Freitag, 5. April 2013

Merkel muss "Staatsfernsehen" im Netz machen dürfen

Von Jan Falk

Jörg Wellbrock kritisiert [edit: der Originalartikel ist mittlerweile entfernt worden] beim Spiegelfechter Merkels Pläne, sich in einem Google-Hangout (möglicherweise vorab ausgewählter) Bürgerfragen zu stellen:
Journalisten können nerven. Längst nicht alle, aber es gibt sie eben doch, diejenigen, die unangenehme Fragen stellen, sich nicht mit ausweichenden Antworten zufriedengeben und womöglich sogar peinliche Wahrheiten ans Licht bringen. Wie lässt sich das in aller Ruhe umgehen? Ganz einfach, indem Journalisten gar nicht erst beteiligt werden. Genau das plant Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Hangout auf Google+, das am 19. April 2013 um 17 Uhr starten soll. Bürgernah gibt die Kanzlerin an, dass sie den Bürgern die Möglichkeit einräume, mit ihr zu diskutieren. [...] Letztlich läuft es darauf hinaus, Staatsfernsehen zu betreiben. Merkel wird so antworten, wie es ihr gefällt. Und die einzige Zwischenbemerkung wird die des Regisseurs sein, wenn er „Gut so, weiter Frau Merkel“ ruft.

Jörg Wellbrock zeigt hier doch ein etwas merkwürdiges Verständnis von politischer Kommunikation im Internetzeitalter. Da wird von der Politik jahrelang gefordert, netzaffiner zu werden - und nun das. Genauso wie eigentlich alle anderen politischen und privaten Institutionen und allem dazwischen muss sich doch auch das Kanzleramt um eine moderne Kommunikationsstrategie im Netz bemühen dürfen.

Sicher, solche Chats, Hangouts und ähnliche Formate gleichen immer nur einer simulierten, symbolischen Bürgernähe. Dürfte das Format relativ unkritisch ausfallen? Gut möglich, liegt aber in der Natur der Sache im Feld der Öffentlichkeitsarbeit. Doch die Zuschauer merken das in der Regel, und je unkritischer das Format rüberkommt, desto weniger überzeugend und spannend wird es auch. 

Übrigens hat Barack Obama vor einigen Wochen ebenfalls ein Google-Hangout veranstaltet, und viele Kommentatoren waren sich hinterher einig, dass er dort kritischere Fragen beantworten musste als bei so mancher Pressekonferenz. Und nur deshalb dürfte es auch einen gewissen Anreiz zum Zuschauen gehabt haben.

Ist eine Debatte über die Konsequenzen immer größerer Möglichkeiten direkter Kommunikation der politischen Institutionen nötig? Sicher. Letztlich, so meine ich, muss schon der Journalismus weiterhin die vierte Gewalt ausüben. Und das unabhängig davon, ob die Kanzlerin hin und wieder mit dem Volk chattet. Aber das ist eben erstmal auch völlig legitim und sollte von der Medienanstalt Berlin Brandenburg schleunigst durchgewunken werden.

5 Kommentare:

  1. Ein Satz, der bei dir fehlt, aber entscheidend ist für die Aussage von Wellbrock: Die Fragen der Bürger werden vorab ausgewählt. Es ist eben KEIN realtime chat.

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  2. Ich will nicht trollen, aber auf diesem Niveau kann man sich eine Auseinandersetzung wirklich sparen. Wellbrock sagt nichts, außer dass er den Google-Hangout für Staatsfernsehen hält, was er nicht begründet. Du sagst nichts, außer dass du das anders siehst. Auch unbegründet. Diese Meinungen in allen Ehren, aber wenn auch nicht vom Spiegelfechter, vom Oeffinger Freidenker bin ich mehr gewohnt als das.

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    1. Yeah, well, that's just, like, your opinion, man.

      Aber im ernst: Man kann nicht in jedem Artikel immer die Welt erklären. Sieh es als Anregung mal darüber nachzudenken, was es für die politische Kommunikation bedeutet, wenn staatliche Institutionen oder Parteien die Medien nicht mehr brauchen, um die Wähler /Bürger zu erreichen. Oder wie man die Rolle der Medien in dieser neuen Umgebung stärken kann.

      Wenn wir demnächst aufs neue Blog wechseln, wollen wir öfter auch kürzere Posts schreiben, in denen vielleicht nur zwei, drei Gedanken stecken, die aber einfach mal Raum für eine Debatte bieten. Das hat nicht nur Vorteile für uns Autoren, denn wir haben auch noch Jobs und Familien nebenbei, sondern auch für die Leser, die nicht jedesmal 1000 Zeilen durchackern müssen. Natürlich werden wir auch regelmäßig lange Posts schreiben, aber es soll sich eben die Waage halten. Müssen wir dann mal sehen, wie sich das entwickelt.

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  3. Der Artikel beim Spiegelfechter scheint nicht mehr verfügbar zu sein.

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    1. Wellbrock hat ihn "nach reiflicher Überlegung" vom Netz genommen.

      http://www.spiegelfechter.com/wordpress/9517/turnschuhe-von-der-fdp-fur-eine-pkv-die-am-stock-geht#comment-238140

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