Freitag, 19. Juni 2009

Contentmafia oder Musikindustrie?

In den USA hat die Contentmafia einen Prozess gegen eine vierfache Mutter gewonnen: wegen illegalem Download (resp: wegen Weitergabe, Tauschbörsen laden ja auch immer gleichzeitig hoch, aber letztlich kommt das auf dasselbe hinaus) von 24 Songs wurde sie zu 1,92 Millionen Dollar Schadensersatz verurteilt. Um dem Recht der Musikindustrie genüge zu tun: natürlich hat sie mehr als 24 Songs downgeloadet, aber die Klage wurde auf 24 begrenzt um das Verfahren zu beschleunigen. Die Frage, wie in aller Welt 24 Songs 1,92 Millionen Dollar Schadenseratz rechtfertigen steht trotzdem im Raum. Die Frage, die ich hier aufwerfen will, ist aber eine andere, denn:
[Die Plattenindustrie] macht Online-Piraterie für zurückgehende Einnahmen verantwortlich. Die Geschworenen sprachen der Industrie pro Titel 80.000 Dollar Schadenersatz zu, insgesamt 1,92 Millionen Dollar. 150.000 Dollar pro Titel wären laut Gesetz möglich gewesen. (Quelle)
Den ersten Satz dieses Absatzes, den ich hier zitiert habe, halte ich für besonders bemerkenswert. Zahllose Kampagnen haben die Botschaft hinausgebrüllt, dass Raubkopierer Verbrecher sind und Eigentum stehlen. Einer der besser gemachten Spots zeigte deutlich, dass die Qualität der Produkte unter der Piraterie ebenfalls leidet; es ist einer der besseren. Ich halte die zurückgehenden Einnahmen der Plattenindustrie und ihre Prozesslust allerdings nicht für in direktem Zusammenhang mit de illegalen Download der Musikdateien stehend. In meinen Augen handelt es sich hier vielmehr um einen krassen Fall von Marktversagen.
Die CD, auf der sich ungefähr 10 bis 18 Musiktitel einer Band befinden und die in den 1980er Jahren das Musikgeschäft revolutionierte, ist eigentlich schon längst klinisch tot. In häufigen Fällen ist sie ein Produkt, das den Ansprüchen der Kunden auf keiner Linie mehr entspricht. Erstens sind die CDs deutlich zu teuer, und zweitens will man häufig genug gar nicht alle der Liedtitel haben. Früher gab es häufig keine andere Möglichkeit, an die Musik zu kommen, und Compilations wie die BRAVO HITS oder andere CD-Sammlungen hatten gewaltigen Erfolg. Heute kann ich einzelne Songs, die mir gefallen, einfach aus dem Internet herunterladen, ohne für nutzlose Werbung und Songs, die ich nicht will, gleich mitzubezahlen. Offenkundig gibt es also ein gewaltiges Bedürfnis danach, Songs direkt zu erhalten, ohne Umweg über Sammlungen mit anderen Titeln, CDs und Hüllen. Es gibt aber kein entsprechendes Angebot. iTunes und andere kommerzielle Downloadmöglichkeiten sind zu teuer und ineffizient, mit oft 1 Euro pro Titel, häufig elektronische Signaturen oder Verschlüsselungen in den Dateien, so dass der Wechsel von einem Rechner zum anderen bereits zum Problem ausartet.
Eine vernünftige Lösung gibt es bis heute nicht. Stattdessen bedient sich die Contentmafia ungehindert des Staates und überrollt das Land mit einer Klagewelle, die die Gerichte in Anspruch nimmt und ihnen Zeit stiehlt, die sie eigentlich sinnvoller anderweitig unterbringen könnten. Die Musikindustrie ist absolut nicht willens, neue Vertriebswege zu finden oder auf die Veränderungen der Zeit zu reagieren. Dass die Zeit der CDs schlicht vorbei ist wie vormals die der Platten, geht den Bossen einfach nicht auf.

3 Kommentare:

  1. Hmm, da muss dir z.T. widersprechen. Es gibt noch sehr wohl einen Markt für CDs; vielleicht nur noch für Sammler, wie ich einer bin. Ich bezahle gerne den Vollpreis für eine CD, wenn ich dafür gute Musik bekomme. Ich bin auch nicht jemand, der Lieder bei einem Album überspringt, sondern versuche meistens immer alle Songs zu verstehen und zu würdigen.
    Ich hoffe jedenfalls, dass die CD noch nicht so schnell verschwinden wird, und dass sie zumindest weiterhin ein Nischendasein für Sammler fristen wird, denn irgendwann, da geb ich dir recht, wird Musik kommerziell fast nur noch heruntergeladen werden, die Frage ist nur, wann die Musikindustrie, das endlich auch schnallt...

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  2. Sorry wegen Doppelpost
    Was ich noch loswerden wollte: Das Revival von Vinylplatten für aktuelle Alben (man schaue sich bei Amazon oder im EMP Katalog um) zeigt doch auch, dass immer noch Bedarf besteht für sein Geld einen materiellen Gegenwert zu erhalten.

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  3. Genau darum geht es mir. Kommerziell ist das eine Sackgasse. Es gibt kaum eine Möglichkeit, einzelne Songs zu kriegen.

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