Von Stefan Sasse
Die große Finanzkrise, wie sie im Herbst 2008 richtig zum Ausbruch kam, provozierte sowohl vielerlei überhastete Reaktionen der Politik und großen Druck der beteiligten Banken, als auch einen wahren Sturm an Kommentaren aus den Reihen der Medien, besonders virulent oft aus den Reihen derer, die noch wenige Wochen zuvor den enthemmten Finanzkapitalismus frenetisch beklatscht hatten. Wie vorher mit dem Patentrezept der Deregulierung waren sie nun schnell mit tollen Vorschlägen und Erklärungen zur Hand. Wie immer hatte der Journalismus Recht, in welche Richtung auch die Fahne gerade wehte. Michael Best, Leiter des ARD-Börsenstudios, geht glücklicherweise in seinem Buch „Kapitalismus reloaded – Wohin wir nach dem Debakel steuern müssen“ einen anderen Weg.
In neun Kapiteln unternimmt Best den Versuch, die Krise zu erklären, ihre Auswirkungen zu analysieren und schließlich Auswege und alternative Handlungsanweisungen aufzuzeigen. Im ersten Kapitel, „Die Blamage des Kapitalismus“, erklärt er kurz die Herkunft der Finanzkrise und wirft einige Fragen auf, etwa die, ob die Krise einfach nur durch zu große „Gier“ der Beteiligten hervorgerufen wurde. Diese Allerweltstheorie, der die Journaille gerade mit Begeisterung frönt, reicht jedoch bei Best als Erklärungsansatz glücklicherweise nicht aus.
In seinem zweiten Kapitel erläutert er, warum trotz Milliardenhilfen für die Banken eine Kreditklemme herrscht, wie das komplizierte Wechselspiel der Notenbanken funktioniert und was eigentlich eine Bad Bank ist. Im dritten Kapitel widmet er sich dann der Inflationsgefahr nach Bannung der Deflationsgefahr, im vierten Kapitel den Krediten als „Droge“, mit der einfach übertrieben wurde. Darin werden Dinge wie die Rolle des Sozialstaats, Handelsbilanzüberschüsse und –defizite und der Immobilienmarkt besprochen.
Im fünften Kapitel spricht sich Best gegen die Nutzung der Börse als Kasino aus. Er verteidigt das System, Kapital an die Arbeit zu bringen und spricht sich für eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Funktionen der Börse aus. Im sechsten Kapitel spricht er sich für eine verantwortungsvolle Vermögensbildung aus, und damit auch den Verzicht auf irrationale Renditeerwartungen à la Ackermann.
Im siebten Kapitel spricht sich Best dezidiert für bessere staatliche Aufsicht und Regulierung des Bankensektors aus. Im achten Kapitel befasst er sich dann explizit mit der Frage der Gier und stellt eine sehr vielfältige Analyse auf. Im neunten Kapitel entwirft er dann noch grob einige Visionen, wie sich der Kapitalismus in Zukunft entwickeln sollte – vorrangig ein Plädoyer für eine bessere Ethik in Wirtschaftsfragen und ein verantwortungsvolleres, kontrollierteres Schaffen.
Michael Best ist, daran kann kein Zweifel bestehen, ein Parteigänger des Kapitalismus‘ wie der Börsen und macht daraus auch keinen Hehl. Für ihn ist nicht das System als Ganzes krank, sondern es hat lediglich einige krasse Auswüchse entwickelt, die zurückgestutzt werden müssen – und es braucht Institutionen, die das erneute Anwachsen solcher Auswüchse verhindern. Sein Buch enthält sehr viele Informationen, ist gut und übersichtlich gegliedert und dazu noch gut lesbar geschrieben.
Wer sich über die Finanzkrise und aktuelle Entwicklungen informieren will, ohne sich in allzu viel Fachsprache einarbeiten zu müssen, liegt bei Best richtig. Wer visionäre Ansätze oder neue Wege erwartet, wird aber enttäuscht. Best will das bestehende System leicht reformieren, es aber nicht abschaffen. Das kann man gut oder schlecht finden, man sollte sich dessen aber vor dem Kauf bewusst sein.
Erstmals erschienen bei und erstellt im Auftrag des Roten Dorn.
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