Dienstag, 27. Juni 2006

Kommentar

Im Spiegel ist ein Artikel erschienen, der sich besonders mit dem Phänomen des linken Widerstandes gegen die WM im allgemeinen und den Deutschpatriotismus im Speziellen auseinandersetzt. Einmal abgesehen davon, dass der Artikel reichlich undifferenziert und opportunistisch nur feststellt, dass man sich die tolle WM-Stimmung nicht von "Linksextremisten" verderben lassen will und einmal mehr die Gefahr von Anschlägen heraufbeschwört, ist die Sache doch einer genaueren Betrachtung wert.
Um eines gleich klarzustellen: ich halte nichts von diesen bornierten Linken, die immer noch glauben, schwarz-rot-gold stehe nur verkappt für schwarz-weiß-rot, und das Hakenkreuz auf der Flagge sei nur aus Pietätsgründen entfernt worden und wehe im Geiste noch mit im Wind. Diese Übervorsicht ist gänzlich unangebracht. Die Forderung der GEW, das Deutschlandlied abzuschaffen, weil die dritte Strophe ja auch im Nationalsozialismus gesungen wurde und damit für NS-Opfer nicht erträglich sei ist schlicht und einfach Bullshit. Im Nationalsozialismus wurde auch deutsch gesprochen, und trotzdem ist die Sprache, abgesehen von ein paar israelischen Ultra-Rechten, vollkommen erträglich für die meisten NS-Opfer, ebenso, wie es deutsches Geld ja auch war (selbst für Israels Ultra-Rechte).
Die Linksparteiabgeordnete Julia Bonk versuchte, die Autowimpel durch Tausch gegen Anitfa-T-Shirts aus dem Weg zu ziehen. Scheinbar hat sie dafür mehr als nur Rüffel durch ihre Vorgesetzten bekommen ("Das ist nicht die Linie der Partei"), einmal abgesehen davon, dass die Aktion kein besonders großer Erfolg war. Als Begründung taucht dabei aus diesen speziellen Kreisen unisono die Begründung auf, Deutschland habe eine "spezifische Vergangenheit" und könne deswegen nicht "normal" mit seiner Fahne umgehen. Auch hier: Bullshit. In wenigen Jahren wird es keine Zeitzeugen aus dem Dritten Reich mehr geben. Wie lange muss es dauern, bis wir diese "spezifische Vergangenheit" bewältigt haben? Ja, es ist wichtig auf den Holocaust aufmerksam zu machen, denn was in Ländern geschieht, deren dunkle Flecken begraben bleiben sieht man in Japan, sieht man in den USA, sieht man in England. Aber Aufarbeitung ist nicht gleich Aufarbeitung. Ist es ein Argument gegen das Deutschlandlied, dass von Fallersleben Antisemit war, wie Benjamin Ortmeyer nicht müde wird zu betonen? Henry Ford war ebenfalls Antisemit, und zwar ein mit Sicherheit deutlich krasserer als von Fallersleben, trotzdem ist es für Juden problemlos möglich, einen Ford zu fahren.
Aber zurück zum Thema. Auch wenn ich den Kampf der Linken gegen den Fußball-Patriotismus nur sehr bedingt unterstützen kann, halte ich die Art, wie in dem Spiegel-Artikel alles (unter dem Ressort "Linksextremismus"!) in einen Topf geworfen wird für schlichte Demagogie. Diese Leute vertreten auch nur ihre Meinung, und diese weicht eben von der der Mehrheit ab. Man sollte respektieren, dass es auch Leute gibt, denen der allgemeine Deutschland-Fußball-Taumel nicht behagt und ihnen die Luft zum Atmen lassen, ohne ihnen wie der Artikel demagogisch "Landesverrat" vorzuwerfen.

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