Der Furor läuft durch die Leitartikel der großen Zeitungen: sowohl SPD
als auch Grüne (die LINKE sowieso) gehen mit Steuererhöhungs-Plänen in
den Wahlkampf. Neue Progressionsstufen für Gutverdiener sollen
eingezogen werden, die Vermögenssteuer wieder eingeführt und die
Abgeltungssteuer auf 32% (SPD) erhöht beziehungsweise Einkommen
gleichgestellt (Grüne) werden, die Erbschaftssteuer grundsätzlich
reformiert und erhöht werden. Die Leitmedien hassen die Pläne
überwiegend, was wenig wundert, denn zum Anwalt der Betroffenen haben
sich die Zeitungen längst gemacht. Aber tatsächlich sind einige der
erbrachten Vorschläge nicht besonders sinnvoll, wenn nicht
wirtschaftlich, so doch politisch.
Dies betrifft nicht die Reform der Erbschaftssteuer, die unbedingt
notwendig ist. Dies betrifft nicht die Reform der Abgeltungssteuer, die
ebenfalls absolut notwendig ist. Es gibt keinen rationalen Grund dafür,
die Vermögenskonzentration in den Händen einiger weniger nicht
wenigstens abzufedern; tatsächlich ist diese Konzentration für einen
gesunden Wettbewerb sogar schädlich. Sofern die Freibeträge entsprechend
organisiert sind und insbesondere Betriebsvermögen und Vermögen von
unter einer Million generell nicht betroffen sind (um das Haus der
berühmten schwäbischen Hausfrau nicht einzubeziehen), spricht nichts
gegen eine höhere und besser eingetriebene Erbschaftssteuer.Die Abgeltungssteuer dagegen ist eine reine Subvention, ein Steuergeschenk an diejenigen, die von den Erträgen ihres Kapitals leben – warum das geringer besteuert sein soll als Erwerbsarbeit erschließt sich überhaupt nicht. Die Kritik, dass auf diese Art und Weise Kleinsparer besonders heftig betroffen sind, ist Unfug. Fügt man, wie die Grünen das verlangen, die normale Progression in die Abgeltungssteuer ein, so könnten die Kleinsparer sogar günstiger wegkommen als bisher.
Nein, das Problem liegt nicht hier. Problematisch sind vielmehr die Vermögenssteuer und die zusätzlichen Progressionsstufen für die Einkommenssteuer. Die Vermögenssteuer wäre an und für sich eine sinnvolle Sache, besonders wenn man sie als Einmal-Abgabe zur Linderung der Kosten der Finanzkrise heranzieht, denn dadurch würden die enormen Lasten besser verteilt. Das Problem ist ihre Erhebung: der Aufwand, den Wert aller Vermögen zu bestimmen, ist so hoch, dass der Ertrag durch die Steuer die Erhebung nicht mehr rechtfertigt (und Ressourcen von der “normalen” Steuereintreibung abzieht, was vermutlich den perversen Effekt hätte, gerade Steuerhinterzieher straffrei zu lassen, weil nicht genau genug nachgeschaut werden kann).
Die größte Eselei, politisch, ist aber die Idee der neuen Progressionsstufen, die die Grünen vorbringen. Bislang greift der Spitzensteuersatz von 42% bereits bei 53.000 Jahreseinkommen (bzw. 106.000 Euro bei Verheirateten), was eine Strangulierung der Mittelschicht darstellt, denn die Vorstellung, dass 53.000 Euro bereits Reichtum konstatieren ist aberwitzig. Diese Grenze muss dringend verschoben werden. Doch der Vorschlag der Grünen zieht stattdessen zwei weitere Progressionsstufen ein: ab 60.000 Euro (also mit gerade einmal 7.000 Euro mehr) soll bereits ein Satz von 45% gelten, ab 80.000 Euro der neue Spitzensteuersatz von 49%.
Die Pläne der Grünen würden daher nichts gegen das stets zurecht beklagte Phänomen der kalten Progression tun, weil die alten Sätze unangetastet blieben, und würde stattdessen die obere Mittelschicht stärker belasten. Das sind aber gerade nicht “die Reichen”, gegen die man vorzugehen behauptet und die zu den tatsächlichen Gewinnern der Finanzkrise gehören. Die Grünen würden das Steuersystem mit ihren Plänen zwar ohne Zweifel progressiver machen, doch der Weg über die Einkommensteuern ist ein Irrweg. Hier wird gerade nicht der Mumpitz abgezogen, der für die Gesellschaft und Volkswirtschaft so problematisch ist; stattdessen soll diese Schicht in allen Sonntagsreden bessergestellt werden. Höhere Steuern aber können kein Selbstzweck sein. Und gerade hier entsteht ein kommunikatives Problem.
Die Pläne der Grünen für weitere Progressionsstufen im oberen Bereich sind grundsätzlich sinnvoll, überhaupt keine Frage. Die Verursacher oder doch zumindest Profiteure der Krise ebenfalls zur Kasse zu bitten ist eine Forderung, die auf Unterstützung hoffen kann. Doch bereits das Wettern gegen “die Reichen” ist in Deutschland sehr problematisch, da die Stimmung allzu schnell umschlagen kann. Steuergerechtigkeit ist ein sensibles Thema, und die Sätze, die die Grünen vorschlagen, treffen das, was in den Leitmedien grundsätzlich als Mittelschicht, seltener (aber korrekter) als Mittelstand tituliert wird.
Mittelschicht will jeder sein, und Schwarz-Gelb wird es allzu leicht gelingen, die rot-grünen Steuerpläne als mittelschichtsfeindlich darzustellen, besonders, da “Reichtum” für viele eine nebulöse und eher unvorstellbare Kategorie ist, zu der man keinen eigenen Bezug hat. 60.000 und 80.000 Euro im Jahr aber sind ganz und gar nicht unvorstellbar. Diese Einkommen sind der heimliche Traum all derer, die “die Mittelschicht” hören. Das eigene Haus, ein Urlaub oder zwei im Jahr, gelegentlich Essen gehen, der Zweitwagen – diese Träume sind mit diesen Einkommen verbunden, und wenn Rot-Grün sich in die Ecke drängt, genau dieser Utopie ans Portmonee zu wollen, wird sich das in den Wahlergebnissen deutlich niederschlagen. Die Parteistrategen tun also gut daran, den Wahlkampf in “Steuergerechtigkeit” anstatt in “Steuererhöhungen für Reiche” zu kleiden.
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