Mittwoch, 25. April 2012

Lindner aus der Asche

Von Stefan Sasse

Der NRW-Wahlkampf ist ein Biotop, in dem die Thesen des NDS-Gründers Albrecht Müller quasi im Praxisversuch erlebt werden können. Die FDP, die im Saarland krachende 1,2% eingefahren hatte und mit Prognosen von um 3% in den Wahlkampf zog, bekam mit Lindner, dessen persönliche Karriereplanung mehr politisches Geschick als die von Philipp Rösler erkennen lässt, einen medientauglichen Vorsitzenden - und ab dann erfolgte der Wiederaufstieg der FDP wie nach Drehbuch. Einem unschönen Drehbuch zu einem echt schlechten Film, sicherlich, aber die Begeisterung für die FDP und der Raum, den sie in den Medien einnimmt, ist kaum zu leugnen (Lenz Jacobsen hat das in der ZEIT schön dargestellt). Die LINKE dagegen wird geradezu totgeschwiegen und ignoriert. Fair ist das nicht, denn beide Parteien sind in einer vergleichbaren Situation, sowohl vom Wahlergebnis 2010 als auch von der Bedrohung des Wiedereinzugs her; bundesweit ist die LINKE sogar deutlich stärker. Warum also die Konzentration auf die FDP, die massive Schützenhilfe aus dem Blätterwald? Ist es ein Versuch eines Meinungskartells, ihnen genehme politische Lösungen zu forcieren? Das spielt mit Sicherheit hinein. Aber es gibt auch andere Gründe.

Das Offensichtliche zuerst. Die Zeitungsredaktionen dieses Landes sind, unabhängig vom Bundesland, mit Sicherheit eher auf der Seite der FDP als auf der Seite der LINKEn. Das brauchen wir überhaupt nicht zu debattieren. Die Liberalen bekommen tendentiell eine deutlich positivere Presse als die Linken. Diese Wahlwerbung für die Partei fällt mal mehr, mal weniger unverholen aus, kommt mal im Gewand reiner Berichterstattung über Parteitage, mal in Form knackiger Kommentare mit Wahlaufruf daher. Die LINKE dagegen ist praktisch unsichtbar, der Gegner heißt Rot-Grün - ob Klaus Ernsts Partei den Wiedereinzug schafft oder nicht scheint irrelevant. Dummerweise spiegelt dies die Realität zu einem gewissen Teil wieder.

Die LINKE befindet sich bereits seit 2009 in einem ständigen, siechenden Abstieg. Die polarisierende Wirkung, die sie zwischen 2005 und 2009 entfalten konnte, ist dahin. Neue Stars beherrschen die Bühne und haben die Aufmerksamkeit (und oft genug die Abneigung) der Medien auf sich gezogen; erst die Grünen und das Jubelgerufe von der "neuen Volkspartei", das sich mit der Berlinwahl in Nichts auflöste, dann der Dreck, der kübelweise über die kriselnde FDP ausgeschüttet wurde, dann der Aufstieg und kollektive Verriss der Piraten. Da man in der LINKEn zwischenzeitlich von Glückwunschtelegrammen an Castro und Debatten über den Nutzen der Mauer abgesehen hat, bleibt da wenig Aufmerksamkeit übrig (wie übrigens auch für die SPD, die seit geraumer Zeit auch nur sehr eingeschränkt stattfindet).

Dazu kommt, dass Lindner und die FDP einfach eine tolle Geschichte sind. Lindner ist charismatisch, sein Einsatz als Brandhelfer in NRW wurde sorgfältig durchchoreographiert. Hier sind Profis am Werk. Wer dagegen ist LINKE-Spitzenkandidat? Der FDP war klar, dass nur ein Knalleffekt sie in NRW über die 5%-Hürde würde hieven können, und dieser Knalleffekt ist Lindner, ein Medienliebling, jemand, der völlig problemlos Titelseiten zieren kann. Die Medien funktionieren so, so sehr man das bedauern kann und muss. Hätte die LINKE Lafontaine als Spitzenkandidat ins Rennen geschickt, oder vielleicht Sahra Wagenknecht, sie hätte auch wenigstens etwas mehr Publicity. Aber wer erwartet ernsthaft überschriftentaugliche Zitate von der NRW-LINKEN? Mit Lindner dagegen ist das praktisch garantiert. Es war clever von der FDP, die ihre knappen Ressourcen hier bestmöglich genutzt hat, ohne Zweifel. Man kann ihr ein krachendes Scheitern nur innigst wünschen.

12 Kommentare:

  1. "Sozial-Ticket für Hartz-4-Empfänger" wird von der Linken plakatiert, ein Grund für das Scheitern der Minderheitsregierung in NRW.

    Wenn mein Vermittler mal wieder mit mir "über meine Bewerbungssituation sprechen" will, kann ich nicht einfach mit dem Bus fahren, sondern muss von meinem schon GG-widrig kleingerechneten Existenzminimum 5.60€ bezahlen, um zum Arbeitsamt zu kommen.

    Wer findet das eigentlich gut?

    Und dann sehe ich bei dir im Ticker den Postillon: "Betreuungsgeld nur für Familien, die nachweisen können, dass sie es nicht brauchen."

    Ganz normal.


    Warum gelingt es der Linken nicht, diesen Wahnsinn in Wählerstimmen umzumünzen?

    Sahra Wagenknecht wäre vielleicht ein Zugpferd gewesen, aber die Spitzenkandidatin heißt Schwabedissen.
    Ihren Vornamen habe ich vergessen.

    SK

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  2. @ Anonym 8:02 Uhr

    - "Warum gelingt es der Linken nicht, diesen Wahnsinn in Wählerstimmen umzumünzen?"

    Meine Vermutung ist: weil der Wahnsinn nur denen wirklich bewußt ist, die ihm ausgesetzt sind - und das sind nach wie vor nur eine Minderheit. Solange die Mehrheit gegen diese Minderheit aufgehetzt werden kann und die Mehrheit sich moralisch überlegen fühlen kann, weil sie (noch) nicht zur Minderheit gehört, wird der Wahnsinn von der Mehrheit schlicht ausgeblendet. Sich mit den "Minderleistern" und "Sozialschmarotzern" solidarisieren ... ? Nie ! Man spielt nicht mit den Schmuddelkindern ...

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  3. Ich denke eher, dass die Linken durch Brandenburg und Berlin schlicht unglaubürdig geworden ist. Weder glaubt man, dass die Linken in der Lage sind, etwas zu verändern, noch dass sie dazu wirklich Willens sind.

    Wenn 54% der Piraten Wähler als 1. Thema "soziale Gerechtigkeit" angeben, dann sieht man, es sind Stimmen da. Selbstverständlich spielt auch die Medienbarriere eine Rolle, aber das alleine reicht wohl nicht als Erklärung, vor allem wennn die Linke dagegen nicht offensiv vorgeht, sondern eher als Mimis rüberkommen.

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  4. ich würde meinen, es sei viel simpler, als dass ein medienkartell die fdp hochschreiben will...

    so sehr ich albrecht müller verstehe kann ich mir das nicht vorstellen... mein prof sagte immer:

    erkläre nix mit boßhiet, was du nicht auch mit dummeheit erklären kannst

    was bedeutet, dass über die fpb berichten zu ner art bandwagon geworden ist...zumal sie so unbedeutend nun auch nicht ist; da sie regierungspartei ist. da finde ich es auch nicht so überraschend, dass sie im medialen fokus steht. außerdem würde ich meinen, dass mind. die hälfte aller berichte nicht positiv ausfallen. in der BILD liest man z.b. überhaupt nix dazu (zumindest bei bildonline)...also von der ganz großen verschwörung halte ich da nix...es ist halt momentan chiq über die fdp zu berichten und es scheint sich zu verkaufen...da wird wohl des pudels kern drin liegen

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  5. Ich bin weiß Gott kein Anhänger der FDP und war auch nie einer. Der Absturz, den dieser Haufen Superegos in den letzt Jahren hingelegt hat, war ehrlich erarbeitet und hoch verdient, wie man beim Fußball sagen würde. Trotzdem habe ich ein gewisses Bauchgrimmen und so meine Bedenken: Abwarten, noch sind die nicht erledigt. Oder, um beim Fußball zu bleiben: Ein Gegner ist erst mit dem Abpfiff geschlagen.

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  6. Ich würde auch vermuten , daß das soziale Thema bei den Piraten eine größere Rolle spielt , als insbesondere die Medien bisher begriffen haben.

    Die Linke hat auch das Problem eines erstaunlichen Dilettantismus , wie zuletzt das "Casting" um die BP-Kandidatur gezeigt hat.
    Sie stellt zielgenau ihre Schwächen heraus und versteckt beinahe schon ihre Stärken.

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  7. Die Piraten werden die Probleme, welche die Linke jetzt hat, auch noch bekommen. Keine Angst, liebe Piraten-Wähler! Noch könnt ihr sagen, dass die Piraten eine neue Partei sei. Noch könnt ihr auf einem hohen Ross sitzen und die Piraten über alles stellen. Aber wie werden die Piraten agieren, wenn es hart auf hart kommt? Dann sehen wir uns wieder. "Soziale Gerechtigkeit" als Parole wird sehr schnell von der Agenda verschwinden, wenn auch die Piraten in der Verantwortung keine Mehrheiten finden wird.
    Man sieht doch jetzt schon: die Linke kämpft einsam gegen vier Parteien. Dass man nun der Linken ankreidet, dass sie ihre Forderungen nicht durchsetzen kann, ist doch totaler Humbug. Und in Berlin war die Linke doch kein ebenbürtiger Partner der SPD. Das hat man doch nach der Wahl gesehen, wo Wowereit eine erneute Zusammenarbeit gar nicht in Betracht gezogen hat.

    Und in NRW: nach welchen Kriterien wird denn nun gewählt? Ist Charisma ausschlaggebend? Soll ich die FDP wählen, weil Lindner sympathisch rüberkommt? Das ist für mich kein Kriterium. Apropos: der beste Spruch ist ja "lieber Neuwahlen als neue Schulden!". Ich lächerlich diese Partei.
    Und was habe ich von dieser Partei, die Politik für die Elite macht? Der kleine Bürger hat doch nichts von dieser Partei, egal wie sympathisch der Spitzenkandidat auch ist.

    Theoretisch müssten viele Bürger eigentlich die Linke wählen. In der Praxis passiert das ja nicht. Denn dafür sorgen die Medien, die Politiker aller Lager, die Experten und zum Teil die Linke selbst. Viele wählen aus Tradition, was bedeutet "CDU oder SPD".
    Wahlen sind für mich daher eine Farce. Keiner wählt eine Partei aufgrund des Parteiprogramms.

    Ich möchte soziale Gerechtigkeit; ich möchte, dass Reformen nicht immer nur bedeuten, dass man den Ärmsten den letzten Cent aus der Tasche zieht; ich möchte, dass endlich vernünftige Politik gemacht wird und nicht nach Lobby-Interessen entschieden wird; ich möchte, dass auch das Volk bei einigen Fragen mitentscheiden darf; ich möchte, dass das Lügen aufhört ("wir leben über unsere Verhältnisse", "Jobwunder", "Fachkräftemangel", Arbeitslosenstatistik, etc.). Ich wie kann das denn bitteschön passieren, wenn man weiterhin CDU, SPD oder die FDP wählt. Das ist so, als ob das Rind den eigenen Schlachter wählt.

    Es macht mich traurig, dass ich tatsächlich den Wunsch hege, dass hier alles zusammenbricht. Denn nur dann wird man wohl umdenken. Nur wie lange das dann anhalten wird, steht in den Sternen.

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  8. Die Wahlwerbung vor Landtags, - und Bundestagswahlen aller Parteien an den Straßenrändern muss verboten werden. Sie sind, genauso wie das Telefonieren im Auto mit dem Handy während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung lebensgefährlich.

    Die repräsentativen und nicht repräsentativen Wahlumfragen vor Landtags, - und Bundestagswahlen müssen verboten werden. Sie manipulieren den ungeschulten Wähler, falls er noch wählen geht, hin zu einer Stimmabgabe, die er nicht will.

    Europa und damit auch Deutschland stehen vor dem Abgrund. Wer da noch FDP wählt hat den Knall noch nicht gehört, der auf uns zukommt.

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  9. Die Zeitungsredaktionen dieses Landes sind, unabhängig vom Bundesland, mit Sicherheit eher auf der Seite der FDP als auf der Seite der LINKEn. Das brauchen wir überhaupt nicht zu debattieren. Die Liberalen bekommen tendentiell eine deutlich positivere Presse als die Linken.

    Absolute Zustimmung. Nur warum ist das so? Deiner Einschätzung zufolge hast Du sicherlich eine Vermutung, eine These, warum das so ist, oder? Warum schreibst Du diese nicht hin? Angst, dass der Arbeitgeber mitlesen könnte? ;)

    Die Printmedien sind ein Gewerbe! Es geht um Auflage, Verkaufszahlen, Abos, Anzeigenkunden, Kontakte zu Politik und Wirtschaft, ergo: um Geld! Die FDP repräsentiert den Geldadel und die LINKE möchte eine gerechtere Eigentumsverteilung. Das ist der Grund, warum fast alle Massenmedien die LINKEN immer wieder totschweigen, diffamieren und niederschreiben werden, denn sie gehören selbst zum Geldadel und möchten garantiert nichts von ihren Pfründen abgeben.

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  10. "Ich denke eher, dass die Linken durch Brandenburg und Berlin schlicht unglaubürdig geworden ist. Weder glaubt man, dass die Linken in der Lage sind, etwas zu verändern, noch dass sie dazu wirklich Willens sind."

    Genauso sehe ich das auch !

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  11. Völlig OT, ich brauch nen Twitteraccount, aber: Herzlichen Glückwunsch zur Vaterschaft :)

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