Montag, 27. August 2012

The day after - Krisenkommunikation bei den Konservativen

Von Stefan Sasse

Die Krisenkommunikation zur Euro-Rettung gleicht dieser Tage einer wahren Kakophonie. Jens Weidmann, seines Zeichens Bundesbankchef, beschwört den Untergang des Abendlandes, wenn die EZB mit der Rückendeckung aller anderen Staaten tatsächlich Staatsanleihen aufkauft um die Zinsen zu stützen. CSU-Generalsekretär Dobrindt und sein Chef Seehofer kritisieren lautstark Merkels Krisenpolitik (die sie im Bundestag unterstützen) und fordern den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Aus allen Ecken und Enden des konservativen Spektrums entlädt sich ein wahres Sperrfeur an Warnrufen und Forderungen gegen den neuen Rettungskonsens Mario Draghis, dem sich inzwischen alle Euro-Staaten außer Deutschland angeschlossen haben. Michael Spreng vergleicht das mit einem Haufen Hühner. In Wahrheit steckt System dahinter. Die Protagonisten haben sich längst mit den aktuellen Rettungsmaßnahmen abgefunden. Der strikte Austeritätskurs, den Deutschland propagiert hat, ist nicht durchzuhalten. Das Heraushalten der EZB in der luftigen Höhe des ordnungspolitischen Elfenbeinturms ist vorbei. Die marodierenden Zinsen Italiens, Spaniens und Portugals sind nicht mehr zu tolerieren. Das alles ist auch den Querschützen bewusst. Warum also trotzdem dieses rhetorische Sperrfeuer aus allen Rohren? 

Die Antwort ist eigentlich einfach: es geht um den Tag danach, den day after. Man rechnet bereits mit dem Zusammenbruch der Euro-Zone, nicht nur Griechenlands. Der Euro als Währung steht in einer gewaltigen Bedrohung, und es muss damit gerechnet werden, dass er die Krise nicht übersteht. Das ist keineswegs ausgemacht, aber keiner der Verantwortlichen hat vor, sich mit in den Abgrund ziehen zu lassen. Die beständigen Mahnungen und öffentlich geäußerten Befürchtungen kulminieren deswegen im Fall des Falls in einer einzigen Aussage: wir haben es ja gesagt. Es geht schlicht nur darum, am Ende wenn nicht als Gewinner, so doch als wohlmeinende Partei, die von den verantwortungslosen, verschwenderischen Kräften ausmanövriert wurde dazustehen. Die CDU/CSU und ihre Anhänger führen gerade eine taktische Niederlage in der Euro-Rettungsdebatte herbei.

Anstatt sich von den vorherigen Positionen zu verabschieden und sich in die Arme einer neuen zu werfen, wie das bereits beim Atomausstieg und dem Mindestlohn erfolgreich praktiziert worden ist, verschärft die Union ihre Rhetorik in einer Art, die überhaupt nicht mehr zu Regierungshandeln passt, ja, passen kann. Mit solchen Aussagen betreibt man Oppositions-, aber sicher keine Regierungspolitik. Merkels sehr verhaltener Stil nach beiden Seiten ist quasi die verbindende Klammer: weder weist sie ihre Kritiker scharf zurecht oder packt gar den Topf auf den Deckel - wie sie es eigentlich sonst immer tut - noch stimmt sie in die völlige Übertreibung der Aussagen im Ausland ein. Wie immer schwebt sie "pragmatisch" über den Wolken. Klappt die Euro-Rettung, so wird sie sagen können, sie habe entscheidend mitgewirkt. Klappt sie nicht, so hat sie eben nur Deutschland im Ausland würdig vertreten und ihre wahre Meinung leider, leider nicht voll ausdrücken können. Und falls sich noch jemand fragt, wer die Gelackmeierten in dieser Polittaktirerei sein werden, der muss nur schauen, welche Parteien rot in ihrem Banner verwenden und sich lautstark gegen Merkels Krisenpolitik gewandt haben. Die Union legt gerade den Grundstein für den Wahlkampf 2013 - und die dritte Legislatur Merkels.

6 Kommentare:

  1. Bei Sprengs Artikel ist mir auch der Gedanke gekommen, dass es ja eigentlich sehr clever ist, das gesamte Meinungsspektrum unter einem Dach zu haben. Ich finde es auch ziemlich bemerkenswert, dass die Medien damit so zahm umgehen, wo doch sonst eine Minidebatte zu einem riesigen Flügelstreit - vor allem im Sommerloch - hochgepusht wird. Aber vielleicht ist das auch einfach die Macht der Gewohnheit in der Koalition. Und wenn steht auch eher die CSU in der Kritik und nicht die Kanzlerin, die sich das ganze interessiert ansieht.

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  2. Ich fürchte, in Wahrheit steckt überhaupt kein System dahinter. Ich fürchte, diese Leute sind wirklich so unwissend. Oder in Weidmanns Fall: Im Dogma gefangen. Ich hatte vor einigen Tagen ein Gespräch mit einem diplomierten Wirtschaftsingenieur. Er hat mir Inflation erklärt:"Wenn du einen Pullover kaufst und ihn aus dem Laden mit nach Hause nimmst, ist er nur noch die Hälfte wert." Er war von dieser eigentümlichen Definition nicht abzubringen. Er hat ja schließlich studiert !

    Oder glaubst du ernsthaft, die CSU rechnet sich gute Chancen aus eine Wahl zu gewinnen, nachdem die massiv aufgewertete DM zurückgekehrt ist ? Was wird das wohl für die bayrische Exportwirtschaft bedeuten ? Glaubst du, dass die dann bei BMW auf der Matte stehen und sagen "Wählt mal schön weiter uns, wir haben es euch ja gesagt ?" und "Die Aufwertung haben wir den faulen Griechen zu verdanken !" Wer soll das glauben.

    Du setzt hier ein strategische Denken voraus, das eigentlich nicht funktionieren kann. Blödheit und Ignoranz, gepaart mit dem üblichen Denken von Presse Konferenz zu Presse Konferenz erklären die unqualifizierten Äußerungen m.E. besser.

    beste Grüße, Ul

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  3. Das scheint mir die alte Strategie des "getrennt marschieren , vereint regieren" zu sein.
    Die CSU wird vorgeschickt , um die Stammtische zu bedienen , Merkel mäßigt dann , um die europafreundlichen Konservativen zu behalten.

    Die einzige Gefahr für Merkels Kanzlerschaft besteht in der eventuellen Gründung einer rechten Kraft , also kräftig Sprüche dreschen, geopfert wird dabei die europapolitische Tradition der Union , ein Umstand , der sich nach Merkels Abgang bitter rächen wird und die Union mindestens soviel kosten wird wie Schröder die SPD.
    Und auch die CSU irrt , wenn sie glaubt , ihre Wahlchancen 2013 in Bayern zu verbessern, indem sie betrunkene Kleinbauern wie Söder nach vorne schickt.
    Mag sich der Stammtisch beweihräuchert fühlen , der moderate und v.a. der intelligente Teil ihrer konservativen Wähler wird durch diese Vorgehensweise der Partei nur noch weiter abgeschreckt als er es ohnehin schon ist.

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  4. Anscheinend fällt den wenigsten, nicht mal Michael Spreng auf, dass der Großteil der Kritiker aus der CSU kommt und nicht an der Regierung in Berlin beteiligt ist. Und bisher hingen die wenigsten der Ansicht an, die bayrische Volkspartei ließe sich von der Bundeshauptstadt aus steuern. Tatsächlich ist der Furor über die Instabilität des Euro in den anderen Ländern noch viel größer. Die Bagage der korrupten italienischen Politiker will, so wird gestreut, den amtierenden Premier Mario Monti eher morgen als übermorgen stürzen, Francois Hollande dilletiert in seinen europapolitischen Positionen hin und her und hat bereits bei seinen Landsleuten einen erheblichen Vertrauensverlust erlitten.

    Als Angela Merkel den Krisenstaaten Italien und Spanien die Inkraftsetzung des Wachstumspaktes anbot, nutzten diese die Gelegenheit, die deutsche Kanzlerin auszupokern. Was wir in Blogs wie hier, beim Spiegelfechter oder beim Sprengsatz führen ist eine tumbe deutsche Gartenzaunbetrachtung. Allerdings finden sich dann genau dort viele Blogger, die sich für besonders schlau halten und die Handelnden für unfähig.

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  5. interessante Theorie,
    das ist also alles raffiniert-ausgetueftelte Strategie der Kanzlerin ?
    ich glaube aber eher,dass es Unfaehigkeit ist gepaart mit
    dem typischen "bloss-nicht-festlegen" und "Aussitzen-komme-was-wolle"

    ich moechte aber auch mal die Sicht von Wirtschaftsprofessor Krugman
    hinweisen:

    "Entweder stimmt sie (Merkel) den Maßnahmen zu, die notwendig sind, um den Euro zu retten. Dann ist sie erledigt. Oder der Euro bricht zusammen - dann ist sie auch erledigt."

    im Zusammenhang:
    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/krugmaninterview100.html
    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/krugmaninterview100~_page-2.html

    tagesschau.de: In Deutschland haben wir diesen einen entscheidenden Tag, den 12. September. Dann entscheidet das Verfassungsgericht über den ESM. Sind Sie damit vertraut? Und welchen Schritt sollte Frau Merkel jetzt tun?

    Krugman: Ich habe große Sympathien für ihre Position. Ich glaube nicht, dass sie für die Krise verantwortlich ist. Merkel ist gefangen zwischen der erbarmungslosen Logik der Krise und der deutschen Politik. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder stimmt sie den Maßnahmen zu, die notwendig sind, um den Euro zu retten. Dann ist sie erledigt. Oder der Euro bricht zusammen - dann ist sie auch erledigt. Ich hoffe aber, dass sie einen Weg findet, um vor allem Draghi grünes Licht zu geben. Ich möchte aber auch nicht in der Haut des Bundesverfassungsgerichts stecken. Auch von den Richtern könnte es am Ende heißen, dass sie den Euro abgeschafft haben - und dafür will keiner die Schuld tragen müssen.

    tagesschau.de: Sie haben Merkel scharf kritisiert, weil sie in der Krise einen Sparkurs eingeschlagen hat. Was wäre die Alternative?

    Krugman: In Deutschland wird mehr über Sparmaßnahmen geredet, als in Wirklichkeit getan wird. Die Haushaltskürzungen in Deutschland sind relativ gering. Es ist mehr Rhetorik als Politik. Gemessen daran haben die USA sogar
    ....

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  6. Möglich dass die Botschaften teilweise abgestimmt sind oder doch zumindest in Kauf genommen werden.

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