Samstag, 4. Mai 2013

Wann du Sex hast bestimme ich!

Von Stefan Sasse

Das Thema Sex ist in den USA von genausovielen Merkwürdigkeiten umrankt wie bei uns das Thema Gewalt in den Medien. Eine aktuelle Debatte befasst sich mit der Frage, ab welchem Alter es Mädchen gestattet sein sollte, die "Pille danach" zu kaufen, ohne dass die Eltern informiert werden müssen. Die Obama-Administration würde die Grenze gerne bei 18 setzen, wurde aber gerichtlich zu 15 gezwungen, ein Urteil, das sie nun anfechtet und das möglicherweise mit einer Aufhebung sämtlicher Altersgrenzen enden könnte. Die Washington-Post-Kolumnistin Kathleen Parker definiert das Grundproblem:
There’s no point debating whether such young girls should be sexually active. Obviously, given the potential consequences, both physical and psychological, the answer is no. Just as obvious, our culture says quite the opposite: As long as there’s an exit, whether abortion or Plan B, what’s the incentive to await mere maturity?

Auf gut Deutsch: wann du Sex hast, bestimme ich. Ich verstehe dabei im Übrigen vollkommen jegliche Bedenken darüber (die auch die Obama-Administration vorbringt), ein so starkes Medikament ohne jede Aufsicht in die Hände von Kindern zu geben. Aber die Lösung, die Parker hier vorschlägt, ist schlicht lächerlich. Für sie kann die Antwort nur in Enthaltsamkeit bestehen, weil “offensichtlich” die psychischen und physischen Konsequenzen von Sex vor dem Alter von 18 Jahren so gravierend seien. Das aber ist Bullshit. Es ist klar, dass niemand (was sie im Artikel als abschreckendes Beispiel präsentiert) 11- oder 12jährige zum Geschlechtsverkehr animieren will. Aber warum 15jährige oder 17jährige von ernsthaften Schäden betroffen sein sollten, erschließt sich mir lange nicht so “offensichtlich” wie ihr. Stattdessen schwingt sie das Totschlagargument Familie:
Question 1: Do you think that women should have access to Plan B, also known as the morning-after pill, to be used at their own discretion? Yes!
Question 2: Do you think that girls as young as 11 or 12 should be able to buy the morning-after pill without any adult supervision? Didn’t think so.
Question 3: If you answered yes to Question 2, are you a parent? Didn’t think so.
Klar, ich hätte es auch lieber, wenn meine Tochter keinen Unsinn anstellen würde. Aber dummerweise hören Teenager seit Kain und Abel nicht auf ihre Eltern, was die Wahrscheinlichkeit für vorehelichen und minderjährigen Sex stark erhöht. Man kann sich nun auf die Haltung stellen, dass nicht sein kann was nicht sein darf und Enthaltsamkeit verordnen, was ziemlich exakt der Position der katholischen Kirche gegenüber der AIDS-Epidemie in Afrika entspricht. Man könnte sich andernfalls auch dafür aussprechen, mehr Aufklärung zu betreiben und den Zugang zu Kondomen zu erleichtern, die neben der gesundheitlichen Verträglichkeit gegenüber der “Pille danach” auch noch den zusätzlichen Vorteil haben, gegen Sexualkrankheiten zu schützen. Aber darum geht es Parker und anderen Sozialkonservativen ja überhaupt nicht. Noch einmal ihr Statement vom Anfang:
what’s the incentive to await mere maturity?
Genau darum geht es. Parker will die Furcht vor Konsequenzen – nämlich der nicht abzubrechenden Schwangerschaft – nutzen, um Teenager vom Sex abzuhalten. Dieser Ansatz funktioniert in etwa so gut wie Verbrecher mit hohen Mindestgefängnisstrafen (“mandatory minimums“) abschrecken zu wollen, weswegen die USA bekanntlich eine er niedrigsten Inhaftierungsraten der westlichen Welt und eine niedrige Verbrechensrate haben. Just kidding.
Teenager sind Teenager, weil sie eben nicht in der Lage sind, langfristige Konsequenzen in ihre Überlegungen einzubeziehen. Die Folgen einer Teenagerschwangerschaft sind reichlich abstrakt, die Belohnung von Sex mit dem Highschool-Quarterback sehr real und greifbar. Die Vorstellung, das Entziehen jeglicher Abbruchmöglichkeiten für eine Schwangerschaft würde die Teenager abhalten, ist absurd. Da hilft auch alles Appellieren an den Elterninstinkt nichts.
Die Fakten sprechen eine andere Sprache, und es ist kein Zufall, dass die Zahl der Teenagerschwangerschaften immer dort am höchsten ist, wo am wenigsten Aufklärung stattfindet, die meisten Tabus bestehen und es eben keine Möglichkeit für die “Pille danach” oder eine Abtreibung gibt. Parker und ihre Gesinnungsgenossen und -genossinnen genießen aber immerhin einen Vorteil: wenn ein Teenager doch schwanger wird, können sie sie vom moralischen high ground aus verstoßen und sicherstellen, dass die angedrohten schlimmen Konsequenzen eines perspektivlosen Lebens auch wirklich eintreten. Das funktioniert auch seit Adam und Eva.

1 Kommentar:

  1. Diese Debatte über die Pille danach ist eine moralische und padägogische zudem noch recht brisant. Gerade wenn man als Vater die Tochter auf die pubertären Testosteron gesteuerten Jungs loslassen muss. Soweit Ich weiß gibt es eine Verdichtung von Teenagerschwangerschaften bei Familien die ein schlechtes Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind haben und dort wo das Thema generell tabu ist. Demnach scheint die Lösung doch in einer Kombination aus Aufklärung über Sex, Pädagogik und Verhütung mit Kondomen zu liegen und die Pille danach für Jugendliche unzugänglich machen. Es sei denn sexueller Mißbrauch liegt vor. Denn was ist schon gegen ein Kind aus Liebe einzuwenden habe schon viele mit Ihren Aufgaben wachsen gesehen. Immernoch besser als bis zum 40. Lebensjahr verhüten und dann die Singlebörsen zu belagern.

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