen und die Selbstkontrolle eines durchschnittlichen Fünfjährigen hat (abgesehen davon wäre es eine Ironie der Geschichte jemanden der wegen seiner markigen Rauswurf-Phrase "You're Fired!" berühmt wurde zu feuern). Sein Hauptargument: wie würden künftige Generationen auf uns zurückblicken, wenn Trump tatsächlich einen Atomkrieg mit Nordkorea auslöste? Würden sie nicht zurecht sagen: "Ihr habt das alles gewusst und nichts getan?"

Das Argument ist zuerst einmal nicht von der Hand zu weisen. Dass Trump zumindest eine starke narzistisstische Ader hat ist offensichtlich, dass er sogar eine Persönlichkeitsstörung hat nicht unwahrscheinlich. Die verstörenden Berichte über sein Verhalten auch im Privaten geben der Vorstellung, er sei geisteskrank und instabil, noch mehr Nahrung. Über Artikel 25, so Kleins Idee, ließe sich eine psychatrische Untersuchung anordnen und bei Bestätigung des Verdachts eine Amtsenthebung einleiten.

Und die Idee ist tatsächlich relevant. Wenn Trumps Kritiker Recht haben (und das ist ein dickes "wenn") und Trump tatsächlich geisteskrank ist und in Gefahr, einen Atomkrieg auszulösen, wäre es gerade sträflich nachlässig, ihn nicht aus dem Amt zu entfernen.

Nur, das Problem ist, wir wissen es eben nicht sicher. Ich für meinen Teil bin sehr unsicher. Nicht, dass ich viel Liebe für Trump übrig hätte, aber Klein ist meiner Meinung nach sehr naiv wenn er behauptet, ein Missbrauch des Verfahrens sei auch nach einer erfolgreichen Maßnahme gegen Trump wegen der hohen Hürden (Zweidrittelmehrheit) sehr schwierig. Wie viele angeblich so schwerwiegende Hindernisse haben die Republicans in ihrem anti-demokratischen Zerstörungsfeldzug bereits beiseite geräumt? Warum sollten die Democrats, wenn sie den gleichen Anreizen ausgesetzt sind, so viel selbstloser und engelhafter in Zukunft darauf verzichten?

Ja, wenn Trump tatsächlich etwas wie einen Atomkrieg auslöste, wäre das Geschrei groß. Und das nicht zu Unrecht. Entfernt man ihn aber, werden wir nie erfahren ob er nur vier Jahre den herumalbernden Nazi-Clown spielt oder doch das Schlimmste Ereignis der jüngeren Menschengeschichte auslöst. Es ist zweifellos richtig festzustellen, dass auch Hitler nie ernst genommen wurde bis es zu spät war. Aber wie viele Hobby-Autokraten, echte und eigenbildete Diktatoren wurden schon als die nächste Inkarnation Hitlers gehandelt, um nachher als Säcke heißer Luft enttarnt zu werden?

Ich bleibe daher gegenüber der Idee eines impeachment für Trump ablehnend. Das Risiko für die Demokratie selbst ist zu hoch.

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