Montag, 18. August 2008

Gewinne=Investitionen=Arbeitsplätze?

Das ist der Titel eines Tagesspiegel-Artikels. Darin wird beschrieben, wie Gerd Bosbach und sein Student Thomas Schneider versuchten, das Dogma der obigen Gleichung zu belegen. Sie fragten zu diesem Zweck jedes ansatzweise wissenschaftlich operierende Wirtschaftsinstitut. Überall war die Antwort gleich (wenn denn eine kam, ifo beispielsweise bequemte sich nicht einmal zum Antworten): gäbe es nicht. Ein Dogma, das seit über 30 Jahren, seit den Zeiten Helmut Schmidts als allgemeingültig und wahr anerkannt wird, ist durch keine einzige Studie belegt oder widerlegt worden? Bosbach und Schneider glaubten das nicht. Zu Recht, wie sich bald herausstellen sollte:
In einer Gesellschaft, in der „tagtäglich Dutzende statistische Erhebungen als Beleg für fast alles heranzogen werden“, sollte ausgerechnet „die wichtigste wirtschaftspolitische Leitlinie nie auf dem Prüfstand gestanden haben?“ Das halte er denn doch für „sehr unwahrscheinlich“, sagt Bosbach: „Eine Lüge.“

Von, wie er unterstellt, interessierter Seite. „Ein Blick auf die Daten der vergangenen 30 Jahre zu Gewinnen und Arbeitslosigkeit lässt eher vermuten, dass die Ergebnisse den Lobbyisten der Wirtschaft einfach nicht passten.“ Für die Schaffung von Arbeitsplätzen nämlich könnten Aufträge – sprich die Nachfrage – wichtiger sein als Gewinne, die investiert werden. Wer das ernst nähme, müsste allerdings eine andere Politik machen. Eine, die nicht nur auf gute Rahmenbedingungen für Unternehmer abziele, etwa durch Steuersenkungen oder die Forderung nach Lohnzurückhaltung. Sondern eine, deren vornehmstes Ziel es wäre, die Kaufkraft der Bürger zu stärken. Dafür fehle es aber derzeit offenbar an durchsetzungsfähigen Fürsprechern.
Dieser Artikelschluss ist so entlarvend, wie er nur sein kann. Kein Wunder, dass die käufliche Bande rund um Hans-Werner Sinn erst gar nicht geantwortet und die arbeitgebernahen Institute wie das DWI oder RWI lügen. Wenn öffentlich bekannt würde, dass das Dogma wissenschaftlich einfach nicht haltbar ist, bräche eine der wichtigsten Stützen der neoliberalen Ausplünderpolitik weg. Jemand sollte Hans-Werner Sinn und seine Kumpanen endlich die Koffer packen lassen und sie mit einem Tritt in den Hintern verabschieden, damit sie irgendwo für 3,40€/Stunde die Segnungen der Agenda 2010 genießen können.

23 Kommentare:

  1. Die Schlussfolgerung ist so nicht ganz richtig.

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  2. Möchtest du noch etwas ausführlicher werden?^^ Und schön dich mal wieder zu lesen. Ruf mal an ;)

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  3. Geht mir aehnlich, hattest ja ne lange Pause ;-) In 3 Wochen bin ich wieder zurueck aus dem Land unmoeglichen Beschraenktheiten, aehh unbeschraenkten Moeglichkeiten, dann meld ich ich spaetestens mal.

    Btw, was ich gemeint habe: Diese Schlussfolgerung wuerde voraussetzen, dass die Leute ueberwiegen bei dt. Unternehmen bzw. solchen, die in D Arbeitsplaetze stellen, einkaufen. Sonst fliesst das Geld ins Ausland ab und wir haben wieder nichts davon.

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  4. Nein, das stimmt so nicht zwingend. Selbstverständlich würde das nicht nur an deutsche Unternehmen gehen. Aber wir leben gerade beständig von der Substanz des Auslands (das wird in der FTD gut dargestellt, siehe aktuelle Fundstücke). Das ganze ist ja kein Nullsummenspiel. Wenn wir wieder mal etwas importieren, entstehen da ja auch wieder Möglichkeiten - und neue Jobs. Klar kommt das nicht alles ungefiltert an, aber damit rechnet ja auch niemand. Auf irgendwelche Marktselbstregulierungskräfte zu warten hilft aber gar nichts.

    OK, dann lass anklingeln. Ich bin bis mitte Oktober hier. Muss arbeiten ^^

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  5. Moment mal, eben da hatten wir schon mal verschiedene Meinungen. Aber Volkswirtschaft _ist_ ein Nullsummenspiel, da gibts nichts dran zu rütteln. Anyway, wenn das Mehr an Geld tatsächlich in Waren umgesetzt würde, wäre das natürlich förderlich, kein Zweifel. Allerdings muss ich immer wieder mit Bestürzung feststellen, dass viele Landsleute das Geld dann mit nem teuren Urlaub ins Ausland tragen, anstatt es "sinnvoll" zu investieren. Deshalb hab ich da auch meine Zweifel, ob das so einfach funktionieren würde. Aber ich lass mich gern vom Gegenteil überzeugen.

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  6. Nicht zwingend, zumindest wenn ich das Konzept der Multiplikatoreffekte richtig verstanden habe.
    Solche Steuerschecks bewegen sich ja im Rahmen von rund 100Euro/Person, davon macht man keinen Urlaub. Man kauft endlich den Fernseher, den man haben wollte, lässt die Waschmaschine reparieren oder was des Kleinscheißes mehr ist, für den bislang die wenigen Kröten nicht gereicht haben.

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  7. Womit du dann ja aber zugeben wuerdest, dass erst mal nicht die Politik, sondern das daemliche Konsumverhalten unserer Mitbuerger an dem Dilemma Schuld hat ;-)

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  8. Jetzt hast du mich auch verwirrt...na super. Ich meinte, wenn man seine Bevölkerung quasi dazu zwingen muss ihr Geld sinnvoll zu investieren, ist das meiner Meinung nach ein Zeichen für mangelnde Selbstständigkeit (manche sagen auch Mündigkeit ;-)) Oder wie siehst du das?

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  9. Das Problem ist: was ist "vernünftig"? Adjektive wie dieses sind immer stark abhängig vom Standpunkt. An und für sich ist jede Investition vernünftig, solange das Geld nicht einfach gespart wird (wobei das den Kapitalmarkt versorgen würde...), weswegen die Politik hier mMn nicht zu intervenieren braucht. Bei Bill Clintons Steuerschecks hat das ganz hervorragend funktioniert.

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  10. Es ist zB. vernuenftig einen Audi zu kaufen, wenn ich bei Audi arbeite. Wenn man stattdessen einen Toyota kauft, braucht man sich nicht zu wundern wenn Audi irgendwann Arbeitsplaetze reduziert. Geiz-ist-geil-Mentalitaet halt. Und ich sehe da als erstes den Menschen in der Pflicht, sich mal ueber ein paar Dinge Gedanken zu machen. Aber wie gesagt, bei einem Grossteil unserer Mitbuerger sehe ich da schwarz... Ich hoffe das Beispiel macht es klar :-)

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  11. Ja, sicher. Aber da hatte Ford ein gutes Rezept dafür: zahl den Leuten genug, dass sie sich eines von deinen Autos leisten können, sonst wirst du keine verkaufen, denn: Autos kaufen keine Autos.

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  12. Erstens lass ich das jetzt nicht als Argument gelten. Grade erst haben wir festgestellt, dass die Leute falsche Prioritaeten haben bei der Liste ihrer Ausgaben. Es ist nicht Aufgabe der Unternehmen, ihren Mitarbeitern soviel zu zahlen, dass sie fast zwangsweise mal ein Auto kaufen muessen um das Geld loszuwerden.
    Zweitens hatte das bei Ford noch weitaus mehr Gruende. Und die Marktsituation von damals und heute ist in keiner Weise vergleichbar. Nene, da muessen sich viele Leute schon mal an die eigene Nase fassen.

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  13. Ich sag ja auch nicht, dass man die Leute im Geld ertränken muss. Aber wer Mittelklassewagen baut sollte mit dafür sorgen, dass die Mittelklasse sie sich auch leisten kann und nicht nur verwundert feststellen, dass der Absatz sinkt.

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  14. Nunja, es ist doch schon längst so, dass Autohersteller ihren eigenen Mitarbeiter enorme Rabatte gewähren um ihre Werksparkplätze "toyata-frei" zu kriegen ;-)

    Ist auch viel sinnvoller, als mehr Geld zu zahlen - weil das könnten die Mitarbeiter ja in einen dickeren Toyota investieren.

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  15. Ja, aber damit tust du der Binnenkonjunktur einen Bärendienst.

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  16. Das haben wir auch nicht bestritten, sondern ledigilich festgehalten, dass die Menschen für ihre niedrigen Löhne teilweise auch selbst verantwortlich sind und dass ein simples Anheben von Löhnen und Gehältern die Sache nicht in Ordnung bringen würde.

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  17. Man braucht keine Statistik, um diese Aussage in ihrer prinzipiellen Richtigkeit zu hinterfragen:
    Wenn Sie Wachstum und Inflation mit Null annehmen, ist eine Investition von Gewinnen gar nicht nötig - eigentlich gar nicht möglich (sonst müsste Wachstum entstehen):

    Beispiel:
    Sie kaufen ein Taxi um 50.000 Euro, aus den Ersparnissen vom fleißigen Spargelstechen) fahren damit 10 Jahre und schreiben diese 50.000,- Taxi aufgrund der Abnutzung in diesem Zeitraum ab (entnehmen jedes Jahr 5.000 Euro aus den Einnahmen, ohne dass diese als Gewinn verbucht werden).
    Sie haben dann wieder 50.000,- Euro und können ein neues Taxi (ohne Inflation und ohne Wachstum bzw. Fortschritt erhalten Sie die gleiche Qualität zum gleichen Preis) kaufen udn weitere 10 Jahre "produzieren".
    Sämtliche Gewinne in dieser Zeit, die in ihrer Steuererklärung stehen und für die Sie Steuern zahlen, können Sie zum Kauf von Häusern zahlungsunfähig gewordener Privatpersonen verwenden oder für anderes.

    Wenn Sie die Gewinne in ein [i]besseres[/i] (und daher ohne Inflation gerechnet teureres)Taxi investieren, ist die Dienstleistung, die Sie in Zukunft anbieten, hochwertiger. Das entspricht einem Realwachstum, wenn alle anderen im Land zumindest die gleiche Leistung wie vorher erbringen.
    Wenn das neue Taxi bei gleicher Qualität teurer ist, herrscht Inflation. Sie müssen den Mehrpreis aus Gewinnen abdecken oder noch besser – Sie haben alles auf Pump gemacht und haben die Kreditzinsen als Ausgaben verbucht. Wenn Sie den Kredit so gestaltet haben, dass er genau nach dem zehnten Jahr getilgt ist, wird sogar die Inflation neutralisiert. Sie müssen dann lediglich einen neuen Kredit über z.B. 55.000,- Euro aufnehmen und diesen so gestalten, dass er in 10 Jahren getilgt ist.


    Das Investieren von Gewinnen ist nur nötig, um Wachstum zu generieren oder um bei Eigenkapitaleinsatz Inflation auszugleichen.

    Elmar Cùs

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  18. ja schon...aber so what?

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    Und wieso sollte das ein Bärendienst für die Binnenkonjunktur sein?

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  19. Naja, wenn du Rabatte für deine Autos gibst, verkaufst du zwar mehr von denen, aber die Kaufkraft ingesamt erhöht sich nicht - die Konjunktur lahmt weiter.

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  20. Diese Pauschalisierung ist quatsch.

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  21. Warum? Wenn du die Leute auf ein bestimmtes Produkt verpflichtest, dass du denen verbilligt verkaufst, dann kann doch die Konjunktur nicht anziehen...versteh mich nicht falsch, ich hab nix gegen Mitarbeiterrabatte...

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  22. Naja, kommt auf die Höhe des MA-Rabatt an...

    Solange das Auto noch nen Deckungsbeitrag hat, wird die Konjunktur und das eigene Unternehmen gestützt...

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