Man kann Amazon zu Recht für die Arbeitsbedingungen in seinen Logistikzentren kritisieren. Aber wer Amazons Geschäft verkürzt auf die Bedienung geiziger Konsumenten auf dem Rücken ausgebeuteter Arbeiter zum Wohle profitierender Kapitalisten, der übersieht das Wesentliche.
Mein Kommentar steht unter der Grafik.
Anmerkungen:
- Die Konsumenten profitieren weit mehr von Amazon als nur durch niedrige Preise -- wenn die Preise überhaupt besonders niedrig sind. Wer online einkauft, gewinnt Zeit, die z.B. für die Familie oder für die Arbeit zur Verfügung steht. Je nach Veranlagung beides Beschäftigungen, die dem Einkaufen & Schlangestehen vorzuziehen sind.
- Konsument und Produzent können auf diese Weise von der Existenz Amazons profitieren, weil ein Geschäft zustande kommt, dass es ohne Amazon nicht gäbe.
- Darunter fällt auch der Handel mit gebrauchten Fachbüchern durch Antiquariate.
- Der deutsche Buchhandel kann jedes verfügbare Buch innerhalb 24h anliefern lassen, wie Amazon auch. Im Ausland existiert dieser Service u.U. nicht. Amazon verdrängt dort nicht einfach einen Konkurrenten sondern liefert deutlich besseren Service.
- Amazon verdrängt den klassischen Einzelhandel nicht, sondern ändert seine Bedeutung. Der klassische Buchhandel wird zum Wegweiser, zur Quelle von Empfehlungen und Neuentdeckungen. Die Spezialisten überleben. Es verschwinden die großen Buchhandelsketten, die v.a. die Bestsellerlisten beworben haben.
- Konsumenten profitieren vom deutlichen besseren Service. Lieferung innerhalb von 24h statt einer Woche, wie bei deutschen Konkurrenten, Lieferung von Großgeräten bis in die Wohnung statt bis zur Bordsteinkante. Wieder bedeutet besserer Service u.U. einen Gewinn für Konsument und Produzent.
- Amazon investiert einen Großteil des Bruttogewinns in Forschung und Entwicklung. Darunter fallen logistische Entwicklungen (die Einführung der Lieferung am gleichen Tag in den USA) wie auch die Entwicklung von Tablets und E-Book Lesern und Cloud-Computing.
- Forschung und Entwicklung bedeutet hochbezahlte Arbeitskräfte und einen Gewinn für die Öffentlichkeit, der technologische Neuerungen zu Gute kommen
- Die weiteren Ausgaben sind die Kosten der Geschäftstätigkeit und Verwaltung, also wieder Gehälter. Darunter sind sicherlich viele Niedriglohnjobs in Call Centern oder der Logistik.
- Wie die Süddeutsche schreibt, errichtet Amazon seine Logistikzentren in Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit und stellt Langzeitarbeitslose ein.
- Jobs im Dienstleistungsbereich haben einen Vorteil: Sie lassen sich nicht ins Ausland verlagern sondern existieren nur in der Nähe zum Kunden.
- Nach diesen Gewinnen der Konsumenten, Produzenten und Arbeitnehmer verbleibt ein kleiner Rest. Ein kleiner Gewinn, in den meisten Jahren kaum dreimal so hoch wie die gezahlte Steuer, der an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Gemessen am Preis einer Aktie betrug die Rendite in den letzten Jahren ca. 1%. Das ist so wenig, dass einige Kommentatoren Amazon im Scherz eine wohltätige Organisation zum Nutzen internationaler Konsumenten getauft haben.
Mit dieser Aufzählung will ich nicht Amazons Umgang mit europäischen Wanderarbeitern rechtfertigen, oder die Ausleihe Arbeitsloser bei voller Bezahlung durch das Arbeitsamt. Ersteres kann ich nicht rechtfertigen und ist allein Amazons Verantwortung. Letzteres ist die Verantwortung der Arbeitsämter und unserer Bundestagsabgeordneten.
Mein Punkt ist dieser: Amazon ist ein gewaltiger, den Handel revolutionierender Konzern. Unter diesem Wandel haben Menschen zu leiden, denen Amazon die Geschäftsgrundlage nimmt. Aber Amazon verdrängt nicht nur den romantischen Bücherliebhaber und es befriedigt nicht nur unseren Geiz. Die Wege auf denen Amazon tatsächlichen Nutzen schafft sind vielfältiger und wichtiger. Die industrielle Revolution verdrängte zuerst das kleine Handwerk und schuf erst später neue, qualifizierte Arbeit und Wohlstand. Es ist sehr leicht, bei jeder neuen Innovation zu benennen, was durch diese Innovation überflüssig wird. Es ist sehr schwer, abzuschätzen, wohin eine neue Innovation führt.
Gerade der Buchandel bewegt sich schon sehr stark in der richtung zum Ebook...
AntwortenLöschensiehe Hier...
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Amazon-co-uk-verkauft-mehr-E-Books-als-gedruckte-Buecher-1660534.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/eBook-de-verkauft-mehr-digitale-als-gedruckte-Buecher-1796223.html
Ich kaufe meine Bücher meist bei Bücher.de...
oder halt auch sehr oft gebraucht bei Booklooker.de oder auch medimops, rebuy etc.
Der Punkt ist auf langer sicht werden so oder so viele Buchandlungen eingehen.
Es werden nur die überleben die Lesungen und etc. anbieten werden, was sich aber dann auch nur in mittel bis großStädten durchsetzten wird.
In Buchhandlungen kleben an den Büchern auch keine Lobpreisungen oder Rants, die bei der Beurteilung helfen.
AntwortenLöschenFaktisch schafft Amazon ein Angebot unabhängig davon, ob innerhalb der lokalen Reichweite des Kunden genug weitere Kunden das Angebot nachfragen.
Natürlich kann ich theoretisch im Buchhandel alles bestellen. Aber dafür muss ich wissen, was ich suche. Mir ist nicht bekannt, dass ich im Buchhandel beim Verkäufer nach Büchern über John F Kennedy frage, dann vom Verkäufer ausführlich über alle solchen Bücher beraten werde um schließlich eines auszuwählen.
Ganz generell: wo gibt es eigentlich diese Buchhandlungen, von denen immer geredet wird, wo man angeblich so gut beraten wird, und unglaubliche Bücher findet, die Hugendubel mir gemeiner Weise vorenthält?
Ich kenns von Hugendubel, dort gibt es sogar eigene Regale, in denen Kundenempfehlungen stehen mit angehefteten Begründungen. Ist eben nur marginal.
LöschenGute Bücher zu finden, die es nicht in die Bestsellerlisten schaffen, finde ich auf Amazon extrem schwer. Gerade in der Belletristik. In Berlin gibt es schon Buchläden, in die ich gerne reingehe, wenn ich vorbeikomme. Aber das sagt eben auch schon etwas über das Problem aus.
AntwortenLöschenTheophil,
AntwortenLöscheneine schlüssige Gegenposition zum allgemeinen Amazon-Bashing. Hoffe, man liest zukünftig mehr von dir im OEFD ...
Auf das wir alle viele viele Bücher schreiben und uns bei Amazon wiederfinden
AntwortenLöschenHier ist eine lesenswerte Kritik am ARD-Beitrag zu Amazon.
AntwortenLöschenMan muss bei einem global verschachtelten Konzern wie Amazon der aus Steuergruenden kaum greifbar ist mit einfachen Umsatz- oder Gewinnzahlen sehr vorsichtig sein. Aehnlich wie Google oder Starbucks kann hinter einem ausgewiesenen 'Verlust' durchaus mehr stecken, wenn man (legale, von der Politik zu stoppende) Steuertricks aufdroeselt. Richtig ist aber, dass Amazon den Handel revolutioniert und natuerlich auch vielfaeltigen Mehrwert schafft. Ich bin auch zurueckhaltender bei der Romantiserung des Buchhandels. Der stellt die Produkte ja nicht her, sondern bestellt am Ende des Tages bei dem Bad Hersfelder Lager und bekommt die Ware mit einem Paketdienst geliefert der oft auch schlechte Arbeitsbedingungen hat. Und wenn dann neben dem Inhaber noch eine 400Euro-Kraft im laden hilft, dann koennen wir eine lange Diskussion fuehren, welches 'Modell' denn nun 'besser' fuer den Buecherliebhaber ist-beide sind Teil der globalen 'supply chain' und da gibt es keine wirkliche Alternative die 'langsam', 'gemuetlich' oder mit Spitzenloehnen ein besseres Buch abliefert.
AntwortenLöschenBei der Höhe des Steuerbetrags würde ich zustimmen, beim Gewinn eher nicht. Als börsennotiertes Unternehmen ist der Gewinn für die Aktionäre schon relevant, denn er ist die langfristig relevante Größe für den Unternehmenswert.
LöschenDie Romantisierung des Handels sehe ich auch so. Auch die Einkommenssituation selbständiger Buchhändler sollte man nicht überschätzen. Vielleicht ist es immer noch ein schönerer Niedriglohnjob.
Schuld sind doch nur die Zeitarbeitsfirmen und nicht amazon.
AntwortenLöschenAmazon nimmt nur das was es kriegen kann.
Und es wird auch keiner dazu gezwungen für die Firma zu arbeiten.
Ich wäre auch lieber arbeitslos als bei MC Donalds die Toilette zu putzen ;) Amazon macht nur das was die Kunden wollen: Billige Preise.
Wenn sich was ändern soll, nicht mehr solche Jobs annehmen, dagegen vorgehen, Zeitarbeitsfirmen ausschalten, usw usf. Aber was kann Amazon denn dafür ?
"Schuld sind doch nur die Zeitarbeitsfirmen und nicht Amazon. Amazon nimmt nur das was es kriegen kann."
Löscheneben. Und da gibt es eindeutig Handlungsbedarf für die Politik.
Als die Gesetze für die geringfügige Beschäftigung geändert wurden, war das ja angeblich zum Wohle der Beschäftigten und diente der Schaffung von Arbeitsplätzen!!!