Samstag, 17. April 2010

Zwischen Parallelwelten und der Tradition des Geldes, Teil 2

Von Stefan Sasse
Eine kritische Betrachtung der deutschen Eliten und der Frage, wozu man sie überhaupt braucht

Dieser Text ist die Fortsetzung von Teil 1.

Jedoch sagt das alles wenig über die Frage aus, ob Eliten überhaupt gebraucht werden. Die BRD besonders der sozialliberalen Ära strebte eine möglichst breite Elitenbildung an (die damals selbstverständlich nicht so genannt wurde) und führte zu diesem Zweck eine Bildungsoffensive durch, die vor allem die bisher von höherer Bildung ferngehaltenen Schichten dieser zuführen sollte. Dies waren vor allem das traditionelle Arbeitermilieu, das katholische Milieu und das ländliche Milieu. Der benachteiligte Archetypus jener Tage war das katholische Arbeitermädchen vom Lande, das alle benachteiligten Gruppen in sich vereinte. Die vorhergehende konservativ geprägte Adenauer-Ära versuchte eher, paternalistische Strukturen beizubehalten. Beiden Strömungen ist gemein, dass es ihnen fern lag, die Macht eilfertig Menschen vom Schlag unserer heutigen Eliten zu überlassen. Auch die anschließende Kohl-Ära mit ihrer propagierten geistig-moralischen Wende öffnete die Schleusen noch nicht voll, der christsoziale Arbeitnehmerflügel, durch Norbert Blüm personifiziert, war damals in der CDU noch genauso wenig in der totalen Bedeutungslosigkeit versunken wie der altliberale Flügel der FDP in Verkörperung Genschers. Es war die rot-grüne Regierung, die sich in einen Anbiederungswettlauf an diese neue Eliten warf, den sie gegen ihre Konkurrenten bei CDU und FDP nur verlieren konnte.

 
Was also sind die Eigenschaften, die wir bei der heutigen Elite vermissen (ob sie bei den alten dergestalt ausgeprägt waren, wie Zeitzeugen das in der Retrospektive gerne behaupten, sei einmal dahingestellt)? Es ist definitiv nicht der Anspruch der Elite, irgendwelche besonderen Leistungen zu erhalten, seien es Privilegien oder ein hohes Gehalt. Niemand hätte ein Problem mit Millionengehältern wenn man dabei das Gefühl haben könnte, dass die Eliten sie tatsächlich verdient haben und zudem die Spreizung nach unten nicht so gigantisch wäre. Was aber ist es?
Es sind vor allem zwei Dinge, die fehlen. Das erste davon ist Unabhängigkeit, das zweite Verantwortungsbewusstsein. Die Unabhängigkeit ist wichtig, damit nicht windige Partikularinteressen die gesamte Politik bestimmen. Jede Elite wird, da sie effektiv durch ihre Teilhabe an der Macht definiert ist, beständig den Einflüsterung von Interessensgruppen ausgesetzt sein. Ist daher wichtig, dass sie sich selbst als unabhängig davon konstituiert und den Anspruch auf Unabhängigkeit durchzusetzen bereit ist.
Verantwortungsbewusstsein sollen die Eliten für die Gesellschaft als Ganzes an den Tag legen. Ihnen muss klar sein, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen haben. Es ist dabei wünschenswert, dass sie sich diesen Entscheidungen in der gebotenen Sachlichkeit stellen und ihren Nutzen für die Gesellschaft abwägen. Das heißt auch, im Zweifel gegen eigene Prinzipien zu handeln bereit sein oder die Konsequenz zu ziehen und zurückzutreten.
Ginge es auch gänzlich ohne eine Elite? Könnten wir uns auf das alte athenische Modell besinnen und einfach die Führungsposten auslosen, begrenzt auf kurze Perioden von einem Jahr der Ausübung des Postens? Ich denke nicht. Es wird immer Eliten geben, vorausgesetzt man definiert sie schlicht mit der Machtinnehabenden Spitze. Es ist auch nicht verkehrt, Menschen zu haben die über eine hervorragende Ausbildung und die persönliche Befähigung für Spitzenpositionen verfügen, und man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass diese Positionen von jedem ausgeübt werden könnten. Wichtig ist also nicht die Frage, ob wir Eliten brauchen, sondern was für Eliten wie brauchen und welchen Maßstäben diese Eliten zu genügen haben

10 Kommentare:

  1. Bei den Wölfen hat automatisch der Intelligenteste
    und Cleverste die Führungsposition. NICHT der
    Stärkste!!!
    Er behält sie genau so lange als er täglich nachweisbar diese Rolle auch zum Wohle des GESAMTEN Rudels auszuführen in der Lage und
    Willens ist! So lange hat er unangefochten die
    Leitposition! Aber auch nur genau so lange und
    keinen Tag länger!

    Was geschieht wenn er diese Rolle nicht mehr
    ausführt ( ausführen kann) will ich den meist
    Zartbeseiteten in unserer heutigen Gesellschaft
    nicht zumuten zu schreiben. Denn es gibt
    erstaunlich viele die meinen das wilde Tiere
    lieber Vegetarier sein sollten...

    Allein an diesem simplen Beispiel sollte der
    Mensch an sich noch mal überlegen wer von wem
    was lernen könnte...

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  2. "Wichtig ist also nicht die Frage, ob wir Eliten brauchen, sondern was für Eliten wie brauchen und welchen Maßstäben diese Eliten zu genügen haben"

    Natürlich brauchen "wir" keine Eliten. Das ist das pure Sektierertum. Wenn die Menschen sich endlich einmal selbst als "Elite" erkennen würden - jeder für sich selbst - und danach handeln würden, gäbe es keine Diktatur der "Regierung". Aber so lange die Meisten sich scheinbar lieber manipulieren lassen, wird es immer irgendwelche Debil-Schlauen* geben, welche die Macht an sich reißen.

    *Debil-Schlau deswegen, weil diese Trennung von Allen und das Besserwissen nur zu minderwertigen Zuständen führen, wie man das jetzt sehr gut beobachten kann.

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  3. Wie wär's denn mal mit einer Rechtscheibungs- und Grammatik-Prüfung vor dem Posten? Der Artikel selber ist nämlich ganz nett, aber bein Lesen stellen sich immer wieder Schmerzen ein - ich sage nur "Machtinnehabenden Spitze" (sic) und die leidige Komma-Setzung...

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  4. Schön wäre es, wenn wir uns unsere Elite aussuchen könnten. Die Maßstäbe sind jedoch bereits festgelegt, die Elite sind die Gewinner des gesellschaftlichen Monopolyspiels namens Kapitalismus und, ganz wichtig, sie sind alternativlos.

    Viel entscheidender ist die Frage, wieviel Macht und Einfluss wir den Eliten zugestehen. Denn wer den Staat, seine Sozial- und Gesundheitssysteme, privatisiert, verkauft ihn eben an diese Elite. Und nur ein dummes Volk würde sich seine eigene Unfreiheit selbst erkaufen ...

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  5. Ja, eben das ist eine der Fragen in dem Zusammenhang. Hast du ne Antwort? Ich wiege derzeit diverse Gedanken hin und her...

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  6. @Stefan

    Eine? Ich habe immer mehrere Antworten, aber es sind alle leider Utopien ;-) Ich hoffe,es ist ok, wenn ich ein bisschen aushole und OT werde.

    Die Schlüssel sind für mich der freie Markt und die Antiglobalisierung, sprich dezentrale Strukturen. Ebenso wie der Neoliberalismus sehe ich auch die Eingriffe des Staates in den Markt kritisch, aber aus einem völlig anderen Grund: viel zu oft ist er ein williger Gehilfe, der zugunsten von Konzerninteressen die Marktgesetze aushebelt. Ein Beispiel: Ein Pharmakonzern entwickelt für Kühe einen teuren Impfstoff gegen einen neuen Erreger und wenig später gibt es einen Erlass, der eine Impfung gegen genau diesen Erreger zur Pflicht macht.
    Eine Lösung wäre Gesetze ohne Lobbyeinfluss.

    Eine andere Möglichkeit wäre, wenn die Verbraucher sich zusammen schließen und die Konzerne und Unternehmer, deren Praktiken eindeutig ausarten, schlicht und einfach boykottieren würden. Die Konzerne sind gebündelte Macht, solange der Konsument individualisiert ist, verliert er zwangsläufig. Es wäre so etwas wie die aus der Mode gekommene Solidarität nötig.

    Der absolute Clou wäre allerdings konkurrierende Finanzsysteme. Gäbe es z.B. funktionierende Regionalwährungen und es bestünde eine gesunde Konkurrenz zwischen den verschiedenen Finanzsystemen, wäre das das Ende der Alternativlosigkeit und die Machtbasis der Eliten würde einfach in sich zusammen brechen.

    Leider, leider ist keines dieser Utopien in absehbarer Zeit realisierbar und die Eliten in ihrer jetzigen Fehlbarkeit bleiben uns noch lange erhalten :-)

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  7. Prinzipiell klingt das nett, aber es ist stark im Ungefähren. Wie soll so etwas denn verfasst sein? Wie im antiken Griechenland einfach Ämter per Los an irgendwelche Bürger verteilen?

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  8. @Stefan

    Ich glaube nicht, dass es ein optimales System gibt, das aus sich heraus Macht und Machtkonzentration verhindern kann. Ein Systemwechsel auf z.B. das antike Griechenland würde ebenso Machtkonzentrationen zu lassen wie unser aktuelles.
    Für mich ist es daher ein ständiger, dynamischer Kampf. Die Mächtigen werden neue Wege suchen und finden, um sich noch mehr Macht anzueignen und die "Entmachteten" müssen Wege finden, sich zu schützen und die Macht wieder zurück zu holen.

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  9. Denke ich auch; aber es gibt Zwischentöne, oder?

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  10. Ja, es ist der Grad der Willkür. Z.B beim Staat ist er - nicht unbedingt gefühlt - geringer, da die Verwaltungsakte Regeln und Kontrollen unterworfen sind. In der privaten Wirtschaft übernimmt dies der Markt und daher stehen z.B. einem Monopolist sämtliche Facetten der Willkür offen.

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