Mittwoch, 30. August 2006

"Ich sehe eine absolute Anti-Stimmung gegen Juden und den Staat Israel"

Aufhänger: Spiegel-Interview mit Anette Knobloch

Der Libanonkrieg ist vorüber. Hisbollahchef Nasrallah hat eingeräumt, die Gefangennahme der beiden israelischen Soldaten im Hinblick auf die Folgen zu bedauern (daraus dichten die Leitmedien, er habe einen Fehler zugegeben). Der zuvor mehr als nur schwankende Olmert hat nun wieder ein leichtes Stimmungshoch. Und die Bundeswehr wird zum ersten Mal seit ihrem Bestehen im Nahen Osten, also direkt an den Grenzen Israels, "den Frieden sichern". Wer wäre in dieser Situation (wie in eigentlich jeder Situation) berufener, seine Meinung kundzutun als der Zentralrat der Juden?
Ziemlich viele, möchte man meinen. So windet sich Knobloch im Interview gelegentlich auch wie ein Aal, besonders bei der Frage, ob der Krieg vielleicht vermeidbar gewesen wäre: "Es ist immer schwierig, etwas von außen zu kritisieren." Dafür scheitert sie nicht daran, die Schuld am scheitern des Friedensprozesses einseitig Israels Gegnern zuzuweisen: "Die israelische Regierung hat es mit Partnern zu tun, die nicht immer das erfüllen, was sie zusagen. Ich blicke skeptisch, aber voller Hoffnungen in die Zukunft." Nichts anderes als diese Janusköpfigkeit ist man gewohnt, aber das wäre ähnlich, als verlange man von Dieter Hundt eine faire Stellungnahme zur Situation der Arbeitslosen. Obligatorisch ist natürlich der Hitler-Verweis, dieses Mal in Richtung Teheran, wo eine Appeasement-Politik wie 1938 aufgrund der Geschichte, die sich immer wiederholt, und der Lehren, die man daraus ziehen muss ansteht: "Aber momentan ist die Diplomatie, auf die man so viel gesetzt hatte, am Ende. Das überrascht mich nicht. Das war immer nur ein kleiner Hoffnungsschimmer. Insgesamt erinnert mich die heutige Situation an die gescheiterte Appeasement-Politik gegenüber Hitler. Die Geschichte wiederholt sich doch immer wieder. Und daraus sollte man lernen." Wie man allerdings daraus lernen sollte - denn immerhin läuft Knoblochs "Rat" auf eine nur marginal verdeckte Aufforderung zum Krieg heraus - , das lässt Madame offen. als Beweis der moralischen Intergrität dient der Hinweis in Günter Grass, dem sie zwar immerhin keine "tiefe Verstrickung" vorwirft, wie ähnlich unberufene Kritiker vor ihr, der ihr aber immerhin "immer etwas unscharf vorgekommen" war. Nach dieser kurzen Lektion im Fallenlassen von Bundesgenossen geht es dann zum Leib-und-Magenthema des Zentralrats, dem Warnen vor dem zunehmenden Anti-Semitismus in Deutschland, der hier selbstverständlich wieder einmal deckungsgleich mit Kritik am Staate Israel zu verstehen ist. Ihre ungeschminkte Aufforderung zum Beschneiden der Meinungsfreiheit ("Bei Demonstrationen werden hier etwa Plakate durch die Straßen getragen, auf denen steht: "Israel - Kindermörder". Die Polizei zieht diese Parolen nicht ein und jene Menschen, die sich mit dem Thema nur am Rande oder gar nicht befassen, die werden dann negativ beeinflusst.") steht eine unsachliche Kritik von linken Politikern gegenüber, die es gewagt hatten, anderer Meinung als der Zentralrat zu sein und deswegen gleich als "nicht sonderlich sachlich" abgestempelt werden: "Diese Leute [Oskar Lafonatine (LiPa) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)] unterstützen noch die Anti-Stimmung gegen die Juden in Deutschland. Ich habe das noch nie in dieser Form erlebt. Das ist eine neue Qualität. Diese Anti-Stimmung ist jetzt stärker in der Öffentlichkeit wahrnehmbar als früher. Sie ist in alle Kreise und Schichten eingedrungen. Ich hoffe, dass alle demokratischen Kräfte gemeinsam diese Entwicklung zurückdrängen können. Alle positiven Gedanken, die ich in Bezug auf Deutschland habe, würden sonst in Frage gestellt." Nachdem unsere moralische Entscheidungsinstanz uns derart aufgeklärt hat, bleibt uns eigentlich nicht mehr, als unser Verständnis von Sachlichkeit und Meinungsfreiheit wieder einzupacken und in die Hurra-Parolen einzustimmen.

6 Kommentare:

  1. Eine Drecksbande sondersgleichen. Und damit muss man sich nur an die Duetschen Medien wenden... die stellen das dann schon so dar. Ich glaube die merken gar nicht wie es in unserer Generation aussieht. Ich kenne keinen den dieses dauernde "wir haben eine historische Verantwortung" "deutsche Soldaten dürfen Israelischen nicht gegenüberstehen" usw. hier auf die Nerven geht. Da entsteht genau durch dieses dauernde "pro-Israel" eine Anti-Israelische Stimmung. Die provozieren doch die Ablehnung gegen sich selbst mit ihrer selbstgegebenen Unantastbarkeit. Drecksbande.

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  2. Es entbehrt einer gewissen Ironie nicht, dass dieser alles andere als sachliche Kommentar vom "oeffinger freischwimmer" just unter einem post steht, der die Aussage Knoblochs zur wachsenden Anti-Stimmung gegen Juden und den Staat Israel kritisch betrachtet. "Drecksbande", jüdische Medienmacht, "provozieren" der Ablehnung, "unsere Generation" -- viel deutlicher hätte man es kaum machen können, dass Frau Knobloch leider doch Recht hat.

    Niemand, natürlich auch nicht der Zentralrat der Juden, verbietet pauschal Kritik an Israel. Das ist ein Strohmann, den diejenigen angreifen, die sich aus welchem Grund auch immer an Israel abarbeiten wollen. Es geht immer nur um die *einseitige* Kritik an Israel, die sich Israel - zu Recht, wie jeder andere Staat auch - verbietet.

    Siehe dazu ausführlich das aktuelle Interview aus dem Deutschlandfunk mit Salomon Korn vom Zentralrat der Juden in Deutschland zum Thema "Kritik an Israel":

    "Zurheide: Dann kommen wir natürlich zu der Grundfrage, wie darf denn Kritik an Israel aussehen? Lassen wir uns auf Heidemarie Wieczorek-Zeul zu sprechen kommen, die besonders diese Streubombenproblematik natürlich angesprochen hat als eine der wenigen Politikerinnen in Deutschland. Wo ist da für Sie die Grenze überschritten?

    Korn: Zunächst erstmal beginnen wir bei der Fragestellung. Ob Israel kritisiert werden darf, ist schon die falsche Fragestellung. Israel muss kritisiert werden. Und zwar muss es so kritisiert werden wie jeder demokratische Staat. Denn würde man Israel von der Kritik aussparen oder würde man es wohlwollend kritisieren, wäre das eine positive Diskriminierung. Da bin ich dagegen.

    Also insofern ist Israel zu behandeln wie jeder andere Staat, aber auch mit den gleichen Maßstäben. Israel muss genauso mit den selben Maßstäben, und eben nicht mit anderen Maßstäben, kritisiert werden. [...] Ansonsten, was Frau Wieczorek-Zeul anbelangt, nicht ihre Forderung, einen Untersuchungsausschuss gegen die Streubomben einzurichten, ist verwerflich, überhaupt nicht, das ist vollkommen legitim. Nur, dass sie ausschließlich einen Untersuchungsausschuss gegen Israel fordert, ist sehr merkwürdig, denn auf der anderen Seite im Libanon wurde auch gegen das Völkerrecht verstoßen. [...] Aber Frau Wieczorek-Zeul darf nicht vergessen, wenn sie in das Land reist, dass den Angriff ausgelöst hat - zuerst dorthin reist und nicht in das Land, das angegriffen wurde -, dann ist das bereits eine Gewichtung. Und sie reist in das Land, in dessen Regierung eine Terrororganisation sitzt, die Israel angegriffen hat. Mit anderen Worten, sie verhandelt und spricht mit einer Regierung, in der eine Terrororganisation vorhanden ist, mitregiert. Und sie geht nicht zuerst in das Land, das angegriffen wurde: also eine Frage des Augenmaßes, eine Frage der Fairness, eine Frage der Gleichgewichtung. Und da hat Frau Wieczorek-Zeul versagt. Ich will aber gleich hinzufügen: Ich halte Frau Wieczorek-Zeul nicht für antisemitisch, wie das da so gelegentlich gesagt wurde, keineswegs, aber ein gewisser antiisraelischer Reflex, den muss ich allerdings registrieren.

    Zurheide: Das heißt - noch mal, um es klar zu sagen - die Untersuchung, ob Streubomben da angemessen waren, vom Völkerrecht gedeckt waren dieser Einsatz, so wie Condoleezza Rice es zum Beispiel gefordert hat, da haben Sie kein Problem mit.

    Korn: Natürlich nicht. Alles, was sich in den Regeln der Demokratie bewegt, was sich im Völkerrecht bewegt, ist anzuwenden, sofern es natürlich nicht nur einseitig immer gegen Israel gewendet wird und Israel daran gefesselt wird während die anderen imment kommen dürfen und das Völkerrecht nicht nur umgehen dürfen, sondern es zum eigenen Vorteil verletzen dürfen."

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    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/538364/

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  3. Oh, wen haben wir denn hier. "alles andere als sachlich" huhu, dieser ganze Blogg ist oft alles andere als sachlich da er eine gewisse politische Richtung verfolgt.

    Und mit meinem Beitrag, trotz einiger provozierender Worte, wollte ich das genau ja bestätigen. Es gibt eine Anti-isrealische Stimmung hier, aber die provoziert Israel vollkommen selbst.
    Das Israel kritisiert werden darf halte ich für einen Witz... das geht hier in den Medien nicht und Politiker müssten wahrscheinlich zurücktreten.

    Also nochmal: "Die provozieren doch die Ablehnung gegen sich selbst mit ihrer selbstgegebenen Unantastbarkeit."
    Das war die Kernaussage.

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  4. Wo ist der Jay-Z hin? Warum antwortet mir keiner mehr?

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  5. Oh, Jay-Z is weg... jetzt hab ich ihm die Sache nochmal extra erklärt. Is der auf Tour mit Linkin Park?

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  6. Now what the Hell are you waiting for...

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