Montag, 1. Juni 2009

Maybrit Illner vom 28.05.2009 - Kritik

Ich habe mir gerade die Sendung Maybrit Illner vom 28.05.2009 angesehen, in der es hauptsächlich um Wirtschaftspolitik geht. Gäste waren Guttenberg, Lafontaine, Jörges (Stern-Chefredakteur), Hoeneß (Bayern-Manager) und Precht (Schriftsteller). Der Fixstern der Sendung war dabei Guttenberg, dessen Wirtschaftspolitik gewissermaßen auf dem Prüfstand stand. Entgegen sonstigen Gepflogenheiten war Lafontaine eher eine Randfigur; das Interesse an ihm hat sich mit der Akzeptanz der Forderungen der LINKEn deutlich reduziert, weil er kein so krasser Gegenpol mehr ist.
Sie Sendung bewegte sich häufig entlang an Detailfragen (hauptsächlich die Opelrettung) und streifte nur selten Systemfragen. Das war durchaus so beabsichtigt, denn einmal bürstete Illner einen Hinweis Lafontaines auf einen Antrag der LINKEn mit dem Hinweis ab, dass diese ja "immer Grundsatzfragen" stelle, und auch Jörges tat sein Bestes, die Diskussion immer wieder zerfasern zu lassen. Er betätigte sich eigentlich die gesamte Sendung als Stichwortgeber und Jubel-Perser Guttenbergs und kann von daher vernachlässigt werden; etwas anderes hat man von ihm auch nicht zu erwarten. Precht fiel in dieser Sendung die Rolle zu, die sonst immer Lafontaine hatte, nämlich die Systemfrage zu stellen. Lafontaine war das nicht erlaubt, weil die anderen Diskussionsteilnehmer inklusive Moderator immer auf die Einzelfragen zurückkamen, was bei Precht nicht der Fall war. Diesem fehlte jedoch eine tatsächliche Vision oder konkrete Vorstellung, und man lauschte seinen zwei Wortmeldungen auch artig, um sie danach zu ignorieren.
Interessant muss für uns die Performance von Guttenberg sein, der ja einer der ersten war, die in der endlosen Reihe der Obama-Vergleiche einen abbekam (in der Sendung haben sie mit Klinsmann als Obama meiner Meinung nach die Messlatte mal wieder höher gelegt). Es ist tatsächlich so, dass sich Guttenberg sehr gut schlägt. Er hat klare fachliche Defizite und ist deutlich ideologiegeprägt, aber das war von Anfang klar. Als Einziger der Großkoalitionäre ist er aber in der Lage sich auszudrücken und Lafontaine tatsächlich Paroli zu bieten. Man kann ihm zuhören; das er hat er dem ganzen Rest der Bande deutlich voraus. Ein Mensch, der Massen begeistert ist er sicher nicht, und dank solcher Hündchen wie Jörges ist ihm zwar ein Gutteil der Presse gewogen und er erhält kaum Kritik, aber letztlich ist es immerhin möglich, unterhaltsame Debatten mit ihm zu bekommen. Ich gehe davon aus, dass seine Thesen in einem Zweier-Gespräch zerlegt worden wären, aber Lafontaine konnte praktisch nie eine direkte Erwiderung führen - häufig wurden zwei, einmal sogar drei weitere Statements zwischengeschaltet, so dass die Diskussion wieder bei einem völlig anderen Thema war, als Lafontaine wieder an der Reihe war, was denke ich beabsichtigt war.
Überhaupt finde ich, dass diese Form der Talkshow wenig ergiebig ist. Da sitzen sechs Leute, und nur zwei haben wirklich etwas zu sagen. Jörges hätte man weglassen können, denn er hat nichts Substanzielles beigesteuert, was Hoeneß in der Sendung zu suchen hatte verstehe ich absolut nicht und auch Precht redete ziemlich viel Unsinn. Dafür, dass er der große Freigeist der Runde sein wollte, redete er ziemlich viel Mist; beispielsweise warf er Lafontaine "Postkutschen-Verstaatlichungsideen" vor, um dessen Meinung abzuqualizieren - nachdem er in seinem vorherigen Wortbeitrag eigentlich mit ihm auf einer Linie lag. Bemerkt zu haben schien er das nicht, hauptsache mal wieder LINKE gebasht. Auch dass Jörges mit seiner Umfrage durchkam, nach der 2% der Deutschen der LINKEn Wirtschaftskompetenz zutrauten ist ein Armutszeugnis für Illner, denn was solche Umfragen taugen hat Mogis gerade eindrucksvoll bewiesen. Auf diesem Niveau kann man nicht diskutieren, aber für eine echte Diskussion ist Jörges auch der falsche Mann, gleichwohl er einen eindrucksvollen Auftritt hinlegt, das muss man ihm lassen.

Richtig bedenklich fand ich allerdings eine ganz andere Tendenz, die in der Sendung deutlich wurde. Es begann damit, dass natürlich wieder Parteien-Bashing betrieben wurde, indem man den Wahlkampf als großen Übeltäter ausmacht. Precht bot die ganze Spitze davon, indem er vorschlug, dass die Wahl um zwei Jahre verschoben werden solle, damit man erst mal die Probleme lösen könne. Zustimmung aller Orten, man war nur traurig, dass es wohl nicht realpolitisch umsetzbar sei. Selbst Lafontaine protestierte nur schwach. Später wurde noch vorgeschlagen, eine Kommission einzusetzen, die nach der Wahl eine verpflichtende, abzuarbeitende Reform-Agenda abarbeiten solle - auch hier aller Orten Zustimmung.
Ich finde dies absolut bedenklich, ich kann mich da nur wiederholen. Die Parteien und die Wahlkämpfe, ja die gesamte öffentliche Auseinandersetzung gehören zum politischen System der parlamentarischen Demokratie. Diese beständige Herabwürdigung der Parteien und Verachtung der Wahlkämpfe, die sich durch fast alle Bevölkerungsschichten und vor allem die Medien, ja teilweise sogar die Parteien selbst zieht, ist in höchstem Maße gefährlich. In Diskussionen wie dieser wird der Graben immer weiter vertieft. Dabei trifft die Medien, wie sie hier von Jörger repräsentiert wurden, eine erhebliche Mitschuld, denn sie sind es, die das ganze Wahlkampfgetöse erst richtig breittreten. Würden sie einfach einmal darauf verzichten den gesamten eingefahrenen Raum der rituellen Beleidigungen unter den Parteien so viel Platz zu widmen und stattdessen kritischer sein, würden die Parteien auch nicht gezwungen sein, so furchtbar plakative Aussagen zu machen. Aber das ist vermutlich Wunschdenken.

Nachtrag: Auch die NDS haben was zu Guttenberg.

5 Kommentare:

  1. Das System propagiert sich selbst und wuchert trotzdem ungestraft weiter.

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  2. also mich hat guttenberg nicht wirklich beeindruckt. ganz im sinne der insm doktrin begann fast jeder seiner redebeitrag mit der anmerkung, man muesse in jedem falle eine neid-diskussion vermeiden. der mann ist genauso im neoliberalismuss verhaftet, wie der rest der regierung.

    ich werde bei der bundestagswahl aus protest ftp waehlen! a: um eine weitere grosse koalition zu verhindern und in der hoffnung, das sich die spd in der oposition reinigen kann, b: um zu sehen, wie die stockkonservativen einen schwulen aussenminister verhindern, c: um nach weiteren 4 jahren des schreckens, eine neue demokratische linke an der macht zu sehen, die die truemmer beseitigt. eine utopie?

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  3. ich werde bei der bundestagswahl aus protest ftp waehlen
    Ich wähle die PBC.

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  4. Hmmm... aus Protest FDP wählen? Interessante Idee! Vielleicht würde die dann folgenden desaströsen 4 Jahre schwarz/gelb dem letzten Deppen vor Augen führen, dass die neoliberale Ideologie gescheitert ist.

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  5. ich werde bei der bundestagswahl aus protest ftp waehlen! a: um eine weitere grosse koalition zu verhindern und in der hoffnung, das sich die spd in der oposition reinigen kann, b: um zu sehen, wie die stockkonservativen einen schwulen aussenminister verhindern, c: um nach weiteren 4 jahren des schreckens, eine neue demokratische linke an der macht zu sehen, die die truemmer beseitigt. eine utopie?

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