Samstag, 17. Juni 2006

Zur Debatte um einen WM-Besuch Ahmadinedschads

Ein Text von mir, zwar bereits ein paar Tage alt, aber dennoch passend:

Vor 29 Jahren besuchte Schah Reza Pahlewi Deutschland. Zwar nicht die WM, sondern die Staatsoper, aber das waren ja auch andere Zeiten. Das gilt ganz besonders für die Umstände seines Besuchs: obwohl Persien (wie der Iran damals noch hieß) massive atomare Aufrüstung betrieb und Menschenrechtsverletzungen in diesem Staat an der Tagesordnung waren, wurde er mit allen Ehren empfangen und als Staatsoberhaupt von einem massiven Polizeiaufgebot beschützt. Klar, er war auch ein Freund der USA, die die atomare Aufrüstung selbst betrieben und die Menschenrechtsverletzungen deckten.
Das einzige moralische Gewissen der Nation waren in diesen Stunden die Studenten, die gegen ihn protestierten. Staatlich bezahlte Gegendemonstranten wandten dabei, ungehindert von der tatenlos zusehenden Poliezi Gewalt an und zogen nach rund 20 Minuten ab. Danach setzte die Polizei die Gewalt fort und prügelte wahllos auf die Demonstranten ein. Die fliehenden Studenten wurden sogar in die Seitengassen verfolgt, wo Benno Ohnesorg von hinten in den Kopf geschossen wurde und etwa eine Stunde später starb.
Die Schlagzeile der BILD, über dem Foto eines blutenden Polizisten (!):

Zitat:Hier hören der Spaß und der Kompromiss und die demokratische Toleranz auf. Wir haben etwas gegen SA-Methoden.

Am nächsten Tag hieß es:

Zitat:Die Polizei trägt keine Schuld an den Zusammenstößen, die eindeutig von unseren Krawallradikalen provoziert wurden. Die Polizei tat ihre schwere Pflicht. Benno Ohnesorg ist nicht der Märtyrer der FU-Chinesen, sondern ihr Opfer...Helft der Polizei, die Störer zu finden und auszuschalten.

Szenenwechsel.
Der iranische Vizepräsident Mohammed Aliabadi ist in Deutschland angekommen. Man meidet ihn wie einen Aussätzigen und verweigert ihm trotz der aufhetzenden, von den Medien tatkräftig angefeurten Propagandawelle gegen den Iran Polizeiunterstützung. Er muss sich mit seinen eigenen Leibwächtern begnügen. Das Spiel Iran-Mexiko am Samstag, das er besichtigen will, hat zahlreiche Demonstrationen angekündigt bekommen. Andere Demonstration (wie beispielsweise gegen den Raubbau der sozialen Einrichtungen) während der WM werden wegen Polizeiüberlastung nicht zugelassen. CSU-Minister Beckstein hat angekündigt, in der Demonstration mitlaufen zu wollen.
Immer wieder beeindruckend, wie widerwärtig wir Deutschen sind. Aber macht nichts, Mohammed Aliabadi kann es auf jedem Schild lesen: er ist zu Gast bei Freunden.

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