Montag, 22. April 2013

Grenzen des Wettbewerbs – Die Telekom macht ernst

Die Telekom macht ernst. In der neuesten Firmenankündigung wurde verkündet, dass künftig Volumentarife verkauft werden sollen, wie sie im Mobilfunkmarkt bereits üblich sind. Ab einer bestimmten Datenvolumenmenge soll die Leitung auf 384Kbits/s reduziert werden. Für all diejenigen, die auf einen nostalgischen Ausflug in die Zeiten des 56k-Modems gerne verzichten können, ist das eine mehr als schlechte Nachricht, und sie zeigt uns gleichzeitig ein riesiges Problem mit Wettbewerb auf: der Telekommunikationssektor galt lange als Musterbeispiel der Privatisierung, mit massiv fallenden Preisen für Kunden. Jetzt schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung, ohne dass es dafür einen Grund etwa in einer Ressourcenverknappung gäbe. Was passiert? 

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Die ursprüngliche rasende Expansion des Telekommunikationssektors nach der Telekom-Privatisierung und der Öffnung des Markts, der vorher fest in den Händen der staatlichen Post gelegen hatte, basierte vor allem auf zwei Faktoren: der vorherigen Misswirtschaft der staatlichen Behörde Telekom, die sich unter anderem auf die Korruption des Postministers Schilling gründete (dessen Entscheidung, weniger leistungsfähige Kupferkabel anstelle von Glasfaserkabel zu legen wohl eng mit der Kupferfirma verbunden war, die seine Frau besaß), und dem Dot-Com-Boom und einer damit einhergehenden Blase, die zu massiven Überinvestitionen in das Netz führte.

Diese Blase und der Jubel der Dot-Com-Jahre, in denen Internetfirmen ins Unendliche zu wachsen schienen, sorgte dafür, dass wesentlich mehr Kabel für Flatrate-Tarife verlegt wurden, als der Markt an potenziellen Kunden hergab. Nach dem Ende der Sause und der Pleite zahlreicher Akteure konnten die verbliebenen Player am Markt lange von diesen Überkapazitäten leben und traten in einen ruinösen Preiskampf ein, der für den Kunden zu stetig fallenden Preisen führte. Flatrates wurden erst erschwinglich, dann Standard. 2003 war Schluss mit den damals noch beliebten Volumen-Verträgen; die Flatrate regierte unangefochten, zum Nutzen der Kunden.

Allein, seither hat sich das Datenvolumen im Netz verfielfacht. Die Smartphones haben ganze Demographien ans Netz gebracht, die sonst eher wenig unterwegs gewesen wären, während gleichzeitig allein durch die natürliche Alterung der Gesellschaft mehr und mehr Menschen einen eigenen Anschluss erhielten. Dies machte neue Ausbauten ins System erforderlich, die im Gegensatz zu früher, als man von der Substanz des Booms und der Telekom hatte leben können, selbst bezahlt werden mussten.

Gleichzeitig waren die Einnahmen für Telefonie und SMS durch die stets verfügbare Internet-Flat praktisch vollständig eingebrochen. Es ist ein klarer Trend erkennbar, der zu einem Gleichgewicht auf dem Markt führt. Bereits seit Jahren unterscheiden sich die Flatrate-Angebote kaum mehr voneinander. Die wegen den immer höheren Datenumsatzes nötigen Netzinvestitionen aber fressen die kleiner werdenden Gewinne auf.

Damit bleiben nur zwei Alternativen. Entweder weniger Gewinne akzeptieren oder die Einnahmen erhöhen. Und hier kommt die Volumina-Beschränkung ins Spiel, und die Aufgabe der Netzneutralität (die vermutlich nur eine Frage der Zeit war). Sie verknappen künstlich ein Gut und schaffen neue Angebote, die vorher überhaupt nicht notwendig waren und es rein technisch nicht sind. Das ist, als müssten Autofahrer Maut bezahlen, sobald sie auf den Autobahnen schneller als 80 fahren wollen. Oder die linke Fahrspur benutzen. In gestaffelten Angeboten.

Dieser Wunsch seitens der Unternehmen ist nachvollziehbar, aber erklärbar ist er nur durch ein faktisches Ende des Wettbewerbs, von dem der Kunde bislang massiv profitiert hatte. Die Datenvolumenbeschränkungen können nämlich nur unter einer Prämisse erfolgreich installiert werden: alle Anbieter ziehen mit. Gäbe es einen Anbieter, der weiterhin im Sinne der Netzneutralität unbeschränkte Flatrates anbietet, so müssten diesem theoretisch die Kunden zulaufen. In einer Wettbewerbssituation ist dies der Fall.

Jedoch ist damit nicht zu rechnen. Die Entscheidung der Telekom dürfte als Dammbruch gewertet werden, dem die anderen Unternehmen in einer Art informeller Absprache folgen werden. Es erspart Investitionen ins Netz, die für einen Wettbewerb notwendig wären und erhöht gleichzeitig die Gewinnmargen, ohne dass irgendetwas Neues geschaffen und verkauft wird. Stattdessen wird das alte Produkt künstlich verknappt und verschlechtert.
Es besteht kein ernsthafter Grund für die Unternehmen, nicht in dieses Kartell einzutreten, und die hohen Infrastrukturkosten halten mögliche Billiganbieter als Wettbewerber fern, wie dies bereits seit längerem auf dem Strommarkt zu beobachten ist. Auch hier existiert kein ernsthafter Wettbewerb, auch hier finden künstliche Verknappungen statt. Diese Situation aufzulösen wäre an und für sich die Aufgabe eines als Nachtwächter agierenden Staates, der im liberalen Geist stets dafür sorgen muss, dass Wettbewerb stattfindet.

Doch wie soll er das tun? Er kann natürlich selbst in die Netze investieren und den Unternehmen so bessere Tarife ermöglichen, aber das wäre lediglich eine versteckte Finanzierung durch den Steuerzahler und keineswegs sinnvoll. Es würde nur dann eine Alterantive darstellen, wenn der Staat selbst Netze und Dienste bereitstellt, aber das tut er seit der Telekomprivatisierung (glücklicherweise) nicht mehr. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, durch ein Gesetz die Drosselung zu verbieten.

Die Alternative für das Unternehmen bestünde dann in drei Wegen: entweder werden in den Verträgen Bandbreiten garantiert und diese besser auf die Benutzer zugeschnitten, wir erleben eine Rückkehr zu normalen Flatrates oder die Unternehmen schalten das Internet für ein Überschreiten des Volumens ab. Letzteres wäre ein so radikaler Schritt, verglichen mit einer Volumendrosselung, dass die Wahrscheinlichkeit eines Mitbewerbers, der ausschert und andere Tarife bietet, höher ist. So oder so dürfte die Netzpolitik in dieser Fragestellung vor einer ernsten Herausforderung stehen, während die Kunden mit real deutlich steigenden Kosten konfrontiert sein werden.

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