Sonntag, 31. Mai 2020

Nieder mit dem Schweinesystem!

Alle Jahre wieder kommen die Arbeits- und Hygienebedingungen in der fleischverarbeitenden Industrie schlaglichtartig in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit. Während Corona geschieht dies nun erneut und in besonderem Maße, weil die Schlachthöfe wahre Infektionsherde sind. Der Grund dafür ist recht einfach zu verstehen: Die Arbeitenden stehen nahe beieinander und müssen sich wegen des starken Hintergrundlärms ständig anschreien. Soweit ist das wenig überraschend. Leider ist auch wenig überraschend, dass gegen diese bekannten Probleme wenig unternommen wurde. Wo in der mindestens ebenso betroffenen Bildungsbranche detailliert ausgearbeitete Hygienepläne das Risiko minimieren sollen, gab es für die Schlachthöfe nichts. Und das hat System.

Sehen wir uns zuerst die Arbeitsbedingungen an, ehe wir im Folgenden untersuchen, woher sie kommen, warum sie toleriert werden und welche Schritte gegangen werden könnten, das Problem zu lösen.

Arbeiten wie in Manchester

Die Arbeitsbedingungen in dieser Industrie erinnern nicht nur entfernt an die schlimmsten Exzesse während der Frühphase der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts. Einige Ausschnitte aus der Realität der Fleischerbetriebe liefert eine Artikel im Tagesspiegel:
Da seien zum Beispiel die Arbeiter afrikanischer Herkunft, die für 16-Stunden-Schichten, sechs Tage die Woche, im Monat knapp 700 Euro erhielten. Einer verletzte sich, hatte eine tiefe Schnittwunde an der Hand und erklärte seinem Vorarbeiter, er brauche Hilfe. Der Vorarbeiter schickte ihn blutend zurück auf seinen Posten. Er sagte nur: „Arbeiten! Arbeiten! Zeit ist Geld!“ [...] Schnittwunden gehören im Schlachtbetrieb zu den häufigsten Arbeitsunfällen. Die Mitarbeiter hantieren mit Messern und Kettensägen. Sind ihre Verletzungen zu schwer, müssen sie zurück in ihr Heimatland, werden durch neue Kräfte ersetzt.
Die Arbeitenden haben auch nach Feierabend keine Ruhe vor dieser kapitalistischen Höllenvision. Sie schlafen in Massenunterkünften, die völlig verdreckt sind, wo sich viele einen Raum mit Stockbettpritschen teilen. Es gibt eine elektrische Kochplatte für alle, und nur eine Toilette. Wenig überraschend, dass unter diesen Bedingungen wahre Corona-Hotspots entstehen. Das alles widerspricht selbstverständlich geltender Arbeitsgesetzgebung in Deutschland. Aber die Schlachthöfe rekrutieren ihr Personal seit den rot-grünen Reformen zu rund drei Vierteln von Subunternehmen aus Osteuropa, die über Werksverträge angestellt sind. Das ist eine wahre Lizenz zum Unterlaufen von Regelungen und zur Ausbeutung der Arbeitnehmenden. Doch nicht nur das:
Durch die Farbe ihrer Mützen seien die Werkarbeiter von der Stammbelegschaft leicht unterscheid- und somit separierbar: „Sowohl am Fließband als auch in den Pausenräumen ist ihnen untersagt, sich mit der Stammbelegschaft zu unterhalten.“ Die Unternehmen wollten so verhindern, dass die Werkarbeiter von grundlegenden Arbeitnehmerrechten und Standards erführen, auf die sie sich dann berufen könnten. In manchen Betrieben gebe es extra Sicherheitskräfte, die aufpassten, dass die verschiedenen Gruppen nicht zueinanderfinden.
Solche Trennungsmaßnahmen sind auch aus anderen Betrieben bekannt, die Zeitarbeitnehmende und ähnliche diskriminierte Arbeitnehmendengruppen beschäftigen. Nicht nur wird so versucht, eine gemeinsame Front gegen die Ausbeutung und Gesetzesverstöße zu verhindern; es geht auch darum, die Werkarbeitende kontinuierlich unten zu halten und zu erniedrigen und dadurch jeden Gedanken an Widerstand auszutreiben. Dass sie praktisch keinerlei Rechte genießen, erschwert die Lage zusätzlich. Die Schlachthofbesitzenden greifen zudem meist auf zwar illegale, aber praktisch nie sanktionierte Methoden zurück, wie man sie auch aus den Diktaturen der Ölscheichs kennt: Die Werkarbeitenden müssen ihre Ausweisdokumente bei Arbeitsantritt abgeben und bekommen sie - genauso wie ihren Lohn - erst am Ende der vereinbarten Arbeitszeit wieder zurück. Jeder Wechsel des Arbeitsplatzes, jeder Widerstand wird damit praktisch unmöglich. Die erbärmlichen Lebensbedingungen werden zudem auch noch als Anlass genommen, die Werkarbeitenden weiter auszubeuten, indem vom Lohn völlige Fantasiepreise für die ranzigen Unterkünfte und das karge Essen abgezogen werden. Wenn schon die Bedingungen für Menschen so schlecht sind, ist zu erwarten, dass das auch für die Tiere gilt:
Friedrich Mülln, der Gründer der „Soko Tierschutz“, hat in den vergangenen Jahren diverse Videos veröffentlicht, die Missstände in den Betrieben dokumentieren – und vor allem das Leid des Viehs zeigen. Schweine werden unzureichend betäubt und bei Bewusstsein an Schlachterhaken aufgehängt, wo man ihnen die Halsschlagader durchschneidet und sie ausbluten lässt. Verängstigte Rinder, die sich gegen das Betreten der Schlachträume wehren, werden mit dem Elektroschocker malträtiert, bis zu 170 Mal innerhalb weniger Minuten. Zum Teil werden die Tiere mit Wasser übergossen, dies macht die Schocks schmerzhafter, oder Stromstöße werden ins Gesicht oder den After gesetzt. Bolzenschüsse, die die Tiere eigentlich betäuben sollten, gehen oft daneben, sodass fünf Schüsse nötig sind, jeder einzelne zertrümmert ein Stück Schädel des Rinds. Es kommt vor, dass Tiere auf nassen Böden ausrutschen und sich die Beine brechen. Dann werden sie von Arbeitern zur nächsten Station geschleift. Die Bedingungen, unter denen Menschen in Schlachthöfen arbeiten und wohnen müssten, führten automatisch zu einer Verrohung, unter der die Tiere zusätzlich litten. „Wenn schon Menschen so schlecht behandelt werden, braucht es niemanden zu wundern, dass mit Hühnern, Rindern und Schweinen noch skrupelloser umgegangen wird“, sagt Mülln. Um die eigene Ausbeutung, aber auch die Misshandlungen des Viehs zu ertragen, flüchteten sich viele in massiven Alkoholkonsum. In einem großen Schlachthof in Bayern werde der Kopfschlächter, also derjenige, der für das Betäuben der Tiere und Durchtrennen der Hauptschlagader verantwortlich ist, von seinen Kollegen „Weißbier“ genannt. „Der Mann erscheint schon morgens alkoholisiert zur Arbeit, und zwar täglich.“ In einem anderen Betrieb entdeckte Mülln ein verstecktes Lager an Schnapsflaschen. Auch der Tierschutzbeauftragte des betreffenden Unternehmens sei stets betrunken gewesen.
Man braucht nicht zu hoffen, dass das Einzelfälle sind. Sieben Betriebe wurden der Soko kontrolliert, in allen sieben stießen sie auf dasselbe Bild, sechs der Betriebe mussten sofort stillgelegt werden. Es ist kaum anzunehmen, dass es anderswo besser aussieht. Aber wenn die Zustände einer kompletten Branche so katastrophal sind und den Behörden dies auch klar ist, warum unternimmt der Staat nichts dagegen?

Eine Galerie der Schurken

Ein Sprichwort besagt, dass der Erfolg viele Väter hat, der Misserfolg dagegen keine. Hier allerdings haben wir bereits so viele Eltern, dass bei einer Familienfeier durchaus Verwirrung aufkommen dürfte. Mit geltendem Recht hat das alles so viel zu tun wie die organisiertes Verbrechen, und in einem gewissen Maße ist es das auch. Wer also ist eigentlich zuständig? Das wären die Veterinärämter.
„Ohne öffentlichen Druck machen die Veterinärämter garantiert nichts.“ Tatsächlich habe er bereits erlebt, wie von ihnen informierte Behörden die Schlachthöfe warnten und dort dann versucht wurde, Beweise zu vernichten. „Es liegt an den Strukturen, den engen Verbindungen. Auf unseren Videos sind reihenweise die Mitarbeiter der Veterinärämter zu sehen. Sie stehen dabei und lassen die Misshandlungen geschehen.“ Die Offenlegung eines solchen Alltags durch Dritte sei für die Ämter „hochgradig peinlich“. Bei großen Betrieben muss ständig ein amtlicher Veterinär anwesend sein. Dass dieser im Zweifel wegsehe, liege auch daran, dass die eingesetzten Aufpasser keine Beamten seien. Die hoheitliche Aufgabe der Kontrollen werde an private Tierärzte ausgelagert. „Die hängen natürlich an ihrem Job, und wenn sie zu oft den Betrieb aufhalten, werden sie ausgetauscht.“ In ländlichen, bevölkerungsarmen Regionen kämen zudem persönliche Beziehungen zwischen Veterinären und Schlachthofpersonal vor – und sei es nur, dass die Kinder dieselbe Kita besuchen.
Hier zeigt sich auch wieder einmal der Nachteil daran, keine Beamten zur Verfügung zu haben, sondern "nur" Angestellte des öffentlichen Dienstes. Wo die Staatsgewalt waltet, ist es manchmal einfach sinnvoller, eine unbestechlichere Kaste zur Kontrolle zur Verfügung zu haben (man beachte den Komparativ). Aber es sollte mittlerweile offensichtlich geworden sein, dass sich der Skandal der Fleischerbranche einer klaren Rollenzuschreibung entlang des Links-Rechts-Spektrums entzieht. Stattdessen ist für jeden was dabei: Staatsversagen, Korruption, Ausbeutung. Staatsversagen, weil offensichtlich zum einen eine komplette Behördeninfrastruktur ihren Aufgaben nicht nachkommt. Veterinäre, die Hand in Hand mit den Verbrechern arbeiten, sind wie manche Finanzämter, die die Steuerschuld der großen und gut vernetzten Konzerne über die Büros der Ministerpräsidenten als Vermittler unter der Hand aushandeln und gerne mal vor anstehenden Razzien gewarnt werden. Hier zeigt sich ein Versagen des Staates in einer Breite, die atemberaubend ist. Die Strukturen sind völlig verrottet, in einem Ausmaß, das sich durch ein bisschen mehr Personal und die eine oder andere Reform nicht mehr beseitigen lässt. Gleichzeitig aber haben wir es auch mit einer Art der politischen Korruption zu tun, denn die Zustände sind ja sattsam bekannt, seit vielen Jahren schon. Nur wird nichts dagegen unternommen. Egal wer an der Macht ist, hier handelt es sich um einen wahrlich unparteiischen Skandal. SPD-geführte Länder haben genauso Ausbeutung in den Schlachthöfen wie CDU-geführte, und ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass in Baden-Württemberg weniger Tiere gequält werden als in Bayern oder dass einE FDP-AgrarministerIn hier eher für Abhilfe sorgen würde als eineR von der LINKEn. Hubertus Heil, seines Zeichens SPD-Arbeitsminister, schickt sich nun an, Werkverträge in den Schlachthöfen zu verbieten. Wenig überraschend aber ist, anders als die restlichen Parteien, die FDP als einzige offen dagegen, das Problem der Werkverträge zu lösen. Und man muss ihr zugestehen: Da liegt sie mit der Mehrheitsmeinung in Deutschland durchaus auf einer Linie.

Wasch mich, aber mach mich nicht nass

Diese Aussage mag erst einmal verwundern. Würde man eine Meinungsumfrage machen, so würde sich wohl kaum eine Mehrheit für "Sind Sie für die Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen in der Fleischindustrie?" finden. Aber die Kritik führt uns zum Kern des Problems. Denn die berechtigte Befürchtung der FDP, wie auch einiger Unions-AgrarpolitikerInnen, ist der Preis des Fleisches. In Deutschland ist Fleisch nämlich geradezu absurd billig. Wir sind neben den Niederlanden, die noch vor Deutschland in der Europäischen Union das meiste und billigste Mastfleisch herstellen und das Problem daher sehr gut kennen, das wahrscheinlich einzige Land in Europa, in dem man im Supermarkt ein Kilogramm mariniertes Schweinefleisch für 1,99€ kaufen kann. Not-so-fun-fact: Ein deutscher Exportschlager nach China ist Schweinefleisch. Wenn daher PolitikerInnen von CDU, FDP und AfD die Bedeutung billigen Fleisches für den deutschen Grill hervorheben, liegen sie damit definitiv auf Linie mit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Obwohl der Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch, entgegen des Klischees, im europäischen Vergleich so hoch gar nicht ist, nehmen Fleisch und Wurst in der öffentlichen Wahrnehmung eine herausragende Rolle ein. Besonders im Sommer geht den Deutschen nichts über den mit Fleischwaren gefüllten Grill. Dass auf diesem Grill das billigstmögliche Fleisch landet, ist dagegen sehr wohl eine deutsche Eigenheit. Nicht nur kostet das Fleisch geradezu absurd wenig, teilweise sogar unter dem Herstellungspreis (die Großbetriebe versuchen so aggressiv wie sonst wohl nur Amazon, Marktanteile zu erobern). Es ist auch noch qualitativ schlecht. Es sollte nicht überraschen, dass Fleisch für 1,99€ das Kilo nicht unbedingt fettarm und von glücklichen Schweinen aus Freilandhaltung stammt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die deutschen Konsumenten bereit wären, reale Preise für Fleisch zu bezahlen. Der Standard der Lebensmittel in diesem Land ist ohnehin unterirdisch, aber dafür sind die Preise niedrig. Hierzulande bezahlt man für die meisten Lebensmittel gleich viel oder weniger als etwa in Polen oder Spanien, und das obwohl das Realeinkommen in Polen gerademal ein Viertel des deutschen beträgt! Solange die Deutschen die kognitive Dissonanz aushalten, die Bedingungen, unter denen ihr Fleisch produziert wird zu verurteilen und gleichzeitig jeden in Bausch und Bogen verdammen zu wollen, der auch nur für eine Mahlzeit in der Woche eine vegetarische Alternative vorschlägt, solange wird sich an diesem Zustand auch wenig ändern - und wird auch im nächsten Wahlkampf wieder Front mit deutschen Bratwürsten gegen vegetarische Bratlinge gemacht werden.

Der Weg nach vorn

Parteien müssen ihre WählerInnen dort suchen, wo sie sind. Die Welt besser zu machen haben die Union, FDP und AfD ohnehin nie als ihre Aufgabe verstanden, weswegen es nur folgerichtig ist, die kognitive Dissonanz hier zu bewahren und die Mehrheit im Land gleich mit. Und die Grünen werden nach dem Debakel mit dem Veggie-Day von 2013 einen Teufel tun, noch einmal auch nur so viel wie einen Mucks in diese Richtung zu machen. SPD und LINKE sehen das Problem mit der Beseitigung der ausbeuterischen Arbeitsbedingungen vermutlich als gelöst. Wie also weiter? Grundsätzlich ist es einfach. Westliche Gesellschaften müssen generell den Fleischkonsum reduzieren, sowohl aus umwelttechnischen als auch gesundheitlichen und ethischen Gründen. Das Grundproblem ist, dass man mit der Forderung allein bereits tief in den persönlichsten Bereich des Menschen eingreift, die Hoheit über die eigene Ernährung. Und da habe ich nur ein Ziel formuliert, ohne irgendeine politische Forderung oder gar Maßnahme damit zu verknüpfen. An diesem Dilemma scheiterte 2013 die Grünen und der Veggie-Day: Viel niedrigschwelliger kann eine Maßnahme kaum sein, aber darum ging es ja auch nicht. Das Springer-CDU/FDP-Konsortium fand sofort den identitätspolitischen Ansatz und nutzte ihn meisterhaft. Seither wird diese Linie periodisch wiederholt. Fleisch zu konsumieren ist nicht nur eine  Entscheidung über den eigenen Speiseplan, sondern wird moralisch überhöht: Es ist ein Akt der Freiheit, ein Zeichen des Widerstandes gar. Das ist besonders absurd, weil Fleisch essen nun wahrlich keine Minderheitenposition ist. Die politische Kommunikation ist auf diesem Feld also unbestreitbar schwierig. Gegen die albernen identitätspolitischen Momente anzugehen ist daher die erste Priorität. Denn eine grundsätzliche Reduktion des Fleischkonsums ist für niemanden ein Problem. Sobald wir von den verzerrten Vorstellungen eines Fleischverbots oder Grillparties ohne Steak weg sind, wird niemand grundsätzlich Einwände darin haben, dass einmal pro Woche kein Fleisch zu essen oder den Fleischkonsum wo möglich von rotem auf weißes Fleisch umzustellen gewaltige Opfer bedeutet. Allein, über die Identitätspolitik der bürgerlichen und rechten Parteien und der Presse hinwegzukommen ist die größte Herausforderung. Die Vorstellung, mittels Verboten hier etwas erreichen zu können, ist offensichtlich irrig. Sie wird auch von keiner Partei ernsthaft erhoben (was die erwähnten Gruppen natürlich nicht davon abhält, dies trotzdem zu behaupten, aber das ist genauso Teil des politischen Diskurses wie der 53%-Spitzensteuersatzvergleich). Wirksam können daher nur Vorbilder sein, und da die wenigsten Menschen auf die Frage, wer denn ihr größtes Vorbild sei, mit "Claudia Roth!" antworten, wird dieser Wandel nur gesamtgesellschaftlich zu erreichen sein. Das heißt, es liegt bei jedem Einzelnen, und bei denen, die hervorgehobene Stellung haben, umso mehr. Prominente der einen oder anderen Couleur mögen mit einer Hinwendung zum Vegetarismus ihre größten Fans bewegen, aber das sind periphere Schauplätze. Viel wichtiger sind etwa Eltern und ihre Kinder. Papa muss vorleben, dass es auch Mahlzeiten ohne Fleisch geben kann, die gut schmecken. Dass sie vielleicht sogar der Standard sind. Und das ohne Zwang. Wenn die Kinder Fleisch essen wollen, fein. Aber man muss ihnen Alternativen aufzeigen. Das gilt auch für die Schule. Die Kantinen und Fastfood-Anbieter sind eine Geißel der gesunden Ernährung, und ihr Angebot muss sich ändern, so dass es mehr fleischlose Alternativen gibt (und, wo wir gerade dabei sind, etwas weniger Kohlenhydrate...). Hier ist erneut die Vorbildfunktion relevant. Deswegen war auch der Veggie-Day so eine gute Idee. Man probiert mal was Neues. Und das führt gleich zum nächsten Problem. Denn gesunde Ernährung, gerade wenn man auch nicht nur durch Fett und Kohlenhydrate ersetzen will (was leider viele vegetarische Gerichte tun), ist teurer als Billigfleisch und frittierte Kartoffelbeilagen. Will man weiter alle Nährstoffe einer gesunden Mahlzeit haben, die sättigt und gut schmeckt,  muss vor allem Protein zurück in den Mix. So oder so ist gesundes Essen teurer als ungesundes. Und das ist ein zentraler Bestandteil unseres Problems. Und hier kann der Staat durchaus ansetzen. Ich habe schon einmal vorgeschlagen, mit staatlichen Maßgaben vor allem bei der Besteuerung anzusetzen, aber auch die Beimischung von ungesunden Zusatzstoffen ins Essen zu regulieren. Das hilft auch beim Problem der Ungleichheit. Gerade bei Fleisch würde eine konsequentere Umsetzung des Arbeitsrechts sowie eine Verbesserung des Tierschutzes (den auch die FDP fordert, die gemeinsam mit den Grünen (!) einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingebracht hat) bereits für eine Verteuerung sorgen. Dazu wäre es möglich, den Mehrwertsteuersatz auf Fleisch zu erhöhen und den auf Gemüse zu senken. Ausnahmeregelungen gibt es eh schon genug, da kommt es auf die nicht mehr an. Zwar wäre das Kilo Schweinefleisch selbst für 3,99€ noch ziemlich pervers. Aber vielleicht bringt es zusammen mit den flankierenden Maßnahmen ein Umdenken in die Richtung, Fleisch als eine Art Delikatesse zu begreifen, etwas, das man sich gönnt - etwa auf der Grillparty - aber nicht etwas, das per default den Hauptteil der Mahlzeit bestimmt. Aber: Alles, was ohne staatliche Eingriffe auskommt, ist hier grundsätzlich vorzuziehen. Einerseits wegen der Wirksamkeit. Was die Leute freiwillig und aus Überzeugung machen, hält besser und länger - und überzeugt dann auch wieder andere. Andererseits aber auch aus moralischen Gründen. Vorschriften und Regulierungen sind schließlich kein Selbstzweck. Wenn also Maßnahmen, die wir völlig unabhängig von einer erweiterten Zielsetzung "Fleischkonsum reduzieren" ergreifen, weil sie notwendig und richtig sind - Kampf gegen die Ausbeutung und unhaltbaren Arbeitsbedingungen, konsequenter Kampf gegen die industrielle Tierquälerei - ohnehin bereits Verschiebungen in der Preisstruktur und möglicherweise ein größeres öffentliches Bewusstsein schaffen, ist vielleicht gar nicht mehr nötig. Wir können dann Stück für Stück gesünder, nachhaltiger und nicht zuletzt leckerer essen.

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