Von Stefan Sasse
DVD der ersten Hälfte der ersten Staffel |
Nachdem 2008 die letzte Folge der grandiosen Science-Fiction-Serie "Battlestar Galactica" über den TV-Äther ging (die ich 2009 ausführlich gelobt und empfohlen habe), machten sich Ronald Moore und David Eick, die Erschaffer der Serie, an ein Prequel: "Caprica" sollte, über 58 Jahre vor den Geschehnissen von BSG, die Erschaffung der Cylonen (einer Roboterrasse) behandeln und anstatt Raumschlachten den Fokus auf das Familiendrama legen. Die Handlung kreist um die Familien Graystone und Adama, die durch das Schicksal ihrer Kinder, die bei einem Terroranschlag ums Leben kommen, zusammengeführt werden. Daniel Graystone strebt danach, ein virtuelles Abbild seiner gestorbenen Tochter in einem Robotchassis widerzubeleben, während Joseph Adama anfangs hofft, auf diese Art und Weise seine eigene Tochter zurückerhalten zu können. Im Verlauf der Serie entfremden sich die beiden. Während Graystone jegliche moralische Schranke beiseite räumt, um seinem Ziel näher zu kommen, lässt sich Joseph immer mehr mit der kriminellen Ha'la'tha-Organisation seines Heimatplaneten Tauron ein, einer Art Mafia. Eine ehemalige Klassenkameradin der jungen Zoe Graystone sowie Daniels Frau Amanda geraten indessen in die Fänge eines religiösen Kults, der offensichtlich in Terror ein geeignetes Mittel zur Konversion sieht...
Es ist eine Schande, dass es von "Caprica" nur die erste Staffel geben wird. Im Herbst 2010 entschied der Sender ScyFy angesichts schwindender Zuschauerzahlen, dass die Serie abgesetzt wird (und strahlte immerhin am 5. Januar diesen Jahres die verbliebenen fünf Folgen auf einmal aus). Wirklich verständlich ist das geringe Zuschauerinteresse nicht. Wie auch zuvor in "Battlestar Galactica" erschaffen Moore und Eick ein Sittengemälde einer Zivilisation, die der unseren mal bis ins Detail gleicht, mal krass von ihr abweicht. Wie auch in BSG wird ein ganzes Spektrum an Themen behandelt, das sich von dem aus der "Mutterserie" deutlich abhebt und andere Wege beschreitet:
- KI und Moral. Hierbei handelt es sich um das Hauptthema der Serie. Wie weit dürfen Menschen bei der Erschaffung künstlichen Lebens gehen? Welche Konsequenzen hat ihr Handeln? Wie müssen wir als Spezies diesem künstlichen Leben gegenübertreten? Ist es gerechtfertigt, mechanische Wesen töten zu lassen?
- Technik und Moral. Beständig im Unterton mit dabei ist die Frage, wozu Missbrauch von Technik führen kann. In frappanter Ähnlichkeit zu den aktuellen Videospiel- und Facebookdebatten steht in der Serie das Abgleiten der Jugend in eine virtuelle Realität, "V-World", in der in halblegalen Cyberwelten blutige Kämpfe ausgetragen und brutale Sexualität ausgeübt wird.
- Gewalt und Religion. Die monotheistische Religion des "einen Gottes", die Bombenanschläge verübt, entfaltet eine beklemmende Wirkung. Man erlebt mit, wie Selbstmordattentäter rekrutiert werden, wie die Gewalt mehr und mehr zum Selbstzweck wird und wie eine hohle, materialistische Welt mehr und mehr den einfachen Lösungen der Radikalen verfällt.
- Kriminalität und Minderheiten. Joseph Adama, obwohl gesellschaftlich erfolgreich als Anwalt, wird immer wieder rassistisch beleidigt und diskriminiert. Auf diese Weise, und wegen des Todes seiner Familie, gerät er mehr und mehr in den Dunstkreis der mafiösen Ha'la'tha, in der diffus auf die "wahren Werte" der lange verlorenen Heimat angespielt wird, ohne dass diese Werte tatsächlich verfolgt würden.
- Wirtschaft und Moral. Innerhalb der Geschichte findet ein eigener corporate thriller statt, in dem sich Daniel Graystone dem (berechtigten) Vorwurf eines Rivalen erwehren muss, Industriespionage betrieben zu habem - eine der vielen Grenzen, die zu überschreiten er bereit ist. In Vorstandssitzungen zeigt sich schnell, dass die Moral hinter dem Profit weit hinten ansteht.
- Wirtschaft und Moral. Innerhalb der Geschichte findet ein eigener corporate thriller statt, in dem sich Daniel Graystone dem (berechtigten) Vorwurf eines Rivalen erwehren muss, Industriespionage betrieben zu habem - eine der vielen Grenzen, die zu überschreiten er bereit ist. In Vorstandssitzungen zeigt sich schnell, dass die Moral hinter dem Profit weit hinten ansteht.
Wie bereits in BSG wird dabei eine schwarzweiß-Färbung konsquent vermieden. Obwohl sich bei den religiösen Terroristen Parallelen zu den Islamisten aufzudrängen scheinen, wird jede ästhetische Parallele sorgfältig vermieden. Die "Soldiers of the One" wirken eher wie Christen, und sie agieren aus einer Gesellschaft heraus, zu der sie scheinbar gehören - was ihre große Effektivität mit erklärt. Die Gegenseite ist dabei nicht einfach "gut". Sie wird repräsentiert von skrupellosen Wissenschaftlern wie Daniel Graystone oder ruchlosen Sicherheitsleuten wie Jordan Durham, die in einer Welt funktionieren, die weitgehend ohne Ethik und Moral auskommt. Der technische Fortschritt und Konsum desselben wird im Bewusstsein dieser Menschen kaum hinterfragt. Wohl zeigt sich Graystone entsetzt über die Auswüchse der Holoband-Technologie, die er selbst entwickelt hat. Er unternimmt aber keine ernstzunehmenden Schritte, etwas dagegen zu tun, und nutzt sie schnell für seine eigenen Ziele.
Es sind die Jugendlichen, die gegen diese kalte, funktionierende Welt ihrer Erwachsenen aufbegehren. Sie sind dabei, alleingelassen von ihren Eltern, höchst anfällig gegenüber korrumpierenden Einflüssen. Zoe Graystone und ihre Freundin Lace werden in die tödliche Märtyrer-Ideologie der "Soldiers of the One" hineingezogen; der junge William Adama nimmt sich in Abwesenheit einer Vaterfigur, die sich ihm konsequent verweigert, den vermeintlich coolen, in der mafiösen Ha'la'tha engagierten Onkel zum Vorbild.
Als die Staffel auf ihren Höhepunkt zurückt - ein geplantes Bombenattentat auf ein vollbesetztes Stadium - lösen sich selbst die wenigen moralischen Bahnen, die noch halbwegs klar zu sein schienen, mehr und mehr auf. Moore und Eick schaffen es, durch die glaubhafte Verwicklung ihrer Charaktere in zweifelhafte Organisationen jeden Bezugspunkt für den Zuschauer zu nehmen. Alles ist grau, nirgendwo ist schwarz, nirgendwo weiß erkennbar. Die Charaktere agieren in Wertsystemen, deren Konstituierung dem Zuschauer deutlich gemacht wurde, die man nachvollziehen konnte - und die doch fremd bleiben. Man fiebert mit dem Schicksal der liebevoll gezeichneten und wunderbar gespielten Charaktere und kommt dabei nicht umhin, deren Handlungen, Moral und Ethik beständig zu hinterfragen.
Antworten gibt die Serie keine; sie kann es nicht, und es wäre auch vermessen. Die Fragestellungen kommen anders prononciert, teilweise plakativer einher als das noch in BSG der Fall war, wo sich diese Fragestellungen eher im Hintergrund aufhielten und immer wieder den Action- und Dramaelementen Platz machten. In "Caprica" spielen sie die erste Geige, und wer sich von dieser Handlung nicht aufwühlen lässt und am Ende tief berührt und zugleich verunsichert in seinem Sessel sitzt, dem ist nicht zu helfen.
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Battlestar Galactica ist eine sehr erwachsene Serie und die ersten Staffeln haben mir gut gefallen. Leider wurde die religiöse Färbung zum Ende hin immer stärker. Themen wie Schicksal, Wiederauferstehung, Gottesanbetung usw. rückten stark in den Vordergrund, was mir weniger gefiel.
AntwortenLöschenCaprica kenne ich noch nicht, aber ich werde mal einen Blick darauf werfen. Danke für den Hinweis!
Naja, du hattest zwar solche Themen auch, aber der Rest blieb erhalten - denk nur mal an "Blood on the scales"...
AntwortenLöschenSehr gute Kritik... hat mir gut gefallen! :)
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