Mittwoch, 6. November 2024

Bohrleute 92 - Wahlen passieren: Donald Trumps “zweites 2016” und die fehlenden Fehler der Kamala Harris, mit Marcel Schütz

 

Die US-Wahlen sind vorüber. Das denkbare Undenkbare ist geschehen: Donald Trump wurde zu einer zweiten Amtszeit gewählt. Noch ist vieles unklar, sind wenig Informationen verfügbar, aber mit Marcel Schütz unternehme ich trotzdem einen Versuch einer ersten Einordnung - mit angekündigt niedriger Halbwertszeit.

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Marcel auf Twitter.

Stefan auf Twitter. Stefan auf Bluesky. Stefans Blog.

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Shownotes

Why Isn’t Trump Running Away With This?

Der Artikel beleuchtet die Enttäuschung vieler Liberaler in den USA angesichts der weiterhin hohen Zustimmung für Donald Trump als Präsidentschaftskandidat. Diese wird oft als Symptom für ein tieferliegendes Problem im Land oder im demokratischen Lager interpretiert. Der Artikel verweist jedoch darauf, dass in vielen wohlhabenden Demokratien die amtierenden Regierungen – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung – deutliche Verluste erlitten haben. Beispiele aus Japan, Großbritannien und Frankreich zeigen, dass der weltweite Unmut der Wähler durch Faktoren wie Inflation und Lebenshaltungskosten verstärkt wird.

In den USA hat Kamala Harris als demokratische Kandidatin versucht, sich von der aktuellen Regierung abzugrenzen und mit Slogans wie „Ein neuer Weg vorwärts“ zu punkten. Kritiker bemängeln jedoch, dass sie die Schwere der wirtschaftlichen „Gegenwinde“ unterschätzt habe und damit den Widerstand gegen die Inflation nicht effektiv genug thematisiere. Obwohl Trump die Lebenshaltungskosten als zentrales Thema nutzt, verfolgt er politisch Maßnahmen wie höhere Zölle, die die Inflation eher fördern. Das erklärt, warum der Wahlkampf so knapp ist und die Wahlentscheidung für die Wähler nicht eindeutig ist. (Matthew Yglesias, New York Times)

Tweet von TracingWoodGrains

In dieser offenen Reflexion drückt der Autor seine tiefe Frustration und Entfremdung gegenüber der Strategie der Demokratischen Partei, insbesondere unter der Führung von Kamala Harris, aus. Obwohl Harris im Wahlkampf eine gemäßigte Position einnahm, empfindet der Autor die Strategie der Demokraten als eine bloße Fassade von „Normalität“, die sich auf die Ablehnung Trumps stützte, ohne klare Antworten auf politische Veränderungen oder Selbstkritik.

Die Unzufriedenheit des Autors entspringt auch einem Umfeld, das Stimmen außerhalb der jungen, gebildeten und progressiven Elite zu übergehen scheint, besonders in akademischen und beruflichen Kreisen. Der Autor beschreibt diese Elite als linksgerichtet, mit institutioneller Unterstützung und Perspektiven, die oft im Widerspruch zur breiten Öffentlichkeit stehen, sodass sich zentristische Stimmen unbeachtet fühlen. Diese Kluft und Harris’ unkonkrete Aussagen führten dazu, dass sich der Autor nicht repräsentiert fühlte.

Da die Wahl auf einen möglichen Sieg Trumps hindeutet, erwartet der Autor keine drastischen Veränderungen, betont aber, dass die Demokraten ernsthaft auf die Bedenken der gemäßigten Mitte eingehen müssen. Er hofft, dass die Partei die momentane Lage nicht als Fehlinformation oder als fehlende linke Reinheit abtut, sondern sich ernsthaft bemüht, in den nächsten vier Jahren den Brückenschlag zur frustrierten Mitte zu schaffen.

Was it just inflation all along?

Die vorläufigen Ergebnisse deuten auf ein düsteres Ergebnis für Kamala Harris hin, und viele fragen sich, ob die Inflation der entscheidende Faktor war. Den Exit-Polls zufolge gibt es jedoch eine auffällige, stark parteipolitisch geprägte Wahrnehmung darüber, wie stark die Inflation in den letzten zwölf Monaten belastet hat. Was erstaunlich ist, da die Inflation faktisch alle in etwa gleich betrifft – also Demokraten und Republikaner gleichermaßen. Doch eine signifikante Anzahl von Republikanern gibt an, dass sie in der letzten Zeit unter erheblichem finanziellen Druck stand.

Zwar könnte das eine Verwechslung von „letztem Jahr“ mit „seit Bidens Amtsantritt“ sein, doch selbst das erklärt nicht den ausgeprägten Parteigegensatz bei einem Thema, das nicht direkt zu identitärem Lagerdenken führt, wie es bei Fragen zu Abtreibung oder Waffen üblich ist. Möglicherweise ist es eine einfache Reaktion: Die Inflation hat allgemein Frust ausgelöst, und wenn Menschen wütend sind, neigen sie dazu, für die Opposition zu stimmen – unabhängig davon, wer konkret dafür verantwortlich ist.

Oder es könnte der ständige Druck durch die Berichterstattung über die Inflation in konservativen Medien wie Fox News sein. Ebenso könnte ein unterbewusster Bias gegen weibliche Führungspersönlichkeiten im Spiel sein, besonders bei bestimmten Wählergruppen.

Letztlich bleibt vieles unklar – aber der Einfluss der Inflation als Frustrationsfaktor scheint kaum zu leugnen. (Kevin Drum, Jabberwocky)

The 2024 election buried Barack Obama’s coalition

Die republikanischen Erfolge bei den Wahlen markieren eine Niederlage für die Strategie der Demokraten, ehemalige Obama-Trump-Wähler zurückzugewinnen. Kamala Harris' Wahlkampftaktik – moderate Positionen und Establishment-Orientierung – stieß auf Kritik, besonders aus progressiven Reihen. Viele Wechselwähler lobten weiterhin Trump für das Wirtschaftswachstum vor der Pandemie und nahmen ihm seine Covid-Politik weniger übel. Trumps rhetorische Angriffe auf Kriminalität und Immigration fanden vor allem bei nicht-akademischen Wählern Anklang, wodurch er sich auch bei Latinos und schwarzen Männern besser positionieren konnte als in den vorherigen Wahlen.

Die Demokraten versuchten durch Wahlkampfmaßnahmen wie direkte Wähleransprache, insbesondere in Vorstädten, ihre Verluste zu kompensieren, blieben jedoch vielerorts hinter den Erwartungen zurück. Es zeigt sich, dass Trumps Stil und Politik das Bündnis der Demokraten seit Obama aufgelöst haben. Die Niederlage legt nahe, dass die Demokraten ihre Strategie überdenken müssen, um das Vertrauen und die Unterstützung zentristischer und ländlicher Wähler zurückzugewinnen. (David Weigel, Slate)

Ich verstehe es nicht

Nikolaus Blome zeigt sich in seiner Kolumne verwundert darüber, warum gebildete und gut informierte Republikaner weiterhin Donald Trump unterstützen. Obwohl sie erkennen sollten, dass Trump oft von der Wahrheit abweicht, lügt und populistische Ängste schürt, bleiben sie ihm treu. Blome nennt Beispiele für Trumps irreführende Aussagen über Migranten und Inflation, die viele seiner Unterstützer durchschauen müssten. Er fragt sich, wie es möglich sei, dass vernünftige Menschen, die von der Globalisierung profitieren, einem Kandidaten folgen, der den Isolationismus propagiert und extreme Gruppen wie White Supremacists indirekt unterstützt.

Er kritisiert, dass diese Wähler Trumps wirtschaftspolitische Aussagen für bare Münze nehmen, obwohl sie eigentlich wissen müssten, dass sie teils falsch oder widersprüchlich sind. Abschließend hofft Blome, dass letztlich die Vernunft über populistische Verführung siegen wird und zitiert Margaret Thatcher, die auf das Gute als Sieger vertraute. (Nikolaus Blome, Spiegel)

Lehren aus der US-Wahl: Trumps Stärke muss auch uns mahnen

Donald Trumps überraschend starke Präsenz bei den US-Wahlen deutet darauf hin, dass er erneut Präsident werden könnte. Ohne innerparteilichen Widerstand und mit einer konservativen Mehrheit im Obersten Gericht wäre er in einer stärkeren Position als zuvor. Seine radikale Agenda, darunter Massendeportationen und Handelskriege, sowie sein rücksichtsloser Regierungsstil könnten die USA grundlegend verändern. Im Gegensatz dazu steht Kamala Harris für Kontinuität und trug als Vizepräsidentin Bidens Politik mit, ohne im Wahlkampf klare Unterschiede zu ihm aufzuzeigen.

Zudem zeigt sich, dass die Warnungen vor Trumps Gefahr für die Demokratie offenbar keinen abschreckenden Effekt hatten und möglicherweise sogar Trotzreaktionen hervorriefen. Besonders Männer, junge und weniger gebildete, fühlen sich von den Demokraten entfremdet, während Trump auch bei Schwarzen und Latinos an Zustimmung gewinnen konnte. Für die Demokraten ist dies ein Signal, dass symbolische Antirassismus-Bemühungen allein nicht ausreichen. Deutschlands intensive Beobachtung der Wahl spiegelt wider, dass Entwicklungen in den USA oft auch auf Europa Einfluss haben. Trumps Stärke dient somit als Mahnung für die eigene politische Landschaft. (Malte Lehming, Tagesspiegel)

Das Ende des Westens

Der Text beleuchtet die Erschöpfung und Gereiztheit, die durch eine Flut schlechter Nachrichten verursacht werden, besonders im Kontext von Krisen wie der Pandemie, Inflation und den Polarisierungen in der Gesellschaft. Die jüngste Nachricht von Donald Trumps Wiederwahl als US-Präsident wird dabei als Schockmoment und Bedrohung für den Westen empfunden. Medien spielen eine zentrale Rolle, da sie durch ihre Jagd nach Klicks und emotionalen Botschaften die Erregungskultur verstärken und das Vertrauen der Öffentlichkeit gefährden. Der zunehmende Konsum negativer Nachrichten führt zu „Nachrichtenmüdigkeit“, wobei Plattformen wie Social Media diese Tendenz durch Algorithmen verstärken, die User-Interaktionen durch Empörung steigern. Diese „Erregungsbewirtschaftung“ und die anhaltende gesellschaftliche Spaltung belasten die Demokratie und verstärken das Gefühl von Chaos und Unordnung in der Bevölkerung, was letztlich die Demokratie gefährdet und zu einer Krise der medialen Öffentlichkeit beiträgt. (Robert Misik, ZackZack)

It’s not the economy, stupid

Der Text beschreibt die Verschiebung von Wahlkampfthemen in den USA seit den 1990ern. Früher waren wirtschaftliche Fragen wie in Bill Clintons Wahlkampf 1992 zentral; sein Motto „It’s the economy, stupid“ unterstrich die Bedeutung der Wirtschaft für die Wahlentscheidung. Heute jedoch hat die Wirtschaftspolitik an Einfluss verloren, was sich unter Trump und in der aktuellen Ära zeigt. Seine Rhetorik malt die wirtschaftliche Lage der USA in düsteren Farben, ungeachtet der objektiv positiven Wirtschaftsdaten unter der Biden-Regierung.

Inzwischen dominieren Kulturkampfthemen den Diskurs: Fragen um Identität, Migration und Verschwörungstheorien prägen Trumps Kampagne. Während die Demokraten unter Kamala Harris diese Themen weitgehend meiden und ökonomische Stabilität betonen, werden sie von einer aktivistischen Basis getrieben, die in polarisierenden Fragen Stellung bezieht. Die Wählermobilisierung hat sich auf eine binäre Wahl reduziert: „Kulturkampf“ steht im Vordergrund, und die eigentliche Herausforderung ist, die eigene Basis zu mobilisieren und die andere Seite von der Wahl abzuhalten. (Stefan Sasse, Deliberation Daily)

Der Trump-Schock

Donald Trumps Rückkehr ins Amt ist ein weltpolitisches Signal mit weitreichenden Konsequenzen. Unterstützt von einer vereinten republikanischen Partei und einem konservativen Supreme Court, hat Trump nun freie Hand für seine radikale Agenda. Im Wahlkampf überzeugte er vor allem in wirtschaftlich prekären Wählergruppen und konnte seinen Rückhalt bei Latino-Wählern ausbauen. Kamala Harris hingegen verlor an Unterstützung, auch weil ihre Positionen zu wenig konkret und von wirtschaftlichen Krisen belastet waren.

Trumps Pläne beinhalten strikte Maßnahmen wie Massenabschiebungen, hohe Importzölle und den Abbau bürokratischer Strukturen, was zu starken Einschnitten für Minderheiten und progressive Anliegen führen könnte. In der Außenpolitik verfolgt er eine „America First“-Strategie, die Verbündete unter amerikanische Interessen zwingt. Besonders betroffen ist die Ukraine, da Trump Waffenlieferungen beenden und auf eine Einigung mit Russland drängen könnte, die die Ukraine schwächt und erneut gefährdet. (Roland Nelles und Marc Pitzke, Spiegel)

Donald Trump gewinnt sogar bei Frauen dazu

Kamala Harris verlor bei den jüngeren Wählerinnen deutlich an Unterstützung, während sie überraschend bei Senioren zulegte, die zuvor mehrheitlich Trump gewählt hatten. In den mittleren Altersgruppen blieb das Bild gemischt: Trump baute bei den 45- bis 64-Jährigen seinen Vorsprung aus, während die Jüngeren überwiegend demokratisch wählten. Besonders polarisierend war die wirtschaftliche Lage. Diejenigen, die ihre finanzielle Situation verschlechtert sehen, stimmten zu großen Teilen für Trump, während Harris Unterstützung von Wählerinnen erhielt, die ihre Lage als verbessert empfanden.

Trump gewann ebenfalls Zustimmung bei Minderheiten und weniger Verdienenden, wobei Geringverdiener nun stärker republikanisch wählten, ein Wandel von der traditionellen Wählerstruktur der Parteien. Harris schnitt bei Akademikerinnen gut ab, während Trump bei Wählerinnen ohne College-Abschluss dominierte. Diese Entwicklung zeigt eine tiefgreifende Polarisierung entlang sozialer und wirtschaftlicher Linien. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die hohen Preise für Lebensmittel belasten vor allem finanziell schwächere Bevölkerungsschichten, was Trumps wirtschaftsorientierten Wahlkampf begünstigte. (ZEIT)

Resterampe

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