Freitag, 7. Februar 2025

Trump zuckt die Achseln und reformiert mit unschlüssigen Democrats die LGTBQ-Bremse - Vermischtes 07.02.2025

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) So könnte ein zukunftsfähiger Kompromiss für die Schuldenbremse aussehen

Der Artikel beleuchtet die Debatte um die Schuldenbremse im aktuellen Wahlkampf und betont die Notwendigkeit einer generationengerechten Reform. Während Befürworter sie als Schutz vor Staatsverschuldung sehen, kritisieren Gegner, dass sie notwendige Investitionen blockiert und den Staat seit Jahren von seiner Substanz leben lässt. Die Folge sei ein Wertverlust öffentlicher Infrastruktur und eine eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit. Der Autor schlägt vier Reformen vor, um eine Balance zwischen Haushaltsdisziplin und zukunftsorientierten Investitionen zu schaffen: Umstellung auf eine Ausgabenregel: Staatliche Ausgaben sollten sich am Wachstum der Wirtschaftsleistung orientieren, um langfristige Stabilität zu gewährleisten. Ausnahme für Zukunftsinvestitionen: Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung sollten von der Schuldenbremse ausgenommen werden, damit der Staat nicht weiter seine Substanz aufzehrt. Berücksichtigung zukünftiger Verpflichtungen: Klimafolgekosten, Sozialversicherungen und Verteidigungsausgaben müssen in die Schuldenregel integriert werden, um nachfolgende Generationen nicht unverhältnismäßig zu belasten. Stärkung der Daseinsvorsorge: Der Staat darf sich nicht weiter aus sozialen Bereichen zurückziehen, sondern muss Bildungs- und Sozialstandards gewährleisten. Die zentrale Herausforderung bleibt die politische Umsetzung. Während die Reformen auch Schuldenbremsen-Befürworter überzeugen könnten, bleibt fraglich, ob junge Generationen ausreichend Gehör finden, um strukturelle Veränderungen zu bewirken. (Marcel Fratzscher, Spiegel)

Sicher diskussionswürdige Ideen. Die scheitern nur an einem politischen Grundproblem: die Debatte dreht sich ja nicht um die Frage, wie die Schuldenbremse reformiert werden soll, sondern ob. Und das ist ideologisch getrieben. Die FDP wird sowieso keinerlei Reform akzeptieren, weil sie ihre Identität an die Schuldenbremse gekettet hat, und in der CDU ist noch nicht ausgemacht, dass sich die Reformkräfte durchsetzen werden (wobei ich davon ausgehe, weil die CDU Macht versteht). Das Thema ist daher die Veränderung des Status Quo, und das ist in jedem politischen System, dessen natürlicher Zustand nun mal Stasis ist, ein Kampf den Hügel hinauf. Wäre ich jemand, der die Schuldenbremse nicht reformieren will (oder allenfalls sehr behutsam), würde ich bei Vorschlägen wie "Ausnahmen für Zukunftsinvestitionen" oder "Berücksichtigung künftiger Verpflichtungen" Atemnot bekommen, denn die sind absehbar Gummiparagrafen, die das Ding komplett aushebeln können, wenn der nötige politische Wille da ist. Aktuell reicht der (nicht vorhandene) politische Wille noch nicht, weil die Zwei-Drittel-Mehrheit im Weg steht, aber jede mögliche Reform würde (siehe Fundstück 4) wieder Macht an die Politik zurückgeben - mit all den Folgen, die das in einer Demokratie hat.

2) Haben Eltern Angst um die Kinder oder Angst vor der Zukunft?

Der Artikel setzt sich kritisch mit der verbreiteten Panikmache über die digitale Mediennutzung von Jugendlichen auseinander. Der Autor, Ullrich Fichtner, argumentiert, dass jede Generation neue Technologien zunächst als Bedrohung wahrnimmt – von Romanen über das Fernsehen bis hin zu Social Media. Die gegenwärtige Skepsis gegenüber TikTok, Instagram und Co. sei daher Teil eines altbekannten Musters. Eltern und Erzieher fürchten, dass Kinder durch exzessiven Medienkonsum körperliche und soziale Schäden erleiden. Während wissenschaftliche Studien über die negativen psychischen Auswirkungen ernst zu nehmen seien, warnt Fichtner vor Übertreibungen und einem melodramatischen Ton in der Debatte. Historisch gesehen habe sich gesellschaftlicher Fortschritt immer von älteren Generationen als Verlust angefühlt, obwohl er letztlich Teil eines normalen Entwicklungsprozesses sei. Dennoch plädiert Fichtner für eine stärkere Regulierung des Digitalsektors, um die unkontrollierte Nutzung persönlicher Daten zu begrenzen. Staatliche Eingriffe seien notwendig, um Tech-Giganten wie Google, Meta oder TikTok klare Regeln aufzuerlegen. Gleichzeitig fordert er ein Umdenken in der Erziehung: Anstatt Medien nur zu verbieten, sollten attraktive Alternativen geschaffen werden. Sein Fazit: Der gesellschaftliche Umgang mit neuen Technologien braucht weniger Hysterie und mehr Gelassenheit. Kinder sind nicht verloren – sie wachsen lediglich in einer neuen digitalen Realität auf, die frühere Generationen nicht gewohnt sind. (Ullrich Fichtner, Spiegel)

Ich teile die Ansicht, dass wir es hauptsächlich mit einer Veränderung zu tun haben, wie sie schon oft zuvor da war. Vielleicht insgesamt etwas einschneidender als die Erfindung des Walkman, aber die Berfürchtungen sind denke ich weitgehend übertrieben. Die "Schaffung attraktiver Alternativen" ist natürlich eine ziemlich wohlfeile Forderung; wenn das so einfach ginge (oder überhaupt), dann wäre es vermutlich bereits passiert. Wo Fichtner definitiv Recht hat ist, dass der Techsektor stärker an die Kandare gelegt werden muss. Aber auch das ist nicht eben eine innovative Erkenntnis. - Einmal abgesehen von diesen inhaltlichen Aspekten: ich würde bei Schüler*innen, die diesen Text schrieben, kritisieren, dass diese zwei Aspekte mal gar nichts miteinander zu tun haben und der Artikel in sich keinerlei Logik aufweist. Gibt's da beim Spiegel kein Lektorat für so was?

3) What Are Democrats Supposed to Do?

Der Artikel skizziert eine strategische Antwort der Demokraten auf den wachsenden Einfluss von Donald Trump und Elon Musk auf die US-Regierung. Der Autor argumentiert, dass die Demokraten eine harte Linie verfolgen und sich jeglicher Zusammenarbeit verweigern sollten – insbesondere bei entscheidenden legislativen Themen wie dem Haushalt und der Schuldenobergrenze –, solange Trump und Musk angeblich rechtswidrig handeln und ihre Macht missbrauchen. Die Strategie beruht auf zwei zentralen Prinzipien: Keine Zusammenarbeit ohne Zugeständnisse – Die Demokraten müssen ihre begrenzten Einflussmöglichkeiten nutzen, um ein Ende von Trumps und Musks mutmaßlichen Gesetzesbrüchen zu erzwingen. Indem sie ihre Unterstützung für essenzielle republikanische Projekte verweigern, wie etwa Haushaltsverhandlungen und die Anhebung der Schuldenobergrenze, können sie die Republikaner an den Verhandlungstisch zwingen. Die öffentliche Debatte prägen – Der Autor betont die Bedeutung der richtigen Erzählweise: Trumps Politik, einschließlich Ausgabenkürzungen und Zollerhöhungen, müsse als direkte Bedrohung für gewöhnliche Amerikaner dargestellt werden. Besonders betroffen seien Sozialversicherungen und steigende Lebenshaltungskosten, während Trump und Musk sich auf Kosten der Bürger bereichern. Der Artikel hebt zudem hervor, dass es nicht nur um das Blockieren von Trumps Agenda gehe, sondern auch darum, den Wählern zu demonstrieren, dass die Demokraten Macht effektiv einsetzen können. Dies sei entscheidend für die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft und für den langfristigen Kampf um die öffentliche Meinung. Zusammenfassend schlägt der Autor vor, den Republikanern keine Unterstützung zu gewähren, die Debatte auf die Themen Rechtsbrüche und wirtschaftlichen Schaden zu fokussieren und sicherzustellen, dass die Demokraten die Rahmenbedingungen für den politischen Kampf bestimmen. Das Ziel sei nicht nur der kurzfristige Sieg in einzelnen Gesetzgebungsverfahren, sondern die langfristige Prägung der öffentlichen Wahrnehmung zugunsten der Demokraten. (Josh Marshall, TPM)

Ich halte die Argumentationslinie, dass die Republicans gerade an der Macht sind und es wenig gibt, was die Democrats dagegen tun können, für korrekt. Das ist als Erkenntnis auch befreiend. Es gibt keine Notwendigkeit, diesen Leuten irgendwie zu helfen. Sie haben eine Mehrheit, und wenn sie es damit nicht schaffen zu regieren - that's on them. Das amerikanische Wahlvolk hat sich mehrheitlich für Idioten an der Regierung, Chaos und Grausamkeit entschieden. Fein. This is how that looks like. Mir ist allerdings der feine Unterschied zwischen "blockieren" und "zeigen, dass man Macht nutzen kann" nicht ganz klar - und den Wählenden vermutlich auch nicht. Das scheint mir eher eine Art Rechtfertigungsmechanismus zu sein, der gleichzeitig gut demonstriert, welche Skrupel die Progressiven immer haben, Macht effektiv zu nutzen - Skrupel, die ihre Gegner offensichtlich ganz und gar nicht teilen.

4) Achselzucker und Berserker

Der Artikel setzt sich kritisch mit der aktuellen politischen Kultur in Deutschland auseinander und beschreibt zwei dominante Politikertypen: den impulsiven, machtbewussten Akteur, der rücksichtslos Entscheidungen trifft, und die zaudernde, von rechtlichen und moralischen Zwängen geprägte Führung, die kaum noch handlungsfähig erscheint. Besonders im Fokus steht der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, der sich an Donald Trump orientiere, jedoch mit seiner konfrontativen Strategie gescheitert sei. Die Folge sei eine politische Debatte, die von moralischen Appellen überlagert werde, während die realen Herausforderungen – insbesondere in der Migrationspolitik – ungelöst blieben. Zentrale Kritikpunkte: Entscheidungsunfähigkeit und symbolische Politik: Die deutsche Politik neige dazu, drängende Fragen wie Migration als unveränderliches Schicksal darzustellen, anstatt Lösungen anzubieten. Politiker versteckten sich hinter rechtlichen Zwängen, obwohl Gesetze geändert werden könnten. Moral vs. Realpolitik: In der Migrationsdebatte werde jede Differenzierung zwischen Kriegsflüchtlingen, Asylsuchenden und irregulären Migranten abgelehnt, während gleichzeitig moralische Imperative den Diskurs bestimmten. Der Verlust „guten Regierens“: Die Politik sei zunehmend verrechtlicht, vergesellschaftet und handlungsunfähig geworden. Entscheidungsprozesse würden an Diskursräume und Expertengremien ausgelagert, anstatt von gewählten Vertretern im Parlament getroffen zu werden. Herausforderung durch Autokratien: Demokratien verlören durch ihre Zögerlichkeit an Attraktivität, während autoritäre Systeme entschlossener agierten. Dies erfordere eine Rückbesinnung auf pragmatische Problemlösungen statt moralischer Selbstvergewisserung. Fazit: Die deutsche Politik müsse sich wieder auf ihre Kernaufgabe besinnen: Probleme zu lösen, anstatt sie nur zu verwalten. Themen wie Migration, Wohnungsbau, Infrastruktur, Bildung und Klimapolitik dürften nicht mit Achselzucken begegnet werden. Statt endloser Appelle und moralischer Überhöhung brauche es Mut, klare Entscheidungen und politisches Verantwortungsbewusstsein. (Bernd Rheinberg, Salonkolumnisten)

Ich bin normalerweise niemand, der Bernd Rheinberg unumwunden zustimmt, aber hier finde ich mich in seinen Punkten völlig wieder. Nicht nur die Frage der Handlungsfähigkeit, in der die Politik so tut, als habe sie keine; ich habe an dieser Stelle die Verrechtlichung oft genug als Problem kritisiert. Diese beiden Punkte gehen in meinen Augen Hand in Hand. Es ist das Juristenmindset, das immer mehr für Probleme sorgt. Auch das Problem der Auslagerung politischer Prozesse ist direkt damit verbunden, denn je mehr man sich auf diese verrechtlichte Ebene begibt, desto mehr ist man von wenigen Expert*innen abhängig. Was das Moralisieren der Migrationspolitik im Speziellen angeht, habe ich über diese Sackgasse ja auch geschrieben. Weniger überzeugt bin ich von der Idee, dass autoritäre Systeme entschlossener agierten. Wir haben ja in Krisen die Handlungsfähigkeit der Demokratie durchaus gesehen; diesen Willen müsste man nur auf konstruktive und präventive Lösungen übertragen statt immer nur im reaktiven Bereich zu bleiben.

5) Trump claims there are only '2 genders.' Historians say that's never been true

Donald Trump hat per präsidialer Anordnung festgelegt, dass die US-Regierung nur noch zwei Geschlechter anerkennt: männlich und weiblich, unveränderlich von Geburt an. Dies betrifft unter anderem Transgender-Personen, die nun keine „X“-Marker mehr in Pässen erhalten und in Gefängnissen nach ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht untergebracht werden. Historiker widersprechen Trumps Darstellung und betonen, dass Geschlechtervielfalt historisch belegt sei – von indigenen Kulturen Nordamerikas bis hin zu historischen Persönlichkeiten wie Dr. James Barry oder Christine Jorgensen. Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass bis zu 1,7 Prozent der Menschen mit intersexuellen Merkmalen geboren werden. In Kanada wächst die Sorge, dass Trumps Politik auch dort Einfluss gewinnt. Trans-Personen fürchten um ihre Rechte und vermeiden Reisen in die USA. Aktivisten warnen vor einer Rückkehr zu repressiven Geschlechternormen und einer wachsenden Bedrohung für die LGBTQIA+-Gemeinschaft. (Alexandra Mae-Jones, CBS)

So interessant es natürlich ist, von Transpersonen in der Geschichte zu lesen und zu wissen, dass es kein künstliches Phänomen der Neuzeit ist, so sehr muss man sich natürlich aber auch klar machen, dass es auch früher ein absolutes Minderheitenphänomen war. Sollte eine pluralistische, tolerante und offene Gesellschaft diesen Menschen ihre Identität erlauben? Absolut. Was Trump tut ist das übliche: performative Grausamkeit gegenüber Menschen, die er verabscheut. Gleichzeitig ist jedoch auch wahr, dass der LGTBQIA+-Aktivismus teilweise über das Ziel hinausschießt, indem eine Welle und Umfang des Themas suggeriert wird, die es einfach nicht hat. Aber: letztlich sind das vor allem Anpassungsschmerzen eines Änderungsprozesses, wie es sie immer gibt und immer gegeben hat. Die Progressiven müssen sich ehrlich machen, dass sie eine Minderheitenposition vertreten und Ängste auslösen, die in einigen Fällen nicht gerade unberechtigt sind (Stichwort Geschlechterwechsel von Kindern) und mit etwas Fingerspitzengefühl auftreten müssen. Gerade das fehlt aber gerne mal.

Resterampe

a) Rezension von Shitbürgertum (54books).

b) Grüne: Ricarda Lang kritisiert Parteifreunde und SPD für Häme gegen Friedrich Merz (Spiegel). Wird irgendwie das neue Ding von Ricarda Lang, oder? Will sie Boris Palmer beerben? :D

c) Musk verklagt Firmen, die keine Werbung auf X schalten (Standart). Das ist übrigens echte Cancel Culture, wesentlich gefährlicher als ein paar Demos auf einem Unicampus oder ein Onlineshitstorm wegen einer Rollenbesetzung bei Disney.

d) The Trump layoffs are a charade (Kevin Drum). Ja, aber sie sind performative Grausamkeit gegenüber Leuten, die die Republicans hassen. Da werden Leben zerstört, um Symbolpolitik zu betreiben.

e) Wegen AfD-Kurs: Führende BSW-Mitglieder verlassen Wagenknechts Partei (Spiegel). Scheint immer mehr, als würde der BSW den Weg der Piratenpartei gehen. Good riddance.

f) Friedrich Merz bekommt den gleichen Hass ab wie einst Kohl und Strauß (Welt). Man muss gar nicht so weit zurückgehen. Habeck kann man genauso als Beispiel hernehmen.


Fertiggestellt am 06.02.2025

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