Dienstag, 14. Dezember 2010

Anatomie des Holocaust

Von Stefan Sasse

Ankunft von Juden in Auschwitz
Die Frage nach dem Verständnis des Holocaust ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch weitgehend ungeklärt. Zwar ist die Aufarbeitung - es wurde hier im Blog bereits diskutiert - in Deutschland besonders im Vergleich zu anderen Länderen und deren Kriegsverbrechen extrem fortgeschritten und tiefgreifend. Die Ermüdungserscheinungen gerade des vergangenen Jahrzehnts jedoch, das verhärtende Gefühl von "ich war nicht schuld, ich will das nicht mehr hören" erfordern einen anderen Ansatz der Aufarbeitung. Ich beschreibe diesen anderen Ansatz als "Täger-Perspektive". Gemeint ist, nicht einfach nur die Zahlen der Opfer und die Dimension des Verbrechens aufzuzählen und einen Blick auf die Riege der Top-Nazis von Goebbels über Heydrich zu Himmler und schlussendlich Hitler zu werfen. Das führt in meinen Augen zu nichts. Die Opfer des Holocaust generieren zu reinen Statistiken, und die Riege der nationalsozialistischen Führungsfiguren ist so unglaublich absurd in Verhalten, Gestus, Taten und Absichten, das man sie bis heute kaum versteht und wohl auch nie verstehen kann (vgl. hier). Weiterführend ist stattdessen die Frage, wer den Holocaust eigentlich durchgeführt hat und was die rund 200.000 damit direkt involvierten Menschen bewogen hat, sich der ersten und einzigen industriellen Massentötung der Geschichte zur Verfügung zu stellen.

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2 Kommentare:

  1. Was die "Täterperspektive" angeht, da gibt es neuerdings auch ein hochaktuelles Erstlingswerk über die Moral der Nazis,die, wenn es nach dem Buchautor geht bis heute in Deutschland, queerbeet über alle Gesellschaftsschichten hinweg, nachwirkt - man denke nur über "Anständigkeits"-Vorwürfe gewisser dt. Freiherrn bzw. Verteididungsminister an die Adresse der Opposition, oder an einen gewissen Sozi namens Sarrazin, um nur 2 Beispiele der jüngsten Zeit zu erwähnen.

    Hier der Hinweis:

    "[...](hpd) Der Historiker Raphael Gross legt einen Sammelband mit eigenen Aufsätzen vor, welche die Bedeutung von Auffassungen über „Anstand“, „Ehre“, „Kameradschaft“ und „Treue“ zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur untersuchen.

    Es handelt sich dabei um interessante Fallstudien vom Film „Jud Süß“ über das „Rassenschande“-Bild in den Nürnberger Gesetzen und Hitlers Religionsbegriff bis zum Eichmann-Prozess – allerdings ohne den Charakter einer umfassenden Gesamtdarstellung zum Thema[...]

    Quelle und kompletter Text der Buchbesprechung: http://hpd.de/node/10353

    Gruß
    Limo

    PS: "Erstlingswerk" nenne ich es, weil m. Wissens noch kein solches Werk erschienen ist und ich hoffe, dass diesem Buch weitere folgen, die sich mit diesem Thema befassen.

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  2. »...ich war nicht schuld...«

    Natürlich war und ist von den heute Lebenden (fast) keiner mehr schuldig. Darum geht es auch gar nicht. Es geht nicht einmal um die Frage ob und wie weit wir bis heute von der Vernichtung und Eigentumsaneignung von Millionen von Menschen profitieren.
    Es geht darum, dass unser Eltern, Groß- und Urgroßeltern an einem Unrecht in einer derart ungeheuerlichen Dimension beteiligt waren, das nicht und niemals mehr getilgt werden KANN. Ein Unrecht, dass sich nicht einmal durch Hinweise auf das Unrecht anderer Nationen relativieren lässt. Ein Unrecht das uns Nachkommen aber in allen Belangen eine besondere Verantwortung aufträgt!
    Eine wahrlich kleine Leistung, die es zu erbringen gilt. Bedarf es dazu doch lediglich ein wenig nachdenken, ein wenig Freiheit des anderen, ein wenig teilen, ein wenig Zurückhaltung bei der Durchsetzung eigener Interessen.
    Und wir schaffen es nicht einmal, über diese Selbstverständlichkeit ernsthaft nachzudenken. 8-(

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