Mittwoch, 1. Mai 2013

Informationen sind im Politikbetrieb doch eher hinderlich

Könnte man zumindest denken, wenn man die aktuellen Verwerfungen in den USA über die Implementierung von Obamacare ansieht. Nicht nur weiß die Bevölkerung praktisch nichts über das Gesetz – was angesichts seiner Komplexität durchaus zu verschmerzen wäre -, auch die Kongressabgeordneten offenbaren erschreckende Lücken, die für Millionen Menschen direkte Folgen haben, wie Jonathan Chait in zwei Artikeln untersucht. Der Fall war ein typisches Beispiel dafür, wie Politiker es schaffen, Lose-Lose-Situationen zu schaffen, quasi ein Musterbeispiel in Rufselbstmord. Politico, ein Magazin das sich auf krawallige Überschriften spezialisiert hat, glaubte herausgefunden zu haben, dass der Kongress sich selbst aus der Obamacare-Gesetzgebung herausnehmen will – ein Gerücht, das man nur allzugerne glaubte, schien es doch alles Schlechte, das man den Politikern so gerne zutraut, zu bestätigen. Ohne sich groß mit Informationssuche aufzuhalten nutzten die Republicans auch sofort die Gelegenheit und forderten die Democrats auf, das Gesetz aus sich anzuwenden, was die auch sofort lautstark bejahten. Später fand man heraus, dass die entsprechende Gesetzespassage etwas unklar formuliert gewesen war. Der Kongress fiel genauso nicht unter das Gesetz wie alle anderen Amerikaner, die bereits eine Versicherung hatten. Viel Lärm um nichts, aber der Ruf der Politik hat wieder einmal Schaden genommen.
Der nächste Punkt betrifft die einzelnen Teile des Obamacare-Gesetzes. Für sich allein genommen finden die Leute sie in Umfragen immer toll und wissen häufig nicht einmal, dass sie überhaupt Teil von Obamacare sind. Dieses Fakt nutzen die Republicans weidlich aus, denn in ihrer Anti-Obamacare-Kommunikation wenden sie sich vorrangig an diejenigen, die von dem Gesetz betroffen wären – als Profiteure, wohlgemerkt. Stattdessen reden sie ihnen ein, dass das Chaos (das bei der Einführung so gewaltiger Legislation unvermeidlich ist) ihnen schade und dass man sie schlechterstellen wolle. Da niemand genau weiß, was Obamacare eigentlich tut, klappt das auch hervorragend. Dasselbe gilt im Übrigen für die Republicans selbst auch: ihnen scheint mehrheitlich überhaupt nicht klar zu sein, dass das Gesetz bestehende Krankenversicherungsverträge überhaupt nicht betrifft. Die Vorstellung, dass diejenigen, die über das Gesetz abstimmen – ob sie es nun wie die Democrats verteidigen oder wie die Republicans erbittert bekämpfen – es überhaupt nicht verstehen, ist zu Recht beängstigend und wird durch die Tatsache, dass es auch in den Leitmedien niemand versteht nicht verbessert.
Der Streit um Obamacare zeigt daher ein Grundproblem politischer Kommunikation auf: es ist praktisch unmöglich, Informationen an den Mann zu bringen. Das einzige, das zählt, ist das Narrativ, und im Falle Obamacares ist hier die Vorstellung von einem “governmental overreach” deutlich dominant. Entsprechend werden neue Informationen auch gar nicht auf ihre Richtigkeit überprüft, sondern nur daraufhin, ob sie zu dem Narrativ passen. Tun sie es, werden sie erzählt (wie die absurde Story vom Kongress, der nicht vom Gesetz betroffen ist), wenn nicht, dann interessieren sie auch nicht. Nur so ist zu erklären, dass 42% der Amerikaner nicht wissen, dass das Gesetz bereits in Kraft ist. Und von diesen 42% sitzen sicherlich einige im Kongress, denn die Republicans verwenden überraschend viel Energie darauf das Inkrafttreten zu verhindern, das bereits vor Monaten geschehen ist. Überträgt man diese politischen Mechanismen auf die Euro-Krise – und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun – so kann einem nur Angst und Bange werden.

1 Kommentar:

  1. „Überträgt man diese politischen Mechanismen auf die Euro-Krise – und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun – so kann einem nur Angst und Bange werden.“
    Genau!

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