Mittwoch, 7. April 2010

Vermischtes

Von Stefan Sasse

Heute ein kurzer Rundumschlag zu mehreren Themen: 
1) Millionen für Hartz-IV-Kaufmannsladen
2) Bankenkrise
3) Hartz-IV an die Hundescheiße!
4) Afghanistan
5) Der Lohn und die Gewerkschaften

1) In Hamburg wird gerade ein neues Projekt durchgeführt, um Hartz-IV-Empfänger in Arbeit zu bringen. Manche sprechen eher von der teuersten Einzel-ABM, die je durchgeführt wurde. Für einen einstelligen Millionenbetrag wurde ein Supermarkt hochgezogen, in dem Atrappen von Lebensmitteln herumliegen und Kassen, bei denen die EC-Geräte nicht funktionieren. Bezahlt wird mit Euro-Spielgeld. Sechs bis neuen Monate werden Arbeitslose dort für praktisch keine Entlohnung "trainiert", später in Discountern arbeiten zu können. Abrechnen, Disziplin, Pünktlichkeit, Klappe halten, Regale einräumen, ducken, schlucken, Kasse bedienen, Stapler fahren, nicht meckern und vieles mehr, was im Berufsalltag eben so benötigt wird. 
Ich habe keine Ahnung, wie sinnvoll eine solche Aktion für die Arbeitsvermittlung ist. Erfahrungsgemäß dauert das tatsächliche Anlernen der Arbeiter an den Geräten bei solchen Jobs nicht übermäßig lang, und anlernen muss man sie oder so, weil ja jeder Discounter andere Geräte benutzt. Es könnte sein, dass es den Aspiranten tatsächlich Vorteile bringt, wenn sie mal in einem Discounter anfangen wollen. Weiß ich ja nicht. 
Viel schlimmer finde ich, dass sie gar nicht gefragt werden. Sie werden einfach mal pauschal ein halbes bis dreiviertel Jahr dafür ausgebildet. Und was ich noch viel schlimmer finde: die Kosten trägt natürlich wieder mal der Steuerzahler. Man übernimmt für die Unternehmen einfach mal einen Teil der Ausbildung und schafft ihnen das Personal ran. Was soll das eigentlich? 

2) Weltweit machen die Banken wieder den großen Reibach, und die Bilanzen werden wohl auch frisiert wie eh und jeh. In der FTD stehen da einige interessante Zeilen dazu. Viel krasser aber ist der Kommentar von FDP-"Finanzexperte" Solms, der sich im DLF-Interview hinstellt und verkündet, dass er es für falsch hält, den Banken Abgaben für die Krise aufzuerlegen. Mehr noch: er sagt offen, dass das Thema für ihn bereits abgehakt ist. Abenteuerlich sind seine drei Begründungen: zum einen hätten die Banken in der Krise ja Verluste gehabt und wären deswegen schon genug gestraft. Dieser Blödsinn wird durch die aktuellen Geschäftszahlen mehr als Lügen gestraft. Zum Zweiten würde eine Bankenabgabe ja alle treffen, und nicht nur die Schwarzen Schafe. Tja, Herr Solms, vielleicht könnte man ja damit anfangen, allen Banken wieder was abzuknöpfen, die wir vorher reichhaltig beschenkt haben? 
Sein Gerede zum Thema "drohende Kreditklemme", wenn man so etwas tun würde, darf man dabei getrost vergessen. Solms bezieht das ganze nämlich nur auf einen nebulösen Aufschwung, der angeblich ja bereits morgen kommt und den man dann nicht abwürgen darf. Das wird durch die Erkenntnis getoppt, dass das ohnehin geschehen würde, da die EZB im Aufschwung ja die Zinsen erhöhe. Ja, da merkt man langsam, wo das Problem liegt, nicht? 
Seine dritte Begründung aber ist die absurdeste: die Banken würden ja jetzt 1,2 Milliarden jährlich in den geplanten großen Rettungstopf für das nächste Mal einbezahlen. In zehn Jahren - so man ihn bis dahin nicht braucht - sei wegen Zins und Zinseszins dann so viel in dem Topf, dass man damit die Folgen der nächsten Krise abfangen könnte. Ja genau. Nicht, dass ich aus dem Stand Zins und Zinseszins ausrechnen könnte (ich Mathe-Ass!), aber dass es für die bisherigen Kosten nicht auch nur annähernd reichen wird, sieht sogar eine Mathe-Nulpe wie ich. Davon abgesehen halte ich die Botschaft an die Banken, dass eine weitere Krise NOCH WENIGER Konsequenzen haben würde als diese für mehr als behämmert. 

3) Eigentlich braucht man zu der großartigen Idee, Hartz-IV-Empfänger in Berlin Hundescheiße einsammeln zu lassen, nichts mehr zu sagen, weil Stephan Hebel in der FR bereits die nötigen Worte gefunden hat. Trotzdem möchte man an dieser Stelle in Richtung der Verantwortlichen einen Schwall unflätiger Schimpfworte loswerden, sie mit der Nase in den Hundekot drücken, an den sie die Hartz-IV-Empfänger Hand anlegen lassen wollen und schreien "Mach selber weg, Dummschwätzer!".

4) Karsais Kehrtwende und der Tod der drei deutschen in Afghanistan (die FR schwurbelt dabei von "hohen Verlusten") bringt das Thema erneut in die Schlagzeilen. Dabei wird das Thema "Abzug" immer offener ausgesprochen, wenngleich sich die Kommentatoren darin einig sind, dass ein Abzug derzeit nicht möglich ist. Der Begründung, dass dies eine Katastrophe für die diejenigen Afghanen wäre, die sich von den westlichen Versprechen auf unsere Seite haben ziehen lassen, schließe ich mich rückhaltlos an. Dass dies unsere Sicherheit beeinträchtigen würde, kann ich nicht nachvollziehen und die "Glaubwürdigkeit" der "internationalen Gemeinschaft" (also der NATO) wird dadurch zwar insofern erschüttert, als dass es amtlich ist, dass auch die NATO sich im Zweifel zurückzieht, aber wer hat denn daran bitte nicht geglaubt? Ich denke auch, dass dies eines der großen Probleme ist, die ein Verweilen in Afghanistan so sinnlos machen: im Endeffekt richtet sich bereits jeder auf die Zeit nach der NATO ein, und all das Gewäsch, man müsse "die Afghanen" dazu befähigen, sich selbst zu verteidigen, ist vollkommen sinnlos, weil es "die Afghanen" sind, auf die dort geschossen wird. Überhaupt erinnert die ganze Argumentation fast wörtlich an Vietnam. 

5) Wolfgang Münchau, den ich eigentlich ja schätze, hat in der FTD einen kapitalen Bock geschossen. Völlig zu Recht argumentiert er, dass die deutsche Lohnzurückhaltung sowohl für uns als auch für Europa und die Welt schädlich ist. Seine Begründungen und Schlüsse sind aber, gelinde gesagt, merkwürdig. Zum Einen konstatiert er, der Arbeitsmarkt sei überreguliert und nur deswegen sei Arbeitslosigkeit ein Schreckgespenst - man würde nicht schnell einen neuen Job finden -, zum Anderen behauptet er, dies sei eine Folge davon, dass die Gewerkschaften (und Arbeitnehmer) sich viel zu leicht auf Nullrunden einließen. Das ist zwar richtig, aber seine Begründung ist merkwürdig: dies liege daran, dass sie nicht global dächten und gewissermaßen freiwillig eine soziale Sicherung schüfen, die dann negativ zu Buche schlagen würde. Als Gegenbeispiel zur so kritisierten IG Metall holt er die Pilotengewerkschaft Cockpit heran, die derzeit reichlich aggressiv nach GDL-Vorbild für höhere Löhne streikt. 
Dabei übersieht er in meinen Augen aber definitiv, dass die IG Metall Arbeitnehmer vertritt, die im Allgemeinen keine neuralgischen Alleinstellungsmerkmale ähnlich den Piloten oder Lokführern haben. Ihre Verhandlungsmacht ist nicht groß genug, ihr Streikpotential kleiner. Münchau vergleicht hier also Äpfel mit Birnen.

13 Kommentare:

  1. schon gehört? Was Neues von Marc Beise... http://www.sueddeutsche.de/video/4230.html

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  2. Also ich hab den Münchau so verstanden, daß die Cockpit-Leute im Gegensatz zur IG Metall eben den "globalen" Lohnzuwachs, d.h. die Verhandlungsergebnisse aus anderen Ländern, ständig vor Augen haben und daher nicht so auf die deutschen Nullrunden fixiert sind. Also, daß da einfach ein psychologischer Unterschied bei dem Entstehen der Ausgangsforderung da ist.

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  3. @Anonym1: Ja, ist grad was in der Denke dazu :)
    @Anonym2: Ja schon, aber was hilft das? Die Verhandlungspositionen sind auch völlig andere.

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  4. Hi, Stefan !

    Zu Punkt 1: Bist Du wirklich auf diesen Aprilscherz herein gefallen ? ;-) Aber keine Sorge: gerade weil es durchaus vorstellbar wäre, habe ich es anfangs auch geglaubt. Aber schaue mal auf das Datum des Artikels. Am Schluss des Artikels bemerkt man es auch, denn da ist von einem Geschäftsführer Westerwelle die Rede.

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  5. @Julie: Hm, so gesehen :) Ja, bin ich wohl reingefallen.

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  6. In den USA verdienen Piloten als Anfangsgehalt um die 10000 Dollar und müssen Lebensmittelmarken beantragen.

    Kann allen nur Michael Moore Kapitalismus - Ein Liebesbekenntnis empfehlen.

    Dort auch die Arbeitsbedingungen für Piloten.

    Warum kommen die nicht alle zu uns?

    Wo doch soviel besser bezahlt wird??????

    Gibt es wirklich den globalen Arbeitsmarkt?

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  7. Natürlich nicht.
    Und davon abgesehen werden diese Kackgehälter bezeichnenderweise nur auf inneramerikanischen Linien bezahlt.

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  8. Auch wenn es ein Aprilscherz war, die "Zusammenarbeit" zwischen Dekra/TÜV und der Agentur für Arbeitslosigkeit ist in der Tat sehr fragwürdig. In großem Stil werden hier Arbeitslose zu irgendwelchen Maßnahmen geschickt, die nicht immer zielführend sind.

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  9. Zum "Supermarktprojekt"...

    Der Spiegelfechter machte einen ähnlichen Aprilscherz und das schlimmme ist, bei uns im Lande klingt so etwas absolut glaubwüdig, da es sich nicht von der vorherrschenden Politik abhebt.

    Heutzutage wäre ein Scherz wohl eher: Der Bundestag hat beschlossen, Volkswirte als Berater im Finanzministerium einzusetzen und durch Abschaffung von HartzIV und eine Erhöhung der Renten und Sozialleistung die Volkswirtschaft anzukurbeln.

    :)

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  10. ...mit "Volkswirten" meinte ich nicht die neoliberalen Faschisten, sondern welche á la Flassbeck...
    Dass man natürlich nicht nur volksiwrtschaftlich argumentieren sollte, sondern Ethik und Kultur die eigentlichen Gründe für eine gerechte Teilhabe sind, ist klar. Meiner Meinung nach kann nur in einer gerechten Gesellschaft die Wirtschaft florieren. Der Neoliberalismus ist eher der Tot für die Wirtschaft, und ist nur auf kurze Sicht für ein paar wenige Superreiche gut...aber für die hat man wohl die Laternen aufgestellt. Wenn denen von selbst kein Licht aufgeht, muss man die der Erleuchtung näher eben durch Eigeninitiative näher bringen.

    Neiiiin, ich bin Pazifist....aber ich bin nicht allein.... schon traurig das alles...

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  11. Zu Punkt 1:
    Hehe. Aber es stimmt ja, die Sache ist ja durchaus glaubwürdig - leider. Ähnlich ist je z.B., wie sich heute der Industrie- und Handelskammertag darüber beschwert, dass die Auszubbildenden nicht pünktlich und diszipliniert genug seien. Oder dasselbe zu Punkt 3. Sie wollen eine Gesellschaft, in denen man sich den Herrschenden unterordnet, in der Befehl- und Gehorsamsverhältnisse herrschen und Hierarchien als geradezu heilig angesehen werden.

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  12. Zu Punkt 5:
    Münchau will glaube ich nicht sagen, dass Arbeitslosigkeit nur wegen der Schwierigkeit, einen neuen Job zu finden, ein Schreckgespenst sei (und das ist in Deutschland auf deutlich der Fall, die Übergangsraten von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung sind sehr gering und die Dauer der Arbeitslosigkeit hoch), sondern dass diese eben dazu führt, dass sich die Gewerkschaften von den Unternehmen quasi zu niedrigeren Löhnen "erpressen" lassen. Und das erscheint mir deutlich näher an der Realität als etwa die neoklassische Interpretation, die besagt, dass ein Arbeitsmarkt mit niedrigen Austrittschancen aus der Arbeitslosigkeit dazu führe, dass Gewerkschaften zu hohe Löhne durchsetzen würden, da sie ausschließlich die Interessen der Beschäftigten (und nicht der Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten) vertreten würden, und da Beschäftigungsabbau in Deutschland ja so schwer möglich sei.

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  13. Zu Punkt 2:
    "sei wegen Zins und Zinseszins dann so viel in dem Topf, dass man damit die Folgen der nächsten Krise abfangen könnte."
    Um Zinsen zu bekommen müsste man das Geld doch anlegen. Und mit den lächerlich geringen Zinsen einer Festgeldanlage bekommt man nie genug, um eine kommende Krise abzufangen. Daher müsste man das Geld in Aktien und ähnliches anlegen. Letztenendes würden die Banken mit dem Geld also genauso spekulieren können und im Falle einer Krise wäre der Rettungsfond plötzlich leer, weil sich irgendjemand mit dem Geld verspekuliert hat.

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