Dienstag, 12. Mai 2009

Buchtipp: Thomas Darnstädt - Der globale Polizeistaat

In einer Zeit, in der der Terrorismus beständig als Ausrede benutzt wird, um weitere Einschnitte in die Grundrechte zu rechtfertigen – gleichwohl sich der Warnruf ähnlich der Geschichte vom Wolf inzwischen abgenutzt hat und deswegen von der Kinderpornographie verdrängt wird – braucht es Menschen, die eine Gegenposition jenseits aller Hysterie mit entsprechender Seriosität und Fachwissen bestreiten können. Thomas Darnstädt ist gewissermaßen ein Relikt aus den Zeiten, als der Spiegel ein anspruchsvolles und investigatives Nachrichtenmagazin war und nicht nur eine BILD für Intellektuelle. Er ist promovierter Staatsrechtler und weiß wovon er spricht, wenn er Schäuble Paroli bietet.

Das ist nämlich gar nicht leicht. Dass eine terroristische Bedrohung existiert, wird eigentlich nur von hauptamtlichen Verschwörungstheoretikern wie Wischnewski bestritten. Dass das Potenzial dieser Bedrohung heillos übertrieben wird, um allen möglichen Unsinn zu legitimieren und Handlungsdruck zu suggerieren, wo überhaupt keiner ist, leider auch. 6000 Menschen sterben jährlich auf Deutschlands Straßen, tausende an Zigaretten und bisher niemand an Terroranschlägen. Man muss sich diese Dimension immer wieder klar machen, denn die Wahrscheinlichkeit an einem Terroranschlag zu sterben ist niedriger als auf freiem Feld vom Blitz getroffen zu werden. Thomas Darnstädt begnügt sich nicht dabei, einfach die Argumente gegen die Sicherheitspolitik von Schily und Schäuble vorzubringen – diese sind ohnehin Legion – sondern sich auch mit deren Standpunkt zu befassen.

Denn tatsächlich sind sie nicht wirklich um ihren Job zu beneiden. Die ständige Gefahr, die von terroristischen Attacken ausgeht ist kaum zu kontrollieren, und die Prävention dagegen wird allein schon dadurch erschwert, dass es zum Wesen des Terrorismus gehört, dass er überraschend ist. Von daher kann das Bedürfnis seiner Bekämpfer nach Daten und präventiven Mitteln nur allzugut nachvollzogen werden, denn anders kann man gar nicht vorgehen.

Darnstädt zeigt jedoch deutlich auf, dass dieser Weg in die Irre führt. Die Bedrohungsszenarien von BKA und Luftsicherung, BND und KSK (nehmt das als pars pro toto) gehen von Möglichkeiten aus, die wiederum zu neuen Möglichkeiten führen. Ständig versuchen die Sicherheitsleute potentielle Gefahrenquellen auszumachen, und jeder, der sich schon einmal Sorgen gemacht hat dass irgendetwas schiefgeht und versucht hat, eine Sache bombensicher zu gestalten weiß, dass das eine vollständige Sysyphosaufgabe ist: es gibt immer irgendeine Möglichkeit, die man nicht bedacht hat, immer irgendeine Möglichkeit, dass etwas schiefgeht. Die zunehmende Paranoia lässt dann außerdem jede Verhältnismäßigkeit außer Kraft, was einen Kreislauf in Gang setzt, dessen Ende effektiv die Auslöschung der Menschheit wäre: nur so kann man sicher sein, dass niemand einen Anschlag vollführt. Zu diesem absurden Ende denkt natürlich niemand den Kreislauf, aber dass dies der Endpunkt wäre zeigt, wie absurd die Diskussion eigentlich wird.

Darnstädt zeigt in seinem Buch sehr schön, in welchem gesetzlichen Rahmen sich die Polizei, Geheimdienste und Militär eigentlich bewegen und an welche rechtlichen Grenzen sie stoßen. Das macht es verständlich, dass Schäuble spitz auf Grundgesetzänderungen ist wie Nachbars Lumpi auf die Wurst. Besser wird das dadurch nicht, und Darnstädt argumentiert in dieser Richtung klassisch und widerlegt fast alles, was die Sicherheitsfanatiker dieser Tage auf den Tisch bringen indem er aufzeigt, welche absurden Enden diese Aufrüstungsspirale nimmt.

Das Buch ist allen, die sich fundiert mit der Materie auseinandersetzen wollen uneingeschränkt zu empfehlen. Thomas Darnstädt argumentiert einleuchtend und am Rahmen der gesetzlichen Grundlage, weswegen man als Leser auch noch gleich über die entsprechenden rechtlichen Hintergründe und Implikationen aufgeklärt wird.

2 Kommentare:

  1. Ich lese Deine Texte immer wieder gerne. Du schaffst es, Dich vom dumpfen links-rechts-Denken angenehm zu distanzieren und Dich damit von jenem frei zu machen, was die Linken an den Rechten so gerne kritisieren und welchem sie doch zugleich selbst erliegen. Danke dafür.

    AntwortenLöschen
  2. Nein, ich danke! Solches Lob hört man immer wieder gerne. Hoffentlich gefällt dir die andere heute veröffentlichte Buchbesprechung ebenso.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.