Mittwoch, 6. Mai 2009

Schönwetterglobalisierung?

Im Manager-Magazin äußert Henrik Müller die Befürchtung, es könne im Zuge der Krise zu einer Entglobalisierung der Weltwirtschaft kommen. Diese Befürchtung ist sicherlich nicht unberechtigt, liegen doch historische Analogien der Weltwirtschaftskrise von 1929/30 dies nahe, in deren Umfeld es zu einem wahren Boom des Protektionismus' und regelrechten Handelskriegen kam, unter denen letztlich alle Beteiligten litten. Sollte nun durch diese neue Weltwirtschaftskrise tatsächlich eine Rückentwicklung der bisher erreichten Globalisierung eintreten, wäre dies alles andere als positiv zu bewerten.
Ich habe mich hier im Blog häufig dezidiert globalisierungskritisch geäußert. Wie attac, bei denen ich Mitglied bin, verwehre ich mich eigentlich gegen die Bezeichnung "Globalisierungsgegner", denn das sind wir eigentlich nicht. Die Globalisierung ist eine potentiell segensreiche Entwicklung, deren Stoßrichtung allerdings in eine teilweise vollkommen falsche Richtung ging und die viel von Partikularinteressen mächtiger Teilnehmer überlagert wird. Effektiv gibt es nämlich keine echte Deregulierung des internationalen Handels und eine Globalisierung, an der alle beteiligt wären. Sowohl die EU als auch die USA waren in der Vergangenheit äußerst erfinderisch darin, Deregulierung und Marktöffnung für Schwellenländer und Dritt-Welt-Länder zu erzwingen, sich selbst aber mit allerlei Sondermechanismen daraus herauszunehmen; die Agrarsubventionen beider Machtblöcke sind hierfür ein gutes Beispiel.
Eine Rückkehr zum Protektionismus früherer Jahre ist in meinen Augen wenig erfolgversprechend. Die Globalisierung hat das Potential, viele Menschheitsprobleme zu lösen und die Welt als Ganzes in ein besseres Zeitalter zu führen. Dummerweise wurde sie von Menschen vereinnahmt, die visionslos nur ihre eigenen Vorteile verfolgten und dafür auch bereit waren, sich über alle Regeln hinwegzusetzen, und die Staaten haben vollkommen dabei versagt, sie in diesem Bestreben aufzuhalten, ja, sie haben sie teils sogar aktiv unterstützt.
Ich stelle diese ausführliche Betrachtung vorn an, weil ich klar machen will, dass ich nicht undifferenziert die gesamte marktliberale Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre verdammen möchte. Es gab aber einige Tendenzen, die sich, um es höflich auszudrücken, offenkundig nicht bewährt haben. Dazu gehört die Liberalisierung der Finanzmärkte (wozu ich dieses Gespräch mit Heiner Flassbeck empfehlen kann), dazu gehört viel von der Politik der WTO, dazu die Deregulierung der Grundversorgung. Der drohende Zusammenbruch der Globalisierung im Angesicht der Krise zeigt, dass es sich letztlich um eine Schönwetterglobalisierung gehandelt hat. Sie funktionierte, solange sie mit keiner ernsthaften Krise konfrontiert war, aber sobald es Probleme gibt, bricht sie vollständig zusammen, und der viel gescholtene Staat - und das sind wir alle minus die Steuerflüchtlinge der oberen Zehntausend - muss einspringen und zur Rettung herbeieilen. Eine solche Globalisierung braucht niemand, denn sie verursacht nur Kosten während die Gewinne in die Taschen einiger weniger fließen. Manche dieser Kosten sind direkt spürbar (wie jetzt die Rettung eines völlig außer Kontrolle geratenen Bankensektors), andere sind indirekt und werden erst noch auf uns zukommen (wie das Versäumnis des Etablierens von Umweltschutzregeln). Es ist nun an der Zeit, die Globalisierung abzusichern und in den Dienst aller Menschen zu stellen, anstatt ihre Verheißungen nur einer kleinen, reichen Elite zukommen zu lassen. Das betrifft sowohl die Industriestaaten selbst, in denen ein Großteil der Bevölkerung von den Segnungen der Globalisierung vollkommen abgeschottet ist und einzig und allein ihre Kosten zu tragen hat, und das betrifft in fast noch stärkerem Maße die anderen Länder der Welt, in der allenfalls die korrupten Bürokratien von den Schmiergeldern der Konzerne profitieren.

3 Kommentare:

  1. Das Prädikat "Globalisierungsgegner" soll Attac und Konsorten als rückständige, veraltete Zeitgenossen diffamieren, die sich den angeblichen Zeichen der Zeit, der Globalisierung eben, nicht stellen wollen. Mal abgesehen davon, dass Globalisierung kein neuer Schrei der Weltgeschichte ist, sondern eher eine Konstante, erlaubt die Diffamierung, Kritiker der real existierenden Globalisierung eine Art Sektierertum anzulasten. Dass dabei wissentlich verschwiegen wird, dass Attac und Co. internationalistisch gesonnen sind, versteht sich von selbst, zumal die betreffenden Organisationen den Begriff "Internationalismus" als Relikt klassenkämpferischer Tage, nicht mehr benutzen wollen.

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  2. Kritiker werden heutzutage häufig nur als Neinsager gesehen. Es herrscht leider nur das Extrem. Ja oder Nein ist in den Mainstreammedien möglich. Das polarisiert einfach mehr. Darum stehen viele Leute die Änderungen am bestehenden System fordern gleich als Kommunisten, oder weiß ich was da.

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  3. Tja, ich weiss nicht, ich fürchte mit der Globalisierung ist es wie mit dem Kommunismus. Klingt in der Theorie ganz nett, lässt aber schon auf dem theoretischen Niveau völlig den Egoismus des Menschen als entscheidende Triebkraft außer Acht. So bleibt in beiden Fällen ein idealistisches Konstrukt, dass nur mit ständig investierter Korrekturenergie, man könnte es auch Unterdrückung von Einzelinteressen nennen, ein wenig an das herankommt, wovon man träumt. Aber erstens ist das dann nicht mehr schön, und zweitens sind prinzipbedingt die Korrigierenden genau jene, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Ganz egal, ob Ost-Parteibonzen oder West-Lobbygruppen. Und da ist mir dann Kleinstaaterei echt lieber.

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