Montag, 9. April 2012

Ein Eldorado für die Opposition

Von Christian Sickendieck

Selten waren sich die Leitartikler so einig, wie in den letzten Monaten: Die aktuelle schwarz-gelbe Regierungskoalition ist die schlechteste, die wir jemals hatten. Die FDP löst sich auf, die CDU wirft einen Grundsatz nach dem anderen über Bord. Nicht mit der Opposition wird gestritten, sondern untereinander: CDU gegen FDP, FDP gegen CDU und die CSU gegen alle.

Diese Situation sollte eigentlich ein Eldorado für die Opposition sein. Für SPD und Grüne sollte es ein Leichtes sein, Wählerstimmen einzusammeln: Wenn eine Regierung derart unfähig regiert, wird die Opposition nicht nur gestärkt, im ganzen Land herrscht Wechselstimmung. So sollte es zumindest sein.

Doch dem ist nicht so: Laut der neuesten Umfrage von Emnid ist Rot-Grün sogar hinter Schwarz-Gelb gefallen (http://lallus.net/8vo). Union und FDP kämen demnach auf 40%, während Rot-Grün 39% der Wählerstimmen auf sich vereinen könnte.

In den letzten Monaten wurde des Öfteren über den politischen Offenbarungseid der Regierungskoalition geschrieben. Vielmehr jedoch beweisen diesen Zahlen den politischen Offenbarungseid von SPD und Grüne. Wenn es Rot-Grün nicht schafft, bei dieser Bundesregierung die Mehrheit zu stellen, wann sollen sie es dann schaffen? Rot-Grün wird nicht mehr als Alternative gesehen, sondern als Anhängsel einer gescheiterten Regierung.

Nun macht es sich Emnid sehr leicht mit der Begründung, die Piraten seien schuld, schließlich würden diese im rot-grünen Lager wildern. Das ist natürlich nur bedingt korrekt. Die Piraten gewinnen nicht nur Stimmen aus dem Oppositionslager, sondern auch aus dem Regierungslager und dem Nichtwählerlager.

Der unfähigen Bundesregierung steht eine noch viel infantilere Opposition gegenüber. Insbesondere die SPD hat es nicht geschafft, nach dem Wahldesaster 2009 die korrekten Schlüsse zu ziehen und die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die SPD ist noch die gleiche wie am Wahlabend des 27. September 2009 als Frank-Walter Steinmeier das Wahlergebnis kommentiert hat und am darauffolgenden Tag wie selbstverständlich den Posten des Fraktionschefs für sich beansprucht hat.

Im nächsten Jahr werden es vielleicht nicht die 23% sein, wie 2009. Doch vielmehr werden es auch dann nicht werden - und auch diesmal wird Frank-Walter Steinmeier, flankiert von Peer Steinbrück, staatstragend das Wahlergebnis kommentieren und wie selbstverständlich eine Große Koalition ins Leben rufen.

Wenn uns diese Bundesregierung peinlich ist, sollte uns diese Opposition noch viel peinlicher sein. Im deutschen Bundestag gibt es praktisch bis auf die Fundamentalopposition der Linken kein Oppositionspartei. Das spüren die Menschen - warum also Rot-Grün in die Regierung wählen, wenn sich sowieso nichts ändert.

Für die Piraten ist es das wahre Eldorado: Sie können, wenn auch durch mediale Schüsse gestört, ihr Projekt von einer anderen Politik, den Transparenz und den Datenschutz und ihre anderen Themen den Menschen nahebringen. Doch wenn argumentiert wird, dass die Piraten Rot-Grün verhindern würden, dann verkennt man völlig die Lage und lebt in einer Scheinwelt. Die Piraten kämpfen in erster Linie für sich selbst und den Traum einer modernen Demokratie.

Die infantile Politik von Rot-Grün ist am eigenen Untergang selbst schuld. Wer soll bei SPD und Grüne schon neue Wähler begeistern, die Menschen erreichen? Frank-Walter Steinmeier? Peer Steinbrück? Jürgen Trittin? Renate Künast? Es gibt mehr Menschen in diesem Land, die an den Osterhasen glauben, als an Rot-Grün.

7 Kommentare:

  1. Steinmeier hat sich als Kanzlerkandidat in Erinnerung gebracht.

    http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=2928

    Rot - Grün sackt noch unter 35%.

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  2. Die Aussage Gabriels man würde keinen Wahlkampf gegen die Kanzlerin machten, spricht Bände. Außerdem, das wird nicht vergessen, fand der größte Sozialabbau unter Rot/Grün statt, nachdem Schröder einen Wahlkampf mit sozialer Gerechtigkeit bestritten hatte - der größte Betrug am Wähler, den man sich vorstellen kann. Aber Müntefering sagte ja, es sei ungerecht die Regierung an ihren Wahlversprechen zu messen...
    Als Wähler mag man nicht mehr an eine sozialere Ausrichtung glauben - egal in welcher Regierungskonstellation.
    Bleibt nur noch, die Opposition zu stärke - und bei den LINKEN sein Kreuzchen zu machen...

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  3. Man erinnere sich: Dort, wo die SPD opponiert hat, ging es oft um Lächerlichkeiten (z.B. Hartz-Regelsatz). Bei den großen Themen (z.B. Euro und Europa) ist man entweder mit Schwarz-Gelb auf einer Linie gewesen oder umgefallen. Und dann kommt dazu, dass die Union in einigen Bereichen auf rot-grüner Linie liegt bzw. umgeschwenkt ist (Wehrpflicht, Atomausstieg, mit Abstrichen beim Mindestlohn). Die SPD kann dem nur entkommen, indem man programmatisch klare Kante zeigt. Denn die sogenannte "Mitte", in der sich Union, SPD und Grüne momentan befinden, ist eng. Aber wie will man das anstellen? Steinbrück, einst ein Freund der Deregulierung & Steinmeier, ein Überbleibsel der Schröder-Zeit: Wer würde ihnen ein linkeres Programm abnehmen?

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  4. Die Zustimmung zum Fiskalpakt bedeutet definitiv die Zustimmung zum weiteren Abbau des Sozialstaates.

    Die SPD ist zu 100% koalitionsfähig.

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  5. ...solche Tpen wie Steinmeier -brück und Siggi Pop....die fühlen sich im A...h von Merkel am wohlsten....

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  6. Gute Analyse der Lage, aber mir fehlt doch ein bisschen Tiefe. Was soll es genau bedeutet, dass die Opposition "infantil" ist? Man muss schon beschreiben, was die Alternativen zum momentanen Schmusekurs der SPD sein könnten. Und da merkt man dann, dass erstens die Union einige Oppositionsthemen erfolgreich abgeräumt hat (Atomausstieg, Wehrpflich, Ganztagsschulen, bald vielleicht Mindestlohn). Und zweitens ist es für die SPD einfach unendlich schwer, sich in der vielleicht zur Zeit allesentscheidenden Eurofrage konsistens links von der Union zu Positionieren. Dafür ist die Narrative der Schwäbischen Hausfau, also Austerität, einfach zu eingänging und tiefsitzend, die Wahrheit einfach zu kompliziert für den 30-Sekunden-Clip in der Tagesschau. So siehts leider aus. Herr Hollande und Frau Kraft werden bei den Wahlen zeigen müssen, ob echte linke Positionenn funktionieren können.

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  7. Ein Parlament, dass sich selbst die Pluralität verbietet und "Abweichler" kennt, ist kein Parlament. Es hat sich seiner Sinne beraubt. Wir brauchen eine neue Demokratie, eine bürgerliche, eine direkte Demokratie. Dagegen wehren sie sich, die Parteisoldaten einerseits und deren Geldgeber wie Lobbyisten und Korrupte auf der gleichen Seite. Aber der NRW-Piratenführer würde nach gestriger Aussage von SPON auch keine Basisdemokratie wünschen und bei dem Piratenwiki ist der Terminus schon gestrichen. Yupp, ist ja auch nicht so wichtig, das mit der Demokratie, das sehen die Piraten inzwischen wohl genauso. Nicht bekannt gegebene und erst recht nicht publizierte Stammtische, unübersichtliche und nichteinladende Foren / Mailinglisten ergänzen den Eindruck. Es sieht ganz nach einem Haufen von chaotischen Schwachmaten aus, die sich hier in NRW vorrangig um zukünftige Pfründe prügeln. Also das gleiche wie in anderen Parteien, geschlossenes Postengeschachere nur eben halt auf chaotisch. Das wirkt auf dem ersten Blick anders, ein stückweit liberaler, auf dem zweiten Blick ist es der gleiche Mist, nur anders gewürzt.

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