Donnerstag, 2. Juli 2009

Wer solche Freunde hat...

In der FR ist ein Gastartikel des Ökonomen Stephan Schulmeister, der interessante Gedanken enthält. In Grundzügen läuft es darauf hinaus, dass die neoliberalen Apologeten von Friedman und Hayek bis Miegel und Sinn (warum sind diese schlechten Kopien eigentlich immer am Ende...?) keine wirtschaftsfreundlichen, sondern in Wirklichkeit wirtschaftsfeindliche Positionen vertreten. Dies begründet er damit, dass der Untergang der "ersten" neoliberalen Phase 1929 ein Ende der Vorherrschaft der Finanzmärkte und damit einen Aufstieg des Keynesianismus und seiner Betonung auf die Realwirtschaft mit sich brachte. Diese bescherte ungemeine Wachstumsraten, während die neoliberale Konzentration auf die Finanzmärkte Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation mit sich brachte.
Ich halte den Artikel für eine Bestätitung dessen, was wir bereits seit Jahren sagen. Es gibt eine fundamentale Lücke zwischen der Realwirtschaft und der Finanzwirtschaft. Während erstere seit über 25 Jahren stagniert - und das natürlich mit all den unangenehmen Folgen für die Arbeitnehmer -, geht es letzterer immer besser. Besonders in den letzten 10 Jahren sind die Gewinne der Finanzwirtschaft explodiert. Ich denke es ist kein Zufall, dass in der gleichen Zeit auch die Gehälter der Vorstände und die Gewinne mancher Firmen explodiert sind. Wenn man sich Porsche als Beispiel nimmt, hat sich das Unternehmen vom Autobauer zu einem Hedge-Fond mit angeschlossener Autoproduktion gewandelt. Entsprechend exorbitant waren zuletzt die Gewinne und das Gehalt der Vorstände, und entsprechend substanzlos war dieser Erfolg letztlich. Der daraus resultierende Größenwahn, ein im Großen und Ganzen immer noch realwirtschaftliches Unternehmen mit dieser heißen Luft übernehmen zu wollen, sorgte für den beispiellosen Fall, den das Unternehmen derzeit erlebt - und zahlreiche Anleger mit ihm.
Letztlich haben also die Forderungen der neoliberalen Epigonen der Realwirtschaft stärker geschadet als genutzt. Während die Gewinne der Finanzwelt explodierten und die Börsen beispiellose Hochs erlebten (und auch immer wieder Blasen, deren Platzen für mittlere Eruptionen gesorgt hat in großer Zahl: lateinamerikanische Schuldenkrise 1982, Asienkrise 1997, Russlandkrise 1999, New-Economy-Krise 2001, Immobilienblase 2008), stagnierte das Wirtschaftswachstum auf niedrigen Raten, die Arbeitslosigkeit blieb konstant hoch oder stieg (die erfundenen Senkungen durch Aufstocker-Jobs lassen wir dabei außen vor) und die Einkommen der Arbeitnehmer sanken real und sogar nominell. Dadurch und nicht zuletzt durch eine völlig verfehlte Steuer- und Wirtschaftspolitik stagniert seit Jahren der Binnenmarkt, mit den bekannt katastrophalen Folgen einer Konzentration auf den Export, die den Interessen der Finanzwirtschaft noch weiter entgegenkam. Es bleibt abzuwarten, ob die neoliberalen Apologeten ausgespielt haben. Ich wage es zu bezweifeln. Seit die meisten CEOs effektiv nicht mehr der Realwirtschaft, sondern der Finanzwirtschaft verpflichtet sind - besonders das Shareholder Value, aber auch viele "Finanzinnovationen" wie die Zulassung von Hedge-Fonds haben hier ihr Übriges getan -, und fast alle Ökonomen und Leitmedien noch immer auf der neoliberalen Linie sind, braucht es vermutlich einen langen und schmerzhaften Selbstheilungsprozess.

9 Kommentare:

  1. Eine sehr schöne Analyse. Genau das muss jedem klar sein, der mehr Freiheit für die Finanzindustrie fordert. Geld kann man nicht essen. Es ist ein virtuelles Hilfsmittel und verdient nicht solche Aufmerksamkeit.

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  2. Jedem 1.Semester BWL muss eigentlich klar sein, dass die wirtschaftsfreundlichsten Konzepte ziemlich weit links im politischen Spektrum zu suchen sind. Urkapitalist Henry Ford wusste das schon. „Autos kaufen keine Autos“.

    Und alle die dies nicht begreifen können/wollen schaden der Wirtschaft und jedem fleißigen Unternehmer.

    Und dies macht die FDP zur wirtschaftsfeindlichsten Partei wo gibt.

    Erstaunlich oder?

    Aber eigentlich glasklar.

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  3. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Heiner Flassbeck der im Rahmen einer Untersuchung durch die UNCTAD herausgefunden hat das Preise in der Finanzwelt,sei es Rohstoffe,Aktien etc. in den seltensten Fällen ein sachlicher Grund dahinter steckt,vielmehr ist es so das pure Spekulationen die Preise bestimmen,sogenannte Bärenrallys.Man kann Spekulanten auch Lemminge nennen.
    http://www.youtube.com/watch?v=fPYnI56_k2Q&translated=1
    Man sollte sich alle Parts anschauen,höchst interessant und Heiner Flassbeck ist mMn. einer der wenigen Ökonomen der wirklich den Durchblick hat.

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  4. Der sog. Neoliberalismus bzw. die FDP-Ideologie hat ja auch nichts mit "Wirtschaftfreundlichkeit", sondern mit "Oberschichtenfreundlichkeit" zu tun. Es geht darum, dass sich wenig viel bereichern können. Dazu sind die von der Realität abgekoppelte Finanzwirtschaft und niedrige Steuern etc. ideale Mittel.

    Ein Freund wedelte schon vor längerem mit einer "maxistischen" Analyse der Finanzkrise vor mir her, die u.a. ebenfalls aussagte, dass es sich für die "Kapitalisten" schlicht nicht mehr lohne, in die Realwirtschaft zu investieren, wegen der "tendenziell fallenden Profitrate". Ein wenig Manchester-Kapitalismus/old-school, aber trifft das im Artikel ausgesagte im Prinzip ebenfalls.

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  5. Also, wenn Finanzmärkte Geld "erzeugen", dass nicht in akzeptabler Relation zu realen Wirtschaftsgütern steht, wird doch schlicht die Geldmenge erhöht, ohne die Warenmenge zu erhöhen, oder?

    ALLERDINGS wird auf diese Weise die Geldmenge nur für die oberen Schichten erhöht, denn dieses Geld wird ja zu nicht unerheblichen Teilen in Form von Einkommen an eben diese Schichten ausgezahlt.
    Wenn hingegen eine an der Börse total überbewertete Firma pleite geht, dann wird der Verlust sehr oft durch Sozialisation;-) aufgefangen in Form von Staatshilfen für Firmen, die dann doch pleite gehen, in Form von Teilverkäufen, Lohnverzicht der Arbeitnehmerschaft usw.

    Demnach steigt das Einkommen bzw. der Geldbesitz der oberen Schichten, die unteren Schichten profitieren von diesen auf Finanzmärkten erzeugten Geldemengen nicht.

    Spreizung der Gesellschaft ... wie üblich. Kennen wir doch schon aus der Geschichte.
    Römisches Imperium: gegen Ende des röm. Reiches besaß eine kleine Schicht von Römern fast alles Land, bezahlte Armeen, hatte die Macht im Reiche übernommen (Politiker konnte man nur werden, wenn man von Zinserträgen des Einkommens oder sonstigen Einkünften ohne Erwerbsarbeit zu leisten leben konnte.)

    Deutscher Bauernaufstand:

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  6. Guter Artikel, gute Kommentare.
    Hey, mir hat gerade ein smarter Banker 25 Prozent Eigenkapitalrendite versprochen. Hat sein großes Indianer-Ehrenwort abgegeben. Da können Eure rationalen Argumente noch so gut sein - sind leider völlig nutzlos, sobald ich Dollarzeichen in der Pupille habe. (Vorsichtshalber: Achtung, Ironie!)

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  7. Hr. Schulmeister ist schon lange einer der wenigen ernst zu nehmenden Volkswirtschaftler. Seine Analyse ist wie schon so häufig sehr treffend.

    Leider spricht er aber keine konkreten Lösungsansätze an, um das Finanzkapital zu "bremsen". Dabei wäre es durch eine Umstellung der Unternehmens- und Einkommensbesteuerung, die je nach Anteil des Finanzertrags progressiv wirkt, ganz einfach und trotzdem sehr effektiv realisierbar!

    E.C.

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  8. Wollt ihr mal sehen, wo unsere Wirtschafts- und Außenpolitik herkommt?

    auf duckhome.de einfach mal nach "Guttenberg" suchen, Do. 2. Juli 09 und auch die Links anklicken.

    Gruselig.

    Anscheinend ist Guttenberg, Merkel und Co. mit DEM US-Thinktank CFR (Council on Foreign Relations) so eng verbandelt, dass man Deutschland realistischerweise als Anhängsel der USA betrachten muss.

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  9. Eigentlich wollte ich hier einen Link zu youtube bringen, wo Heiner Flassbeck auf Englisch eine Rede über die Gefahren der aktuellen Weltwirtschaftskrise hält.

    Die Rede in 4 Teilen ist gut, weil vollständig, umfassend und das Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft gut erklärend.
    Flassbeck erklärt, wie Weltwirtschaftskrise und Finanzsspekulation zusammenhängen, welche Rettungschritte nicht unternommen wurden, warum die Handlungen der meisten Regierungen absolut kontraproduktiv sind, warum es jetzt zu einer Börsenralley und zum Run auf US- und europäische Pfandverbriefungen kommt und dass die größte Gefahr eine DEFLATION, ausgelöst durch Lohnkürzungen ist.

    Einfach auf youtube suchen:

    Speeches Heiner Flassbeck

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