Mittwoch, 21. Juni 2006

Nachrichten des Tages

Politik (Inland):

Mit einem tiefen Griff in die Mottenkiste des Fußballvokabulars verteidigte Merkel gestern den Reformkurs der Bundesregierung: der "Sanierungsfall" (Wortlaut gegenüber der Industrie) Deutschland muss nun mit der "Blutgrätsche" der Steuererhöhungen endlich gerettet werden. Auch die anderen Parteien standen in nichts nach, die FDP erklärte das Schwenken schwarz-rot-goldender Farben für eine politische Bekenntniserklärung: schwarz und rot reichten nicht, es müsse auch gelb dabei sein. Schützenhilfe erfährt Merkel dabei von Steinbrück, allerdings ohne Fußball-Metaphern.

Merkel kündigt (ganz ohne Fußball) Nullrunten für die Rentner "für viele oder zumindest etliche Jahre, jedenfalls so weit ich voraussehen kann" an. Bei der angenommenen Fähigkeit zur Voraussicht Merkels könnte also morgen bereits eine Rentenerhöhung winken, darf jedoch als unwahrscheinlich angenommen werden, da Merkel Berater zur Seite stehen.

Föderalismusreform doch noch auf der Kippe: Die SPD fordert weitere Nachbesserungen, besonders beim Kooperationsverbot in der Bildung. Beeindruckend: die entsprechende Forderung ist von Seeheimer Kreis, Netzwerkern und Linkem Parlament unterzeichnet.

Neues Grundsatzurteil für Arbeitslose: Visitenkarten von Firmen oder Zeitungsannoncen gelten nicht als Nachweis für Eigeninitiative bei der Jobsuche.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Verfassung geht vor Religionsfreiheit; die Eltern des hessischen Paares müssen in die Schule und erhalten keinen christlich-bibeltreuen Heimunterricht.

Gleich hinterher eine schlechte: Neben einer Verbesserung der Zusammenarbeit mit Russland ("strategische Partnerschaft") erfährt man quasi nebenbei, dass ausgerechnet Deutschland vom EU-Gipfel in Brüssel beauftragt wurde, einen neuen Verfassungsentwurf auszuarbeiten - bis Juni 2007.

Vergeblich versucht die Datenschutzbehörde, sich aus dem BND-Skandal zu winden: Man sei eine Behörde und nicht auf Konfrontation aus, es passiere ja so viel in der Welt usw. Letzten Endes wird hier wieder einmal klar, dass in den Rechtsstaat (durchaus doppeldeutig) gesetzte Hoffnungen genausogut den Schweinen in den Trog gelegt werden könnten. Selbst explizit zur Kontrolle angelegte Behörden verweigern eben diese. Im Fall der Datenschutzbehörde hat diese von ihrem Recht, unangekündigte Besuche beim BND zu machen absichtlich und bewusst keinen Gebrauch gemacht.

Die jungeWelt macht gegen das Ehegattensplitting scharf und unterstützt damit den derzeitigen Kurs der Bundesregierung. Ihre Argumente jedoch zeigen einmal mehr eine starke ideologische Voreingenommenheit, die sie ihrerseits bei ihren Gegnern anprangert. Schade eigentlich.

Einmal mehr zeigt sich, dass der Abbau des Sozialstaates die Rechten stärkt: die NPD weitet ihre Sozialhilfe auf den Westen aus, die ihr bereits im Osten viel Unterstützung eingebracht hat.

Ein Kabarettist macht sich im Spiegel-Interview über Stoiber lustig. "Ich bin Protestant. Ich bin selbst eine Gotteslästerung."

Bei den allfällig-manipulierenden Umfragen sackt die CDU weiter ab, während Grüne und SPD zunehmen.

Die PDS-Jugend in Sachsen hat gegen die massive Verbreitung von Deutschlandflaggen demonstriert. Unnötig wie ein Kropf.

Ein Aufruf zum eigenständigen Wahlantritt der WASG in Berlin fordert trotzdem noch immer die Vereinigung mit der LPDS.

Der Spiegel bringt einen großen Artikel über den Fall el-Masri.

Gesundheit:

Ebenfalls ohne Fußball wird ein Warnruf zur Fettleibigkeit abgegeben: jedes zehnte Kind ist bei der Einschulung zu dick, bei der Ausschulung schon jedes fünfte. 41% der Erwachsenen träfe dasselbe Problem. Fettleibigkeit habe bereits den Charakter einer Epidemie und zähle zu den 10 größten Gesundheitsproblemen in Deutschland. Ein Schelm, wer an die grassierende Zunahme von Discountern mit ihrem Billigfraß denkt.

Im Bundestag wird ein neuer Anlauf für ein allgemeines Rauchverbot unternommen. Wie die Chancen stehen, ist derzeit nicht bekannt, insbesondere wegen der geteilten Kompetenzen, aber auch, weil in der Frage immer noch ein tiefer Riss durch die Bevölkerung läuft. Der Ruf nach einem Nichtrauchergipfel wächst. Ein solches Verbot wäre jedoch stark zu begrüßen.

Sehr gute Nachricht: nach den aktuellen Plänen sollen für die Gesundheitsreform Besserverdienende deutlich mehr zur Kasse gebeten werden. Ausgerechnet die SPD gräbt eine gewisse Ader sozialer Gerechtigkeit wieder aus. Leider hat das Papier noch keinen bindenden Charakter, und die CDU gräbt sich bereits hinter schweren Geschützen in gut befestigten Stellungen ein.

Wirtschaft:

Noch eine gute Nachricht: das Pilotprojekt zur Privatisierung der Bundeswehr ist gescheitert. Jung hat die Zusammenarbeit auf dem Feld der Truppenverpfelgung aufgekündigt. Die Soldaten haben anscheinend das Essen verschwendet und das Personal wollte sich nicht unterordnen.

Die Deutsche Bank übernimmt die Berliner Bank und verspricht ein besseres Klima für Investitionen. Allein die Tatsache, dass Ackermann sich freut, macht das zur schlechten Nachricht.

Politik (Ausland):


Der Bush-Besuch in Österreich, das derzeit den EU-Vorsitz innehat, sorgt für viele Probleme. Eine riesige Sperrzone, Massendemonstrationen und unangenehme Themen sorgen für eine angespannte Atmosphäre. Dabei wurde eine weitere Adresse nach Teheran gerichtet, die scheinbar erste Erfolge erbrachte.

Noch ist nicht die erste Bombe auf den Iran gefallen, da macht Bush bereits gegen den nächsten Gegner scharf: die neue "größte Bedrohung" ist da. Dieses mal handelt es sich um Weißrussland, dessen Präsident mit 81,5% von der Bevölkerung gewählt wurde. Wie schon in Palästina zeigt sich die Doppelmoral der so genannten Demokratisierung. Wenn die gewählte Regierung den herrschenden Größen des Westens nicht gefällt, ist es vorbei mit der Demokratie. Letzten Endes reduzieren sich die amerikatreuen ehemaligen Ostblockstaaten (mittlerweile "befreit" und "demokratisch") auf den Status bloßer Marionettenstaaten.

Die EU möchte künftig zur Eindämmung der illegalen Zuwanderung Flüchtlingsboote vor den kanarischen Inseln abfangen. Abgesehen davon, dass man nicht lange auf erste Tragödien warten werden muss, zeigt sich hier einmal wieder der alte Zynismus der Ex-Kolonialmächte: nachdem sie das Land eine Weile ausgebeutet haben, überlassen sie es nun dem Chaos.

Beinahe im Schatten der Öffentlichkeit in Europa wird in den USA gegen einen weiteren neuen Feind scharf gemacht: den Sudan. Der soll neben dem beiläufigen Völkermord in Dafur auch ein terroristischer "failed state" sein.

Eine Versammlung 51 afrikanischer Staaten befürwortete eine Intervention ausgerechnet in Somalia, das die erste Friedensphase seit 1991 erlebt. Auch die EU war bei dem Treffen anwesend, in welcher Rolle ist noch unklar.

Während im Kongo öffentlich die Bereitschaft für bewaffneten Widerstand bekundet wird, verkündet Jung nun - unter Empörung der jungenWelt - auch Falschirmjägerinnen einsetzen zu wollen. Selbstverständlich nur im Sanitätsdienst. Warum, das wissen wahrscheinlich weder die jungeWelt noch Jung.

In der Linken Zeitung findet sich ein lesenswerter Artikel, der gute Gründe aufführt, Vietnam nicht mit dem Irak zu vergleichen und gleichzeitig einige düstere Prognosen wagt.

Nach einer Offensive in Afghanistan, bei der mehr als 20 "Taliban" getötet und einfach liegengelassen wurden, erwartet man nun gelassen einen "Anstieg der Gewalt", der auf solche Offensiven folge. War nicht das eigentliche Ziel einmal, dem Land Frieden zu bringen?
Dazu passt, dass bei den Verteidigern der Zivilisation Homosexualität immer noch als Geistesstörung gilt und in der Armee per se verboten ist. Immerhin haben sie sich für die Menschenrechte im Kampf gegen den Terror verpflichten lassen. Das ist auch bitter nötig, wie der neueste Guantanamo-Report zeigt. Bush bekräftigte darauf seinen Willen zur Schließung, lässt jedoch keine Taten folgen.

Während Nordkorea sein Recht zum Raketentest verteidigt, bereiten sich die Amerikaner auf den Abschuss der Testrakete vor. Südkoreanische wie amerikanische Geheimdienste zweifeln indessen daran, dass Nordkorea über genügend Benzin zum Befüllen der Rakete verfügt.

3 Kommentare:

  1. Und die Welt versinkt im Chaos... oder doch nicht? Befinden wir uns wirklich am Rande der Apokalypse? So jedenfalls erscheint es, wenn man die hier zusammengestellten Nachrichten überfliegt. Aber blicken wir zurück in die Geschichte, stellen wir fest - HALT! Es ist gar nicht so schlimm! Im Gegenteil. Die Kanonen mögen größer sein, wir mögen unmittelbar beteilligt sein - aber, alles in allem, 1618 sah´s hier wesentlich düsterer aus, und danach kräht heute kein Hahn mehr. Es sterben Menschen - Und? Es gibt Krieg... Gähn... die Politik (wer immer das auch sein mag) hält uns (wer immer... Moment... hatten wir schon) für dumm (wobei... halten für... naja, lassen wir das) und handelt dementsprechend, Demokratie ist eine Weichspülerdroge für postmoderne Christen und bei Praktiker gibt es bald wieder 20% auf alles.. alles in allem - oh, what a wonderfull woohooorld. Rütteln wir also nicht die Schläfer wachen, sondern schütteln wir ihnen die Kissen auf.

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  2. Sorry, ich komm grad nicht mit...was genau forderst du? :)

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  3. Ich glaube er ist etwas frustriert....er scheint etwas hoffnungslos zu sein...*g*

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