Dienstag, 7. Juli 2020

Horst Seehofer macht ohne Maske Abi im kohlebetriebenen Haushalt der Polizei Ostdeutschland - Vermischtes 07.07.2020

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Innenministerium sagt Studie zu Rassismus bei der Polizei ab
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat eine zuvor von der Regierung angekündigte Studie zu rassistischer Diskriminierung durch Polizeibehörden abgesagt. Auf Anfrage von ZEIT ONLINE bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums, dass es nach Ansicht des Ressortchefs "keinen Bedarf" für eine solche Studie gebe. Zuvor hieß es, Justiz- und Innenministerium befänden sich "in der konzeptionellen Entwicklung" für eine solche Untersuchung. Das Innenministerium begründet Seehofers Entscheidung unter anderem damit, dass sich das sogenannte Racial Profiling in der polizeilichen Praxis verbiete. Daher müsse es nicht gesondert untersucht werden: "Insbesondere Personenkontrollen müssen diskriminierungsfrei erfolgen", teilte ein Sprecher des Ministeriums ZEIT ONLINE mit. "Weder die Polizeigesetze des Bundes noch die einschlägigen Vorschriften und Erlasse erlauben eine solche Ungleichbehandlung von Personen." [...] Wie das Innenministerium später mitteilte, habe es bei der Bundespolizei seit 2012 insgesamt 25 Rassismusverdachtsfälle gegeben, von denen 16 durch interne Hinweise bekannt geworden seien. (dpa, ZEIT)
Ich krieg echt die Vollkrise. Seehofer ist so ein absoluter Vollhorst. Man muss sich diese Begründung mal auf der Zunge zergehen lassen: Man muss nicht gegen ein problematisches Verhalten vorgehen, weil es verboten ist. Wenn das so ist, brauchen wir eigentlich auch keine Polizei, denn Verbrechen sind ja verboten und kommen deswegen nicht vor. Wer hätte geahnt, dass ausgerechnet die CDU eine solche Liebe zu Verboten hat. Verbotspartei CDU! Dazu noch diese Idee, die bisherigen Strukturen seien ausreichend. In der ganzen Bundespolizei 25 Verdachtsfälle von Rassismus in acht Jahren. Bei tausenden von Beamten kommt das nur dreimal pro Jahr vor? Allein die Vorstellung ist dermaßen was von albern. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Seehofer fürchte, was bei einer solchen internen Studie herauskommen könnte. Es ist echt Zeit, dass mal jemand aus einer anderen Partei das Innenministerium übernimmt...

2) Tweet
Kommentare wie diese zeigen, wie tief verwurzelt der Rassismus in Teilen der amerikanischen Bevölkerung immer noch ist. Dass solche Personen für die GOP versuchen, die Teilnahme an Wahlen durch bestimmte Teile der Bevölkerung zu verhindern und als offizielle Beamte im Dienst sind, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Das Sahnehäubchen auf dieser Krone ist dann die Verteidigung der Person: sie hätte das als Privatnachricht schicken und nicht öffentlich posten wollen, das sei "ein Fehler" gewesen. Der Fehler war nicht, einfach mal die Hälfte der Bevölkerung des Staates aufgrund seiner Hautfarbe von Wahlen auszuschließen versuchen, sondern das öffentlich zu sagen. Na dann.

3) Ändert das Abitur – und zwar radikal!
Das Abitur sollte wie bisher Voraussetzung für den Zugang zu anspruchsvollen weiteren Ausbildungswegen sowohl in Hochschulen als auch in anderen Bildungseinrichtungen sein, hierfür aber keine automatische und schon gar nicht eine rechtlich verbindliche Garantie bieten. Ob der weitere Ausbildungsweg tatsächlich eingeschlagen werden kann, das sollte vielmehr auch vom Abschneiden bei profilierten Aufnahmeprüfungen der jeweiligen Ausbildungsinstitution – bezogen auf das geplante Ausbildungs- oder Studienfach – abhängig gemacht werden. [...] Im Unterschied zu heute würde diese Reform dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler während der Gymnasialen Oberstufe solche Fächer in den Vordergrund stellen und für ihre Leistungskurse auswählen, die ihren persönlichen Interessen und Neigungen entsprechen und möglicherweise auch schon mit ihrer später angestrebten beruflichen Orientierung in Verbindung stehen. Damit entfällt die heute weit verbreitete rein taktische Wahl von Leistungsfächern, nur um einen guten Abschluss möglichst mit einer Eins vor dem Komma zu erhalten. [...] Im Abiturzeugnis der Zukunft sollten auch die außerhalb der Schule erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten berücksichtigt werden. Den jungen Leuten steht eine Vielzahl von Informations- und Lernangeboten zur Verfügung, insbesondere über das Internet. Die hier erworbenen Kompetenzen sollten in eine modernisierte Abiturprüfung als qualifizierte Angaben mit eingehen. Eine solche Erweiterung des Abschlusszeugnisses würde der zunehmenden Vielfalt von Ausbildungs- und Lebenswegen und den sehr unterschiedlichen Anforderungen gerecht. (Klaus Hurrelmann/Dieter Dohmen, Tagesspiegel)
Kritik am Abitur ist ja gut und schön, aber von diesem Artikel halte ich überhaupt nichts. Den Universitäten die Auswahl der Studierenden über eigene Testregime zu überlassen ist praktisch ein Rezept für stärkere soziale Selektivität. Aufwändige Vorbereitungskurse würden notwendig, die privat finanziert werden müssten; Kinder aus Familien mit akademischen Hintergründen würden noch stärker bevorzugt als ohnehin. Völlig abwegig ist die Theorie, dass SchülerInnen aktuell ihre Fächer nach der Frage wählen würden, wo der beste Schnitt rauskommt, statt ihren Interessen nachzugehen. Erstens überlappen sich beide Faktoren ohnehin in den allermeisten Fällen. Und zweitens ist es zumindest meine Erfahrung, dass SchülerInnen eben nach Interesse und nicht nach Noten entscheiden. Ich weiß gar nicht wie viele Beratungen ich bereits durchgeführt habe, in der das "Noten-Interesse" klar für ein bestimmtes Fach sprach, die SchülerInnen aber abwinkten, weil es sie nicht interessierte und sie lieber in einem Fach antraten, mit einem Thema, das sie interessierte. Das heißt nicht, dass das Abitur nicht modernisiert werden sollte. Aber eine verbindliche, verlässliche Hochschulreife für alle ist nichts, was man leichtfertig für einige halbgare Theorien aufgeben sollte. 

4) Tweet
Diese Grafik zeigt eindrücklich einen der Hauptgründe für Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg. Die Vermeidung einer Konzentration sämtlicher wirtschaftlicher Aktivitäten auf einen aufgeblähten Hauptstadtcluster und ihre Verteilung über das ganze Land hat dafür gesorgt, dass viele Regionen wirtschaftlich aktiv und erfolgreich sind und dass die Infrastruktur und Wohnräume halbwegs ordentlich verteilt sind. Gleiches gilt für Bildungschancen und Ähnliches. Dass diese Verteilung in Ostdeutschland an ihre Grenzen stößt, ist ein nachhaltiges Problem für die neuen Bundesländer, das bis heute nicht befriedigend gelöst werden konnte und das für eine starke Disparität zwischen den Landesteilen mit verfallender Infrastruktur in den ländlichen Gegenden führt. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse kann so nicht gewahrt werden.

5) Police Punish the ‘Good Apples’
Police officers in the United States engage in all manner of bad behavior, such as excessive force, sexual misconduct, financial impropriety, and the manipulation of evidence. Holding them to account criminally, civilly, or professionally is extremely difficult, even in cases involving blatant malpractice and misconduct. Yet, even as bad cops evade punishment for wrongdoing, those who stand up to corruption, report negligence or abuse, or decline to comply with bad orders are frequently marginalized, demoted, or outright fired. [...] Yes, cities and towns need better ways to identify and purge bad cops and should restructure law enforcement to reduce violent encounters. But police departments also need better protections and incentives for those officers who prioritize their sworn duties above loyalty to their peers or their personal well-being. This is underdiscussed, but crucially important. If bad cops are spared any punishment while good cops lose their job, Americans should not be surprised when officers who know of wrongdoing by their colleagues stand aside and let it happen—allowing the bad cops to exert disproportionate influence over how the system functions. (Musa al-Gharbi, The Atlantic)
Die Beispiele aus diesem Artikel machen ungeheuer wütend. PolizistInnen berichten über Missstände in ihren jeweiligen Revieren und werden dafür entlassen, kalt gestellt und diskriminiert, während die Täter davonkommen. Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass das in Deutschland groß anders wäre. Es ist typisch institutionelles Verhalten, bedauerlicherweise, und es braucht reformerische Kraft und aktiven, dauerhaften Aufwand aller Beteiligten, dagegen anzukommen.

6) Brief aus Münster
Mein Mann weiß, dass die Schuhe mit den Himbeeren inzwischen zu klein sind. Welche Impfungen anstehen. Wie das mit dem Toilettentraining läuft. Zu oft sind das Informationen, die hauptsächlich Frauen in ihren Köpfen mit sich herumtragen. Das ist eine VerantwortungUnd diese Verantwortung belastet. Sie hat ein Eigengewicht. Daher hilft es nicht, wenn der Mann sagt: „Ich hätte dir doch geholfen. Warum hast du denn nichts gesagt?“ Dieser Satz ist deshalb wertlos, weil das Wertvolle nicht die Hilfe an sich ist. Ich möchte nicht, dass mein Mann die Schuhe einpackt. Ich möchte, dass er weiß: Die Schuhe müssen eingepackt werden. Das ist, was viel mehr entlastet. Das Im-Kopf-behalten dieser Dinge ist Teil der angelernten Mutter-Rolle. [...] Es ist ein Problem der Frauen, aber es betrifft nicht nur sie. Wenn der Mental Load ungleich verteilt ist, führt das auf Dauer zu Problemen – zu  Beziehungsproblemen und schließlich zu Trennungen. Oft unbemerkt vom Partner. Sie hat irgendwann genug, weil sie denkt: Ich kann nicht mehr. Und er denkt: Aber wieso? Es war doch so schön. [...] Ich würde vorschlagen: Wir versuchen es mit Vertrauen. Wir Frauen müssen den Männern vertrauen. Wir dürfen nicht immer glauben, dass irgendwas schiefgeht, wenn wir sie einfach machen lassen. Diese „witzigen” Vorstellungen darüber, wie verkehrt Väter Kinder anziehen und was für ein Chaos sie in der Wohnung hinterlassen, helfen uns wirklich nicht. Männer können das genauso gut, oder sie können es lernen. Die Männer müssen sich selbst vertrauen. Sie müssen diesen Teil der Verantwortung aber auch übernehmen wollen. Es muss für sie eine selbstverständliche Aufgabe werden. (Marina Weisband, RUMS)
Marina Weisband spricht eine ungemein wichtige Thematik rund um Gleichberechtigung und Care-Arbeit an. Der mental load ist ein Konzept, das in der Debatte wesentlich größere Aufmerksamkeit verdient. Ich habe das in meiner eigenen Familie auch schmerzlich erfahren müssen; meine eigene Reise auf dem Weg dazu, ein besserer Partner zu sein (man bemerke den Komparativ) führte über die schmerzhafte Erkenntnis, wie wenig man eigentlich tatsächlich zum gemeinsamen Haushalt beiträgt. Was seither für mich zu einer Art Nebenbeschäftigung geworden ist ist der Kampf gegen den Begriff von "im Haushalt helfen". Solange die Rolle des Mannes das "Helfen" im Haushalt ist, ganz egal in welchem Umfang, ist eine fundamentale Asymmetrie vorhanden. "Helfen" impliziert, dass es die Aufgabe jemand anderes ist, und dass man selbst eben gelegentlich hilft, es aber nicht als die eigene Aufgabe begreift. Das überhaupt zu erkennen war wahnsinnig schwer, es zu ändern ist eine Daueraufgabe, in der jeder Fortschritt von Rückschritten und Stagnation begleitet ist.

7) Florida sheriff says he'll deputize gun owners if department can't handle protesters
A Florida sheriff said this week he would make “special deputies of every lawful gun owner in this county” if he feels like local law enforcement officials are being overwhelmed by protesters. “If we can’t handle you, I’ll exercise the power and authority as the sheriff, and I’ll make special deputies of every lawful gun owner in this county and I’ll deputize them for this one purpose to stand in the gap between lawlessness and civility,” Daniels said in the video. “That’s what we’re sworn to do. That’s what we’re going to do. You’ve been warned.” Daniels said the department will protect the constitutional rights of protesters “as long as you remain under the umbrellas of peaceful protest or peaceful march.” “But the second you step out from up under protection of the Constitution, we’ll be waiting on you and we’ll give you everything you want,” the sheriff added. “All the publicity, all the pain, all the glamour and glory for all that five minutes will give you.” (Morgan Gstadler, The Hill)
Die USA haben eine lange Geschichte dieser Art von Ermächtigung privater Gewalt. Die Bildung einer so genannten posse gehört zum Repertoire jedes ordentlichen klassischen Westerns, und seit dem frühen 17. Jahrhundert werden auf diese Art Ermächtigte weiße Waffenbesitzer zur Jagd auf entlaufene Sklaven und zum generellen Verbreiten von Terror unter der schwarzen Bevölkerung eingesetzt. Der Rückgriff auf die "lawful gun owners" ist eine klare dog whistle, denn damit sind Weiße gemeint. Passend dazu ist die Drohung, mit offener Gewalt gegen alle jene vorzugehen, die sich außerhalb der Grenzen bewegen, die die weiße Mehrheitsgesellschaft vorgibt. Der zweite Verfassungszusatz ist ein Instrument der gewalttätigen Aufrechterhaltung der rassistischen Ordnung in den USA, immer schon gewesen.

8) Gesicht zeigen!
Wer jetzt vom „falschen Signal“ und vorschneller Sorglosigkeit spricht, redet einem fürsorglichen Wächterstaat das Wort. Gefahrenabwehr ist konkret und keine vorsorgliche Erziehungsmaßnahme. Wo es so gut wie kein Infektionsgeschehen mehr gibt, dort fehlt die Berechtigung für Eingriffe des Staates in unseren Alltag und wird zur Schikane. Die Debatte hat auch nichts mit Einknicken vor Kommerz zu tun. Wo Corona auf dem Rückzug ist, gibt es keinen Grund, Gewerbetreibende weiter mit Strafen für den Verstoß gegen die Maskenpflicht zu belegen. Niemand wird gehindert, weiter Masken zu tragen, Abstand zu halten, die Warn-App zu benutzen. Im Gegenteil. (Ralf Schuler, BILD)
Die Rechten in Deutschland sind echt drauf und dran, das Maskentragen in Deutschland wie in den USA zu polarisieren. Ist ja nicht so, als hätte ich vor dieser Entwicklung nicht bereits gewarnt. Selbst Leute wie Markus Söder sprechen sich explizit für das Maskentragen aus, aber die BILD versucht auf Biegen und Brechen, gegen Corona-Maßnahmen Sturm zu laufen. Es ist absolut unverantwortlich. Deutschland ist so erfolgreich durch die Krise gekommen, verglichen mit anderen Staaten, weil wir solche Maßnahmen durchziehen. Es ist nicht zu viel verlangt, zum Schutz der Mitmenschen ein Stück Stoff zu tragen. Mathieu von Rohr fasst es im Spiegel gut: Unsere Freiheit beschränkt nicht die Maske, sondern das Virus.

9) Carbon pricing and the exit from fossil fuels
Since time is not on our side, we need to preserve the maximum freedom of action. We should avoid, as far as possible, getting bogged down in politically damaging debates about the totemic policies of an earlier era—above all carbon pricing. Time is too short to cling to the neoliberal dogma that creating markets and setting prices is the high road to success in all cases. Carbon prices, whether set by emissions trading or carbon taxes, are unlikely to be enough. Take petrol, which in Europe and Asia has long been the object of eye-watering taxation. As a result, Europeans and Asians drive smaller cars than Americans. But they still drive far too much and their cars are far too big. Prices are not enough. We shall need to use more direct disincentives, regulations and prohibitions, such as mandating the end of internal-combustion engines. [...] Investors are not staking their fortunes on a failure of political will. They are betting that, faced with the inadequacy of current targets, politicians will double down and raise the ambition of decarbonisation. If politicians follow through on this logic, then emission allowances will become more valuable. [...] The result is a virtuous circle. It is, in fact, the fantasy of good liberal governance, in which public and private action reinforce each other. That should be reason enough to be sceptical. But, given the urgency of the crisis, we cannot afford to look a gift horse in the mouth. If, for once, investors are betting that the political commitment to decarbonisation is genuine, there are significant and potentially long-term benefits in vindicating that belief, thus reinforcing confidence and building credibility. [...] It is an opportunity Europe cannot afford to miss. The more loudly Europeans demand it, the better. (Adam Tooze, Social Europe)
Adam Tooze ist immer wert, gelesen zu werden. Sein optimistischer Blick auf die europäische Klimapolitik ist bemerkenswert. Besonders hervorzuheben finde ich, dass tatsächlich ein gegenseitig fruchtbares Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft den Durchbruch zu bringen scheint - genau wie Progressive es seit vielen Jahren predigen. Eigentlich sollte das gerade auch für klassische Liberale Anlass zur Freude sein, aber wie Tooze richtig bemerkt sind diese - wie in Deutschland die FDP - allzu oft noch in veralteten ideologischen Bahnen gefangen und nicht in der Lage, sich solche Mischformen vorzustellen. Market or bust, gewissermaßen. In die so zurückgelassene Lücke können die Grünen stoßen, die nur noch in den Fieberträumen von bürgerlichen Altbeständen eine Partei gnadenlosen Etatismus' und einseitiger Fixierung auf staatliche Lösungen sind. Paradoxerweise ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie diesen Wandel im Verbund mit der CDU verstärken und absichern können, als mit R2G. Einerseits sind LINKE und SPD bei der Klimapolitik selbst gerne noch in veralteten Strukturen verhaftet, und andererseits wird das schlichte Gesetz demokratischer Politik dann eine vereinte Front von CDU, FDP und AfD gegen die dringend benötigten Maßnahmen schaffen. Man kann und sollte diese Mechanik bedauern, sie zu leugnen wäre aber zutiefst problematisch.

10) The Wealthy and Privileged Can Revolt, Too

Historian Peter Turchin, who believes episodes of unrest happen every half century or so, has a theory to explain what’s troubling the country. According to Turchin, the basic problem is too much competition among elites. With more inherited wealth and more people getting advanced degrees, he reasons, there are more claimants to a relatively fixed number of positions in the upper echelons of politics, business and other social hierarchies. With so many destined to lose out in the increasingly fierce competition, there is bound to be widespread anger and disappointment. By itself, this elite-centric theory seems insufficient. Many working-class people are also marching in the streets and voting for politicians with extremist views. But angry educated and rich people lend special weight to any revolution, since they are precisely the people who have the talent and resources to foment revolution and chaos. Ultimately they provide the funding and craft the messaging for organized extremism and violence. Turchin’s theory is all the more worrying because the number of elite spots has been shrinking in recent decades, as a result of technological and economic changes. Wealth and income have become increasingly concentrated at the top of the distribution. [...] How can the U.S. reverse the trend toward elite over-competition? Increasing the number of elite positions is very difficult. Instead,  adjust expectations. Taxing inheritances heavily would reduce the number of young people who feel entitled to great wealth. Reducing the number of PhDs would mean fewer disappointed scholars who fail to achieve tenure track. And wealth taxes on the greatest fortunes can lower expectations to more reasonable levels, making people with $10 million feel rich again. Turchin believes that low inequality helps explain why the unrest of the 1960s and 1970s was ultimately mild and didn’t threaten the integrity of the nation. It’s too late for the U.S. to avoid the current period of turmoil, but by leveling the playing field and changing expectations, it can get an early start on minimizing the next one. (Noah Smith, Bloomberg)
Den Amerikanern dürfte diese Argumentation durchaus bekannt vorkommen. Ihre eigene Revolution in den 1770er Jahren wurde ja nicht eben von den "poor, huddled masses" gestartet. Auch die französische Revolution war letztlich ein Aufstand der Freiberufler, die frustriert über den mangelnden Zugang zu den dem Adel vorbehaltenen Spitzenpositionen hatten. Man sollte sich nur klar machen, dass in beiden Fällen auch die unteren Volksschichten unzufrieden waren und jeweils ihre eigene Revolution starteten. Diese wurden in beiden Fällen niedergeschlagen - in Frankreich extrem blutig, in den USA verhältnismäßig schnell, aber für die Beteiligten auch blutig -, aber das muss ja nicht immer so gelten. Davon können etwa die Teilnehmer der russischen Revolution ein Liedchen singen. Was daraus folgt - ich weiß es nicht. Ereignisse aus der Vergangenheit auf die Gegenwart zu spiegeln ist immer ein problematisches Unterfangen. Smith liegt sicherlich Recht damit, dass die krasse Zunahme der Ungleichheit ein gewaltiges Problem ist, für praktisch alle Beteiligten. Beinahe, als ob es irgendwie blöd für die Demokratie wäre, wenn es Milliardäre gibt, oder auch noch viele davon. Smith spricht im Text übrigens auch die Idee an, dass man ja durch großartige Eigenleistung selbst einer werden könnte (Spoiler-Alarm: nein, das funktioniert nicht).

11) Trump’s Floor Collapsed When COVID-19 Hit His Base
Amazingly, as Yasmeen Abutaleb and Josh Dawsey report in the Washington Post, the administration seems to believe that their base of supporters will simply “get over it” and “move on” as they become inured to a steady and massive infection rate. "White House officials also hope Americans will grow numb to the escalating death toll and learn to accept tens of thousands of new cases a day, according to three people familiar with the White House’s thinking, who requested anonymity to reveal internal deliberations. Americans will “live with the virus being a threat,” in the words of one of those people, a senior administration official. They’re of the belief that people will get over it or if we stop highlighting it, the base will move on and the public will learn to accept 50,000 to 100,000 new cases a day,” said a former administration official in touch with the campaign." I’m sure that many conservatives can be convinced to wander back to Trump if they feel less threatened by the virus in the fall. But he’s already done tremendous damage to himself. Conservatives voted for Trump in the hope that he’d ruin other people’s lives, not their own. (Martin Longman, Washington Monthly) 
Als hätte ich gerade einen Artikel zum Thema geschrieben. Ich sage ja, Trump ist nicht kompliziert. Es ist wieder einmal die Herangehensweise aus der freien Wirtschaft: Man versucht einfach, die Kunden zu ignorieren, bis sie aufgeben. "Bitte bleiben Sie in der Leitung. Ein Mitarbeiter wird sich schnellstmöglich um sie kümmern." Damit kann man eine Telekommunikationsfirma betreiben, oder einen Versandhandel, aber man kann eben kein Land regieren. Longmans Schlussfolgerung klingt zwar krass, aber es ist wahr. Die Grausamkeit war immer, worum es den WählerInnen Trumps ging, aber Trump sollte grausam zu Hispaniern und Schwarzen sein, nicht zu ihnen. Jetzt müssen sie mit Entsetzen feststellen, dass der Nero-Befehl auch - und ganz besonders - sie trifft. Wir werden sehen, ob der Schock heilsam ist.

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