Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sorgen in der Republik für viel Händeringen. Alle sind überzeugt, dass sie darauf zurückzuführen sind, was sie schon immer für richtig gehalten haben. Auch wir Bohrleute müssen natürlich den Versuch einer Einordnung unternehmen. Mit Maria Tiede spreche ich über das Wahlverhalten ihrer alten Heimat.
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(Musik: Intro aus Accou – Sarabande BWV 1002 (Partita No.1 for violin solo in B-minor), Outro aus Accou – Bourree (I.S. Bach BWV 1002, Violin Partita No 1 in B minor))
Shownotes
Sind wir jetzt der böse Osten?
Der Text beschreibt die Perspektive einer jungen Frau, die in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen ist und nun in Berlin lebt. Sie reflektiert über das Ergebnis der Europawahl, bei der in ihrer Heimatregion die AfD stark abgeschnitten hat, und diskutiert das Ost-West-Gefälle in Deutschland. Sie beschreibt ihr Dorfleben, die Unterschiede zwischen Stadt und Land und das Gefühl der Entfremdung, das sie erlebt, wenn sie in politischen Gesprächen nicht widerspricht, um nicht ausgeschlossen zu werden.
Sie spricht über die Kluft zwischen den "anywheres" und "somewheres", zwei Begriffen des britischen Historikers David Goodhart, die die Mobilität und Verwurzelung von Menschen beschreiben. Die Autorin fühlt sich zwischen diesen beiden Welten hin- und hergerissen, sieht sich selbst als "anywhere" mit Heimweh und reflektiert darüber, wie schwierig es ist, in einer sich verändernden Welt seinen Platz zu finden.
Der Text endet mit der Erkenntnis, dass direkte politische Beteiligung vor Ort notwendig ist, um echte Veränderungen herbeizuführen, und einem Spruch ihres Vaters, der sie daran erinnert, dass Wissen allein nicht ausreicht, um etwas zu bewirken. (Nora Zabel, ZEIT)
Der Text analysiert die politischen Erfolge der AfD und der neuen Partei BSW in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen im Kontext der bevorstehenden Landtagswahlen. Er argumentiert, dass die hohe Zustimmung für diese Parteien nicht durch den sogenannten "Transformationsschock" der Wiedervereinigung erklärt werden kann, sondern tiefere Wurzeln in der DDR-Vergangenheit und dem daraus resultierenden Misstrauen gegenüber westlichen Institutionen hat.
Der Text kritisiert die Annahme, dass der Aufstieg des Rechtsextremismus im Osten allein auf die Fehler der aktuellen Bundesregierung oder die politische Landschaft seit der Wiedervereinigung zurückzuführen sei. Vielmehr betont der Autor, dass die AfD und BSW auf tiefsitzende Ressentiments und eine Abkehr von den Idealen von 1989 setzen, die durch die fortdauernde "Ossifikation" – eine nostalgische Pflege der DDR-Vergangenheit – verstärkt werden.
Der Autor hebt hervor, dass viele Ostdeutsche sich heute noch immer als Opfer der Wiedervereinigung sehen und in der AfD und BSW Parteien gefunden haben, die ihre antiwestlichen und antidemokratischen Gefühle ansprechen. Gleichzeitig wird jedoch betont, dass der Osten in sich selbst gespalten ist und dass es auch eine große Zahl von Ostdeutschen gibt, die sich in einem vereinten Deutschland gut integriert fühlen und die westlichen Werte teilen.
Abschließend warnt der Text davor, dass der Erfolg von AfD und BSW nicht nur auf populistische Rhetorik zurückzuführen ist, sondern auf tiefere kulturelle und historische Unterschiede, die es weiterhin zu beachten gilt. (Dieter Schnaas, Wirtschaftswoche)
Wie Medien auf Stasi-Enthüllungen und Ossi-Klischees setzen
Der Text kritisiert die Art und Weise, wie die westdeutschen Medien über den Osten Deutschlands berichten, insbesondere im Kontext der anstehenden Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Es wird bemängelt, dass der Osten oft pauschalisiert und auf Themen wie Rechtsextremismus, Stasi-Vergangenheit und Deindustrialisierung reduziert wird. Diese Darstellung erinnert an eine Art "Auslandsberichterstattung", bei der Ostdeutschland als fremdes, problematisches Territorium betrachtet wird.
Der Autor hebt hervor, dass selbst differenzierende Ansätze oft nur als Absicherung verwendet werden, um anschließend weiterhin pauschale Urteile zu fällen. Die mediale Fokussierung auf negative Aspekte, wie den Erfolg der AfD und die angebliche Bedrohung der Demokratie durch den Osten, wird als einseitig und alarmistisch kritisiert.
Der Text stellt auch die Berichterstattung über das Bündnis Sahra Wagenknechts in Frage und zeigt, wie Ostdeutsche oft in den Medien als rückständig oder problematisch dargestellt werden. Dabei werden Menschen aus dem Osten, die andere Meinungen vertreten, oft in eine rechte Ecke gedrängt, was den Diskurs weiter polarisiert.
Abschließend wird die Serie "Ossiversum stabil" positiv hervorgehoben, da sie einen ungefilterten und ehrlichen Einblick in das Leben junger Menschen im Osten bietet, ohne sie zu verurteilen oder zu pathologisieren. Diese Darstellung wird als erfrischend und notwendig betrachtet, um ein authentischeres Bild des Ostens zu vermitteln. (Wiebe Hollersen, Berliner Zeitung)
Analyzing the right-wing swing in Germany
Der Artikel aus "The Economist" bietet eine umfassende Analyse der politischen Dynamiken in Ostdeutschland, insbesondere mit Blick auf die Regionalwahlen in Thüringen und Sachsen. Er beleuchtet die zunehmende Spaltung zwischen den östlichen und westlichen Bundesländern, die sich in den starken Wahlergebnissen von rechtsgerichteten Parteien wie der AfD und Sahra Wagenknechts BSW widerspiegelt.
Die wichtigsten Punkte des Artikels umfassen:
- Hohe Wahlbeteiligung: Mit einer Wahlbeteiligung von 74 % zeigt sich, dass die Wähler im Osten zwar unzufrieden mit den etablierten Parteien sind, aber dennoch aktiv an der Demokratie teilnehmen.
- Dominanz der AfD: Die AfD, unter der Führung von Björn Höcke in Thüringen, hat sich als starke Kraft etabliert und könnte genügend Stimmen erhalten, um die Bildung einer Koalition ohne die AfD zu verhindern. Ihre Wählerbasis besteht hauptsächlich aus jüngeren, weniger gebildeten Männern, die sich wirtschaftlich und sozial unsicher fühlen.
- Schwierigkeiten der CDU: Obwohl die CDU in Sachsen einen leichten Vorsprung halten konnte, wird es schwierig sein, eine stabile Regierung zu bilden. Die Unterstützung der CDU ist vor allem bei älteren und wohlhabenderen Wählern zu finden.
- Aufstieg der BSW: Sahra Wagenknechts neue Partei BSW hat ebenfalls signifikant an Unterstützung gewonnen und zieht Wähler von der Linken ab.
- Misstrauen in Institutionen: AfD-Wähler zeigen ein tiefes Misstrauen gegenüber öffentlichen Institutionen, einschließlich Polizei, Gerichten und Medien, was im Gegensatz zu den moderateren Ansichten der allgemeinen Bevölkerung steht.
- Kulturelle und soziale Themen: Das Programm der AfD konzentriert sich stark auf kulturelle und soziale Fragen, insbesondere die Ablehnung von Migration, Kriminalität und der Umweltpolitik der Grünen. Sie kritisieren auch Bemühungen, die deutsche Sprache weniger sexistisch zu gestalten.
- Nostalgie und Identität: Viele Wähler im Osten fühlen sich weiterhin als "Bürger zweiter Klasse" und haben eine gewisse Nostalgie für eine stabilere Vergangenheit, was die Unterstützung für Parteien wie die AfD und BSW, die das Establishment herausfordern, verstärkt.
- Potenzielle politische Verschiebung: Der Artikel schließt mit dem Hinweis auf eine mögliche dramatische politische Verschiebung in Deutschland, wobei die AfD den Osten und die CDU den Westen dominiert, falls das Land ein Mehrheitswahlsystem wie in den USA oder Großbritannien einführen würde.
Diese Analyse unterstreicht die wachsende politische Divergenz innerhalb Deutschlands, insbesondere zwischen den östlichen und westlichen Bundesländern, und wirft Fragen über die Zukunft der deutschen Einheit und Demokratie auf. (Adam Tooze, Chartbook)
Eine beispiellose Bestrafung der Ampel-Politik
Die Wahlen in Thüringen und Sachsen haben ein deutliches Signal gesendet: Die Wähler in diesen östlichen Bundesländern haben die drei Parteien der Ampelkoalition beispiellos abgestraft, während die AfD als großer Gewinner hervorgegangen ist. Die SPD konnte knapp die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, spielt aber in diesen Regionen kaum noch eine Rolle. Die Grünen verzeichnen starke Unterschiede zwischen Sachsen und Thüringen, und die FDP hat in den letzten drei Jahren erheblich an Boden verloren.
Bemerkenswert ist auch der Einzug von Sahra Wagenknechts neuer Partei BSW in beide Landtage, die aus dem Stand beachtliche Ergebnisse erzielte. In Thüringen dominieren die extremen Parteien AfD, BSW und Die Linke, die zusammen fast zwei Drittel der Stimmen erhalten haben, was die politische Mitte stark unter Druck setzt.
Die CDU konnte sich als einzige Partei der Mitte behaupten, vor allem dank des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der einen erfolgreichen Wahlkampf geführt hat. Gleichzeitig wird die katastrophale Flüchtlingspolitik der Ampelkoalition und der vorherigen Merkel-Regierungen für das starke Abschneiden der AfD verantwortlich gemacht.
Das Wahlergebnis zeigt, dass die Wähler einen Wechsel fordern. Die CDU steht nun vor der Herausforderung, in beiden Bundesländern stabile Machtoptionen aufzubauen, während die Idee eines Parteienverbots für die AfD von einigen als letzter Ausweg gesehen wird. Die Zukunft der deutschen Politik, insbesondere in den östlichen Bundesländern, bleibt damit spannend und unsicher. (Ulf Poschardt, WELT)
Wie Deutschland nach rechts rückte
Der Artikel beschreibt den beunruhigenden Aufstieg der rechtsextremen AfD in Deutschland, insbesondere in Ostdeutschland, wo die Partei in einigen Regionen zur stärksten politischen Kraft geworden ist. Ein Beispiel hierfür ist der kleine Ort Wilhelmsburg in Mecklenburg-Vorpommern, wo der AfD-Kandidat Peter Volker Weimer die Bürgermeisterwahl mit 54 Prozent der Stimmen gewann. Die AfD hat sich in den letzten zehn Jahren als ernstzunehmende politische Macht etabliert, indem sie von der Vorarbeit früherer rechtsextremer Parteien wie der DVU, NPD und Republikaner profitiert hat.
Der Artikel hebt hervor, dass der Rechtsruck in Ostdeutschland besonders stark ausgeprägt ist, während im Westen ebenfalls ein Anstieg rechter Wählerschaft zu verzeichnen ist. Es wird auf die historische Entwicklung eingegangen, die diesen Aufstieg begünstigt hat, angefangen bei den "Baseballschlägerjahren" der 1990er Jahre bis hin zur Wiedervereinigung und der damit verbundenen ökonomischen und sozialen Unsicherheiten, die den Boden für rechtsextreme Ideologien bereiteten.
Der Erfolg der AfD wird auch als Folge einer langen Tradition rechter Bewegungen in Deutschland gesehen, die immer wieder durch politische und gesellschaftliche Krisen an Stärke gewannen. Die Popularität von Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" und die Gründung der AfD im Jahr 2013 werden als Wendepunkte beschrieben, die zur heutigen Situation führten, in der rechte Parteien in Deutschland mehr Zustimmung erhalten als je zuvor.
Abschließend betont der Artikel, dass in Ostdeutschland aus der Abwehrhaltung gegen gesellschaftliche Veränderungen mittlerweile ein Machtanspruch geworden ist, während im Westen ähnliche Tendenzen bestehen, jedoch weniger stark ausgeprägt sind. (Lalon Sanders/Andreas Speit, taz)
Der Artikel analysiert die schwierige politische Lage, in der sich die CDU nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen befindet. Trotz ihrer Erfolge als stärkste Kraft unter den demokratischen Parteien sieht sich die CDU mit der potenziellen Notwendigkeit konfrontiert, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu koalieren, um regierungsfähig zu bleiben. Diese Situation birgt das Risiko, die Identität und den Kern der CDU zu beschädigen.
Die AfD, die in beiden Bundesländern große Erfolge erzielt hat, könnte davon profitieren, dass das BSW ähnliche politische Positionen vertritt, ohne dass die AfD selbst in Koalitionen eingebunden wird. Sahra Wagenknecht wird voraussichtlich versuchen, die CDU in außenpolitischen Fragen wie der Ukrainehilfe und der Russlandpolitik zu spalten.
Die CDU steht somit vor mehreren internen Herausforderungen: einer möglichen Spaltung zwischen Ost und West, zwischen den oberen und unteren Rängen der Partei sowie einer zusätzlichen Spaltung durch den Konflikt zwischen Schwarz-Grünen und Antigrünen, verstärkt durch die Positionen von Markus Söder. Diese Entwicklungen könnten nicht nur die CDU, sondern auch die Stabilität des politischen Systems in Deutschland gefährden. (Bernd Ulrich, ZEIT)
Sachsen hat gewählt: Eine erste Analyse
Der Artikel analysiert den politischen Wahlkampf in Sachsen und Thüringen im Jahr 2024 und beleuchtet vier wesentliche Beobachtungen:
- Diskursives Setting und Medienfokus: Die Berichterstattung über den Wahlkampf konzentrierte sich fast ausschließlich auf das Duell zwischen der CDU und der AfD, was andere Parteien wie SPD, Grüne oder Linke in den Hintergrund drängte. Diese Fokussierung beeinflusste die Wahrnehmung der Wähler und spielte der CDU in die Hände, da viele Wähler aus Angst vor einem AfD-Sieg für die CDU stimmten.
- Michael Kretschmers Wahlkampfstrategie: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer nutzte seine Position, um sich stark populistisch zu inszenieren, dabei jedoch immer wieder AfD-Rhetorik zu übernehmen. Seine Nähe zu Russland und seine Kritik an Sanktionen gegen das Putin-Regime standen im Kontrast zu den wirtschaftlichen Realitäten Sachsens, das stärker von anderen europäischen Ländern abhängt. Diese Strategie könnte die CDU langfristig in eine schwierige Lage bringen.
- Schwierigkeiten der Grünen: Die Grünen in Sachsen haben solide Regierungsarbeit geleistet, es jedoch versäumt, ihre Erfolge und politischen Botschaften über ihr eigenes Milieu hinaus zu kommunizieren. Dies führte dazu, dass sie in den ländlichen Regionen weiterhin schwach bleiben, obwohl sie in Städten wie Dresden und Leipzig erfolgreich sind.
- Potenziale der Zivilgesellschaft: Trotz der Erfolge rechtspopulistischer Parteien gibt es in der Zivilgesellschaft, insbesondere in ländlichen Regionen, Potenziale für eine lebendige Demokratie. Die Grünen könnten von einem stärkeren Engagement vor Ort und der Förderung lokaler Initiativen profitieren, um eine breitere politische Basis zu schaffen und den rechtspopulistischen Tendenzen entgegenzuwirken.
Insgesamt wird deutlich, dass die politische Landschaft in Sachsen und Thüringen komplex und von populistischen Strömungen geprägt ist, während traditionelle Parteien wie die CDU und die Grünen mit internen und externen Herausforderungen konfrontiert sind. (Jan Philip Albrecht/Dietrich Herrmann, Böll-Stiftung)
Die AfD lässt sich nicht entzaubern
Der Text setzt sich kritisch mit der verbreiteten These auseinander, dass die AfD in Regierungsverantwortung ihre Unfähigkeit und Widersprüche offenbaren und dadurch an Unterstützung verlieren würde. Der Autor zeigt auf, dass diese Annahme in der Praxis nicht haltbar ist, wie Beispiele aus deutschen Kommunen, in denen die AfD bereits Machtpositionen innehat, verdeutlichen. Trotz enttäuschter Erwartungen bleiben die Wähler der AfD treu, was darauf hinweist, dass viele von ihnen nicht auf konstruktive Problemlösungen hoffen, sondern eher auf eine radikale Abkehr von der etablierten Politik.
Die These, dass die AfD durch Regierungsbeteiligung „entzaubert“ werden könnte, wird durch historische und aktuelle Beispiele widerlegt. Der Blick nach Österreich zeigt, dass die FPÖ, eine ähnlich radikale Partei, trotz zahlreicher Skandale weiterhin stark bleibt und das politische Klima des Landes nachhaltig verändert hat. In Thüringen wird Björn Höcke, eine zentrale Figur der AfD, trotz seiner extremen Ansichten nicht ausgegrenzt, sondern in öffentlichen Debatten als legitimer Gesprächspartner behandelt.
Die zentrale Botschaft des Textes ist, dass der Versuch, Rechtspopulisten in die Regierung zu integrieren, nicht zur Mäßigung führt, sondern das Risiko birgt, dass diese Akteure demokratische Institutionen untergraben. Der historische Verweis auf die Weimarer Republik und das Scheitern des Versuchs, Hitler durch Regierungsbeteiligung zu kontrollieren, dient als eindringliche Warnung vor der Wiederholung eines ähnlichen Fehlers. (Livia Gerster, FAZ)
Warum ist die Union so besessen von den Grünen?
Der Artikel kritisiert die Strategie von CDU und CSU, die Grünen als Hauptgegner darzustellen, obwohl die eigentliche Gefahr von der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ausgeht. Diese beiden Parteien, die zunehmend Einfluss in den östlichen Bundesländern gewinnen, wollen Deutschland in eine autoritäre Richtung lenken und die liberale Demokratie schwächen. Die Fixierung auf die Grünen als „größtes Problem“ sei angesichts der politischen Realität absurd und gefährlich. Die Grünen, die in Sachsen und Thüringen kaum erfolgreich waren, stellen keine ernsthafte Bedrohung dar, während AfD und BSW die demokratische Ordnung herausfordern.
Der Autor argumentiert, dass CDU und CSU sich durch ihre Obsession mit den Grünen selbst strategisch schwächen und sich in eine Sackgasse manövrieren, aus der sie schwer entkommen können. Insbesondere bei den kommenden Bundestagswahlen könnte diese Haltung dazu führen, dass die Union gezwungen ist, mit radikaleren Kräften wie dem BSW zu koalieren. Der Artikel appelliert an die Union, ihre Prioritäten zu überdenken und den Kampf gegen die wahren Bedrohungen der Demokratie in den Vordergrund zu stellen, anstatt sich in einem Kulturkampf gegen die Grünen zu verlieren. (Michael Stifter, Augsburger Allgemeine)
Die besorgten Bürger haben gewonnen
Der Artikel reflektiert die Erfahrungen des Autors mit Karl-Heinz Rackel, einem Anhänger von Pegida und später der AfD, über einen Zeitraum von zehn Jahren. Der Autor beschreibt, wie seine ersten Begegnungen mit Rackel im Jahr 2014 stattfanden, als Pegida gerade aufkam. Damals fiel es dem Autor schwer, Zugang zu den Pegida-Anhängern zu finden, die Medien und Politikern skeptisch gegenüberstanden. Die Gespräche mit Rackel und anderen Pegida-Anhängern waren von Missverständnissen und Vorurteilen geprägt, sowohl auf Seiten der Demonstranten als auch der Journalisten.
Der Autor gesteht ein, dass seine Berichterstattung möglicherweise von einer gewissen Überheblichkeit und Frustration geprägt war, was zu einer Distanzierung von den Pegida-Anhängern führte. Diese Haltung trug möglicherweise dazu bei, dass Pegida an Popularität gewann, indem sich die Anhänger an den negativen Reaktionen der Medien stärkten.
Im Verlauf der Jahre entwickelte sich die Beziehung zwischen dem Autor und Rackel, jedoch blieb Rackel in seinen Überzeugungen unverändert, während der Autor seine eigene Sichtweise und Herangehensweise an die Berichterstattung über Pegida und die AfD überdachte. Der Autor erkennt, dass die Pegida-Bewegung und später die AfD die politische Landschaft und den Diskurs in Deutschland nachhaltig verändert haben.
Schließlich drückt der Autor seine Resignation aus und erkennt, dass die "besorgten Bürger" wie Rackel die Gesellschaft stärker beeinflusst haben als umgekehrt. Trotz der intensiven Auseinandersetzung mit diesen Menschen und ihren Ideen bleibt ein Gefühl der Unveränderlichkeit und des Stillstands. Der Artikel endet mit der Erkenntnis, dass der Autor nicht vorhat, Rackel erneut zu kontaktieren, da sich nichts Wesentliches in den Überzeugungen des Mannes geändert hat. (Lenz Jacobsen, ZEIT)
Johannes Hillje analysiert die Situation von Olaf Scholz und der SPD vor den kommenden Wahlen und sieht den Countdown für Scholz bei etwa zwölf Monaten bis zur nächsten Bundestagswahl. Eine vorzeitige Wahl hält er für unwahrscheinlich, da die Ampelkoalition sich nicht aus einer Position der Schwäche heraus zur Wahl stellen möchte. Er betont, dass Scholz innerhalb der SPD fest als Kanzlerkandidat gesetzt sei und dass nur sein eigener Rücktritt das ändern könnte.
Hillje kritisiert die Profilierungsstrategien der Ampelparteien, die oft in internen Angriffen münden und die Regierung destabilisieren. Er spricht von einer gescheiterten Strategie, die nicht wiederholt werden sollte. In Bezug auf die Wahlen in Thüringen und Sachsen hebt er hervor, dass die CDU von taktischen Wählern profitiert habe, die die AfD verhindern wollten. Dennoch habe die AfD in Thüringen 32,8 Prozent erreicht und sich als rechtsextreme Volkspartei etabliert. Hillje warnt vor der Normalisierung der AfD in ländlichen Gegenden und sieht einen Vertrauensverlust in Institutionen und Medien, der durch persönliche Kontakte der AfD überwunden werde.
Hillje betont die Gefahr von Anti-AfD-Kampagnen, die auch die AfD-Wähler mobilisieren könnten. Er sieht eine neue Phase im deutschen Parteiensystem, in der Dreier- oder Viererkoalitionen die Zukunft sein könnten. (Tatjana Coerschulte, FR)
Die AfD hat in Thüringen bei den Landtagswahlen 2024 eine historische Zäsur erreicht: Zum ersten Mal hat eine rechtsextreme Partei in Deutschland eine Landtagswahl gewonnen und dabei mehr als ein Drittel der Sitze im Erfurter Landtag erobert. Diese sogenannte Sperrminorität ermöglicht es der AfD, wichtige Entscheidungen, wie Verfassungsänderungen oder die Wahl von Verfassungsrichtern, zu blockieren. Obwohl Björn Höcke verkündete, die Sperrminorität nicht missbrauchen zu wollen, plant die AfD, Anträge und Gesetze, die ihrer Ansicht nach nicht im Interesse Deutschlands sind, zu blockieren.
Diese Machtstellung stellt eine erhebliche Herausforderung für die demokratischen Institutionen dar, da die AfD ihre Position nutzen könnte, um den politischen Prozess in Thüringen zu blockieren und zu verzögern. Politikwissenschaftler sehen ein erhöhtes Potenzial für politische Erpressung, da die AfD bei zentralen Entscheidungen ihre Zustimmung fordern könnte. Gleichzeitig könnte die AfD wichtige Posten blockieren, wie etwa die Ernennung von Verfassungsrichtern oder die Besetzung von Richterämtern auf Lebenszeit, was die Justiz in Thüringen weiter schwächen könnte.
Auch in Sachsen ist die Lage angespannt, da die AfD dort fast ein Drittel der Sitze hat und jede Zweidrittelmehrheit auf wackeligen Beinen steht, falls nicht alle anderen Parteien zusammenarbeiten. (Anna Reimann, Spiegel)
Viele Jungwähler sehen AfD laut Forscher nicht als rechtsextrem
Die AfD hat in den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen besonders bei Erst- und Jungwählern beeindruckende Erfolge erzielt: 36 Prozent in Thüringen und 30 Prozent in Sachsen der 18- bis 29-Jährigen stimmten für die Partei. Der Generationenforscher Rüdiger Maas führt diesen Erfolg auf eine zunehmende Normalisierung der AfD unter jungen Menschen zurück. Diese nehmen die AfD nicht mehr als extrem wahr, obwohl der Verfassungsschutz sie als rechtsextrem einstuft. Viele junge Wähler würden sich selbst als politisch mittig sehen, aber dennoch für die AfD stimmen.
Die Aufteilung der Parteienlandschaft in links und rechts scheint für viele junge Wähler an Bedeutung zu verlieren. AfD-Themen funktionieren auf Social Media wesentlich besser als die Inhalte der etablierten Parteien, was den Erfolg der Partei verstärkt. Maas betont, dass die AfD gezielt Influencer mit großer Reichweite aufgebaut hat, während andere Parteien Schwierigkeiten haben, auf diese Entwicklung zu reagieren. (Spiegel)
Die fünf Lehren aus den Wahlen in Thüringen und Sachsen
Die aktuellen Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben fünf zentrale Entwicklungen aufgezeigt:
- AfD als dominierende Kraft in Ostdeutschland: Die AfD ist zur führenden politischen Macht in Ostdeutschland geworden, insbesondere in Thüringen, wo sie die Landtagswahl gewonnen hat, und in Sachsen, wo sie nur knapp hinter der CDU liegt. Trotz Skandalen und rechtsextremen Spitzenkandidaten wie Björn Höcke erhält die Partei breite Unterstützung. Auch ohne Regierungsbeteiligung wird sie durch ihre starke Position erheblichen Einfluss ausüben können.
- Das BSW wird ein politischer Faktor: Sahra Wagenknecht hat mit ihrem Bündnis BSW überraschend eine relevante politische Kraft in Ostdeutschland etabliert. In Thüringen könnte das BSW eine Schlüsselrolle in der Regierungsbildung spielen, möglicherweise in einer Koalition mit CDU und SPD.
- Niedergang der Linken: Die Linke, einst dominierende Ostpartei, verliert drastisch an Bedeutung. Selbst Bodo Ramelow konnte den Abwärtstrend in Thüringen nicht aufhalten, und in Sachsen droht die Linke sogar aus dem Landtag zu fliegen.
- Komplizierte Regierungsbildung: Die Regierungsbildung wird durch das Erstarken der AfD und des BSW deutlich schwieriger. In Thüringen könnte die CDU gezwungen sein, mit dem BSW zu koalieren oder sogar eine Zusammenarbeit mit der Linken zu erwägen, was parteiintern zu Spannungen führen würde.
- Ampel ohne Rückhalt in Ostdeutschland: Die Ampelparteien (SPD, Grüne, FDP) haben in Ostdeutschland massiv an Unterstützung verloren. Gemeinsam erreichen sie in Thüringen und Sachsen nur noch etwa 15 Prozent, was für die Bundesregierung ein alarmierendes Signal ist.
Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie sehr sich das politische Kräfteverhältnis in Ostdeutschland zugunsten populistischer und rechter Parteien verschoben hat. (Florian Gathman, Spiegel)
Der deutsche Osten ist näher an einem westlichen Trend als der Westen
Die jüngsten Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen spiegeln einen anhaltenden Trend in Europa wider, bei dem populistische und extremistische Parteien zunehmend an Einfluss gewinnen. In beiden Bundesländern haben sich große Teile der Wählerschaft für die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht entschieden, mit der AfD als klarer Gewinnerin in Thüringen und fast 42 Prozent der Stimmen in Sachsen.
Es ist auffällig, dass die Erklärungsmuster für diese Wahlergebnisse oft auf soziale, historische und wirtschaftliche Faktoren zurückgeführt werden, wie die Diktaturerfahrung oder das Gefühl des Abgehängtseins nach der Wende. Diese Erklärungen mögen teilweise zutreffen, doch der Populismus und die politische Radikalisierung, die hier sichtbar werden, sind kein rein ostdeutsches Phänomen. Ähnliche Entwicklungen lassen sich in vielen europäischen Ländern beobachten, was zeigt, dass diese Herausforderungen nicht regional, sondern global sind.
Trotz dieser wiederkehrenden Erklärungsmuster bleibt die wichtigste Frage an die etablierten Parteien: Wie können sie den Wählern ein attraktiveres Angebot machen? Die Wahlergebnisse verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, dass die Parteien der politischen Mitte bessere Antworten auf die Sorgen und Ängste der Wählerschaft bieten müssen, um dem Aufstieg extremistischer und populistischer Kräfte entgegenzuwirken. (Jennifer Wilton, Welt)
Zurück ans Lagerfeuer der Doppeldiktatur (Interview mit Ines Geipel)
Das Interview mit Ines Geipel beleuchtet die tieferliegenden gesellschaftlichen und historischen Gründe, die zur aktuellen politischen Lage in Ostdeutschland beitragen. Geipel erklärt, dass die Landtagswahlen im Osten häufig als Protest gegen den Westen und die Demokratie verstanden werden. Es gehe nicht nur um Enttäuschung oder Wut, sondern um „Hass und echte Destruktion“. Der Osten habe sich in einem „Zeitkontinuum“ aus Nationalsozialismus, DDR-Diktatur und den Jahren nach 1989 verfangen, das keine Hoffnung zulasse.
Sie betont, dass der Osten wirtschaftlich mittlerweile stark dasteht, doch trotz wachsender Wohlstandsdaten antidemokratische Tendenzen immer stärker würden. Dies sei auf lange Diktaturerfahrungen und den daraus resultierenden kollektiven Identitätsverlust zurückzuführen. Das Individualisierungskonzept der westlichen Gesellschaft habe im Osten nicht gegriffen. Dies führe zu einer Desillusionierung und dem Wunsch nach radikalen Veränderungen.
Geipel plädiert für eine tiefere Auseinandersetzung mit den historischen Traumata, die auch transgenerational weitergegeben werden. Der Westen habe diese Entwicklungen oft ignoriert, was zu einem Gefühl des „Fremdseins“ führe, das populistische und extremistische Bewegungen verstärke. (Peter Unfried/Harald Welzer, taz)
Die Wahl der AfD in Thüringen, bei der rund 400.000 Menschen für die rechtsextreme Partei stimmten, wirft Fragen auf, die über die politische Bedeutung hinausgehen. Diese Wähler repräsentieren jedoch nicht das gesamte Volk, sondern nur einen Teil der Bevölkerung. In einer repräsentativen Demokratie sind die Ergebnisse der Bundestagswahl entscheidend, um den Willen der Mehrheit zu ermitteln. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die AfD landesweit nur auf etwa 16 bis 17 Prozent kommt – weit entfernt von einer Mehrheit.
Die Annahme, dass der Osten Deutschlands einen allgemeinen Trend für die Republik vorgibt, ist fragwürdig. Auch international sind rechtspopulistische Bewegungen im Rückzug: Boris Johnson wurde abgewählt, Marine Le Pen hat verloren, und Donald Trump könnte erneut scheitern. Möglicherweise spiegelt das Wahlergebnis in Thüringen also keine tiefgreifende politische Wende wider, sondern das Bedürfnis bestimmter Wähler nach Veränderung.
Dennoch sollte die Bedeutung dieser Wahl nicht überbewertet werden. Thüringen bleibt eine Randregion in Deutschland, und das Wahlergebnis wird die nationale Politik nicht grundlegend verändern. (Mark Schieritz, ZEIT)
The AfD’s Rise Is Making Germany’s Mainstream Parties Desperate
Die jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben das wachsende Gewicht von populistischen und rechtsextremen Parteien wie der AfD und der neu gegründeten BSW verdeutlicht und gleichzeitig die Zerbrechlichkeit der politischen Landschaft in Deutschland aufgezeigt. Mit über 30 % der Stimmen in beiden Bundesländern unterstreicht der Wahlerfolg der AfD ihre wachsende Dominanz in Ostdeutschland, während der Aufstieg von Sahra Wagenknechts BSW zeigt, dass sich anti-establishment-Politik immer stärker durchsetzt.
Diese Ergebnisse verschärfen die Spannungen innerhalb der ohnehin fragilen Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz, die aus SPD, Grünen und FDP besteht. Das schlechte Abschneiden der SPD in beiden Bundesländern, die starken Verluste der Grünen und der totale Zusammenbruch der FDP zeigen, wie instabil die Regierung geworden ist. Die Koalitionspartner stehen vor zunehmenden internen Streitigkeiten, insbesondere bei umstrittenen Themen wie der Migration, die die Spaltung der etablierten Parteien weiter vertiefen und den Populisten zusätzliche Argumente liefern. Auch die CDU unter der Führung von Friedrich Merz, die in Sachsen knapp den ersten Platz halten konnte, befindet sich an einem Scheideweg. Sie muss sich zwischen dem Druck der populistischen Konkurrenz und ihrer traditionellen konservativen Basis entscheiden.
Der Aufstieg der AfD und der BSW stellt eine erhebliche Herausforderung für Parteien dar, die sich den Grundwerten der deutschen Verfassung verpflichtet fühlen. Die harte Migrationspolitik der AfD und ihre Nähe zur rechtsextremen Ideologie, verbunden mit Wagenknechts pro-russischen und anti-NATO-Positionen, erschweren die Bildung stabiler Koalitionen auf regionaler Ebene. Für die CDU und andere etablierte Parteien stellt die Zusammenarbeit mit diesen populistischen Kräften ein Risiko dar, das zu internen Spaltungen führen und Deutschlands geopolitische Stabilität, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine, gefährden könnte.
Angesichts der zunehmenden politischen Unsicherheit müssen sowohl Merz als auch Scholz mit Bedacht handeln, um nicht in die Fallen zu tappen, die von autoritären Populisten gestellt werden. Entscheidungen in diesem schwierigen politischen Umfeld könnten weitreichende Folgen für die Zukunft Deutschlands und seine Rolle in der EU und der NATO haben. Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen sind daher eine ernste Mahnung an die traditionellen Parteien, sich den Herausforderungen des aufstrebenden Populismus zu stellen. (Alexander Clarkson, World Politics Review)
Freie Wähler als möglicher Machtfaktor in Sachsen: Freie Radikale
Matthias Berger, Oberbürgermeister von Grimma, hat als Direktkandidat der Freien Wähler das einzige Mandat seiner Partei im neuen sächsischen Landtag errungen. Nun steht er im Mittelpunkt einer möglichen politischen Wende. Berger schlägt vor, eine Minderheitsregierung mit der CDU zu bilden, die von der AfD toleriert werden könnte, um eine Koalition mit der SPD oder der BSW von Sahra Wagenknecht zu vermeiden. Seine Aussagen, auch gute Vorschläge der AfD zu unterstützen, haben Kritik ausgelöst, insbesondere von den Freien Wählern, die eine Zusammenarbeit mit der AfD strikt ablehnen.
Berger, der nicht Parteimitglied ist, zeigt sich unbeeindruckt von möglichen Sanktionen seiner Partei und betont, dass er sich nichts vorschreiben lasse. Er argumentiert, dass seine Entscheidung auf der Sachebene basiere und die politische Ausgrenzung der AfD fragwürdig sei. Dieser Fall verdeutlicht die zunehmende Erosion der „Brandmauer“ gegen die AfD, insbesondere im Osten Deutschlands, wo lokale Kooperationen zwischen AfD und anderen Parteien keine Seltenheit sind.
Ob Berger letztlich im Landtag mit der AfD zusammenarbeitet oder sein Mandat annimmt, bleibt offen. (Peter Maxwill, Spiegel)
Resterampe
- Guter Thread von Lenz Jacobsen
- Tweet
- Energiepolitik CDU Sachsen
- Wirtschaftliche Lage in Sachsen vs. Gefühle
- “Sehnsucht nach einem autoritären Staat”
- Well-charted territory.
- Wie rechtsextrem sind die Wählenden der AfD?
- Verantwortung für die AfD in Sachsen
- Höckes Zukunft
- AfD auf TikTok
- Übernahme von Positionen sinnlos
- Ramelow stabil
- Kretschmer nicht
- Warum CDU?
- FDP-Ergebnisse
- Björn Höcke: Thüringer AfD-Chef verpasst Direktmandat im Wahlkreis Greiz II
- Friedrich Merz: CDU-Chef sieht Ampel in der Verantwortung für Erfolge von AfD und BSW
- Merz und die Brandmauer
- Keine Ahnung was da auf uns zurollt.
- Bodo Ramelow im SPIEGEL-Spitzengespräch: »Lieber Herr Voigt, rufen Sie an!«
Transkript
00:00:01.12
stefansasse
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von den Bohrleuten. Wie üblich bin ich dabei, euer Host, der Stefan, und es soll heute um die Landtagswahlen gehen, die in Thüringen und in Sachsen. In bewährter Bohrleutetradition sind wir ein ganz klein bisschen später dran, als die Aktualität des Themas nahelegt. Die waren ja am Sonntag, wir sind mittlerweile schon fast
00:00:19.77
stefansasse
Lieder im Wochenende. Aber das macht nichts. Das gibt uns Abstand für Reflektion und die tiefgründigen Analysen, die ihr von uns hier gewohnt seid. Und wenn ich sage uns, dann habe ich mir selbstverständlich jemanden als Verstärkung geholt. Wer bist du denn Maria? Die Leute, die dich kennen, zumindest erfahrene Bohrleute, HörerInnen, sollten bei deinem Namen so ein ganz leichtes Klingeln haben, weil du warst ja schon mal im Podcast, wenngleich nicht zu Ostdeutschland.
00:00:34.67
Maria Tiede
Maria Tide, hi. Genau, ich war ja schon einmal zum Kita-Thema da.
00:00:52.45
Maria Tiede
Das ist ja einer meiner Herzensthemen, die ich in meiner Freizeit verfolge, was ich aber aktuell mache. Ich bin ja selbstständig als Kommunikations- und Rhetoriktrainerin, unter anderem auch für politische Kommunikation und ich habe ja auch Politikwissenschaften und Soziologie in Tübingen studiert, wie du ja auch.
00:01:10.77
stefansasse
Zumindest in Tübingen, ja. Die Rhetorik und Kommunikation ist nicht ganz so mein Fachgebiet, aber das ist ebenfalls spannend und wer hier in der Gegend lebt oder kein Problem mit Online-Terminen hat, der findet deine Homepage, die steht natürlich auch in den Show Notes und kann dich da buchen für Rhetorikseminare aller Art.
00:01:29.97
stefansasse
Aber es gibt quasi noch einen weiteren Grund, neben der Kita-Expertise und deinen Rhetorik-Stills, warum ich dich eingeladen habe, weil du stammst ja ursprünglich auch noch aus Ostdeutschland. Du bist quasi meine Eingeborene hier, die mit einem gewissen Lokalkolorat hier möglicherweise etwas beitragen kann. Von daher bist du quasi eine Neig-Schmeckte, wie man hierzulande so schön sagt.
00:01:30.02
Maria Tiede
Die indigene Bevölkerung, ja. Ja, ja.
00:01:57.23
stefansasse
Okay, damit wollen wir auch direkt in das Thema überleiten für diejenigen, die es nicht mitbekommen haben und trotzdem diesen Podcast hören. Ich glaube, das ist eine kleine Gruppe. Aber in Deutschland, in Sachsen und in Thüringen waren am letzten Sonntag Landtagswahlen. Und bei diesen Landtagswahlen hat die AfD sehr stark abgeschnitten. In Thüringen wurden sie stärkste Kraft, in Sachsen beinahe. Und die Regierungsbildung gestaltet sich just zur Stunde abenteuerlich.
00:02:23.42
stefansasse
Auf einer Skala von 1 bis Wasser ist nass. Wie sehr überrascht ich dieses Ergebnis.
00:02:28.42
Maria Tiede
Ja, Wasser ist nass, wenn man es anfasst. So, also gar nicht. Es war nicht überraschend. Die Ergebnisse waren vorauszusehen. Es gibt jetzt auch nicht unbedingt so große Unterschiede bei den Wahlergebnissen von CDU und AfD. Der einzige große Unterschied, und das war so ein bisschen so der X-Faktor, worauf man gucken wollte und gemacht hat, war das Bündnis Sarah Wagenknecht, wie die einschlagen. Und da war es aber auch klar, dass die voll mit dabei sind.
00:02:58.59
Maria Tiede
Die haben ja jetzt aus dem Stand ganz schön viele Prozentpunkte geholt in Sachsen. Da war es ein bisschen überraschender als in Thüringen. Tatsächlich in Thüringen war das klar, dass sie da ganz schön viele Punkte holen, aber dass die auch in Sachsen so viel holen würden, das war vielleicht eine kleine Überraschung mit annähernd 12 Prozent aus dem Stand heraus. Werteunion übrigens ist ja auch neu angetreten, die waren jeweils bei 0,4 und 0,6 Prozent. Also da ist eine kleine Überraschung da, ansonsten
00:03:21.88
stefansasse
Copyright WDR 2021
00:03:27.67
Maria Tiede
sehr erwartbar das Ergebnis.
00:03:30.13
stefansasse
Ich muss sagen, mich überrascht das Abschneiden der Werteunion ja kein Stück. Dass eine Partei mit Hans-Georg Maaßen an der Spitze, die einen nicht existenten politischen Raum zu besetzen versucht, nicht besonders gut abschneidet, ich finde es eher überraschend, wie viel die bekommen haben, als dass es in Anführungszeichen so wenig ist. Weil ja wirklich, was genau war da die Idee? Rechts von der CDU, aber links von der AfD, da ist echt nicht mehr viel Platz.
00:03:56.49
stefansasse
Da ist mir einfach unklar, was da hätte der Anreiz sein sollen. Und noch dazu mit einem solch charismatischen Spitzenkandidaten, da kann ja quasi alles nur schiefgehen. Genau.
00:04:05.56
Maria Tiede
Ja, das stimmt. Genau. Was ja auch noch schön war, war quasi der Wahlbetrug, der im Nachhinein noch gekommen ist. Das war ja auch spannend, vor allem weil die erste Überlegung ja war, und zwar geht es da um die Freien Sachsen, die sich auch stark rechts positionieren, noch ein Stückchen weiter rechts als tatsächlich die AfD, zumindest nur an ihre eigenen Vorstellungen.
00:04:28.97
Maria Tiede
Für mich gehören die aber ein Stück weit auch zusammen. Und zwar hätten die Freien Sachsen, wenn die nicht angetreten, dann hätte es tatsächlich auch für die AfD als stärkste Partei in Sachsen gewankt. So, das war der erste Punkt. Und dann kam der zweite Punkt heraus, dass es durch die Freien Sachsen tatsächlich einen Wahlbetrug gab. Und es werden jetzt sogar noch die Kommunalwahlen aus dem Juni noch überprüft werden. Spannend!
00:04:38.93
stefansasse
Vielen Dank für's Zuschauen.
00:04:55.28
Maria Tiede
Aber die Ergebnisse sind vorläufig und erstmal stehen die auch so fest.
00:05:00.96
stefansasse
Genau, dann wenden wir uns vielleicht den Bundesländern jeweils einzeln zu. Fangen wir doch einfach direkt mit dem größeren von beiden an. Und größer ist hier wirklich als komparativ zu verstehen. Das ist, glaube ich, in der Debatte immer wieder wichtig zu betonen, auch wenn es weh tut. Aber Ostdeutschland ist sehr viel kleiner und sehr viel dünner besiedelt als Westdeutschland. Und da reden wir schon davon, dass da auch Berlin noch mit drin liegt. Also Sachsen und Thüringen haben gemeinsam nicht so viele Einwohner wie Nordrhein-Westfalen, und zwar bei weitem nicht. Ich glaube, die haben zusammen irgendwie so zehn
00:05:30.96
stefansasse
oder 12 Millionen Einwohnern, wenn es hochkommt. Nee, bei weitem nicht, noch viel weniger. Ich glaube, 12 Millionen sind sie in ganz Ostdeutschland. Also von daher, das sind relativ kleine Mengen, weswegen diese Vanglob Thüringen sind so zwei und Sachsen sechs. Irgendwie so. Müsste man mal nebenher schauen.
00:05:34.56
Maria Tiede
Ich bin die Geier.
00:05:47.57
stefansasse
Oder man bereitet sich ordentlich vor. Aber ich habe tatsächlich nicht daran gedacht, nach den Bevölkerungsgrößen nochmal zu schauen. Aber so oder so, das sind nicht allzu viele Leute. Also das Schicksal der Bundesrepublik entscheidet sich an der Stelle noch nicht, weil das eben, und auch da werden wir noch dazukommen, ist ein ziemlicher Osttrend, der sich hier gerade zeigt. Im Westen bleibt die AfD eine zwischen 10 und 15 Prozent laufende Partei.
00:06:15.20
stefansasse
Also diese 30 Prozent Spektren, die wir jetzt in Thüringen und in Sachsen sehen, sind tatsächlich soweit erstmal ein ostdeutsches Phänomen. Wie gesagt, warum kommen wir mit Sicherheit noch drauf? Aber Sachsen hat ja jetzt auch noch weitere Besonderheiten. Sachsen hat ja schon seit der Wende zu denjenigen Ländern gehört, in denen die SPD unglaublich schwach war. Die waren ja auch in der Gefahr, aus dem Landtag zu fliegen. Das wäre der erste Landtag gewesen, in den die SPD nicht reinkommt. Einstellig sind die in Sachsen schon lang. Jetzt sind sie bei, ich glaube, sechs Prozent ungefähr.
00:06:33.74
Maria Tiede
Mhm.
00:06:44.94
stefansasse
Und die gleiche Gefahr, deutlich weniger überraschend und deutlich weniger ungewöhnlich, hat auch die Grünen getroffen. Die haben es jetzt auch Stand heute knapp geschafft, mit 5, schieß nicht tot, Prozent sich im Landtag zu halten. Aber Ostdeutschland generell ist kein besonders grünfreundliches Pflaster, da macht Sachsen keine Ausnahme. Spannender ist quasi, wenn man schaut,
00:07:07.82
stefansasse
wie das Spektrum in Sachsen insgesamt aufgestellt ist, weil ja auch die CDU Sachsen ein eher rechtsgerichteter Landesverband ist, der, wie soll man das freundlich ausdrücken, der mit der Bundes-CDU so ein ganz klein bisschen im Klinsch liegt.
00:07:23.66
stefansasse
Der Michael Kretschmer, der aktuelle Ministerpräsident von Sachsen, der ist in seiner ganzen Rhetorik und in seinen politischen Positionen der AfD und auch dem BSW deutlich näher, als er der Bundes-CDU ist. Also der offensichtlich größte Konfliktpunkt ist die Frage des Umgangs mit Russland.
00:07:42.64
stefansasse
wo der Michael Kretschmer tatsächlich einen Kurs fährt, der nicht unterscheidbar ist von BSW und AfD. Deswegen auch diese Forderung seitens des BSW, dass Sachsen im Falle einer Koalition quasi sich verpflichten müsste, keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern, was natürlich quatschig ist angesichts der Zuständigkeiten von Bund und Ländern, aber da rennen die letztlich bei der CDU in Sachsen auf in die Türen ein. Das ist was, das diskutiert man in der CDU eher ungern.
00:07:43.28
Maria Tiede
Mh.
00:08:11.34
stefansasse
Aber das ist eben tatsächlich so. Und was den ganzen restlichen Kram anbelangt, das schlägt seit Kurt Biegenkopfzeiten des CDU-Herz schon deutlich rechts in der Brust in Sachsen.
00:08:23.76
stefansasse
Und dazu kommt jetzt quasi die AfD, weswegen mit ihren 30 Prozent und beim BSW kann man ja endlos die Diskussion führen, sind die jetzt eigentlich links, sind die rechts oder was sind die eigentlich. Aber wir reden in jedem Falle von einer Mehrheit rechts der Mitte jenseits der 60 Prozent in Sachsen.
00:08:44.27
stefansasse
Das muss man schon ganz klar sehen und wenn man quasi die Parteien anguckt, die man in irgendeiner Art und Weise als links qualifizieren kann, da ist nicht allzu viel. Die SPD und die Grünen, die sind zusammen gerade so zweistellig, aber wirklich gerade so. Und dann haben wir eben den BSW, der sich aktuell wirklich überhaupt nirgends einordnen lässt und was von der Linken übrig ist.
00:09:05.81
stefansasse
Und das war's. Also das gehört schon genauso wie Bayern im Übrigen zu den Bundesländern, in denen die überwiegende Mehrheit der Leute rechts der Mitte ist, in einem ziemlich starken Ausmaß. Und es scheint mir schon eine sächsische Eigenheit zu sein an der Stelle.
00:09:25.26
Maria Tiede
Ja, sächsische Eigenheit, da würde ich mal kurz einhaken tatsächlich.
00:09:31.88
Maria Tiede
Und zwar ist es tatsächlich so, dass viele ja immer sagen, dass der Osten traumatisiert ist von der Wende. Das ist bestimmt ein Faktor, der da mit reinspielt, aber ich möchte mal gerne die Zeit einfach mal davor nochmal anschauen, weil das ist nämlich die Generation, in der meine Eltern zum Beispiel aufgewachsen sind und die halt eben ähnliche Ansichten vertreten wie unsere Verwandten drüben im Osten und das mal ein bisschen so erklären, wie es dazu gegangen ist.
00:10:00.02
Maria Tiede
weil das erklärt nämlich auch viel über die sächsische Eigenheit. Und zwar wissen wir alle, dass die DDR in einem Parteisystem eigentlich war und es war so eine Art Planwirtschaft. Ich will jetzt gar nicht das Wort Sozialismus in den Mund nehmen, weil da kann man sich viel, viel darüber streiten, ob es das tatsächlich war oder nicht, oder welche Anteile das hat, aber das möchte ich einfach mal beiseite stellen.
00:10:20.100
Maria Tiede
Im Alltag ging es immer nur darum, dass man versucht hat, Dinge zu beschaffen. Es war so, dass mein Vater hat mir das ganz oft erzählt, dass man unter der Hand immer Tauschgeschäfte gemacht hat, wenn man zum Beispiel ein Haus gebaut hat. Das heißt, man konnte kein Haus so normal bauen, sondern man musste immer gucken, wo kriege ich irgendwie die Dachziegel her.
00:10:42.70
Maria Tiede
Wo kriege ich jemanden her, der mir den Putz macht? Wo kriege ich jemanden her, der mir die Malerarbeiten macht? Und das war meistens dann entweder unter der Hand bezahlt oder man hat es halt irgendwie mit was anderem dann ausgeglichen. Und das Netzwerk damals dort, also so freundschaftliche Netzwerke oder andere Netzwerke, Arbeitsnetzwerke, die waren viel, viel stärker miteinander verbunden, als das hier jetzt zu unserer heutigen Zeit vor allem im Westen der Fall ist.
00:11:09.89
Maria Tiede
Also das muss man einfach sagen, die DDRer waren Netzwerker en passé. Und das wirklich stark durchdrängt, weil sie wussten, sie brauchen einander.
00:11:20.100
Maria Tiede
So, und was halt gleichzeitig auch noch immer passiert ist, ist, wenn du in der Partei drinnen warst, hattest du Aufstiegsmöglichkeiten, und wenn du nicht in der Partei drinnen warst, hattest du das halt leider nicht. Das heißt, das war sowieso schon so, dass man wusste, dass auf den Staat einer für sich nicht so richtig Verlass ist, sondern dass man sich immer selber kümmern muss um sein eigenes Leben, um seine eigenen Freundschaften und so weiter und so fort.
00:11:45.04
Maria Tiede
Und jetzt einen kurzen kleinen Exkurs zur NSU, um das nochmal zu klären, weil wir wissen ja, dass diese drei Personen damals, also um Beate Chepe vor allem, die zwei Ubis noch mit dazu, dass die ganz, ganz lange im Untergrund gelebt haben und dass die ganz viel von ihrem Netzwerk versorgt worden sind.
00:12:03.06
Maria Tiede
Also so tief gehen diese Netzwerke in Sachsen speziell, auch in Thüringen gibt es das ähnlich, vor allem in der rechtsradikalen und rechtsextremistischen Szene sind diese Netzwerke da und vorhanden und die können sich sehr gut miteinander connecten und vernetzen und auch schützen und deswegen konnte der NSU auch so lange im Untergrund tatsächlich agieren. Und wenn man das jetzt mal überträgt auf die heutige Zeit,
00:12:28.06
Maria Tiede
haben wir tatsächlich bei den Landtagswahlen gesehen, dass es gegen die Amperegierungen war ja auch so ein Grund, dass man die Amperegierungen abstrafen wollte, was man natürlich mit Landtagswahlen nicht schafft, aber das ist nochmal ein Sideway, aber dass man der Regierung alle für sich nicht vertraut und diese gegen das Establishment gerne wählen möchte.
00:12:55.52
Maria Tiede
und halt diese rechtsradikalen oder rechten Netzwerke, dass die im Osten noch besonders stark sind und jetzt in der AfD quasi mitwirken. Und deswegen hat die AfD auch ziemlich viele Prozentpunkte bekommen. Interessanterweise allerdings, und das muss ich jetzt hier auch sagen, haben sie nicht die Mehrheit bekommen. Sie hätten ja auch 40 oder 45 Prozent bekommen.
00:13:18.47
Maria Tiede
Und das finde ich schon nochmal ein Punkt, über den wir reden können, warum das eigentlich nicht passiert ist. Weil, und das wird auch oftmals argumentiert, ist es ja so, dass der Rechtspopulismus in Europa ja erstarkt ist, wenn man Ungarn anschaut oder zum Beispiel Polen, da war ja auch die PiS-Partei an der Macht mit den Kaczynski-Brüdern.
00:13:38.46
Maria Tiede
die ja auch sehr, sehr stark Rechtspopulismus betrieben hat. Aber das ist alles nicht rübergeschwappt nach Deutschland. Oder Frankreich jetzt, die Wahlen mit Le Pen, die haben ja auch sehr, sehr deutlich gewonnen. Aber in Deutschland, bei den Landtagswahlen ist das bis dato noch nicht passiert.
00:13:55.21
stefansasse
Okay, ich danke dir schon mal so weit für die Erklärung. Ich habe an der Stelle erst einmal zu diesen Netzwerken eine Frage. Und zwar Frage oder zwei Fragen sogar. Frage Nummer eins wäre erst einmal, wenn du sagst quasi, dass diese ganzen Rechtsradikalen sozusagen auch deswegen so stark sind, weil es da diese Netzwerke gibt.
00:14:12.45
stefansasse
Ist es gewissermaßen so ein, also meine Frage ist nach dem Henne und Ei sozusagen. Also sind besonders feste Netzwerke sehr anfällig für Rechte oder haben Rechte besonders feste Netzwerke?
00:14:27.32
Maria Tiede
Ja, das ist wahrscheinlich ein Henne-Ei-Problem. Was ich dazu sagen kann, ist natürlich, dass die Netzwerke sich gut miteinander untereinander austauschen tatsächlich und
00:14:40.57
Maria Tiede
Es ist ein bisschen auch das Problem der Identität der Jugend, wenn man so möchte. Du hast ja vorhin gesagt, Sachsen ist auch eine sehr ländliche Region. Das kann man ja auch bei den Wahlen sehen, zum Beispiel Leipzig und Jena hat ja auch ganz anders gewählt als die ländliche Region.
00:15:00.37
Maria Tiede
die linken Stärke gewesen tatsächlich so. Und wenn du dann in der Jugend auf dem Land aufwächst, dann bist du ja eben mit deiner Freundesgruppe so unterwegs und fragst dich natürlich, was will ich denn im Leben machen, was sind meine Werte und Moralvorstellungen und dann kommen natürlich die
00:15:17.63
Maria Tiede
rechten Netzwerke daher, die ja immer versuchen anzuwerben und sagen, pass mal auf, komm doch mal mit auf das Konzert, komm doch mal mit auf dieses Kulturfest, schließe dich uns an und guck erstmal, was du da hast. Und so erweitern die ihr Netzwerk und dadurch, dass sie so eine starke Unterstützung haben, haben sie auch natürlich eine starke finanzielle Unterstützung, dass sie solche Kulturfeste zum Beispiel organisieren können. Also es ist
00:15:40.11
Maria Tiede
In beide Richtungen einfach möglich. Dadurch, dass sie so ein starkes Netzwerk haben, können sie auch so viel Arbeit leisten, neue Leute zu akquirieren. Und dadurch, dass es einiges fehlt im Osten an Möglichkeiten für die Jugend zum Beispiel, können die auch eher dann in die rechte Szene hineingenangen oder leichter. Also es ist auch ein Identitätsproblem meines Erachtens nach.
00:16:06.41
stefansasse
Okay, das ist soweit schon mal spannend mit auch als Erklärung. Wir haben ja gleichzeitig auch diesen, was du auch schon angesprochen hast, diesen, dieses fehlende Vertrauen. Ich weiß gar nicht, wie ich das Vertrauensverlust nennen möchte, weil ich unsicher bin, ob dieses Vertrauen je da war, quasi in den Staat, in dem Verhältnis, wie das im Westen da war.
00:16:11.05
Maria Tiede
Mhm. Mhm. Mhm. Mhm.
00:16:27.36
stefansasse
Aber möglicherweise, das wäre jetzt auch wieder so ein bisschen mit Fragezeichen, aber kann das sein, dass quasi weniger dieser klassische Vertrauensverlust in Institutionen und Rechtsstaaten, wie wir den ja auch in Westdeutschland beobachten können, hier stattfindet, sondern eher eine Art Vertrauensverlust bzw. Zusammenbruch eines eher klientelistischen Politikverständnisses. Ich bin jetzt zwar keine Experte für Sachsen, aber mir ist bekannt aus den 90er Jahren, das war diese Ära des sogenannten König Kurt.
00:16:54.55
stefansasse
also mit Kurt Biedenkopf damals als CDU-Ministerpräsident. Und der Vergleich mit Bayern ist ja damals sehr oft bemüht worden. Da hatte die CDU ja auch noch stabil 40% plus. Und letzten Endes war ja dann quasi die CDU, so wie es die CSU in Bayern bis heute ist, so eine Art Garant für
00:16:56.70
Maria Tiede
Mhm. Mhm. Mhm.
00:17:16.13
stefansasse
zumindest einen größeren Anteil der Bevölkerung, was Zugang zu Ressourcen anbelangt, im weitesten Sinne. Was ja auch die SPD früher mal in Nordrhein-Westfalen hatte, das ist mittlerweile schon länger her, weil wir reden von der SPD, aber das gab es ja früher in diversen Bundesländern, dass da quasi so eine Partei besonders tonangebend war und dass in vielen Bereichen Karriere oder Zugänge zu bestimmten Leistungen etc. zumindest deutlich einfacher mit dem richtigen Partei hoch machbar war.
00:17:33.46
Maria Tiede
Mhm. Ja.
00:17:47.58
stefansasse
Und passiert das vielleicht auch, also dass der Kretschmer vielleicht auch schlicht das Problem hat, dass die CDU nicht mehr in der Lage ist, so viel für ihr Klientel zu bewegen, wie sie das noch vor 15 oder 20 Jahren war.
00:18:02.93
Maria Tiede
ob sie jetzt so viel für ihr Klientel bewegen kann.
00:18:07.12
Maria Tiede
Vielleicht mal andersrum. Vertrauen in den Staat. Ich habe es ja vorhin so ein bisschen erzählt. In der DDR gab es dieses Vertrauen in den Staat ja eigentlich nicht. Also von der großen Mehrheit, die haben das alles schon gewusst, dass da in die eigene Tasche gewirtschaftet wird und dass es wirtschaftlich einfach nicht sinnvoll ist, was dort im Osten passiert. Aber man konnte halt irgendwie so ein bisschen leben. Viele sind ja dann auch gegangen, unter anderem auch meine Eltern, weil mein Vater gesagt hat, das kann doch einfach nicht sein.
00:18:35.64
Maria Tiede
dass wir hier so leben und er in den freien Westen wollte, um endlich die Freiheit zu besitzen, hier einfach zu bauen oder einzukaufen, wann und wie er was möchte. Ja, das sind schon immer die Sehnsüchte.
00:18:51.49
Maria Tiede
Was aber gleichzeitig passiert ist, dass die Sachsen oder Sachseninnen vor allem immer geguckt haben, dass es ihnen selber gut geht mit ihrem Netzwerk und ihrem Freundeskreis. Sie waren immer auf sich selber gestellt und das hat einfach auch funktioniert. Und dann kam die Wende.
00:19:10.64
Maria Tiede
Und dann kam quasi ein ganz ganz großer Zusammenbruch, also eine Arbeitslosigkeit, die massiv war, die viele getroffen hat. Das darf man auch nicht so einfach wegwischen, aber man hat sich erholt. Man hat sich wirklich erholt in den 1990er-Jahren. Aber dieses Wir kümmern uns um uns selbst ist geblieben. Und diese staatliche Regulierung, das ist den Sachsen, möchte ich jetzt einfach mal so pauschal sagen, das ist denen ein Dorn in den Augen. Das möchten die nicht haben.
00:19:39.50
Maria Tiede
Du hast vollkommen recht, die Sachsen mögen auch gerne, wenn es stabil bleibt. Also Veränderungen ist eher nicht so, weil man kann sich mit allem irgendwie behelfen, aber Veränderungen, da tun wir uns schwer, möchte man so sagen.
00:19:54.86
Maria Tiede
So ein bisschen sagen, ja. Und es gibt so einen Personenkult auch eher. Kein Parteienkult, aber so ein Personenkult. Und den hat der Kretschmer schon einigermaßen gut erfüllt. Das war alles in Ordnung. Und dann kam aber Corona. Und dann kamen die staatlichen Maßnahmen. Und der Kretschmer konnte ja im Prinzip gar nichts anderes machen, als diese Regulation zu machen. Und das, glaube ich, ist noch mal ein Verstärker gewesen. Also der zweite Verstärker nach 2015 mit der
00:20:22.67
Maria Tiede
sogenannten Flüchtlingskrise unter Merkel, CDU geführt, die in Sachsen noch mehr dieses, wir wollen uns lieber um selber kümmern, als vom Staat reguliert zu werden, weil der macht es eh nicht richtig, der das einfach verstärkt hat. Und zudem kam halt, dass die AfD ganz genau versteht, dass die Migration das Thema ist, das Angst und Schrecken verbreiten kann und dass bei den Leuten die Emotionen hervorruft, vor allem
00:20:52.04
Maria Tiede
die Emotionen nach Unsicherheit hervorruft, die sie dann für sich nutzen können. Ja.
00:20:58.59
stefansasse
Ja, das ist ein Thema, das habe ich ja im letzten Podcast mit Ariane auch schon diskutiert, wo wir uns mit dem Migrationsthema genauer befasst haben, dass das eben das große innenpolitische Thema aktuell ist, schon allein, weil der Staat hier halt im Gegensatz zu vielen anderen Feldern Handlungsfähigkeit demonstrieren kann.
00:21:15.64
stefansasse
und dass das zwangsläufig zu einem gewissen Aktionismus führen muss. Aber es ist spannend, dass du diese Corona-Geschichte nochmal aufbringst, weil ich glaube, ganz viele Leute, zumindest geht es mir häufig so, haben das im Endeffekt schon ins Memory Hole runter. Also Corona, das ist einfach durch.
00:21:30.60
Maria Tiede
Ja. Ja. Ja.
00:21:35.09
stefansasse
Aber bei denjenigen, die damals entsprechend massiv dadurch beeinträchtigt waren oder sich gefühlt haben oder was auch immer, ist da glaube ich sehr viel kaputt gegangen. Teilweise, was bis heute nicht repariert wurde. Vielleicht können die das dann noch selber gar nicht so konkret auf dieses Ereignis zurückführen. Aber es bleibt sozusagen, das Wort Trauma ist so groß an der Stelle, aber es fühlt sich für die Leute halt so an.
00:22:01.18
Maria Tiede
Es sind halt Krisen. Das sind halt Krisen. Und es sind halt multiple Krisen. Und das ist das Problem. Auch wenn es nur gefühlt ist, in dem Falle ist das ja tatsächlich egal. Wenn ich es fühle, dann ist es für mich ein Real. Und es waren einfach zu viele Krisen in dem Fall. Wenn man mal jetzt die 24 Jahre oder 25 Jahre seit Wiedervereinigung nimmt, dann haben wir einmal diesen ganz starken dramatischen Einbruch
00:22:27.46
Maria Tiede
mit der großen Arbeitslosigkeit und mit einer relativ großen Flüchtlingswelle aus dem Osten auch raus nach der Wende. Dann das wirtschaftliche Tief, was sie dann hatten, mühsam das wieder aufbauen. Dann hat man die Immobilienklasse 2001. Also ich nenne es nur ein paar, nicht alle. Dann 2015 die Flüchtlingskrise, die ja den Osten gar nicht so stark betroffen hat. Also da sind ja nicht so viele Flüchtlinge hingekommen. Auch spannend dieser Punkt tatsächlich.
00:22:55.91
Maria Tiede
Und jetzt dann noch mit Corona, das sind zu viele Krisen auf einmal, die Menschen einfach nicht bewältigt bekommen haben. Wobei man auch sagen muss, im Osten war es ja mit den Kontaktbeschränkungen ein bisschen einfacher, weil ländliches Gebiet, da hast du ja eh nicht so viele Leute, die aufeinander hocken. Das heißt, die konnten sich wahrscheinlich eher frei bewegen, als das in Großstädten der Fall war. Also es geht nur um gefühlte Sachen.
00:23:25.88
Maria Tiede
Aber Corona bewegt die Leute im Osten immer noch. Das ist jedes Mal Thema, wenn ich mit meinen Verbanden telefoniere oder rede. Immer Thema. Da geht es glaube ich nicht um die einzelnen Maßnahmen, sondern es geht einfach darum, dass der Staat da durch reguliert hat. Das ist eher so das Ding.
00:23:28.28
stefansasse
Mhm.
00:23:46.09
stefansasse
Was du ansprichst, ist ein total wichtiger Punkt mit den Gefühlen, weil ich sage das auch immer wieder, Gefühle sind real. Also die Frage, ob du die Gefühle von jemand anderem als gerechtfertigt siehst oder nicht, ist total irrelevant, weil die andere Person fühlt die ja. Das gilt in der Politik genauso wie in persönlichen Beziehungen auch.
00:24:00.23
Maria Tiede
Ja.
00:24:04.73
stefansasse
Da kannst du noch so oft sagen, ja, aber ich habe ja was anderes gemeint oder das ist an der Stelle total ungerecht. Das erinnert dir nichts dran, dass die Leute das entsprechend fühlen. Und ich komme da jetzt gerade auch deswegen drauf, weil ich habe das auch in den Show Notes verlinkt, wir haben noch das zweite Thema, das ist mir jetzt in den letzten Tagen öfter durch die Timeline gerauscht, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen
00:24:25.62
stefansasse
überhaupt nicht zu der Rhetorik passt. Wir haben in allen Analysen, in allen Äußerungen ist es ständig so wie der abgehängte Osten und es läuft so schlecht und das ist durch die wirtschaftlichen Kennzahlen null gedeckt. Nicht beim Wirtschaftswachstum, nicht bei der Inflationsrate, nicht bei der Arbeitslosigkeit und so weiter und so fort. Also die gesamte Rhetorik in Ostdeutschland generell aber in Sachsen ganz besonders passt
00:24:34.17
Maria Tiede
Hm. Hm. Hm. Hm. Hm. Hm. Hm. Hm. Ja. Ja. Ja.
00:24:53.96
stefansasse
Zero zu den realen Kenndaten. Und ich meine, da spielen immer zwei Sachen rein, weil diese Kenndaten sozusagen, also Wirtschaftswachstum und so weiter, ob mich das persönlich erreicht oder nicht, ist ja immer mal noch fraglich. Ja, also es kann ja durchaus sein, dass die 30 Prozent, die AfD wählen, halt die 30 Prozent sind, bei denen es nicht ankommt. Das ist zwar durch die empirische Analyse nicht gedeckt, aber wir können das einfach mal als Arbeitshypothese kurz stehen lassen, einfach nur um das gesagt zu haben. Und
00:25:16.02
Maria Tiede
Ja. Okay. Mhm. Mhm. Mhm.
00:25:22.28
stefansasse
Der andere Punkt ist aber letztlich der, dass es halt auch irrelevant ist, weil dieses subjektive Gefühl eines Abgehängtseins, das hat ja gar nichts mit den realen wirtschaftlichen Situationen gegebenenfalls zu tun. Wir sehen das ja in den USA genauso, da haben wir den gleichen Effekt und da ist der auch ungleich besser untersucht und empirisch unterfüttert als in Deutschland. Von daher würde ich jetzt einfach mal annehmen, das ist ein universales Ding.
00:25:47.35
stefansasse
Und der Punkt ist ja einfach der, dieses Gefühl basiert nicht so sehr auf jüngeren Erlebnissen mit Ausnahme von Corona oder Umständen, als mehr habe ich so das Gefühl von so einem geteilten Narrativ.
00:26:05.72
stefansasse
Community Building sozusagen, weil es wird ja auch ständig betonen, heute die Diktaturerfahrungen. Jetzt ist nur das Problem, dass die Wende 1989 war. Da war ich fünf Jahre alt und du glaube ich vier, wenn mich die Erinnerung trügt. Und wir sind ja jetzt beide schon nicht mehr ganz so taufrische Hüpfer. Das heißt eine aktive
00:26:07.81
Maria Tiede
Ja. Genau, ja. Kannst du nur von dir behaupten.
00:26:29.10
stefansasse
Das heißt, eine aktive Erinnerung an die DDR-Diktatur habe ich ja nur, wenn ich aktuell großzügig 50 Jahre plus bin, aber eigentlich eher 55 plus. Alle, die jünger sind, haben
00:26:44.10
stefansasse
haben eigentlich diese ganzen Erfahrungen, die da ständig zitiert werden mit der Diktatur, mit der Unterdrückung und mit den ganzen verbauten Lebenschancen, das können die schon qua Lebensbiografie gar nicht haben. Und trotzdem wird es als Dauerargument bemüht und überhaupt nicht abgetrennt. Und ich meine, wir haben auch hier, siehe der Link in den Shownotes,
00:26:57.28
Maria Tiede
Ja. Ja, ja. Nee, nee. Nee.
00:27:04.94
stefansasse
von Menschen, den Jungwählenden, also 16 bis 18, 20, was auch immer die jeweilige Kategorie ist, da wählen halt auch 30 Prozent die AfD. Und da kannst du dir nicht mit Diktaturerfahrungen kommen. Die werden dir nicht der kulturelle Osmose weitergegeben, sondern die kommen rein in, und das ist jetzt mein Gefühl als außenstehende Person, von so einem
00:27:28.83
stefansasse
von so einer imaginierten kollektiven Identität letzten Endes. Und die scheint mir da schon eine ziemlich große Rolle zu spielen.
00:27:38.39
Maria Tiede
Ja, super wichtiger Punkt. Zu dieser Geschichte, wer sind die Sachsen? Oder wer sind diejenigen im Osten? Es ist ganz wichtig zu betonen, dass der Osten das selber macht, also diese Narrativerzählung, wir sind das Opfer, wir sind die Abgehängten, uns geht es wirtschaftlich schlechter, der Westen hat uns abgehängt.
00:28:02.62
Maria Tiede
Und der Westen macht aber im Prinzip genau das Gleiche. Der erzählt genau die gleiche Geschichte, nur aus einer anderen Perspektive heraus. Also dieses Ossi-Bashing gibt es voll oft. Das habe ich übrigens auch erlebt, als ich Kind war, dass man mir gesagt hat, hey, du kommst ja aus dem Osten und bist ja total doof. Oder dass man den sächsischen Dialekt nicht mag oder sonstiges.
00:28:26.02
Maria Tiede
Neulich auf Twitter hat auch ein ganzer, also hat auch ein Groß-Account tatsächlich meinen Unmut auf sich gezogen, einen persönlichen, weil er geschrieben hat, als die Wände kamen, kamen so viele Ossis in den Westen und deswegen gab es dort eine ganz große Wohnungsnot, weil wir eben quasi die Wohnungen weggenommen haben. Und es ist genau das gleiche Narrativ, mit dem Rechte ja quasi mit den Flüchtlingen argumentieren.
00:28:51.85
Maria Tiede
Die, die kommen, die kriegen hier alles quasi auf dem Silbertablett serviert und die nehmen euch sogar noch eure Wohnungen weg und eure Jobs weg. Und das ist genau dieses Aussie-Bashing und das merken die Leute im Osten. Und so verfestigt sich jetzt quasi etwas.
00:29:13.35
Maria Tiede
nämlich, was du jetzt vorhin gesagt hast, eine Community, eine Identität. Und die nutzt die AfD tatsächlich, diese Identitätsstiftung, wir der Osten, das machen ja ganz viele, wir der abgehängte Osten, habe ich ganz viel gehört, wir sind eine Einheit,
00:29:33.98
Maria Tiede
eine homogene Masse. Es ist auch spannend, dass dieser Gedanke dahinter steht, eine homogene Masse. Und wir müssen zusammenhalten gegen den Rest der Welt, in dem Fall auf jeden Fall gegen die Flüchtlinge, gegen die Regierung und gegen den Westen. Das ist zumindest mal das, was bei den Wahlen jetzt in Sachsen stattgefunden hat. Und das
00:29:53.68
Maria Tiede
Das ist identitätsstiftend und da habe ich dann wieder meine Identität in diesem ganzen Komplex aus Krisen und du darfst nicht mehr dieses Wort sagen, du darfst nicht mehr jenes Wort sagen und sei doch bitte nicht mehr rassistisch und dann kommt jemand aber um die Ecke, ist 60 Jahre alt und sagt, ja das habe ich aber schon immer so gesagt und ich meine das ja auch gar nicht böse. So, aus diesem Narrativ kommt das und vor allem, was dann auch passiert, es wird so eine Art In-Group gebildet.
00:30:23.16
Maria Tiede
Also wir sind die Innenleute gegen die Außenleute, weil die Außenleute, die wollen uns was ganz, ganz Böses tun, deswegen müssen wir zusammenhalten. Verweis auf das, was ich vorhin gesagt habe, die Netzwerke im Osten sind sehr, sehr stark im Freundeskreis. Das ist das Besondere daran. Und vor allem, wir sind hier unten und die, die sind da oben.
00:30:43.76
Maria Tiede
Und die wollen uns was. Die haben das ganze Geld, die geben uns aber das Geld nicht und die verwehren uns quasi den Zugang zu allen Ressourcen. Und das ist das Narrativ, was die AfD im Osten bedient. So, das sind die zwei Punkte. Und dann zu den jungen Wählern. Es sind ja hauptsächlich Männer, hauptsächlich nicht ganz so gut gebildet, obwohl man sagen muss, dass mit der Bildung stimmt auch nicht so 100 Prozent. In der AfD sind auch sehr hochgebildete Menschen mit dabei.
00:31:09.56
Maria Tiede
sowohl Frauen als auch Männer, also so ein ganz klares Stereotyp gibt es da nicht. Was ich aber vorhin auch gesagt habe, diese Identitätsstiftung in der Krisenhaftigkeit. Du kannst dich noch erinnern, als du 14, 15, 16 warst, da haben wir doch versucht, uns irgendwie von der Familie abzunabeln, von unseren Eltern, selbstständig zu werden. Und da haben wir doch auch geschaut, wo wollen wir denn hin, mit welchen Freunden umgeben wir uns, wofür wir uns wohl
00:31:39.64
Maria Tiede
und was sind die Werte, die unsere Peer Group vertreten. Und wenn dann jemand kommt, und das ist im Islamismus übrigens genau das Gleiche, muss man mit dazu sagen, alle Extremisten arbeiten so, wenn dann niemand kommt und sagt, komm, ich nehm dich an die Hand, ich geb dir einen Job, ich kauf dir neue Schuhe, dann folgst du dem und auf einmal bist du drin und kommst gar nicht mehr raus aus diesem Netzwerk. Weil wenn du nämlich rausgehst aus diesem Netzwerk,
00:32:05.16
Maria Tiede
dann hast du keine Freunde mehr. Und das ist gerade bei diesen jungen Männern, die sich daran stören, dass diese alten, traditionellen Frauen, dass es die nicht mehr gibt, die nur zu Hause sitzen und, zumindest ist man bei denen das eingeredet, das ist meine Meinung, dass die Frauen nicht mehr zu Hause sitzen und die Kinder kriegen und die dann nicht mehr die Kontrolle quasi über die Frauen haben.
00:32:29.07
Maria Tiede
Das stört die und deswegen gehen die lieber Richtung rechts als in die andere progressive Richtung, Richtung links tatsächlich.
00:32:39.92
stefansasse
Also warum ist es gerade dann so ein Ostphänomen, wenn ich das richtig verstehe, dass gerade junge Männer so sehr auf diese eher traditionellen Verhältnisse gehen?
00:32:53.71
stefansasse
Also mit diesem Ich, was wir im Endeffekt, wie du gerade auch schon gesagt hast, gerne auch mit der Islamismusgefahr immer diskutieren. Ich finde diese Parallelen immer wieder erstaunlich, die da auftauchen. Also diese komplette Ablehnung unseres eigentlich konsensualen Wertekanons an der Stelle von Frauengleichberechtigung etc.
00:33:03.23
Maria Tiede
Mmh.
00:33:16.99
stefansasse
Also woher kommt das? Ist das auch so ein ostspezifisches Phänomen oder würdest du sogar sagen, dass das gerade allgemeinen Trend unter jungen Männern ist?
00:33:24.58
Maria Tiede
Also da gab es eine Studie ja dazu vor einem Monat oder so, die haben ja junge Leute befragt, wo geht denn hier hin, welche politische Richtung und da war das schon so, dass die jungen Frauen eher in Richtung linkes Weltbild gehen, also eher offen, paritätisch, gleichberechtigt, antirassistisch, eher antifaschistisch auch zum großen Teil und die jungen Männer waren eher Richtung traditionelle Familien zurück und da gibt es für mich
00:33:53.81
Maria Tiede
Traditionelle Familie ist ja auch in Ordnung an und für sich. Das sagt ja auch keiner, wenn die Frau gerne zu Hause bleiben möchte. Aber eher so Richtung, wir wollen die alten Werte zurück haben. Unsere schöne heile Welt 1950, als alles noch in Ordnung war mit Haus, Zhaun, weißem Zhaun und dem Auto oder den zwei Autos vor der Garage. Und du siehst schon, wie ich das so erzähle, das ist natürlich eine schöne Geschichte.
00:34:20.28
Maria Tiede
Zurück zur Tradition. Guck mal, du gehst arbeiten. Also es muss ja auch sein, dass es reicht, dass einer alleine arbeiten geht. In welcher Wirtschaft sind wir denn angekommen, wo wir zwei Einkommen brauchen? Ist doch viel besser, wenn sich ein Elternteil um die Kinder kümmern kann und am besten die Frau, weil die können das ja so gut. Die haben das ja quasi biologisch mit in die Wiege gelegt bekommen. Und du kannst dann als Mann arbeiten gehen, kommst nach Hause, kriegst dein Essen auf den Tisch gestellt.
00:34:49.43
Maria Tiede
und gehst danach noch eine Runde Bowlen mit deinen Kumpels, was natürlich nicht Bowlen ist, sondern einfach Bier trinken, aber du hast halt einfach deine Freiheiten. Klingt doch super eigentlich, oder? So.
00:34:59.39
stefansasse
Für einen von zwei ist das ein sehr guter Deal.
00:35:03.76
Maria Tiede
Vielleicht auch für die andere Person, mag ja sein. Aber das klingt so wunderschön. Was die dabei auch immer vergessen ist, dass da ganz viele Gewalthaben zu Hause stattgefunden haben, dass die Frauen wirklich darunter gelitten haben. Homosexualität gab es ja dann quasi gar nicht, weil es verboten war, weil man sowas nicht wollte.
00:35:22.26
Maria Tiede
Also die Vorstellung davon wird immer schöner erzählt, als die eigentliche Realität auch in den 1950ern war. Und woher kommt das jetzt? Ich würde nicht unbedingt sagen, dass das ein spezifisch ostdeutsches Problem ist. Ich glaube, da verfängt es halt gerade aus zweierlei Gründen.
00:35:39.51
Maria Tiede
Der erste Grund ist tatsächlich diese multiple Krisen. Es ist einfach an diese 1950-Version, sich festzuhalten, daran zu klammern, weil man sich dort als Held quasi darstellen kann, noch als Mann, als Held, das ist doch die echte Männlichkeit, was ist denn eigentlich Männlichkeit? Und das kommt halt tatsächlich durch diese Gleichberechtigung, wissen wir gar nicht mehr so richtig, was ist denn Männlichkeit und was ist Weiblichkeit, weil es einfach gerade auch ein Aushandlungsprozess ist. So, das verstehen viele, nicht?
00:36:09.88
Maria Tiede
Aber dieser Aushandlungsprozess bewirkt halt auch, dass wir wie ein Pendel von der einen Seite zur anderen Seite immer mal wieder ausschlagen, bis das Pendel eben kleiner wird und wir uns dann irgendwann mal in der Mitte treffen. Und wir sind jetzt gerade an diesem einen Peak, vielleicht auch nicht im Peak, vielleicht geht es auch noch ein bisschen weiter, das möchte ich gar nicht so sehr in die Glaskugel schauen, wo es halt nach rechts ausschlägt, um es mal tatsächlich, also um es bildlich zu machen. Es ist ein Gegentrend gegen quasi die
00:36:39.26
Maria Tiede
die CSDs, die Debatte um trans Menschen, um das Selbstbestimmungsgesetz und so. Jetzt kommt halt diese Gegenbewegung. Und warum vor allem bei Jungen? Und da muss ich dir sagen, da geht es um Kommunikation und um Kommunikationskanäle. Ja, was viele auch Politikerinnen unterschätzen, sind tatsächlich die sozialen Medien, die beeinflussen. Und da gibt es
00:37:05.33
Maria Tiede
Also TikTok ist ein Thema, über das wir reden müssen. TikTok hat einen Einfluss auf die Jugend. Vor allem gibt es da auch gerade einen Trend mit Treadwives.
00:37:13.79
stefansasse
Untertitel im Auftrag des ZDF, 2020
00:37:15.100
Maria Tiede
Also das heißt, die Frau ist zu Hause, macht selbstständig Mehl und daraus Pizzateig und macht selbstständig Mozzarella und kümmert sich um die Kinder und kriegt halt auch 4, 5, 6, 7, 8, 9 Stück. Und auf sozialen Medien weißt du auch, da wird immer nur so ein Teil gezeigt, ein Teil des Lebens, den schönen Teil. Der Rest wird halt eben nicht gezeigt. Und das beeinflusst. Und dann kommt halt noch ein Maximilian Krah.
00:37:41.80
Maria Tiede
der sich dann dahin steht und im TikTok sagt, echte Männer sind rechts, echte Männer haben eine Frau und echte Männer kümmern sich um ihre Frau und so. Und da fühlt man sich doch als Mann richtig abgeholt.
00:37:59.72
Maria Tiede
Vor allem die AfD hat neben dem neuen Weg und der Identitären einen großen Vorteil gegenüber allen anderen Parteien. Die haben wahnsinnig engagierte Leute, die sich um die sozialen Medien kümmern.
00:38:21.84
Maria Tiede
Stichwort Erik Ahrens auf Twitter, der jetzt gerade versucht, ein Buch zu schreiben zu Biopolitik. Übrigens, Halbgrieche erzählt uns dann was von, wie echte Deutsche auszusehen haben. Interessanterweise sind die alle schlank. Ich weiß nicht, wie Maximilian Krater in dieses Bild reinpasst, aber da würde ich auch irgendwie in der Ausrede denken. Kein Alkohol ist ja auch so ein Ding, was man als Trend auffassen kann. Oder so jemand, der sich als christlicher Dating-Coach ausgibt.
00:38:50.16
Maria Tiede
und auch Frauen unterdrücken möchte. Und das haben die beiden tatsächlich gemeinsam und die beiden sind in einem Dunfkreis von Rechten, Rechtsradikalen und Rechtsextremisten dabei, die die sozialen Medien tatsächlich überrennen können. Und das beeinflusst uns. In der Rhetorik nennt man das unter anderem Brunnenvergiften. Das kennst du auch. Ich stelle irgendwie so eine Tatsache in den Raum,
00:39:15.78
Maria Tiede
Hauptsache, die ist mal da. Ob die jetzt falsch ist oder nicht, ist egal. Aber wenn ich das nur oft genug wiederhole, irgendwann mal glaubt man das. Und das ist die Taktik, die dahinter steht. Und die gehen speziell auf junge Menschen. Und das ist ein Phänomen, was wir im Auge behalten müssen, weil das ist brandgefährlich.
00:39:17.64
stefansasse
Copyright WDR 2021
00:39:38.39
stefansasse
Ich hätte noch eine Ergänzung zu dem, was du gesagt hast, zu diesem 50er Jahre Leitbild, da hast du ja zu Recht darauf hingewiesen, auf die Unterdrückung und die Marginalisierung von vielen Gruppen, die damals schon stattgefunden hat. Ich würde noch einfach dazu packen, dieses Ding hat generell so nur für sehr kleine Bevölkerungsgruppen existiert.
00:39:47.67
Maria Tiede
Ja. Ja. Ja.
00:39:54.89
stefansasse
Also diese Vorstellung von, man geht arbeiten, Frau ist zu Hause. Das ist zwar ein bürgerliches Idealbild, aber es ist ein Idealbild. In den allermeisten Familien war das auch in den 50ern, auch in den 60er Jahren wirtschaftlich überhaupt nicht machbar. Da gibt es auch entsprechende Forschung dazu. Ich bin auch ganz gespannt darauf, was von der Hedwig Richter da in der nächsten Zeit kommt, weil die ja da gerade ganz viel in die Richtung forscht und die postet dann auch immer wieder auf Twitter so einzelne.
00:40:22.100
stefansasse
Elemente, aber auch in den USA ist diese Debatte ja relativ groß. Zum Beispiel der Noah Smith von No Opinion, der hat da ja auch schon dazu gepostet und die Zahlen, die rangieren irgendwie so zwischen 20 und 30 Prozent, für die das überhaupt jemals
00:40:30.69
Maria Tiede
Ja. Mhm.
00:40:38.63
stefansasse
erreichbar war und das ist also weit von einer Mehrheit entfernt. In allen anderen Gruppen hat die Frau schon immer, und ich sage jetzt ganz bewusst, nicht gearbeitet, sondern ist einer bezahlten Erwerbsarbeit nachgegangen, nie mit dem ganzen anderen Kram her. Das ist ja
00:40:51.24
Maria Tiede
Danke, genau. Ja, ja, ja. Ja, sehr schön. Ja.
00:40:56.20
stefansasse
eine mehrfache Marginalisierung, die da stattfindet. Aber das ist heute gar nicht unser Thema. Ich möchte es quasi nur noch als Ergänzung anbringen. Das ist eine ganz eigene Podcastfolge wert, die Hausfrauenvorstellungen und wie Haushalt gemacht wird. Sondern ich will quasi zurückkommen
00:41:11.99
stefansasse
auf diese Thematik, die du gerade angesprochen hast, mit dem Brunnen vergiften. Ich kenne das von der Begrifflichkeit her als auch diese Ankerheuristik. Das, was du zu einem bestimmten Thema zum ersten Mal hörst, das bildet quasi in deinem Gehirn ja immer den Anker, an dem alles andere aufgehängt wird sozusagen. Das ist ein ganz klassisches psychologisches Problem beispielsweise bei dieser Impfthematik.
00:41:37.58
stefansasse
Weil die allermeisten Leute setzen sich nicht mit Impfungen auseinander. Das heißt, wenn irgendjemand sich zum Thema Impfungen informiert und dann quasi über diese ImpfkritikerInnen stößt, was relativ schnell der Fall ist, sobald man mal anfängt, sich dazu zu informieren, weil die Algorithmen sofort den ganzen Bullshit ausstoßen, dann bildet es sehr schnell einen Anker und dann ist man ganz, ganz schnell in so einem Rabbit Hole, aus dem man nicht mehr rauskommt.
00:41:58.71
Maria Tiede
Mhm. Mhm. Mhm.
00:42:00.71
stefansasse
Und ich denke, hier an der Stelle könnte durchaus was ähnliches passieren. Weil junge Menschen machen sich normalerweise noch nicht so viel Gedanken darüber, wie ihre Karriere, ihre Familienplanung etc. später mal aussehen wird. Das heißt, wenn die zum ersten Mal ernsthaft mit diesen Gedanken in Kontakt kommen über den TikTok-Kram von Maximilian Kral,
00:42:22.12
stefansasse
um einfach nur ein Beispiel zu nehmen sozusagen, dann bildet das bei denen letzten Endes den Anker, an dem die das dann aufhängen. Das ist quasi das erste Mal, dass die eine Vision bekommen. Und damit sind wir bei der gegenläufigen Diskussion, weil
00:42:38.18
stefansasse
In den ganzen Analysen zu diesem Aufstieg der AfD, mal abgesehen vom Lieblingsspiel, das alle treiben, nämlich die AfD ist deswegen stark, weil die Politik nicht macht, was ich schon immer geglaubt habe, sondern wir diskutieren ja meistens darüber, was macht die AfD attraktiv, sozusagen. Was selten darüber gesprochen wird, ist, was macht die anderen unattraktiv, also warum zur Hölle sind SPD, CDU, FDP und Grüne nicht attraktiv.
00:42:52.65
Maria Tiede
Mhm. Ja.
00:43:03.83
stefansasse
Und das Ding ist, ich habe einfach das Gefühl, es fehlt ganz massiv, und das ist eine gewisse Ironie, weil wir über die Alternative für Deutschland reden, was fehlt in der Alternative? Wir sehen es zum Beispiel auch in dieser Migrationsdebatte, da gibt es keinen ernsthaften Gegenentwurf.
00:43:19.56
stefansasse
der diesen Narrativen entgegengesetzt wäre. Im Endeffekt ist die Frage, wie sehr gehen wir auf die AfD zu? Also wie sehr übernehmen wir deren Position? Und die Antwort rangiert irgendwo zwischen, was weiß ich, aktuell 50 Prozent bei den Grünen bis zu 60 oder 70 Prozent bei FDP und CDU. Man ist sich halt einig, um meine Co-Host Ariane zu zitieren, dass man sich nicht aus dem Flugzeug wirft.
00:43:22.67
Maria Tiede
Ja.
00:43:42.31
stefansasse
Aber viel, also man nimmt sozusagen den gesamten Diskurs rüber. Und das gibt es ja auch auf anderen Feldern. Wenn man zum Beispiel gerade diesen Bürgergeld-Diskurs oder sowas anschaut, da merkt man immer, dass der CDU und der FDP da die eigenen Ideen fehlen, sozusagen. Weswegen da dann grundsätzlich immer die linken Ideen das Ganze dominieren. Oder ich sag's immer wieder, Heizungsgesetz. Dass dieser Blödsinn passiert ist, wie er passiert ist, liegt halt auch daran, dass es einen alternativen Mangel, dass man immer zurückgeht auf den gleichen Aspekt.
00:43:55.67
Maria Tiede
Ja. Ja. Ja.
00:44:12.31
stefansasse
Und ich habe so ein Gefühl, ich bin gleich fertig, dass quasi für diese Treadwife, für diesen Trend sozusagen, da fehlt gerade ein gegenläufiger Trend. Also sozusagen diese Idee von der emanzipierten Frau und so weiter, das ist ja jetzt schon wieder alte Tobak.
00:44:27.86
stefansasse
Das haben wir in den 90er Jahren durchgemacht. Da war das der heiße Scheiß. Und immer diese Pendelbewegung. Und mit Backlash und so weiter. Wir sind jetzt gerade in der Backlash-Phase, ganz offensichtlich. Aber da müssen quasi Gegenvorstellungen formuliert werden und popularisiert. Und ich habe nicht das Gefühl, dass das aktuell der Fall ist. Also es fehlt sozusagen sowohl für Männerbilder eine attraktive und einigermaßen kohärent formulierte Version.
00:44:28.49
Maria Tiede
Jaja, genau. Das ist die Pendelbewegung, genau.
00:44:55.26
stefansasse
als auch für Frauen letzten Endes. Weil eben diese klassische, ich sag mal, so 90er-, 2000er-Feminismus, der ist so ein bisschen durch, der ist unattraktiv, die Leute, mit denen der verbunden wird, das sind so diese Claudia Roth, Renate Künast und so weiter, das ist so diese Generation letzten Endes. Du weißt, was ich meine, wie attraktiv sind die? Und da fehlt aktuell, hab ich das Gefühl, auch ein attraktiver Gegenentwurf.
00:45:13.47
Maria Tiede
Oh Gott, ja. Ja, ja. Absolut, absolut. Und das ist ja das Problem. Also wir haben hier zwei Probleme bei diesem Thema. Einmal, dass das Migrationsthema immer als negativ dargestellt wird. Das ist das eine.
00:45:37.45
Maria Tiede
Es wäre auch mal cool zu sagen, hey, was kann denn Migration eigentlich für uns leisten? Was hat das denn eigentlich schon geleistet? Und wenn ich mit meinem Umfeld mal anschaue, wäre da alles Migrations
00:45:51.54
Maria Tiede
Hintergrund hat und was die alles in der Industrie eigentlich tun, das ist schon der Wahnsinn. Also ich erzähle mal von einer Familie, die habe ich über den Kindergarten kennengelernt und die Frau, die hat türkische Wurzeln tatsächlich, die ist als Kind hierher gekommen, als kleines Kind, ist hier in die Kita gegangen, ist hier in die Schule gegangen, hat hier studiert, hat in Tübingen übrigens studiert, weißte, die hat Biologie studiert.
00:46:18.22
Maria Tiede
Und die ist dann in die Forschung reingegangen mit zwei Kindern und witzigerweise, der Mann hat auch türkische Wurzeln und die haben das alles paritätisch gelöst. Das war ganz spannend, ein ganz, in Anführungsstrichen, so ein modernes Paar, würde man sagen.
00:46:32.86
Maria Tiede
Und er hat in der Firma gearbeitet als Schichtleiter und sie hat halt eben in der Forschung als Biologen gearbeitet, macht das heute noch. Und die hat das erste 3D-Druckherz, was man implantieren kann, generiert in ihrer Forschung. Weißt du, was das bedeutet? Das ist der Hammer.
00:46:55.60
Maria Tiede
Die Transplantation von Schweineherzen wird in Zukunft nicht mehr nötig sein, oder die Transplantation von Menschenherzen.
00:47:06.25
Maria Tiede
Also solche Leute, das sind die Erfolgsgeschichten oder der Chef von Kurabek ist das ja auch, glaube ich. Das ist ja auch so eine erfolgreiche Einwanderungsgeschichte, was wir da für Möglichkeiten haben. Wir müssen ja auch gucken, wo wir wirtschaftlich hinwollen und das stimme ich dir vollkommen zu. Es gibt momentan von den meisten Parteien,
00:47:22.30
stefansasse
Vielen Dank.
00:47:28.86
Maria Tiede
vor allem von der Ampelregierung, gerade keine Idee, welche Themen sie am besten besetzen sollen und welche Themen sie positiv besetzen sollen. Und das spielt natürlich auch der AfD in die Hände. Wenn ich zum Beispiel sagen würde, guck mal Stefan, wir brauchen Migration, weil
00:47:47.16
Maria Tiede
China ist gerade dabei, uns wirtschaftlich zu überholen oder hat es eigentlich schon gemacht. Deutsche Autos werden nicht mehr so gekauft wegen verschiedenen Faktoren, was auch die Wirtschaft, möchte auch mal hier die Wirtschaft mit in die Pflicht nehmen, ist nicht immer nur die Politik, die da an Stellen versagt, aber guck mal, wir müssen auf den chinesischen Markt irgendwie wieder hinkommen, wir müssen da Fuß fassen.
00:48:10.42
Maria Tiede
Wir brauchen also neue Ideen, wir brauchen Innovation und das heißt, wir brauchen auch viel, viel mehr Leute, die unterschiedliche Perspektiven haben, die uns voranbringen und die auch Bock haben, was zu bewegen. Und deswegen müssen wir die eigentlich schnellstmöglich alle hier bei uns in den Markt reinholen, damit wir wieder Spitzenreiter in der Wirtschaft
00:48:30.40
Maria Tiede
In der Wirtschaft werden wir einfach. So könnte man es auch formulieren, das wäre ein ganz anderes Narrativ. Oder dass wir sagen, hey, Migration ist jetzt gerade gar nicht unser Thema. Unser Thema wäre zum Beispiel, Klimawandel würde ich jetzt nicht mehr nehmen, weil das ist tatsächlich durchgekommen. Wir könnten ein neues Thema nehmen und sagen Bildung.
00:48:51.78
Maria Tiede
Bildung ist nämlich ein Thema, was tatsächlich auch die Bevölkerung umtreibt. Das hat man auch bei den Landtagsfeiern gesehen. Es ist nicht so ein Thema, das man einfach so abschieben kann und sagen kann, das ist uns nicht wert, sondern man könnte man tatsächlich eine Partei sagen, wir kümmern uns jetzt um die Bildung im Land ganz massiv.
00:49:09.34
Maria Tiede
Mit Ausbau von Exzellenzuniversitäten, Standorten, wo du vielleicht nicht studiert haben musst, aber wenn du eine Idee hast, kannst du die da einbringen und wir helfen dir als Staat deine Idee umzusetzen. Zum Start-up zum Beispiel. Schulen. Wie oft hört man, dass die Schulen marode sind, dass die Schülerinnen irgendwie Toilettenpapier mit reinbringen sollen? Das kann doch nicht sein. Das wäre auch so ein Thema, wo ich sagen würde, mit dem Thema kannst du auch gewinnen.
00:49:37.41
Maria Tiede
Rente, weiß ich nicht. Aber wenigstens mal was anderes. Mal was anderes.
00:49:39.14
stefansasse
Ja.
00:49:42.74
stefansasse
Ja, ich fürchte, das ist tatsächlich eher kein Blumentropf zum Gewinnen. Aber was ich noch als Ergänzung hätte für deine migrantischen Erfolgs-Stories beispielsweise oder auch weiblichen oder was auch immer generell Erfolgs-Stories halt, was das anbelangt. Ich denke, es ist auch wichtig, dass wir dann nicht nur quasi als Aspiration zu diese Superhelden-Geschichten mal in Anführungszeichen packen. Also keine Ahnung, hat dieses Superherz erfunden oder hat eine Firma gegründet, die jetzt 28 Millionen wert ist oder sowas.
00:50:13.26
stefansasse
Zumindest für mich ist da immer das Problem, das betrifft mich nicht. Das ist natürlich nice, dass es solche Leute gibt, aber diese ganzen Spitzenleistungen und so weiter, die sind ja für die allermeisten Leute völlig unrealistisch zu erreichen. Also ja, natürlich gibt es die Überfliege und wir brauchen die auch gar nicht. Also ich will gar nicht sagen, dass wir die nicht brauchen würden oder sowas.
00:50:29.36
Maria Tiede
Hm. Hm. Hm. Ja.
00:50:34.97
stefansasse
Nur, da sind wir wieder bei diesem Thema, mit dem du eingestiegen bist, so von wegen die Beständigkeit und die Angst vor dem Wandel. Man mag das jetzt als typisch deutsch abqualifizieren, aber es ist einfach so, für die allermeisten Leute ist das ja gar keine attraktive Zukunftsvision, weswegen diese Leute dann noch gar nicht als Vorbilder sehen können.
00:50:53.76
stefansasse
Ich glaube, wir brauchen tatsächlich auch Erfolgsstories quasi aus Mittelbau, wenn das Sinn macht. Also ich brauche ja nicht nur einen Migrant, der dann irgendwie den Impfstoff für Corona findet oder sowas, sondern es ist ja auch total cool, wenn ich einen Migrant oder eine Migrantin habe, die hierher kommen.
00:50:59.10
Maria Tiede
Ja.
00:51:14.65
stefansasse
Die lernen dann Deutsch und dann machen sie von mir aus, dann hängen sie in einem Studium hinten dran oder nicht mal das oder gegebenenfalls einfach eine Ausbildung und dann gründen sie ein mittelständisches Unternehmen und das beschäftigt jetzt sechs Leute oder so. Das ist ja eigentlich auch eine entsprechende Story oder die Migrantin wird Lehrerin oder sowas. Vor zehn Jahren hat sie nur selber die Schulbank gedrückt und jetzt bildet sie quasi die nächste Flüchtlingsgeneration oder wie auch immer.
00:51:40.14
stefansasse
Das sind ja alles entsprechende Stories, die dann ein bisschen mehr im Nahbereich sind. Und was da halt wirklich schadet, und da bin ich jetzt wieder bei dem Thema von unserer letzten Podcastfolge, ist, wenn vermischt wird, und das machen leider Gottes wirklich beide Seiten, die Thematik von Flucht und Asyl auf der einen Seite und Migration auf der anderen Seite.
00:52:03.10
stefansasse
Weil das ist halt einfach nicht identisch, weil wir wollen halt Leute hier haben, die entsprechende Qualifikationen mitbringen. Und ich glaube, du kannst einfach niemandem mehr vernünftig erzählen in dieser Debatte, dass quasi die Geflüchteten und Asylbewerbenden diese Kategorie erfüllen. Da gibt es Überlappe, keine Frage, da gibt es Erfolgstories, da gibt es alles. Aber zumindest wird es nicht geglaubt.
00:52:03.08
Maria Tiede
Ja.
00:52:29.92
stefansasse
Und das immer wieder bei diesen gefühlten Realitäten. Und das ist ein Problem. Da gibt es auch so einen ganz krassen Disconnect. So eine kognitive Dissonanz, die an der Stelle abläuft. Wir wissen, wir brauchen Migration, aber gleichzeitig ist Migration mittlerweile, Stichwort Brunnenvergiften. Das ist auch mittlerweile ein so belastetes Konzept und belastetes Thema. Die Leute verbinden das ja gar nicht mehr mit irgendwas Positiven.
00:52:34.39
Maria Tiede
Genau.
00:52:55.35
stefansasse
Das ist ja nur noch eine Sonntagsrede. Da fehlt einfach die entsprechende Gegenerzählung sozusagen, die man da tatsächlich dagegen packen kann. Und ich meine, es ist immer schön, wenn dann gesagt wird, ja, so und so viel Prozent der Geflüchteten haben nach so und so vielen Jahren eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und das ist ja auch alles nice. Aber das reicht nicht als Hoffnungs- und Zukunftsanker.
00:53:06.39
Maria Tiede
Ja. Ja, du hast recht. Vor allem müssen wir auch bedenken, es ist ja auch nicht völlig egal, wer das erzählt, diese Erfolgsstory. Ich kann das jetzt hier erzählen. So.
00:53:33.17
Maria Tiede
Da wird aber jetzt keiner sich davon abhalten, nicht in die AfD zu wählen oder sich irgendwie eine schöne Vision auszugucken. Was wir auch immer wieder sehen oder immer mehr sehen, ist das ja, dass es so einen Personenkult gibt. Das ist einfach so ein bisschen so diese Instagram-Generation und diese TikTok-Generation. Wir wollen es persönlich haben, wir wollen ein Gesicht sehen, wir wollen das Vertrauen aufbauen zu diesem Gesicht und dann
00:53:57.98
Maria Tiede
kann der oder diejenige uns alles erzählen. Wir vertrauen dem einfach. Das heißt, unser Vertrauen und unsere Fakten hängen auch ganz stark von den Personen ab, die das erzählen. Und jetzt schauen wir uns einfach mal in der Ampelregierung um. Wen gibt es denn da, der da so viel Popularität hat, dass er diese Vision quasi erzählen könnte? Und das ist in diesem Fall ganz, ganz wenig. Das ist maximal noch Robert Habeck, der ja auch ein bisschen so einen Personenkult erlebt,
00:54:27.16
Maria Tiede
Annalena Baerbock ist auch irgendwie vorbei der Trend, muss man sagen. Olaf Scholz zieht sich irgendwie so komplett zurück. Das ist echt, man kann von dem kompetensten
00:54:41.29
stefansasse
in Rekündigung der Kanten.
00:54:42.81
Maria Tiede
Ja, irgendwie so. Er hat quasi aufgegeben. Was soll das noch? Er kann ja auch tolle Reden halten, wo er so richtig emotional wird und sowas. Aber leider kommt er eher rüber als ein nordisches, ja, emotionsloses, kalkulierendes, rationales Wesen eher rüber. Und das ist, glaube ich, was in unserem Zeitgeist zumindest nicht mehr ganz so viele Leute ansprechen.
00:55:10.62
Maria Tiede
So, und wen haben wir denn da noch? Die sind alle mit Skandalen behaftet, das ist wirklich schrecklich. Man hat ja das Gefühl, es gibt ja gar keine integere Person mehr da oben. Ja, und März wird es auch nicht richten, tatsächlich, was mich wieder auf die... Nee, sage ich ganz ehrlich, März wird es nicht richten.
00:55:31.72
Maria Tiede
Merkel hat schon ihre CDU unter Kontrolle gehabt, wer da hochkommt und wer nicht und wer ja quasi gefährlich werden könnte und wer nicht. Und sie hat den März auf Abstand gehalten und da hat sie bestimmt ihren Grund gehabt. Und wenn ich den jetzt so sehe, verliert er langsam auch bei mir an, wie soll man sagen, Vertrauen, dass der die Brandwache nicht aufrechterhält, wobei wir jetzt wieder bei den Landtagswahlen wären.
00:55:57.55
Maria Tiede
Und ich darf noch zwei Zahlen nachliefern. In Thüringen sind es 2,12 Millionen und in Sachsen sind es 4,08 Millionen, also insgesamt sind es so rund 6,2 Millionen Bevölkerung. Was aber jetzt interessant wird, ist die Regierungsbildung im Landtag in Sachsen, sowohl als auch in Thüringen und ich vermute,
00:56:22.72
Maria Tiede
tatsächlich, dass es in Sachsen zu einer Kenia-Regierung kommt. Das heißt, wir haben eine Minderheitsregierung. Interessanterweise haben wir in Sachsen keine Sperrminorität von der AfD. Das ist sehr, sehr gut, muss man sagen. Durch ein Direktmandat tatsächlich von, ich glaube, es war ein freier Wähler, aber das bin ich mir jetzt auch nicht mehr sicher.
00:56:34.34
stefansasse
Small favors.
00:56:41.82
Maria Tiede
der das geholt hat. Also wir haben keine Sperrminorität, das heißt wir könnten mit dieser Minderheitsregierung leben und die Linke guckt dann halt, wie sie dann abstimmt, je nachdem. Also da mache ich mir weniger Sorgen, das wird glaube ich der Kretschmann schon hinkriegen. Problematischer wird es ja tatsächlich in Thüringen, wo die AfD eine Sperrminorität hat.
00:57:05.38
Maria Tiede
So und es ist glaube ich klar, dass die AfD keine Regierung bilden kann und möchte in beiden Ländern.
00:57:21.08
Maria Tiede
Erstens mal glaube ich, also sie sind zwar angetreten als stärkste Partei hervorzugehen und ich glaube viele sind jetzt ganz froh, dass es so knapp ausgegangen ist von der AfD, weil sie erstens mal das Personal gar nicht haben dafür. Die haben ja wahnsinnige Probleme da auch Posten allein schon bei den Kommunalwahlen zu besetzen und das zweite ist, wenn sie jetzt an die Macht kommen würden, dann müssten sie ja echte Regierungsarbeit leisten und ich glaube die sind noch so in ihrem
00:57:49.10
Maria Tiede
in ihrer Opposition verhangen. Immer dieses dagegen, dagegen, dagegen. Ihr macht es alle schlecht. Wir sind die Einzigen, die es besser können. Und wenn sie jetzt tatsächlich in die Regierung kommen würden, dann müssten sie ja tatsächlich mit anderen koalieren und Zugeständnisse machen. Das würde denen, glaube ich, an und für sich so nicht passen. Deswegen wird es in Thüringen auch darauf hinauslaufen, dass die CDU
00:58:06.61
stefansasse
Vielen Dank.
00:58:18.70
Maria Tiede
Und da bin ich mal gespannt, weil sie haben ja jetzt schon Gespräche mit der SPD und mit der BSW angekündigt. Was spannend ist, weil Merz hat ja gesagt, wir machen eine Brandmauer gegen rechts, also gegen die AfD, und eine Brandmauer gegen links. So. Also mit den Linken sprechen sie nicht, aber mit der BSW sprechen die, die ja hauptsächlich auch von Linken gewählt worden ist.
00:58:52.28
stefansasse
Du siehst mich gerade kritisch gucken, weil die Nu-Giga schließt sich mir nach wie vor nicht.
00:58:57.27
Maria Tiede
Die BSW erschließt sich nicht. Das ist wirklich ein Problem. Was macht die Partei Bündnis? Aber der Ramelow hat ja auch so einen coolen Ausspruch gemacht. Es könnte auch Rot-Rot-Rote geben.
00:59:13.03
Maria Tiede
Da gab es dann noch mal Nachsatz, wir können über alles Unmögliche reden, also das wird es nicht geben. Obwohl die Ulrike Große-Rötig das ja gesagt hat, dass sie das auch überlegt, das ist ja die Landesvorsitzende, meine ich, von den Dingen, die übrigens auch mal Bundeselternsprecherin für Kitas war, das ist auch mal ganz spannend, wie die vorher, aber das ist glaube ich nur, um den Preis ein bisschen hoch zu treiben, also es wird tatsächlich wahrscheinlich darauf hinauslaufen.
00:59:42.69
Maria Tiede
dass die CDU auf jeden Fall mit der SPD und vielleicht auch mit der Grünen auch wieder in die Minderheitsregierung reingeht. Also das ist das, was ich mir vorstellen kann. Spanien wird jetzt natürlich von der CDU-Basis bei beiden Ländern.
01:00:01.29
Maria Tiede
Es gab ja schon eine Landtagsabgeordnete, die gesagt hat, naja, dann stimmen wir halt mit der AfD ab, ist kein Problem. Also da bröckelt so ein bisschen die Brandmauer und Gerüchte besagen ja auch, dass die CDU-Basis, einige aus der CDU-Basis, Anträge stellen wollen, dass die dann doch mit der AfD koalieren im Landtag. Das wird aber in Thüringen soweit nicht passieren, da ist Thüringen einfach noch mal ein bisschen spezieller als Sachsen. Thüringen war auch schon im Osten ein eigenes
01:00:29.65
Maria Tiede
Land, was sich auch nie wirklich um die Partei gekümmert hat, die haben ihr eigenes Ding auch sehr stark gemacht. Also es war zum Beispiel immer so, dass es in Thüringen hieß, ja du kannst zwar in die Schule gehen und du hörst dort auch zu, aber die erzählen da eigentlich nur, was nicht stimmt. Weil der Osten hat es ja so gemacht, der hat ja seine treuen Lehrkräfte dann immer dorthin geschickt, wo die Bevölkerung
01:00:58.83
Maria Tiede
für den Sozialismus der DDR, wenn man das so ausdrücken möchte. Und die Thüringer haben dann schon immer gesagt, nee, nee, nee, zu Hause wird die Wahrheit gesprochen und draußen ist es ein bisschen anders. Das heißt in Thüringen
01:01:12.96
Maria Tiede
sehe ich das tatsächlich so, dass die Minderheitsregierung mit CDU, SPD und Grüne kommen wird. Und in Sachsen wird es spannend, was die Basis der CDU macht, ob sie tatsächlich den Antrag stellt. Und dann wird sich herausstellen, ob und inwieweit der Einfluss von der Bundes-CDU, im speziellen Friedrich Merz, auf die Landes-CDU in Sachsen hat. Das wird spannend.
01:01:38.21
stefansasse
Ich muss sagen, ich sehe aktuell auch keine CDU-AfD-Koalition in beiden Ländern. Also Thüringen sowieso, aber auch in Sachsen ehrlich gesagt. Das ist ein reines Bauchgefühl letzten Endes. Ich mag mich auch ganz brutal täuschen, aber es scheint mir nicht sonderlich plausibel.
01:01:50.35
Maria Tiede
Okay. Nee. Ja. Ja.
01:01:58.92
stefansasse
aus vielerlei Gründen. Den Begriff der Brandmauer, den hat ja März jetzt auch abgeräumt, nachdem er ihn 2021 noch beschworen hatte. Der zeigt sich auch wieder eine unglaubliche Standfestigkeit. Es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren zu einer Koalition dieser beiden Parteien kommen. Und die wird ebenfalls sehr wahrscheinlich in Ostdeutschland stattfinden.
01:02:25.78
Maria Tiede
Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Das wird aber gerade im Osten schwer.
01:02:26.42
stefansasse
Da bin ich ziemlich zuversichtlich. Aktuell ist es allerdings noch nicht möglich, weil die AfD vorher noch durch so zumindest eine Respektabilitäts-Iteration gehen muss. Also die CDU braucht genug Cover, um zu sagen, nee, jetzt sind es keine Nazis mehr, jetzt geht's. Also die müssen quasi noch ein bisschen mehr Melonie werden, letzten Endes.
01:02:56.37
Maria Tiede
Ich glaube noch nicht mal, dass sie das im Osten machen müssten, weil die Normalisierung, also einmal die Diskursverschiebung im Osten, auch mal eine ganz andere ist als im Westen. Das ist dort schon viel weiter vorangeschritten. Und auch das Offen zur Schaustellen von rechtsradikalen Symbolen, von rechtsradikaler Kleidung und so weiter und so fort. Tattoos. Dass man damit einfach offen auf die Straße geht und das zeigt,
01:03:24.30
Maria Tiede
Das ist, glaube ich, nicht unbedingt der Grund, warum die AfD da einen Imagewandel braucht. Da nicht. Also im Osten in Sachsen und Thüringen brauchst du das nicht. Weiß ich nicht. Also die CDU bewegt sich jetzt auch gerade dahin. Ich glaube, es wird diese Minderheitsregierung geben in beiden Ländern und eine Voraussage, die ich jetzt mache, obwohl man das ja eigentlich nicht macht, ist, dass wird es jetzt vermehrt geben, diese Minderheitsregierungen.
01:03:32.81
stefansasse
Nicht für die Wählenden, aber halt für die CDU.
01:03:52.25
Maria Tiede
Es werden mehr Parteien, die werden mehr zersplittert werden. Es gibt eine Verschiebung des Klientels der Zielgruppe der Weserschaft. Die gibt es jetzt schon und die wird sich auch in der Parteienlandschaft einfach ausdrücken. Das wird so sein. Brandenburg werden wir ähnliches erleben. Also da wird es auch keine Überraschungen vom Wahlergebnis geben und es wird diese Minderheitsregierungen geben. Ich glaube nicht, dass die AfD ihr
01:04:16.87
Maria Tiede
im Osten zumindest mal ändern muss. Ich glaube eher, dass die CDU die Diskursverschiebung mitmachen wird im Osten. Das Einzige, woran ich jetzt nur appelliere, kann es an die Bundesparteien jetzt zu schauen. In einem Jahr sind tatsächlich Bundestagswahlen und die müssen jetzt reagieren, um diesem Phänomen zu begegnen.
01:04:40.83
stefansasse
Das ist doch ein schönes Schlusswort. Ich danke dir für deine Analysen und für deine Expertise. Ich hoffe, für unsere Zuhörenden war es eine wertvolle und bereichernde Erfahrung. Wie üblich, gerne alle Kommentare in den zugehörigen Blogpost packen, uns wissen lassen, wie es ausschaut und natürlich das nächste Mal wieder einschalten, uns weiterempfehlen, uns bewerten und so weiter und so fort. Ihr kennt den Drip. Danke dir Maria und bis zum nächsten Mal.
01:05:01.07
Maria Tiede
Danke dir, Stefan. Bis dann.
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