Dienstag, 9. April 2013

Thatcherismus und Linkspopulismus


Von Tobias Fuentes

Hyperinflation in Chile unter Allende, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Niedergang Venezuelas, Dahinsiechen des bankrotten Kubas, Massenarbeitslosigkeit und massive Inflation bei Nachfrageexzessen der 1960er und 70er - alles unschädlich, soweit nur ein linker Führer Besserung und Wohlstand faselt. Das mag der Linkspopulist. Wohlstands-, Beschäftigungsaufbau und Armutsbekämpfung ignoriert und bestreitet er, wenn nur ein Kapitalist dahintersteckt. Die linkspopulistische Kritik am Thatcherismus ist so vage und unsinnig, dass Linke erröten müssten, wären sie ehrlich zu sich selber.


Der britische Niedergang seit Ende des 19. Jahrhunderts bis 1979

Die glorreichen Zeiten Englands und später des Vereinigten Königreiches, von Heinrich VIII. (1491-1547) über Elisabeth I. (1533-1603) bis zu Königin Victoria (1819-1901), sind für Historiker und Politikwissenschaftler nicht erst seit den 1960ern/70ern Geschichte; die Untergangsglocken läuteten schon Ende des 19. Jahrhunderts, als die Vorherrschaft des klassischen Liberalismus (Whigs) verschwand. Liberalismus pervertierte zum Sozialliberalismus und brachte seine stachlige Schwester, die Sozialdemokratie, zur Verstärkung gleich mit, Labour (1900). Der britische Wohlfahrtsstaat erblühte, spätestens mit den Liberal welfare reforms (1906-1914). Nach dem 2. Weltkrieg war die wohlfahrtsstaatliche Expansion durch den Post-war consensus zwischen Konservativen und Labour nicht aufzuhalten. Ausgehend vom aufgekommenen Keynesianismus versuchte man konsequent die Wirtschaft zu modellieren, betrieb variantenreiche Nachfragepolitik. Die Einbrüche nach jeder kurzen Boomphase waren so niederschmetternd, dass Sozialdemokraten das Scheitern staatlicher Konjunktursteuerung attestieren mussten, so Premierminister James Callaghan in 1976:

We used to think that you could spend your way out of a recession, and increase employment by cutting taxes and boosting Government spending. I tell you in all candour that that option no longer exists, and that in so far as it ever did exist, it only worked on each occasion since the war by injecting a bigger dose of inflation into the economy, followed by a higher level of unemployment as the next step. Higher inflation followed by higher unemployment. We have just escaped from the highest rate of inflation this country has known; we have not yet escaped from the consequences: high unemployment.
That is the history of the last 20 years. Each time we did this the twin evils of unemployment and inflation have hit hardest those least able to stand them. Not those with the strongest bargaining power, no, it has not hit those. It has hit the poor, the old and the sick. We have struggled, as a Party, to try to maintain their standards, and indeed to improve them, against the strength of the free collective bargaining power that we have seen exerted as some people have tried to maintain their standards against this economic policy.

Inflation (25%+) lief aus dem Ruder, hatte Arbeitslosigkeit im Schlepptau. Der Wohlfahrtsstaat uferte aus (so wurden etwa Sozialleistungen an Lohn- oder Preisentwicklung angepasst, was jeweils höher war). Der überdimensionierte Staatssektor fraß Ressourcen. Eklatant war die gewerkschaftliche Übermacht mit groteskem politischen Einfluss, der für schamloseste Forderungen missbraucht wurde. Kompromissen verweigerte man sich. Lohnmäßigung verhandelten Gewerkschaften allenfalls mit Einmischung in Sozial- und Wirtschaftspolitik. Politischer Einfluss gepaart mit dem immens hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad kam nahe an sozialistische Zustände mit staatlicher Lohn- und Preisfestsetzung. Die Übermacht der Gewerkschaften kann bspw. die Friedrich-Ebert-Stiftung gleichfalls nicht bestreiten.


There was no alternative - eat it!

Großbritannien war immer wieder faktisch gezwungen das Pfund abzuwerten, was aber den Interessen der Entwicklungsländer des Commonwealth zuwider lief. Die katastrophale Lage führte schließlich zu einer Flucht aus dem Pfund. Nachfolgende stabilisierende Aufkäufe durch die Notenbank ließen die Devisenreserven sinken, und man war schließlich gezwungen einen Sonderkredit des IWF in Anspruch zu nehmen. Die Forderungen des IWF seinerseits nach einer Abkehr Großbritanniens von der expansiven Geld- und Fiskalpolitik führten sodann zum Ende keynesianischer Nachfrageträume. Schwindender (theoretischer) Verteilungsspielraum traf danach auf gewerkschaftlichen Größenwahn.

Der große Knall kam 1978/79 im Winter des Unmuts. Gewerkschaften weigerten sich zu mäßigen; die Lohn-Preis-Spirale zu stoppen. Eine Streikwelle legte monatelang das Land lahm. Viel zu spät, aber endlich drehte sich auch eklatant die Stimmung in der Bevölkerung. Thatchers Umbruch galt plötzlich als letzte Hoffnung und auch verbreitet in der Bevölkerung als alternativlos. De facto war eine Abkehr vom exzessiven Interventionismus auch für Labour (-> New Labour) unvermeidlich. Denn was wäre die Alternative gewesen? Einzig reinster Sozialismus - die vollständige Übernahme der Wirtschaft durch den Staat.

Seumas Milne beklagt: "Britain faced a structural crisis in the 1970s, but there were multiple routes out of it." - Okay, tell me more! Massenarbeitslosigkeit, Bilanzdefizite, Abwertungsdruck bei starrem IWF-Korsett gibt es heute auch - in den Euro-Krisenländern. Welcher Linke betont denn heute "Strukturprobleme"? Nein, die anderen seien schuld, Deutschland mit seiner Dumpinglohn-Politik. Tja, dummerweise hatte man 1979 keinen Sündenbock. Weil für einen Marxisten nicht sein kann (Gewerkschaftsübermacht und schädliche hohe Löhne), was nicht sein darf, muss es an sowas wie "Strukturproblemen" liegen. Ja klar, träum weiter, Seumas!

Hier ist im übrigen eine TV-Stellungnahme Thatchers aus Anfang 1979 zu den Streikwellen des Winters.


Mythos Thatcherismus

Nach links-populistischem Verständnis frönte Thatcher dem Marktradikalismus, während Marktradikale/Libertäre aber ihrerseits Thatcher - genau wie Reagan - nie als Galionsfiguren feierten, sondern im Gegenteil scharf angriffen. Hayek und Friedman anerkannten die moderaten Umsetzungen liberaler Wirtschaftspolitik zwar. Anarchokapitalisten hingegen kritisierten und kritisieren Thatcher ob ihres Pseudo-Liberalismus. Tatsächlich hatte Thatcher noch weniger marktfundamentalistische Vorstellungen als Hayek. Sie hat lediglich überhaupt erst marktwirtschaftliche Strukturen aufgebaut. Gewerkschaften wurde nicht "zerschlagen", sie wurden auf halbwegs akzeptables westliches und vernünftiges Niveau zurechtgestutzt. Der Wohlfahrtsstaat wurde moderat umgebaut und gleichfalls auf westliches Niveau zurückgeschraubt. Sozialleistungen wurden nicht mehr wahlweise an Löhne oder Preise angepasst, sondern nur noch an die Preisentwicklung - ein wahrlich marktradikales Ansinnen. Im Bereich Gesundheit und Soziales wurde unterm Strich gar nichts gekürzt, die Quote blieb konstant. Im Haushalt hatten Inneres, Beschäftigung, Soziales und Gesundheit prozentuale Zuwächse. Insbesondere wurde etwa die Ausbildungsförderung für wohlhabende Eltern abgeschafft, andererseits Beschäftigungsprogramme ausgeweitet (Youth Training Scheme). Man liest, "der Sozialstaat" sei "vom gesellschaftlichen Rettungsnetz in eine Alimentationsmaschine umdefiniert und entsprechend zusammengekürzt" worden. Erstens hielten sich Kürzungen von Leistungen in Grenzen, zweitens wäre "Alimentation" auch nur der eigentliche Zweck und Ursprung eines Sozialstaats.

Die exorbitanten Einkommensteuer-Spitzensätze wurden auf internationales Niveau gebracht. Zusammen mit dem Abschaffen von Ausnahmeregelungen hatte man schließlich deutliche Steuerzuwächse, die Steuerquote stieg, wie selbst Bruce Bartlett attestiert. Dazu trug insb. die Körperschaftsteuer bei, deren Anteil von 7,5% auf 12,3% kletterte. Wie schon eindrucksvoll in den USA bei Reagan sah man das "Wirken" der Laffer-Kurve. Es wurde ein Expansionsprozess in Gang gesetzt, der Reiche bei niedrigeren Steuersätzen prozentual mehr schröpfte. Und wie bei uns gab es eine Verschiebung der Bedeutung von direkten Steuern (Einkommen) auf indirekte (wie Mehrwert- und Mineralölsteuer). Die Ersteffekte aber waren natürlich eine Verschlechterung der Situation derjenigen, die von indirekten Steuern mehr betroffen sind als andere. Zwar profitierten auch Ärmere von Senkungen der Einkommensteuersätze und dem Anheben von Freibeträgen, aber Effekte höherer indirekter Steuern konterkarierten dies zunächst überproportional.


Wirtschaftlicher Erfolg

Schamlos bestreiten Linke mitunter den wirtschaftlichen Erfolg des (eigentlichen) Thatcherismus. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosenquote seien gar nicht so berauschend gewesen und Inflation wurde im Schnitt auch nicht runtergebracht. Dabei berücksichtigen sie den Einbruch ab 1987, als Arbeitslosigkeit wieder in die Höhe schoss. Was war passiert? Niedrigzins- und lockere Fiskalpolitik als Wahlgeschenke 1987 brachten fast zweistellige Inflationsraten zurück, die man flugs wieder eindämmen musste. Gleich, ob man das Prozedere Thatcher vorwirft oder ihrem Schatzkanzler (Britanniens Schatzkanzler Nigel Lawson steuerte sein Land in eine Krise, Spiegel 1989) - Linke hätten es nicht anders gemacht. Der neuerliche Rückfall in Konjunktursteuerungswahn ist nicht der Thatcherismus, den man beklagt.

Der Bergarbeiterstreik 1984/85 war der "Weberaufstand" des 20. Jahrhunderts, nur dass Weber damals keine Lobbyisten waren. "Hilfe, wir haben Fortschritt! Subventioniert uns Bergarbeiter weiter - die Kohle können wir doch einfach wegschmeißen!" Ein mutiger marxistischer Gewerkschaftsfunktionär wagte es sich der wirtschaftlichen Entwicklung entgegenzustellen. Das ist weniger als "schwarzer" britischer Humor als fast nur vor dem Hintergrund der dreisten britischen Mentalität zu verstehen. Danke Maggie für deine Absage an kommunistischen Idiotismus!


"Auf dem Rücken großer Teile der Bevölkerung"

Relative Armut wird seit den 1950ern/60ern statistisch erfasst. Seitdem kann man das Volk noch leichter davon überzeugen wie schlimm doch Armut grassiere und dass man Abhilfe schaffen müsse. Der Plebs fragt nicht danach, dass relative Armut nichts über Wohlstand, Beschäftigung und Zufriedenheit aussagt - ja dass gerade steigende Ungleichheit (bis zu einem Punkt und je nach Ausgangssituation) Garant für Prosperität ist. Im Falle von 1979 hatte man die Wahl: entweder steigende Arbeitslosigkeit und Wohlstandsschwund bei statistisch weniger Armut - oder sinkende Arbeitslosigkeit und Wohlstandszuwachs für alle bei statistisch mehr relativer Armut. Das waren die Alternativen. Wer sich gegen letzteres entscheidet, für den trifft ohne Wenn und Aber Thatchers Vorwurf zu:

You'd rather have the poor poorer, provided the rich were less rich! - Ihr hättet lieber die Armen ärmer, wenn die Reichen nur weniger reich wären!

Aber die intellektuelle Hürde, die hier zu überspringen ist, ist sicher wie immer das Verständnis unseres Geld- und Wirtschaftssystems, in dem die Reichen prinzipiell eben nicht "auf Kosten der Anderen" reicher werden, weil die Geldmenge und Preise eben nicht fix sind und Ungleichheiten nicht per se durch Umverteilung entstehen. Oder die Einsicht, dass es für niemanden erstrebenswert sein kann, relative Armut gänzlich zurückzuführen - das wäre die Katastrophe schlechthin, das führte zu Subsistenz für Alle.


Wie wichtig Margaret Thatcher war

Man hasst sie ob ihrer freiheitlichen Philosophie, ihrer Entschlossenheit und pointierten Rhetorik. Man hasst sie dafür auszusprechen, dass Freiheit nicht der Bodensatz dessen ist, was ein Kollektiv bürokratisch zusammenrührt und gnädigerweise für den Einzelnen übrig lässt. Thatchers Erfolge werden mit vagen grotesken Einwänden bestritten. Man wirft ihr die Zerstörung einer nach Jahrzehnten schon moralisch zersetzten kollektivistischen Gesellschaft vor. Es ist ihr Verdienst polarisiert und die Gesellschaft gespalten zu haben - gespalten in sozialistische Traumtänzer und Freiheitsdenkende. Sie hat Briten wachgerüttelt und ihr Land kurzzeitig zurück in die Spur gebracht. Sie hat ihren Teil, und sei es auch nur in wirtschaftlicher Dimension, beigetragen uns die Sackgasse der Road to Serfdom kollektiven Konsenses aufzuzeigen. Solange wohlfahrtsstaatsgetriebener Korporatismus unter dem Label "finanzmarktgetriebener Turbokapitalismus" firmiert, steht eine Gesellschaft wieder ganz am Anfang. Der Kampf um Freiheit, gegen Kollektivismus und Sozialismus, ist nicht vorbei - er wurde nie gewonnen. Thatchers Widerstand kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Danke Maggie, you will be missed!

27 Kommentare:

  1. es geht doch nicht um Kollektivismus Sozialismus etc. auf der einen Seite und Freiheit auf der anderen.Alles in seiner reinen Form schließt doch wirkliche Freiheit im Sinne von Unabhängigkeit aus. Tobias du bist wie die Linksradikalen, nur eben rechts. Du willst nicht begreifen, dass ein Thatchersystem die "Schwachen" zu etwas zwingt, zu dem sie nicht in der Lage sind, den "Starken" aber ermöglicht die "Schwachen" gegeneinander auszuspielen und auszunutzen für ihre Interessen.Ich nenne das Feudalismus und der macht sicherlich nicht frei. Er galt bis vor 2 Dekaden als weitestgehend überwunden.Dann setzte sich wieder die alte Ideologie durch, die du so vehement vertrittst. Und jetzt haben wir den Salat und können die Folgen dieser Politik ausbaden.

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    1. Hallo, zum Freiheitsbegriff und Sozialsystem kommt zukünftig sicher noch einiges. Was Thatcher betrifft ... es ging eben schon nicht drum die Gewerkschaften zu zerstören oder das soziale Netz zu kappen. Dass überhaupt Finanzplätze so exorbitant werden können und/oder sie eine Krise auslösen, liegt nicht einseitig und zwangsläufig an einer "Ideologie der Deregulierung", sondern gleichfalls am Geldsystem und dem staatlichen Füttern der Subprime-Blase ... Je nach Gusto kann man das eine oder das andere als Mittel zum Zweck gebrauchen.

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  2. Der Kampf um Freiheit, gegen Kollektivismus und Sozialismus, ist nicht vorbei - er wurde nie gewonnen.

    Richtig. Wir sind mitten im europaweiten Bankensozialismus.

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    1. er wird nie gewonnen. er ist die triebfeder der menschen untereinander. der eine gönnt dem andern nix. auf die WAAGE KOMMT ES AN. Eigentlich ganz einfach.

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  3. Ist der Artikel Ironie? Wenn das jetzt die Art von Gelaber ist, die Stefan Sasse auf seiner Webseite duldet, fliegt der Freidenker aber endgültig aus dem Reader. Schade um die Zeit, die ich verschwendet habe, mich mit der "Oh, ein typischer Sasse 11!!11"-Fraktion zu streiten.

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  4. Nun ich hab mir den Artikel nicht angetan. Nach dem Intro war Schluss.

    "Dahinsiechen" Venezuelas und Kubas? Mir war nicht bekannt, dass diese Länder unter ihren Pro-Amerikanischen Diktatoren prosperierten.

    Allendes Hyperinflation?

    Unter dem Regime Generals Pinochets wurden Zehntausende in Sportstadien zusammengetrieben, gefoltert, erschossen oder gefesselt aus Hubschraubern ins Meer geschmissen.

    Frau Thatcher besuchte voll inniger Freude Pinochet als er in London weilte. Sie nannte ihn den Wegbereiter der Demokratie.

    Gleichzeitig bezeichnete diese Frau, die sich als Schulministerin hervor tat in dem sie die kostenlose Schulmilch strich, Nelson Mandela als Terroristen.

    Was man bekommt, wenn man derart warmherzige Politikerinnen in Amt und Würden wählt kann man heute in GB besichtigen.

    Eine Jugend ohne Zukunft, ein chanchenloses Proleteriat und hungernde Rentner. (Wenn man nicht ins richtige Milieu gebohren ist)

    Brave new world

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    1. Während ich dir voll zustimme was die ganzen Kritikpunkte an diesen Staaten anbelangt, negiert nichts davon Fuentes Punkte. Dass Kuba und Venezuela unter den pro-amerikanischen Diktaturen Scheiß-Staaten waren ändert nichts daran, dass sie danach auch nicht gerade das Land von Milch und Honig waren. Dass Pinochet Leute ermorden ließ ändert nichts an der Hyperinflation. Dass Thatcher Nelson Mandela hasste verändert keine wirtschaftlichen Kenndaten.
      Genau die aber sind es, die Fuentes hier diskutiert. Dass die Politik, die er propagiert, in diesen Ländern teilweise und unter Zuhilfenahme massiver Gewalt umgesetzt wurde ist sicher richtig, aber wer so argumentiert müsste auch den Sozialismus wegen Stalins Verbrechen als ewig diskreditiert ansehen, eine Sichtweise, die genausowenig Sinn ergibt. Wir sollten diese Ideen schon auf ihrer eigenen Basis kritisieren.

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    2. .... auf ihrer eigenen Basis diskutieren.

      Stalins Planwirtschaft war ohne den Gulag nicht möglich, die Wirtschaft Chicago-Boys nicht ohne Unterdrückung der Opposition. Und die Inflation hat natürlich nichts mit den Maßnahmen der USA zu tun? War da nicht was mit den Lastwagenfahrern?

      Demnächst wird uns hier noch das chinesische Modell empfohlen.

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    3. @Wolfgang
      Die Frage sollte doch sein, ob solche Faux-pas Zufall, Ausnahmen oder die Regel sind. Und da könnt ihr euch winden, wie ihr wollt, das sind historisch-schicksalhafte Ausnahmen, wie sie kaum zu vermeiden sind. Früher herrschte bzgl. ANC soviel Verwirrung über Political Correctness wie bis heute bzgl. Nahost-Konflikt. Pinochet half ihr bei der Falkland-Krise und ob er ein typischer Diktator war, darüber lässt sich streiten. Sie hat ihn nicht glorifiziert, sondern war aus Pflichtgefühl veranlasst etwas Abwägender zu sein. Was war denn Chavez für ein Kaliber? Er warf sich jedem anderen Dikatoren um den Hals, der die gleichen Vorstellungen hatte. Und wen interessiert es auf Seiten der Linken, wieviel Blut Castro an den Händen hat? Niemand.

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    4. @Tobias Fuentes

      Mir geht es nicht um "links" und "rechts". Ist auch an sich unsinnig. Weder ist Pinochet der "typische Neoliberale" noch Stalin der "typische Sozialist".

      Mir geht es um Menschen. Kann die Gesellschaft als solche von der Politik profitieren? Man könnte zum Beispiel die Entwicklung Venezuelas mit der Britaniens der letzen jahre/Jahrzehnte auch so vergleichen. Dort deuliche Erfolge im Rückgang des Analphabetismus und der medizinischen Versorgung (trotz erheblicher Probleme die durch die Anti-Haltung der wichtigsten Wirtschaftsmächte entstehen), in GB deutliche Verschlechterungen in Bildung und Gesundheitversorgung, deutliche Verschärfung der Armut....

      Ich denke aber das generelle Problem ist, dass Du und auch Stefan die "wirtschaftlichen Eckdaten" wie überhaupt "den Markt" als das Wesen aller Dinge ansiehst. Während für mich Wirtschaft etwas ist, was den Menschen dienen sollte.

      Nichts zeigt mehr worin wir uns unterscheiden, als die Ausschreitungen eines desillusionierten Mobs in England letztes Jahr. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik Thatchers hat letztlich ein neues Feudalsystem geschaffen. Und genau diese Entwicklung ist Systemrelevant, wie man in Portugal, Spanien, Italien, Griechenland...ebenfalls bereits erkennen kann.

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    5. @Wolfgang
      Der Abschied vom Thatcherismus begann schleichend ab 1997. Das Gesundheitssystem NHS ist eine heillose Katastrophe. Wofür Thatcher verantwortlich gemacht wird, ist oft unglaublich, vorns hab ich gelesen die aktuelle finanzielle Situation ... nein nein, die Expansion des Staates begann ab 2000 wieder voll.
      Die Teilerfolge Venezuelas oder Kubas werden ja nicht bestritten ... nur, auf wessen Kosten ging das und ist das nachhaltig? Wenn man wie Kuba sämtliche Ressourcen in Gesundheit oder Bildung steckt, während man andererseits hungert und kein sauberes Wasser hat ... ist nichts gewonnen. Venezuela lebt einzig von der Substanz, muss als Agrarland importieren und ist im Niedergang, finanziert sich nur durch Öl, verteilt lediglich um. Es ignoriert Menschen- und Freiheitsrechte; die Gesellschaft erodiert. Im Vergleich zu Chile ist Venezuela weit abgehangen. Chile hat nachhaltigeren breiten Wohlstand und mit Abstand (!) geringste Armutsquoten - http://ageconsearch.umn.edu/bitstream/37279/2/07-02LatinAmPoverty.pdf Es baut Wohlstand auf. Venezuela ist meilenweit davon entfernt. Rückstand durch Embargos ist nur eine Ausrede, damit lässt sich nicht dieses Maß an Elend erklären.

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  5. Lieber Stefan,

    ich habe deinen Blog bisher immer gerne gelesen, aber die Beiträge von Tobias Fuentes gehen mir auf den Keks.

    Gib diesem unerträglichen Polemiker meinetwegen einen eigenen Subblogg, aber bitte mit eigenem RSS-Feed.

    Oder bring ihm bei, wie man sachlich argumentiert , ohne die halbe Welt zu beleidigen und andere Meinungen als degeniert darzustellen.

    Mit Verlaub, das wird dem Freidenker gut tun!

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    1. Entschuldigung, obiger Beitrag sollte nicht anonym sein, das captcha ist schuld

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  6. Bei der Dämonisierung Thatchers wird halt ganz gerne vergessen, dass sie gegen verkrustete Strukturen und für das Kleinbürgertum kämpfte, anders als etwa die Republikaner heutzutage in den USA (die vor allem Millionären helfen).
    Drastische Reformen haben aber eben auch drastische Konsequenzen. Ihre teils katastrophale Außenpolitik (Kambodscha, Simbabwe) wurde übertünscht von meist aggressiven Erfolgen (Falklandinseln). Ihr Verständnis von Gesellschaft (gibts nicht!) und die Ausgrenzung der ganz armen haben die Solidarität in UK nachhaltig geschädigt und gleichzeitig die Kluft zwischen England und Schottland vertieft.

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  7. "Oder die Einsicht, dass es für niemanden erstrebenswert sein kann, relative Armut gänzlich zurückzuführen - das wäre die Katastrophe schlechthin, das führte zu Subsistenz für Alle."

    Abgesehen davon, dass mir der Satz grammatikalisch nicht gefällt, musst du mir jetzt noch erklären, warum eine Einkommenskurve, bei der keine relative Armut vorkommt, Subsistenz bedeuten soll und warum das die totale Katastrophe ist.

    Einkommen kleiner als 60 % des Medianeinkommens => relativ Arm.
    Wenn nun jeder mehr als 60 % des Medianeinkommens verdienen würde, wäre keiner mehr relativ arm. Wieso bedingt das jetzt Subsistenzwirtschaft?

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    1. Weil das mathematisch nur die Kurve sein kann, bei der alle Einkommen gleich Null sind. Jedenfalls wenn man voraussetzt, das völlig gleiche Einkommen sonst in der Praxis unmöglich bzw nicht wünschenswert sind.

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    2. @Theophil

      Nehmen wir einmal an, es gäbe einen Sozialstaat, der grundgesetzlich die Regel fixiert hätte, dass alle Einkommen unterhalb der relativen Armutsgrenze aufgefüllt werden.
      Weshalb sollten die Einkommen Null werden oder gleich?
      Klar, die Steuern müssten erhöht werden. Wenn es Schuldenfinanziert wird, gibt es Inflation. Mehr passiert nicht.

      Die Wahrheit ist doch: wir leben derzeit in einer Subsistenzwirtschaft der ökonomischen Intelligenz.

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    3. Entschuldige, da war ich zu schnell und habe selbst Median und Durchschnitt verwechselt. Der Median kann natürlich stabil sein, wenn man die unteren Einkommen auffüllt. Der Durchschnitt ist es nicht.

      Zu meiner Verteidigung schrieb Christian "warum eine Einkommenskurve, bei der keine relative Armut vorkommt ..." die Nulllinie sein muss. Das habe ich außerdem etwas eng als Einkommenskurve vor staatlicher Umverteilung gelesen.

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    4. @theophil
      Richtig. Deshalb benutzt man für relative Armut ja auch gerade den Median und nicht den Durchschnitt. Was auch kundige Kenner der Materie nicht davon abhält, diese idiotischen Schuhmacher Vergleiche zu tätigen (Wenn nun Michael Schuhmacher in die Nachbarschaft zieht, sind alle relativ reicher geworden..). Dies macht zum Beispiel der Statistikprofessor Walter Krämer gerne, der es wirklich besser weiß.

      Die Antwort auf meine Ursprungsfrage ist aber noch ausgeblieben ;)

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  8. @Wolfgang Buck

    Ich denke aber das generelle Problem ist, dass Du und auch Stefan die "wirtschaftlichen Eckdaten" wie überhaupt "den Markt" als das Wesen aller Dinge ansiehst. Während für mich Wirtschaft etwas ist, was den Menschen dienen sollte.

    Bester Kommentar überhaupt. Darin liegt der Knackpunkt beim; "there is no alternative", schon alleine drin begraben. Ganz unabhängig von links und rechts. In der Regel sind dies aber Argumente die im Tunnel des ökonomischen Überbaus zum langsamen und unbewussten Ersticken der Ethik, gerne als Nicht-Argumente bewertet werden. Ich halte es für das Argument überhaupt. Danke dafür.

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  9. Wenn man schon die Krise von 87 als Entschuldigung für die fehlenden wirtschaftlichen 'Erfolge' herzieht...ja ja die Labourthatcheristen ernteten passenderweise ihre Saat^^- dann bitte auch die Inflation Allendes, UK auf die weltweite Stagflationskrise der 70er beziehen....oder hatten da etwa auch die Linken ihre Finger im Spiel?

    Gut, sie versuchten den Kapitalismus auch finanziell in Vietnam ausbluten zu lassen ^^

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  10. Ich bin ja nun kein Anhänger der Thatcherschen Denkschule, aber die Gründe, warum es zu Thatcher kam und warum Thatcher so erfolgreiche Politik betreiben konnte, sind vielleicht die Lehrstunde in Wirtschafts- und Sozialpolitik des 20. Jahrhunderts für alle Sozialdemokraten. Da steckt alles über das Elend darin, das entsteht, wenn schlecht gemachte sozialdemokratische Politik ein Land an die Wand fährt. Und in diesem Punkt gebe ich Fuentes recht: es gab im Vereinigten Königreich 1979 keine Altnerative zu einem deutlichen Kurswechsel. Man hätte manches anders als Thatcher machen können, aber Thatchers politische Gegner beschränkten sich auf das sture Beharren.

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  11. Vielleicht hilft auch diese Erklärung von Warren Mosler weiter, es lag hauptsächlich am Ölpreis.
    http://moslereconomics.com/2013/04/10/my-story-of-the-thatcher-era/

    Und das ganze eingebettet in etwas mehr Kontext von Randall Wray
    http://www.economonitor.com/lrwray/2013/04/10/the-end-of-an-era-the-reagan-thatcher-years-goodbye-and-good-riddance/

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  12. Interessanterweise gibt es auf Heise einen Artikel ganz ähnlicher Art. Er hat den gleichen Input und kommt zu einem anderen Schluss. Die wirtschaftliche Erholung in der Thatcher Ära fand in vielen Ländern statt. Auch das Nordseeöl, welches im Text nicht erwähnt wurde, spielte eine große Rolle.
    Die Gewerkschaften hatten insgesamt wohl einen geringere Bedeutung als Ihnen zugemessen wurde. In den 70ern waren sie unnachgiebig, weil Ihnen die Mitglieder weggerannt sind. Das lag daran, dass sie in den späten 60ern starke Lohnsteigerungen in Absprache mit den Unternehmen vermieden hatten.

    Viele kleine Details, aber sie zeigen, dass die Alternativlosigkeit die Tobias uns vorstellt einfach nicht gegeben war.

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    1. @chriwi
      Schlagwörter in Laienmanier helfen nicht. Wie so oft verweist du vage auf die "Weltwirtschaft". Aber zahlreiche Staaten hatten in den 80ern genug von keynesianischer Politik - es begann die "neoliberale" Phase mit seinen Erfolgen, ob bei uns, in UK, Niederlande usw. Britische Öleinnahmen spielten wofür "eine große Rolle", wenn man mit diesen Einnahmen eben keine Nachfragepolitik betreibt? Richtig, nicht für die wirtschaftliche Entwicklung, sondern für die Einnahmesituation. Und mit Erhöhung der Mineralölsteuer hatte man eh auf die Bremse getreten.
      Deine Darstellung der Gewerkschaftssituation ist absurd. Die vergleichsweise langsame Lohnentwicklung der 60er musste nicht mit expansiver wieder wettgemacht werden, sondern bestenfalls war sie aus keynesianischer Sicht in den 60ern angemessen, seit den 70ern aber deutlich überzogen - darüber gibt's de facto auch keinen Streit. Das ist eben nicht zu vergleichen mit der deutschen Lohnzurückhaltung der 00er, die tatsächlich nur die überzogenen Lohnzuwächse der 90er kompensierte.
      Der linke Revisionismus, dass der Keynesianismus der Nachkriegszeit sei gar nicht so falsch und verheerend gewesen sei, ist fern seriöser Wissenschaftlichkeit. Nein, Tatsache ist, dass Keynesianismus sich revidieren musste.

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    2. "Die vergleichsweise langsame Lohnentwicklung der 60er musste nicht mit expansiver wieder wettgemacht werden, sondern bestenfalls war sie aus keynesianischer Sicht in den 60ern angemessen, seit den 70ern aber deutlich überzogen - darüber gibt's de facto auch keinen Streit."

      Es zeigt aber, dass die Gewerkschaften nicht um jeden Preis die Löhne steigen lassen wollten. Allerdings sind ihnen die Mitglieder weggerannt. Sie wollten sie so halten.
      Vielleicht hilft diese Quelle

      https://www.uni-marburg.de/fb03/politikwissenschaft/institut/lehrende/noetzelneu/publinoetzel/musterwert.pdf

      "es begann die "neoliberale" Phase mit seinen Erfolgen"
      Welche Erfolge? Wuchs die Wirtschaft deutlich stärker als zuvor? Wuchsen die Löhne deutlich stärker, oder die Produktivität?
      Die Erfolge waren steigende Löhne, sinkende Regulierung auf den Finanzmärkten und eine sinkende Inflationsrate. Bestenfalls ist der letzte Punkt für die breite Masse interessant. Da die Löhne aber ebenfalls schwach wuchsen, ist der Erfolg ebenfalls schwach.

      "ist fern seriöser Wissenschaftlichkeit."
      Dann haben die linken ja etwas mit den Neoliberalen gemeinsam.

      Mir geht es nicht darum wie absolut gut oder schlecht die britische Politik vor Thatcher war. Fakt ist, dass die Politik Thatchers nicht alternativlos war oder ist. Es gibt immer eine alternative auch wenn man sie vielleicht nicht sieht (Island hat gezeigt wie man durchaus Banken abwickeln kann).

      Noch etwas, wenn du auf wirtschaftliche Entwicklungen und hohe Sozialkosten einen Bezug nimmst, dann solltest du die Zahlen verlinken.

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    3. chriwi, dann erläutere die Alternative mal ...

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