Montag, 29. April 2013

Es geht nicht um den Excel-Fehler – das Problem ist die Realität

Der Wirtschaftswurm hat auf meine zugegebenermaßen reichlich sarkastische Kritik reagiert:
Reinhard, Rogoff und viele andere, darunter auch ich, sind nun der Meinung, dass das nicht alles sein kann, zumindest dann nicht, wenn man auch die mittlere und lange Frist betrachtet. Unter bestimmten Bedingungen bringt Neuverschuldung nicht nur keinen positiven Effekt, sondern ist sogar schädlich für die Wirtschaft. Wie könnte es sonst überhaupt zu Staatsbankrotten kommen?
Damit habe ich das wissenschaftliche Paradigma formuliert, das ich meine. Auf diesem Paradigma aufbauend ist es weiterhin sinnvoll, wenn Ökonomen sich auf die Suche nach den Bedingungen machen, unter denen Neuverschuldung mittel- und langfristig schädlich ist. (Quelle)
Ok, das ergibt mehr Sinn. Zu der Frage
“Unter bestimmten Bedingungen bringt Neuverschuldung nicht nur keinen positiven Effekt, sondern ist sogar schädlich für die Wirtschaft. Wie könnte es sonst überhaupt zu Staatsbankrotten kommen?”
gibt es aber zumindest eine einfache Antwort: wenn die Schulden aufgenommen werden, ohne dass dem neue Werte entgegenstehen, dann kann das natürlich schnell zu einem Staatsbankrott führen. Kosten für Kriegführung, Bankenrettungen oder Steuererleichterungen für Milliardäre etwa haben keine Chance, allzuviel Positives zum BIP beizutragen. Gleiches gilt, wenn der Staat einfach nur Geld irgendwo investiert, dass investiert ist – Brücken ins Nirgendwo, Überkapazitäten in irgendwelchen subventionierten Branchen, etc.

Aber: diese Dinge kann ich eben nicht aus Zahlen zur Verschuldung ziehen, und das ist wo meine Kritik letzten Endes ansetzt. Ich fürchte, dass es nicht wirklich möglich ist, mit den Verschuldungsquoten (ob Netto, Neuverschuldung oder Brutto macht wenig Unterschied) irgendein aussagekräftiges Modell zu betreiben. Letztlich wird man davon Abstand nehmen müssen, allgemeingültige Modelle erstellen zu können; das ist für mich die Hauptkonsequenz aus R&R (siehe auch mein Beitrag hier). Es führt wohl kein Weg daran vorbei, jeden Fall auf seinen eigenen Grundlagen zu bewerten und entsprechend die Daten der Umstände einzubeziehen. Es ist verlockend, ein Welterklärermodell zu erschaffen, aber klügere Menschen als die aktuellen Ökonomen haben das versucht und sind gescheitert.

Das natürlich ist kompliziert und erlaubt keine schönen Schlagzeilen. Es erlaubt uns außerdem nicht, Wirtschaftsmaßnahmen über transnationale Institutionen durchzuplanen. Sieht man allerdings die Konsequenzen einer ökonomischen One-size-fits-all-Politik an, so ist das wahrlich kein Verlust. Weder hat die IWF-Politik des absoluten Freihandels im Sinne der WTO für die Entwicklungsländer die erwünschten Ergebnisse gebracht, nur weil diese Politik den Industrieländern Wachstum und Wohlstand beschert hat, noch erweist sich das deutsche Fiskal- und Wirtschaftsmodell als angemessen für alle Staaten der Europäischen Union (genausowenig wäre im Übrigen das britische oder das französische Modell für alle sinnvoll). Ich fürchte deswegen, dass die Suche, die der Wirtschaftswurm hier ausruft, einen Irrweg in die Sackgasse darstellt.

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